Search Results for: 9live

Abschied von 9live

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Vielleicht wäre eine humane Lösung, die Moderatoren glauben zu machen, dass 9live den Betrieb seiner Anrufspiele gar nicht einstellt. Man könnte den Studiotrakt, in dem sie arbeiten, abriegeln und sie einfach weiter arbeiten lassen. Gelegentlich müsste mal jemand anrufen und durchgestellt werden und eine falsche Lösung sagen, aber das wäre kein großer Aufwand, auch finanziell nicht.

Sie scheinen dort schließlich, wenn schon nicht glücklich zu sein, so doch wenigstens ein Zuhause gefunden zu haben. Am Freitagabend konnte man Tina Kaiser zusehen, die sich die endlose Zeit, bis der „Hot Button“ zuschlug, damit vertrieb, ihren Lieblingssong „Spending My Time“ (!) von Roxette leise vor sich hin zu summen. Ihr Kollege Dirk Löbling, der die nächste Schicht übernahm, beschimpfte leidenschaftlich die Kollegen in der Regie, wobei unklar blieb, ob die Stimmen, mit denen er sich unterhält, tatsächlich in seinem Ohr oder nur in seinem Kopf sind. Später kam Max Schradin und begann seine Sendung damit, minutenlang zu tanzen, wie ein Achtjähriger im Kinderzimmer vor dem Spiegel.

9Live hat längst mehr mit betreutem Wohnen zu tun gehabt als mit Fernsehen. Warum soll man diesen Menschen das nehmen? Nur weil sich der Countdown bis zum Zuschlag des Hot Button ab Ende Mai von ewig auf unendlich verlängert?

Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Lösung wäre natürlich, dass Menschen, die rund um die Uhr bei einer Fernsehsender-Attrappe moderieren, nicht woanders moderieren können. Denn obwohl die Call-TV-Animateure sich, seit das Aus des Programms bekannt ist, in bitteren schwarzen Humor flüchten, muss man fürchten, dass sie mit ihrem Talent zum Füllen von Zeit durch Nichts auch in anderen Sendern eine öffentliche Aufgabe finden werden. Vermutlich reicht es schon, sie auf eine schlammfarbene Couch zu setzen, und sie könnten als Moderatoren der Nachmittagsfüllungen in den Dritten Programmen durchgehen.

Die am Dienstag gesuchten männlichen Vornamen mit einem L waren übrigens Kalani, Naphtali, Neacel, Sheldon, Sobieslaw, Udalfried, Walo, Zabdiel und Zsolt.

Betrug: 9Live entlässt Mitarbeiter

Im vergangenen November ist es bei 9Live zu einem massiven Betrugsvorfall gekommen. Nach meinen Informationen haben zwei Mitarbeiter versucht, einen Anrufer um seinen Gewinn zu bringen, indem sie die richtigen Antworten nachträglich manipuliert haben. 9Live hat sich von beiden getrennt, will sich aber nicht zu dem Fall äußern.

· · ·

18. November 2008, kurz nach Mitternacht. Auf 9Live läuft „Quizzo“. Es moderiert Max Schradin, der in dieser Nacht noch aufgekratzter und irrer wirkt als sonst. Er spielt ein Spiel, das er als „absolute Weltpremiere“ ankündigt: Erstmals sind 16 Begriffe gesucht, die auf „-licht“ enden.

Am Anfang ist es, wie immer, leicht: „BLAULICHT“, „BLITZLICHT“, „BREMSLICHT“, „ROTLICHT“ werden erraten.

Dann erhöht 9Live die Gewinnsumme. Ein Anrufer, der einen der verbliebenen Begriffe hinter den Abdeckungen errät, kann zehn-, zwanzig-, dreißigtausend Euro bekommen. Schradin ermuntert die Zuschauer, leichte Begriffe zu nennen. Als jemand „Seitenlicht“ sagt, erwidert er:

„Denken Sie sich mal bitte keine Begriffe aus. Seitenlicht. Was ist denn ein Seitenlicht, Leute? Klassische Begriffe! (…) Leute, denken Sie sich hier ja nichts aus. Sie kennen die Begriffe, die hier auch abgeklebt sind!“

Das ist natürlich nicht wahr. Die Begriffe, die 9Live später auflöst, lauten:

STACHELICHT, BÜCHSENLICHT, AUERLICHT, NACHSCHUSSPFLICHT, AUSGLEICHUNGSPFLICHT, SCHWINDLICHT, WIDERSTANDSPFLICHT, CHRONISTENPFLICHT, REPRÄSENTATIONSPFLICHT, ANDIENUNGSPFLICHT, LABORLICHT, NACHTHIMMELLICHT.

(Alle Linkversuche von mir.)

Erstaunlich, dass kein einziger davon erraten wird.

Mit der Irreführung der Zuschauer und vermutlich auch der Auswahl der Begriffe verstößt der Sender gegen die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten, aber das ist Betrugsalltag bei 9Live.

Dabei bleibt es aber in dieser Nacht nicht.

Gegen 0.30 Uhr kommt ein Anrufer namens Nils durch. Er sagt „STEARINLICHT“. Er hat eine der hohen „Gewinnleitungen“ getroffen, die zu dieser Zeit sogar doppelt zählen, hinzu kommt noch der Inhalt einer „Wanne“ mit Geldscheinen — insgesamt vermutlich über 20.000 Euro. Max Schradin bietet ihm bis zu 4000 Euro, wenn er auf seinen Begriff verzichtet. Nils lehnt ab und geht auf Risiko, doch der Begriff wird als falsch gegeben.

Ob er zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht auf der Tafel steht, wird für die Zuschauer nicht nachzuvollziehen sein. Denn eine Stunde später reißt Max Schradin den Bogen mit den noch abgeklebten Lösungen von der Wand und schiebt ihn mit dem Fuß aus dem Bild. Erst kurz vor zwei Uhr morgens später ist er wieder zu sehen: als Schradin auf dem Boden auf ihm herumrutscht, um die Lösungen aufzudecken.


Doch der Bogen soll in der Zwischenzeit manipuliert worden sein. Der Producer der Sendung und der Executive Producer der 9Live-Abendformate, die in dieser Nacht Dienst hatten, sollen nach Angaben eines Insiders die halbe Stunde, in der er nicht zu sehen war, dazu genutzt haben, den Begriff „STEARINLICHT“ auf dem Papierbogen gegen einen anderen auszutauschen. Der Anrufer Nils sei von ihnen um seinen hohen Gewinn geprellt worden.

Im Nachhinein sollen Mitarbeiter den Betrug der Geschäftsleitung gemeldet haben. Nachdem der Justiziar des Senders, Michael Müller, die Sache recherchiert habe, sei den beiden Producern gekündigt worden; Moderator Schradin soll eine Abmahnung bekommen haben.

· · ·

Vor zwei Wochen veröffentlichte 9Live-Geschäftsführer Ralf Bartoleit auf der Homepage seines Senders einen Brief „In eigener Sache“ an die „Zuschauerinnen und Zuschauer“. Neben dem üblichen Unsinn („Wie Sie wissen, stand und steht 9Live für Fairness, Transparenz und Chancengleichheit“) schrieb er:

[Es hat] Ende vergangenen Jahres einen Fall gegeben, bei dem es zu einem gravierenden Fehlverhalten gekommen ist. Von den beiden dafür verantwortlichen Mitarbeitern hat sich 9Live unverzüglich getrennt. Wir bedauern diesen Vorfall gegenüber unseren Zuschauern außerordentlich. Gleichwohl zeigt dies aber, dass wir unser Versprechen Ihnen gegenüber, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ernst nehmen. Für die Zuschauer ist durch den Vorfall kein Schaden entstanden. Er zeigt aber auch, dass unsere internen Kontrollmechanismen funktionieren.

Die „Transparenz“ von 9Live geht nicht soweit, den Zuschauern mitzuteilen, worin das „gravierende Fehlverhalten“ genau bestand. Auf meine Anfrage, ob es sich dabei um den oben beschriebenen Vorfall handelt, ob man mir erklären könne, warum sich der Moderator offenbar so bereitwillig an der Manipulation beteiligte, ob Max Schradin die richtigen Antworten wusste, ob 9Live auch gegen ihn Schritte eingeleitet hat und ob dem Anrufer der volle Betrag, den er gewonnen hätte, ausgezahlt wurde, erklärte der Sender nur, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

· · ·

Ich weiß nicht, ob es sich bei dem Betrugsfall um einen außerordentlichen Einzelfall handelte oder ob das Außerordentliche nur war, dass das Handeln des Producers intern auffiel und von der Studiocrew nicht gedeckt wurde. Eine Motivation für das Handeln des Producers könnte sein, dass er budgetverantwortlich ist, das heißt, es muss mit einem vorgegebenen Budget eine bestimmte Zahl an Anrufen generieren. Gerät seine Kalkulation dadurch aus den Fugen, dass ein Zuschauer einen teuren, eigentlich unmöglich zu erratenden Begriff errät, hat er ein Problem.

· · ·

Gibt 9Live sich die Kugel?

Ich habe für die heutige Ausgabe der „taz“ über die neuen Gewinnspielregeln geschrieben, die vermutlich vom kommenden Frühjahr an die Rechtsgrundlage für die teuren Anrufspiele von 9Live, DSF, Tele 5 und die anderen bilden werden. Einige ursprünglich im Entwurf vorgesehene Punkte, die tatsächlich für Transparenz hätten sorgen und Spielsüchtige schützen können, konnten die Privatsender zwar verhindern. Aber die neue Satzung, das neue Aufsichtsgremium der Landesmedienanstalten („ZAK“) und die Tatsache, dass Verstöße erstmals eine Ordnungswidrigkeit sind und mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden können, werden das Leben für 9Live & Co. erheblich erschweren. (Mehr dazu auf taz.de.)

9Live-Geschäftsführer Ralf Bartoleit hat im E-Mail-Interview auf die Verschärfung der Bedingungen mit süßlichen Nebelkerzen reagiert:

Ist 9Live mit dem jetzt vorliegenden Entwurf zufrieden?

Nun, der vorliegende Entwurf ist noch nicht abschließend in Kraft getreten. Zunächst müssen die Gremien der einzelnen Landesmedienanstalt das Papier prüfen und absegnen. Was unser Programm angeht, sehen wir für uns keine grundlegenden Änderungen. Seit Jahren verpflichten wir uns freiwillig einem strengen Regelwerk und gehen bereits heute mit gezielten Verbraucherhinweisen über die Forderungen der Landesmedienanstalten hinaus.

Halten Sie diese Regeln für praktikabel?

Grundsätzlich ist es doch so: Durch klare Regeln schafft man Transparenz und damit Vertrauen. Deshalb war und ist 9Live auch ein Treiber und Befürworter in dieser Sache. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob die deutlich gestiegene Zahl der Hinweispflichten einem Live-Programm zuträglich ist. Aber ein klares Règlement stellt auch einen fairen Wettbewerb sicher, von dem auch der Zuschauer profitiert. Wir setzen uns seit jeher dafür ein, das Geschäftsmodell langfristig und nachhaltig abzusichern.

Die jetzige Fassung ist gegenüber einem früheren Entwurf weniger streng — weggefallen ist zum Beispiel die Pflicht, die Zahl der Teilnehmer an einem Spiel ins laufende Programm einzublenden und eine Obergrenze für die Teilnahme pro Tag. Ist das im Sinne von 9Live?

Wir nehmen die Verantwortung gegenüber unseren Zuschauern ernst. So weisen wir zum Beispiel im laufenden Programm stets darauf hin, dass die Zuschauer ihr Anrufverhalten kontrollieren sollen.

Was wird 9Live am Programm und der konkreten Gestaltung der Spiele ändern müssen, um den neuen Regeln gerecht zu werden?

Wie bereits erwähnt, ist der vorliegende Entwurf noch nicht in Kraft. 9Live praktizierte aber bereits vor der neuen Gewinnspielsatzung die meisten der angekündigten Maßnahmen. Beispielsweise stellte 9Live schon immer sicher, dass für jeden Teilnehmer zu jeder Zeit des Spiels eine Chance besteht, ausgewählt zu werden und zu gewinnen. Die Teilnahme an den Gewinnspielen kostet seit jeher 50 Cent und Grundbedingung für eine Spielteilnahme bei Call-In Sendungen ist ein Mindestalter von 18 Jahren.

Besonders offensichtlich ist der Versuch der Irreführung bei Bartholeits letztem Satz: Denn zu der Begrenzung der Kosten und dem Ausschluss Jugendlicher ist 9Live auch schon „seit jeher“ gezwungen. Das hat mit den „angekündigten Maßnahmen“ nichts zu tun.

Unterdessen versucht auch der einschlägig bekannte 9Live-Moderator Max Schradin, den Kritikern „den Segel aus dem Wind“ zu nehmen. Die unermüdlichen Protokollanten von „Call-in-TV“ haben seine Aussagen mit dem Sendealltag von 9Live kontrastiert — das Video ist auch eine schöne Übersetzung dafür, was Ralf Bartholeit mit „Transparenz“ und „Vertrauen“ meinen muss:

(Über das merkwürdige Verhalten der „schwarzen Kugeln“ bei 9Live gibt es auch eine eigene ausführliche Video-Dokumentation. Mag sein, dass es sich nur um eine abwegige Verschwörungstheorie handelt. Aber warum sollte 9Live nicht auf diese Weise seine Ausgaben zu senken und die Ziehung zu manipulieren versuchen?)

9Live zieht Konsequenzen aus 31. Juni

9Live-Sprecherin Sylke Zeidler erklärt in den Kommentaren zu diesem Vorfall:

9Live entschuldigt sich in aller Form für diesen peinlichen und in keiner Weise akzeptablen Fehler. Der Anrufer hat selbstverständlich erneut eine Chance bekommen und wird aus Kulanzgründen darüber hinaus eine Entschädigung erhalten. Außerdem gibt es personelle Konsequenzen. Das falsche Datum beruht auf einen ärgerlichen Fehler in der Produktion des Kalenders. Bedauerlicherweise scheint nicht allen – auch in unserer Redaktion – bekannt zu sein, dass der 31. Juni nicht existiert.

Mit freundlichen Grüßen
Sylke Zeidler
9Live-Sprecherin

Das Geschäftsmodell von 9Live (3)

Am 1. Juni hätte eine Anruferin bei 9live den Jackpot gewinnen können. Einzige Voraussetzung: Ihr Geburtstag hätte mit dem Datum übereinstimmen müssen, das als nächstes auf einem großen, von 9live präparierten Abreißkalender erschien. Kleines Problem: Bei dem Datum handelte es sich um den 31. Juni.

Nachdem das Forum call-in-tv.net den Fall öffentlich gemacht hatte, bekam die Anruferin ein paar Tage später immerhin eine zweite Chance.

Heute früh kam das „Geburtstagsjackpot“-Spiel wieder zum Einsatz, im von 9live produzierten „Filmquiz“ auf Kabel 1. Und mit diesem Geburtstag hätte der Anrufer gewonnen:

Nachtrag, 10. Juli. Kabel 1 bzw. 9Live haben dem Kandidaten eine zweite Chance gegeben — nicht ohne die Tatsachen zu verdrehen.

[via call-in-tv.net]

Der Weihnachtsskandal von 9Live (2)

Erinnern Sie sich noch an das Geschenk, das 9Live seinen Zuschauern am zweiten Weihnachtstag gemacht hat, als der Sender über 13 Stunden lang keinen Anrufer ins Programm durchstellte, aber alle halbe Stunde so tat, als sei die Sendung nun zuende? (Hier anzusehen.)

Ich hatte ja damals nicht nur 9Live um eine Stellungnahme gebeten (die für solche Fälle eigens einen Presseanfragenbeantwortungsroboter aus dem Nachlass des sowjetischen Informationsministeriums erworben zu haben scheinen), sondern auch einige, zugegeben: schlecht gelaunte Fragen an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) geschickt.

Am vergangenen Freitag erreichten mich nach über fünf Wochen die Antworten:

1. Ist der BLM der Fall bekannt?

Ja, der BLM ist der Fall bekannt.

2. Ist die BLM in diesem Fall bereits tätig geworden?

Ja, die BLM ist bereits tätig geworden. Wir haben zu dem Fall eine schriftliche Anhörung von 9Live durchgeführt. Die Stellungnahme des Senders ist inzwischen eingegangen und wird von uns derzeit geprüft.

3. Ist dieses Vorgehen vereinbar mit den Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten?

Wir gehen davon aus, dass durch die Moderation selbst sowie durch die Moderation unterstützenden Crawls, insbesondere durch die mit unterschiedlicher Bedeutung belegten Begriffe „Sendungsende“, „Sendeende“, und „Spielende“, irreführende bzw. falsche Aussagen über die Spieldauer sowie über die Beendigung des Spiels getroffen wurden (Nr.5.2 Satz 1 GewinnSpielRegeln). Ferner gehen wir davon aus, dass nicht vorhandener Zeitdruck aufgebaut wurde (Nr. 5.2 Satz 5 GewinnSpielRegeln). Die GewinnSpielRegeln enthalten keine ausdrücklichen Bestimmungen darüber, innerhalb welchen Zeitraums Anrufer spätestens durchgestellt werden müssen. Ungeachtet dessen prüfen wir die Möglichkeit eines rechtlichen Vorgehens.

4. Angenommen, 9Live würde ab sofort überhaupt keinen Anrufer mehr ins Studio durchstellen: Wann schätzen Sie, würde die BLM das bemerken?

Die Programmbeobachtung der BLM mit einem erprobten System aus Stichproben, Anlass bezogenen und Routinekontrollen entspricht anerkannten Standards und führt erfahrungsgemäß zur Feststellung von Verstößen in angemessener Zeit. Die BLM verfügt aber nicht über das Personal, die Programme lückenlos zu beobachten. Dennoch würde uns das von Ihnen geschilderte Szenario schnell auffallen.

5. Und was würden Sie dann tun?

Wir würden, wie es die Verfahrenregeln vorsehen, den Sender anhören und im Anschluss ein rechtliches Vorgehen prüfen.

6. Täuscht mein Eindruck, dass die zweifelhaften Praktiken von 9Live für die BLM eine extrem niedrige Priorität haben?

Ihr Eindruck täuscht Sie in der Tat. Die BLM hat in der Vergangenheit zahlreiche Beanstandungen gegen 9Live und andere Sender, die Gewinnspiele veranstalten, ausgesprochen. Wie Sie wissen, handelt es sich bei den GewinnSpielRegeln um freiwillige Vereinbarungen zwischen den Landesmedienanstalten und den Sendern, deren Nicht-Einhaltung keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen zeitigt. Es waren die Landesmedienanstalten und im Besonderen die BLM, die bei den gesetzgebenden Ländern darauf gedrängt haben, Verstöße gegen die GewinnSpielRegeln als Ordnungswidrigkeitstatbestand in den Runkfunkstaatsvertrag aufzunehmen. Dies wurde im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag umgesetzt, der am 1. September 2009 in Kraft treten soll.

7. Warum ist das so?

Siehe Antwort zu Frage 6.

8. Würden Sie sagen, dass es eine Medienaufsicht in Deutschland gibt, die das Programm von 9Live kontrolliert?

Die BLM als zuständige Landesmedienanstalt kontrolliert das Programm von 9Live wie alle anderen Programme, die von ihr genehmigt wurden.

Zum Vergleich: Seit 23. Januar strahlt der Sender RTL (für den die niedersächsische Landesmedienanstalt NLM zuständig ist) die aktuelle Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ aus. Bereits am 31. Januar gab die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) bekannt, erneut ein Prüfverfahren gegen die Sendung eingeleitet zu haben. Wolf-Dieter Ring, der Vorsitzende der KJM und Chef der BLM, nahm am selben Tag das Urteil schon vorweg: RTL habe aus der Beanstandung im Vorjahr keine Konsequenzen gezogen. Darüber sei er „schwer verärgert“. Äußerungen von Dieter Bohlen, der die Verantwortung für die Bloßstellung eines Jugendlichen durch Bohlen und RTL dessen Vater gab, nannte Ring „verlogen und scheinheilig“. Gegenüber der „Super-Illu“ sagte er zwei Wochen später: „Die Wortwahl, die Häme, das Lächerlichmachen, das Bloßstellen — ich habe den Eindruck, dass das jetzt sogar noch zugenommen hat.“ Heute entschied die KJM erwartungsgemäß, mehrere Ausstrahlungen zu beanstanden und ein Bußgeldverfahren einzuleiten.

Richtig ist: Mangels gesetzlicher Grundlage könnte die BLM 9Live momentan gar kein Bußgeld aufbrummen. Aber bin ich der einzige, der die drastischen Worte von Wolf-Dieter Ring über die an der Grenze zum Betrug angesiedelten Praktiken von 9Live in den letzten Jahren überhört hat? Liegt es daran, dass es bei 9Live, anders als bei RTL, um bayerische Arbeitsplätze geht? Oder sind Dieter Bohlens Sprüche einfach ein Thema, mit dem sich nicht nur RTL und die „Bild“-Zeitung, sondern auch vermeintliche Medienwächter wunderbar profilieren können?

Der Weihnachtsskandal von 9Live

Folgendes trug sich am 2. Weihnachtstag im Programm von 9Live zu:


Link: sevenload.com

Das wirft doch Fragen auf, und ein paar davon habe ich Sylke Zeidler, der Unternehmenssprecherin von 9Live gestellt:

  • Ist es richtig, dass 9Live am Nachmittag und Abend dieses Tages über 13 Stunden lang keinen einzigen Anrufer ins Programm durchgestellt hat?
  • Wenn ja: Warum war das so?
  • Plant 9Live weitere Sendungen dieser Art?
  • Gibt es Überlegungen, nur noch alle paar Tage einen Anrufer ins Programm durchzustellen? Oder einfach gar keine Anrufer durchzustellen? Wäre das nicht konsequent?
  • Warum haben die verschiedenen Moderatoren immer wieder falsche Angaben über das Ende der Sendung und des Rätsels gemacht?
  • Inwiefern sind diese falschen Angaben in Verbindung mit diversen Countdowns, darunter auch einem „Finalen Countdown“, vereinbar mit den Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten? [pdf]
  • Zu den „9Live-Qualitäten“ gehört nach Angaben von 9Live, „dass die Zuschauer über die maximale Spieldauer informiert werden“. Gelten diese „Qualitäten“ nur an bestimmten Wochentagen? Oder warum hat 9Live die Zuschauer nicht über die tatsächliche maximale Spieldauer informiert?
  • Inwiefern hat die Sendung dem Wunsch des Zuschauers in Hinblick auf Orientierung sowie Transparenz in besonderer Weise Rechnung getragen?

Frau Zeidler war so nett zu antworten, und der Fairness halber möchte ich die Stellungnahme von 9Live ungekürzt veröffentlichen:

9Live stellt durch einen technischen Mechanismus sicher, dass zu jedem Zeitpunkt in jeder Sendung für die anrufenden Zuschauer eine Gewinnchance besteht. Dieses technische System ist einzigartig im deutschen Call-TV Markt. Darüber hinaus garantieren wir fortlaufend Zusatzgewinne außerhalb des Liveprogramms, die direkt über unser Service-Center abgewickelt werden. So hat 9Live an dem von Ihnen angefragten 26. Dezember 2007 insgesamt 788 Anrufer zu Geldgewinnern gemacht, davon 41 on Air und 747 off Air. Im Übrigen zählte 9Live allein im Dezember vorigen Jahres insgesamt 48.894 Gewinner, davon 2.673 on Air-Gewinner.

Weil ich ahnte, dass die Antwort von 9Live in manchem Wortsinne erschöpfend sein könnte, hatte ich auch der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) geschrieben, die theoretisch für die Aufsicht über das Programm von 9Live zuständig wäre, und sie unter Hinweis auf das Video oben gefragt:

  • Ist der BLM dieser Fall bekannt?
  • Ist die BLM in diesem Fall bereits tätig geworden?
  • Ist dieses Vorgehen vereinbar mit den Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten?
  • Angenommen, 9Live würde ab sofort überhaupt keinen Anrufer mehr ins Studio durchstellen: Wann, schätzen Sie, würde die BLM das bemerken?
  • Und was würde sie dann tun?
  • Täuscht mein Eindruck, dass die zweifelhaften Praktiken von 9Live für die BLM eine extrem niedrige Priorität haben?
  • Warum ist das so?
  • Würden Sie sagen, dass es eine Medienaufsicht in Deutschland gibt, die das Programm von 9Live kontrolliert?

Eine Antwort habe ich noch nicht bekommen, was daran liegen kann, dass der zuständige Pressereferent gerade im Urlaub ist — oder natürlich, zugegeben, am Tonfall meiner Anfrage.