Heino Ferch

Das ist sicher immer wieder von großer Dramatik, wenn sich Sat.1 und die Produktionsfirma Teamworx zusammensetzen, um zu entscheiden, wer die männliche Hauptrolle im nächsten historischen „Event“-Zweiteiler spielen soll. Ich stelle mir das so vor, dass die für ein paar Tage alle Termine absagen und sich in ein abgelegenes Konferenzzentrum zurückziehen. Dort werden endlos Castingbänder gesichtet, Quoten ausgewertet, Honorare durchgerechnet, Grundsatzfragen erörtert, und kurz bevor es so aussieht, als müssten nicht nur Freundschaften und Karrieren, sondern das ganze Projekt begraben werden, sagt ein Serviermädchen im Hinausgehen den rettenden Satz: „Ich dachte, die nehmen eh wieder den Ferch“, und es gibt ein großes Hallo, und die Marktforscher bestätigen, dass sich ihre komplexen Zahlen auf die einfache Formel bringen lassen, dass das Sat.1-Publikum gerne Helden mag, die aussehen, sich bewegen und reden wie Heino Ferch, und verblüfft und glücklich stellen alle nach einem Anruf fest, dass Heino Ferch sich die Zeit für die Dreharbeiten schon frei gehalten hat, als hätte er es geahnt.

Die offizielle Legende lautet zwar, dass Heino Ferch selbst es war, der unbedingt den Heinrich Schliemann spielen wollte, seit er auf einem langen, langen Flug einmal ein Buch über ihn gelesen hat, aber wer weiß, ob dieses Interesse nicht auch einfach zurückdatiert wurde, wie Schliemann es mit seinem Interesse an Troja tat.

Andererseits: Vielleicht hat man sich bei Sat.1 doch sehr bewusst entschieden, gerade diese Rolle mit diesem Schauspieler zu besetzen. Denn wenn ich „Der geheimnisvolle Schatz von Troja“ (morgen und übermorgen, 20.15, Sat.1) richtig verstanden habe, geht es den Fernsehleuten darum, Schliemann als jemand zu zeigen, der nicht nur beknackt war, sondern sich auch große Mühe gegeben hat, beknackt zu wirken. Und wenn es etwas gibt, das Heino Ferch beherrscht, dann das: Einen Besessenen so zu spielen, dass es aussieht, als versuche jemand angestrengt so auszusehen, als sei er besessen. Wenn Schliemann entschlossen ist, guckt er nun wie jemand, der entschlossen aussehen will, wenn er wütend ist, wie jemand, der wütend aussehen will. Das ist womöglich die ganz große Schauspielkunst, die nur zufällig wie ihr Gegenteil erscheint.

Ich habe mir dann den zweiten Teil geschenkt. Am Ende des ersten ist Schliemann scheinbar tot, bevor er überhaupt den Schatz des Priamos entdeckt hat, und ich fand das sehr angemessen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

18 Replies to “Heino Ferch”

  1. Vielleicht liegt der gefühlte Niedergang von Sat 1 daran, dass das Serviermädchen noch auf andere Sender-Entscheidungen Einfluss nimmt.

    Ich kann die Trailer und Werbeplakate für die Event-Blockbuster „Der Tunnel“, „Das Wunder von Lengede“ und „Der geheimnisvolle Schatz von Troja“ nur anhand der jeweilig getragenen Kleidung auseinanderhalten…

  2. …ich schreite hier energisch gegen die Verunglimpfung der programmgestalterischen Fähigkeiten von Serviermädchen ein. Diese unterscheiden sich nicht signifikant von denen der dafür hochbezahlten Programmgestalter und Aufsichtsgremien, wohingegen diese es nicht fehlerfrei schaffen würden, die Getränke den richtigen Personen zuzuordnen.

    Heino Ferch ist jetzt hier das neue Lauterbachmodell mit weniger Schauspielqualitäten? Ich erwarte mit Spannung die neue Heino Ferch Produktion „CO2 – Tödliches Klimagift“ – das neue Glanzlicht deutscher Fernsehproduktionen, mit ganz toll vielen Spätzeleffekts und Compudderanimazonen, danach ein Halligalli, äh, Gallileospecial: „eine Kuh verpupst die Zukunft unserer Zivilisation“, mitreißend, spannend – Wahnsinn!

  3. Nichts gegen das Serviermädchen! Es hat offenbar prophetische Fähigkeiten und kann die Prozesse im Sat1-Kreativapparat scheinbar mühelos antizipieren. Das Serviermädchen würde demnach keinerlei negativen Einfluss nehmen können, sollte es die Verantwortung übernehmen.

  4. Lieber Herr Niggemeier,

    kommen denn die Artikel, die zwischen dem 11. Februar und dem 11. März 2007 in der FAS erschienen sind, auch noch mal hier an?

    insbesondere der Raabartikel?

    Schönes Restwochenende.

  5. @Dominik (3.) und Christian (4.) u.a.w.
    Ich entschuldige mich hiermit für alle Verunglimpfungen der Fähigkeiten eines Serviermädchens. Vielleicht sollte daher bei der nächsten Konferenz eine Putzfachkraft hinzugegezogen werden, die den Laden mal „ordentlich aufräumt“ ;-)

  6. Genauso wie bei dem Besetzungsgespräch verfahren die Herrschaften wahrscheinlich auch bei der Drehbuchentwicklung: „Ok, diesmal also buddeln wir nach einem Schatz. Aber könnte man nicht noch eine Liebesgeschichte einbauen?“ Und dann springt einer auf und sagt „Ich habs! Wie wärs mal mit einer Frau zwischen zwei Männern?!“ …

  7. Heino Ferch wurde deshalb genommen, weil sonst niemand im deutschsprachigen Raum in der Lage ist, so bedeutsam zu gucken. Mit diesem Gucken kann jedes noch so schwache Drehbuch übertüncht werden.

    Spielt eigentlich Sophie Schütt mit? Eine gnadenl ähhh begnadete Schauspielerin, die alles spielen kann.

  8. >> Am Ende des ersten ist Schliemann scheinbar tot, bevor er überhaupt den Schatz des Priamos entdeckt hat, und ich fand das sehr angemessen.

  9. Wer guckt den auch Selbsteingemachtes von satt.1 – der ist doch für US-Konserven da?!
    Und bald ist’s auch ausgestanden, dann sind alle germanischen Tragödien liebesgeschichtet und synthiverkleistert verfilmt worden und man kann sich wieder dem amerikanischen widmen.

  10. ..das Serviermädchen hatte doch gar keine Empfehlung ausgesprochen, eher eine resignierte Erwartungshaltung formuliert..

    ;)

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