How He Did It

Während die größte deutsche Zeitung ihre Leser in einer großen Serie informiert, was der künftige Präsident der Vereinigten Staaten vor zwanzig Jahren gemacht hat, hat das amerikanische Nachrichtenmagazin „Newsweek“ aufgeschrieben, was er die vergangenen Monate so erlebt hat. Seit 1984 veröffentlicht „Newsweek“ nach jeder Präsidentschaftswahl ein Dossier „How He Did It“. Die beteiligten Reporter arbeiten für ein Jahr lang völlig getrennt von der aktuellen Redaktion, sind näher dran an den handelnden Personen, erfahren sonst unbekannte Hintergründe und bekommen weniger geschönte Antworten — dürfen all das aber erst nach der Wahl veröffentlichen.

In sieben langen Kapiteln hat „Newsweek“ die Ergebnisse des faszinierenden Projektes auf seiner Homepage veröffentlicht. Ich habe das nicht alles gelesen, aber die Leute von „Gawker“ haben freundlicherweise einige der spannendsten Geschichten ausgewählt. Sie erzählen zum Beispiel von dem Streit in Hillary Clintons Wahlkampfteam, aber auch die Episode, ganz am Anfang des Wahlkampfes, als sie sich fragte, warum sie sich das überhaupt antut:

On a cold midmorning in January 2007, Hillary sat in the sunny living room of her house on Whitehaven Street in Washington, a well-to-do enclave off Embassy Row where she lived with her mother and, on occasion, her husband. She was finishing a last round of policy prep with her aides before getting on a plane to Iowa for her first big campaign swing. In a moment of quiet, she looked around the living room and said, to no one in particular, „I so love this house. Why am I doing this?“

Her policy director, Neera Tanden, and her advertising director, Mandy Grunwald, laughed, a little too lightheartedly. Clinton went on. „I’m so comfortable here. Why am I doing this?“

Tanden spoke up. „The White House isn’t so bad,“ she said.

„I’ve been there,“ said Clinton.

Herzerwärmend ist auch die Anekdote über McCains Frau Cindy, und wie sie mit Karl Rove umgehen würde, dem Wahlkampfleiter von George W. Bush, der 2000 mit einer widerlichen Schmutzkampagne den damaligen Konkurrenten McCain aus dem Feld schlug:

At a private gathering in Aspen, Colo., in the summer of 2007, a friend asked Cindy whether she would stab Rove in the back if he walked by. „No,“ she answered, „I’d stab him in the front.“

Und dann ist da Barack Obama. Der Mann, der offenbar noch cooler ist, als alle ohnehin schon glauben:

On the eve of his speech to the Democratic convention in 2004, the speech that effectively launched him as the party’s hope of the future, he took a walk down a street in Boston with his friend Marty Nesbitt. A growing crowd followed them. „Man, you’re like a rock star,“ Nesbitt said to Obama. „He looked at me,“ Nesbitt recalled in a story he liked to tell reporters, „and said, ‚Marty, you think it’s bad today, wait until tomorrow.‘ And I said, ‚What do you mean?‘ And he said, ‚My speech is pretty good‘.“

Newsweek: „How He Did it“.
Gawkers „Guide To the Endless Newsweek Story on the Endless Campaign“.

17 Replies to “How He Did It”

  1. ich mag ja großartige menschen, die eine perfekte selbsteinschätzung haben. siehe auch roger federer. unglaublich dieses selbstbewusstsein. absolut angebracht!

  2. Es ist doch alles ein wenig wie bei „The West Wing“ – so viele an Obama, Clinton und McCain erinnernde Kleinigkeiten, die Aaron Sorkin schon damals in seine Charaktere gebracht hatte; so viele Dialoge, die ich vor Jahren in der Serie geliebt habe und die jetzt – oft sinngemäß, aber doch mit frappierender Ähnlichkeit – auf CNN und Co. zu hören sind. Und ein Obama, der wie eine zwanzig Jahre ältere Version von Charlie Young wirkt und redet wie Präsident Bartlet.

    Faszinierend.

  3. ich muss jetzt einfach mal ganz ungeniert lobhudeln: stefan, du bist einfach das ultimative internet-trüffelschwein. vielen dank dafür.

  4. Andere würde man dafür arrogant schelten. In dem Fall, daß sie nicht einer Minderheit angehörten und vielleicht nicht ganz so attraktiv wären.

  5. Habe alles gelesen. Ganz faszinierend. Sehr aufschlussreiche Psychogramme der beiden Kandidaten. Zu den interessantesten Punkten gehört, dass Obama – den ich, keine Angst, auch verehre – wie manche – oder viele – publikumswirksame Charismatiker einen ganz entschiedenen Zug ins Langweilige zu haben scheint.

  6. Apropos *newsweek*: Evan Thomas über die Darstellung Obamas:“There is a slightly creepy cult of personality about all of this.“ … „a little uneasy that he’s so singular. He’s clearly managing his own spectacle. He knows how to do it. He’s a — I think, a deeply manipulative guy…“

    Wenn ich es richtig sehe, fand man es in den USA eher ungewöhnlich, daß die „Siegesrede“ gehalten wurde und nur eine Person, Obama selbst, auf der Bühne stand.

    Mit „creepy“ meinte Thomas natürlich nicht Obama, sondern die Leute, die ihn cool finden und verehren. ;-)

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