Herr Ramsauer setzt eine klare Überschrift

So, Herr Ramsauer, folgende Aufgabe: Sie sprechen live fünf Minuten im „Heute Journal“ mit Marietta Slomka. Sie erwähnen weder den Ministerpräsidenten noch diese aufmüpfige Landrätin. Wenn Sie das schaffen, mindestens fünfmal „Wildbad Kreuth“ und einmal „die Menschen draußen im Land“ sagen und das Gespräch mit einer faustdicken Lüge beenden, kriegen Sie ein Bier.

Marietta Slomka: Und aus Wildbad Kreuth zugeschaltet: der CSU-Landesgruppenchef, Peter Raumsauer. Guten Abend!

Peter Ramsauer: Guten Abend aus Wildbad Kreuth!

Das war ein erstaunliches Bild heute in München bei der Pressekonferenz. Vier gestandene Männer waren da angetreten, ein Aufgebot, um die Angriffe einer Landrätin abzuwehren. Was ist denn eigentlich los bei Ihnen in Bayern?

Wir haben in Bayern eine hervorragende Struktur, was die Wirtschaft, Arbeitsplätze, Staatsfinanzen, Bildung anbelangt. Wir haben eine ausgezeichnete Struktur innerhalb der Partei. Viele, die meisten Frauen, junge Frauen, mittlere, ältere Frauen in unserer Partei wundern sich, ehrlich gesagt, über das, was da vorgeht. Nämlich über die angreifende Seite wundern die sich. Aber ich möchte Ihnen ganz ehrlich sagen, darum geht es hier in Wildbad Kreuth überhaupt nicht. Wir setzen uns hier in Wildbad Kreuth auseinander mit wichtigen Zukunftsfragen unseres Landes. Mit Fragen…

Aber die Frage, wer zukünftig…

…Fragen der Gesundheitsreform, der Utnernehmenssteuerreform…

…aber Herr Ramsauer, die Frage, wer dann bei der nächsten Wahl antritt, ist schon auch…

…und so weiter…

…aber die Frage, wer nächster Ministerpräsident in Bayern wird, ist wohl auch eine wichtige Zukunftsfrage. Und Sie haben heute gesagt, Sie würden sich hinter Herrn Stoiber stellen, vor ihn und auch um ihn herum. Das klingt fast so, als müssten Sie ein waidwundes Reh beschützen. Warum braucht der Ministerpräsident so viel Schutz?

Ich hab das verdeutlicht. Weil, was hier an Theater aufgeführt wird, wird dem, was in der Tat an Substanz vorhanden ist, überhaupt nicht gerecht. Das war heute vormittag in München und jetzt hier in Wildbad Kreuth geht’s um all diese Sachfragen, die die Menschen im Land, bei denen ich dauernd bin, äh, draußen im Lande, in unzähligen Veranstaltungen, die sagen, habt’s ihr nichts besseres zu tun als euch mit Personalquerelen zu befassen. Und deswegen hab ich von Anfang an klargestellt, wir machen hier die Personalityshow, die von anderer Seite aufgezwungen werden soll, nicht mit, sondern wir tun das, was die Menschen im Land verlangen: nämlich dafür zu sorgen, daß ordentliche Politik gemacht wird.

Wer zwingt Ihnen denn diese Personaldebatte auf?

Ja. Äh, Sie unterhalten sich jetzt mit mir seit einigen Minuten nur darüber. Und ich möchte heut gerne auch darauf hinweisen, was wir tun, um ein ordentliches Gesundheitswesen auf die Beine zu stellen, die Frage, nach welchen Kriterien senden wir Soldaten ins Ausland bei Bundeswehreinsätzen…

Ja, Herr Raumsauer, das kann ich verstehen, dass Sie…

…das sind die Fragen, die mir immer gestellt werden…

…ja, aber seit Tagen redet man in der CSU im…

…steht genau das im Mittelpunkt auch unserer Beratungen…

Ja, Herr Ramsauer, …

… und wir haben seit drei Uhr nachmittag über nichts anderes gesprochen…

…ich versteh schon, dass Sie gerne möchten, dass wir jetzt über die Gesundheitsreform reden und vielleicht auch noch über Basistarife von privaten Krankenversicherungen, aber wir wollen über die Basis der CSU reden und über die Stimmung dort…

…das wird aber hier nicht bearbeitet …

…60 Prozent der bayerischen Wähler…

…seit 15 Uhr über andere Fragen.

Nee, nee, Sie unterhalten sich gar nicht über andere Fragen. In der CSU geht es vor allen Dingen im Moment um solche Fragen …

Doch, ich war zufällig bei meiner Klausurtagung dabei…

Lassen Sie uns über die bayerischen Wähler reden und nicht über Medien und Politiker.

Ich dachte, Sie wollten berichten über die Klausurtagung der CSU-Landesgruppe.

Ja, wir reden über den ganzen Tag, die letzten Tage, die Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Und 60 Prozent der bayerischen Wähler sind der Meinung, dass die Ära Stoiber jetzt doch allmählich mal zuende geht und es Zeit für einen Wechsel ist. Wollen Sie das einfach so abtun, das Thema, und damit auch diesen Wählern vor die Füße treten?

Also, erstens war diese Umfrage-Fragestellung überhaupt nicht so, wie Sie gerade gesagt haben, sondern anders. Ich kenne Umfragen, solange ich politisch tätig bin. Ich weiß, wie wetterwendisch Umfragen heute in die eine Richtung und morgen in die andere Richtung sind. Deswegen schreckt mich das nicht. Deshalb ist es umso erforderlicher, dass wir eine klare Vision, eine klare Überschrift über unsere Politik setzen. Und genau das werden wir drei Tage hier in Wildbad Kreuth tun.

Und wenn das alles eigentlich gar kein Thema ist. Warum braucht denn Herr Stoiber seit Weihnachten täglich Solidaritätsbekundungen seiner Gefolgsleute?

Weil ich genau weiß, was in meiner Partei los ist. Wir gehen in Bayern auf ganz wichtige Kommunalwahlen zu im nächsten Jahr und auch auf Landtagswahlen. Das geht den allermeisten, auch Funktionsträgern bei uns an der Basis, den Gemeinderäten, Stadträten, Bürgermeistern, Landräten, Kreisräten und so weiter, darum, dass sie in ordentlicher Weise ihre Politik darstellen können. Das liegt den Menschen wesentlich näher und ihrem politischen Umfeld hier in Bayern als irgendwelche Personalquerelen, von irgendwoher ausgerufen werden.

Dann schaun wir mal, wie sich das entwickelt. Danke für das Gespräch.

Ja. Sehr gerne.

14 Replies to “Herr Ramsauer setzt eine klare Überschrift”

  1. … die Menschen im Land, bei denen ich dauernd bin, äh, draußen im Lande, in unzähligen Veranstaltungen, die sagen, habt’s ihr nichts besseres …

    Das war haarscharf. Sonst wäre das aber nichts geworden mit dem Bier.

  2. Erschreckend. Sowas von einem Nichtgespräch. Lernen die in ihren Kaderschmieden denn immer noch nichts anderes als das Aneinanderreihen von Worthülsen, dabei das Gegenüber möglichst niederredend? „Die Menschen da draußen“ (alleine dieser Ausdruck spricht schon Bände) wissen gut aufgehoben bei ihren politischen Repräsentanten, die derart engagiert „Sachthemen“ bearbeiten. Wahrscheinlich denkt der Ramsauer, dass er es der Slomka aber mal wieder ordentlich gegeben hat.

  3. …Warum braucht denn Herr Stoiber seit Weihnachten täglich Solidaritätsbekundungen seiner Gefolgsleute?
    Weil ich genau weiß, was in meiner Partei los ist.

    Also, an der Stelle hab ich sehr gelacht…

  4. […] Manche Berufspolitiker geben der Partei der Nichtwähler geradezu Steilvorlagen. Diese Woche CSU-Landesgruppenchef Peter Raumsauer im Heute-Journal im ZDF. Stefan Niggemeier hat das Interview aufgeschrieben. Mir dabei natürlich auch die „Bullshit Bingo“-Begriffe „hervorragend“, „ausgezeichnet“, „Reform“, „Sachfragen“ und „Zukunftsfragen“. […]

  5. […] Realsatire ist noch immer die Beste. Praktischer weise hat Stefan Niggemeier es aufgeschrieben. Gestern auf dem Bühne: CSU-Landesgruppenvorsitzender Peter Ramsauer im Heute-Journal im ZDF. Und er lässt kein Wort fürs Polit-Bullshit-Bingo aus: hervorragend, ausgezeichnet, Reform, Zukunftsfragen, Sachfragen… […]

  6. Klasse Interview,

    mich hat gerade Axel Stehle, seines Zeichens Pressesprecher des bayerischen Landtagspräsidenten Alois Glück angerufen, und wollte von mir wissen wer oder was Radio Transparency ist.

    Radio Transparency hat ein falsches Interview mit Alois Glück er E-Mail verbreitet, dass den Alois Glück unglücklich gemacht hat.

    Ich hab’s natürlich prompt gebloggt:

    http://www.mein-parteibuch.de/2007/01/10/alois-glueck-auf-der-suche-nach-radio-transparency/

    Gruß

    Marcel

  7. […] Zurück zur CSU: Herr Raumsauer hat ein schönes Interview gegeben. Auf Verwickeltes heißt das dann “Politik-Bullshit-Bingo mit Peter Raumsauer“. Das Bezieht sich auf eine Mitschrift eines Inteviews von Raumsauer, welches Stefan Niggemeier gemacht. Durchlesen und lachen! […]

  8. Bayrisches Drama in x Aufzügen…

    Das politische Drama um den bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber scheint kein Ende finden zu wollen. Dabei scheint eigentlich gar nicht so klar, wann denn der Mehrakter um den Niedergang des bayrischen Sonnenkönigs Ludwi…

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