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Anti-Lanz-Petition erinnert die „Zeit“ an Anti-Juden-Kampagne der Nazis

Immerhin ist nun der Tiefpunkt der Debatte erreicht. Gesetzt hat ihn ein Mann namens Josef Joffe, und in jeder Kommentardiskussion im Internet hätte er sich dadurch disqualifiziert, dass er die Nazi-Karte gezogen hat.

Aber das hier ist keine Kommentardiskussion im Internet, das hier ist die superseriöse, superanständige, superbürgerliche Wochenzeitung „Die Zeit“. Josef Joffe ist ihr Herausgeber.

In der aktuellen Ausgabe schreibt er:

Markus Lanz hat ein unprofessionelles, ja nervendes Interview mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht geführt, das — sagen wir’s so — der Wahrheitsfindung nicht gedient hat. Doch der eigentliche Skandal ist der Shitstorm, der nachdenkliche Menschen in die Depression treiben müsste. (…)

Gab’s nicht schon bei den alten Griechen eine tönerne Form des Scheiße-Orkans — das Scherbengericht? Ja, und auch damals ohne formelle Anklage und Verteidiger. Aber: Es musste ein Quorum her von mindestens 6000 Athenern und eine Abkühl-Pause. Zwischen dem Votum für einen Ostrazismus und der eigentlichen Abstimmung über die Verbannung (zehn Jahre) mussten zwei Monate liegen. So wurde verhindert, dass jemand durch eine selbst erwählte Minderheit in der momentanen Aufwallung aus Athen vertrieben wurde (er behielt Bürgerrechte und Besitz).

Ostrazismus ist, wie mir Wikipedia verrät, die latinisierte Version von Ostrakismos (ὁ ὀστρακισμός), und das bedeutet: Scherbengericht. Joffe spart sich durch das Wort also eine weitere Synonymsuche und beruhigt gleichzeitig „Zeit“-Leser, die durch das Wort „Scheiße-Orkan“ aufgeschreckt wurden: Hier schreibt jemand, der alt und gebildet genug ist, um auch die latinisierten Versionen von griechischen Wörtern von deutschen Wörtern zu kennen, und dessen Urteil über Dinge in der Welt also unbedingt zu trauen ist.

Leider weiß dieser gebildete Mann nicht, was eine Petition ist, obwohl das Wort aus dem Lateinischen kommt. Es bedeutet „Bittschrift, Gesuch, Eingabe“. (Ich habe zwar das Latinum, aber sicherheitshalber in der Wikipedia nachgeschlagen.) Es handelt sich — ich wiederhole mich — nicht um eine Abstimmung, die bei ausreichender Stimmzahl zur Folge hat, dass die jeweilige Forderung erfüllt wird. Es handelt sich um eine Bitte, die durch eine größere Zahl von Unterstützern nur lauter zu vernehmen ist, nichts mehr. Deshalb ist Joffes ganzer Quatsch mit dem Quorum und der Abkühl-Pause, nun: Quatsch. (Ich hatte jetzt keine Lust, für „Zeit“-Leser und -Autoren ein eindrucksvolles lateinisches oder griechisches Wort dafür rauszukramen.)

Aber Joffe kennt sich nicht nur in der Antike aus, sondern auch bei den Fallstricken moderner Kommunikation:

Heute bieten die Nachfahren kommerzielle „Shitstorm-Pakete“ in den Größen von S bis XL an — von 5000 bis 20 000 Euro. Warum auch nicht? Denn anders als bei einer rechtsstaatlichen Prozedur sind Klarnamen nicht nötig.

„Shitstorm-Pakete“, woher hat er das? Natürlich aus der einzig wirklich seriösen Quelle: der „Zeit“.

Die berichtete im vergangenen Frühjahr groß über „Shitstorms“ und schrieb:

(…) es gibt Spezialisten, die professionell Shitstorms säen. Die Agentur Caveman zum Beispiel verspricht folgende Dienste: „Wir potenzieren Ihren Unmut und fluten bei Facebook die Fanseiten mit Kommentaren und Likes. Wir halten uns hier streng an moralische Richtlinien. Wir garantieren die Anonymität unserer Auftraggeber.“

Caveman bietet vier „Shitstormpakete“ an: Shitstorm S kostet 4.999 Euro, geboten werden 100 Kommentare und 150 Likes. Shitstorm M: 9.999 Euro, 500 Kommentare, 300 Likes. Shitstorm L: 49.999 Euro, 3.000 Kommentare, 1.500 Likes. Shitstorm XL: 199.000 Euro, 15.000 Kommentare, 5.000 Likes.

Beeindruckend, die Detailfreude, aber in der „Zeit“ ist ja Platz.

Blöd nur, dass das Caveman-Projekt eine Satire war, eine „einzigartige Medienhacking Aktion“, wie es die Verantwortlichen inzwischen selbst nennen. Anfang April 2013 haben sie das zugegeben. Die „Süddeutsche Zeitung“, die auch über „Caveman“ berichtet hatte, entschuldigte sich sofort bei ihren Lesern und informierte sie darüber, „wie das SZ-Feuilleton auf eine fiktive Shitstorm-Agentur hereingefallen ist“.

Die „Zeit“-Redaktion dagegen hat nichts davon mitbekommen oder nichts mitbekommen wollen, jedenfalls ihre Leser nicht darüber informiert, dass sie ihnen eine Ente serviert hat.

Josef Joffe glaubt den Unsinn heute noch und verweist in seiner aktuellen Kolumne sogar auf den Artikel von damals. Er zitiert daraus das Urteil seines Kollegen Peter Kümmel: „Eigentlich handelt es sich beim Shitstorm um eine Steinigungs- und Verwünschungskultur.“ Und hatte wohl das Gefühl, noch einen draufsetzen zu müssen. Und so setzte er noch einen drauf:

In analogen Zeiten hieß es: „Kauft nicht beim Juden!“ Heute ist die Verwünschungskultur digital.

Mir fällt zu diesem Vergleich nichts mehr ein.

Es wäre auch sinnlos. Josef Joffe würde es ohnehin nicht verstehen. Schließlich ist er der Herausgeber der superanständigen, superseriösen, superbürgerlichen Wochenzeitung „Die Zeit“, und seine Texte sind schon deshalb über jeden Zweifel erhaben.

Ich bin mir sicher, er würde auch die Ironie nicht erkennen. Denn er schreibt weiter:

Früher musste ein Leserbriefschreiber noch die klappernde Olympia aus dem Schrank holen, Papier einspannen, tippen, streichen und neu tippen, eine Briefmarke auftreiben, den Brief zum gelben Kasten tragen. Er musste überlegen und formulieren, die Zeit verstrich — und die Wut verflog. Schon war eine Dummheit oder Gemeinheit weniger in der Welt.

Ich habe keine Ahnung, ob Joffe eine klappernde Olympia im Schrank oder auf dem Schreibtisch stehen hat. Aber ich gehe mal davon aus, dass es bei der „Zeit“ ein paar redaktionelle Abläufe gibt, die die Verzögerungsmechnanismen und Reflexionsanlässe, die Joffe hier beschreibt, simulieren, das Überlegen oder wenigstens das Formulieren. Und trotzdem hat es seine Dummheit oder Gemeinheit in die Welt geschafft, und ein paar Tausend oder Zehntausend oder Hunderttausend Leute, die meinten, sie müssten nicht schweigend jede Verirrung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinnehmen, den sie bezahlen, sehen sich nun in eine Reihe mit den Nazis gestellt und ihre Kritik an Lanz mit dem Hass auf Juden.

Immerhin: Das lässt sich nun nicht mehr übertreffen.

So mögen sie Gulaschsuppe essen: Eine Kritik der Kritik an der Lanz-Petition

[Hier geht es nur am Rande um Markus Lanz. Bitte haben Sie ein paar Zeilen Geduld.]


Illustration: skizzenblog.clausast.de

Norbert Himmler, der Programmdirektor des ZDF, hat einen einfachen Trick gefunden, mit der Aufregung um seinen Star-Moderator Markus Lanz umzugehen. Dem „Spiegel“-Redakteur Alexander Kühn sagte er:

(…) Markus Lanz hat in mehr als 500 Sendungen einen hervorragenden Job gemacht. Dann geht es einmal nicht gut, und das sorgt dann für eine Riesenwelle. Das ist unverhältnismäßig.

Ja, das wäre, wenn es so wäre, wirklich unverhältnismäßig.

Wenn es also nicht so wäre, dass die Sendung mit Sahra Wagenknecht zwar extrem war, aber eigentlich typisch für die Art, wie Markus Lanz über Politik und mit Politikern redet. Und wenn es nicht so wäre, dass man Markus Lanz auch als Symptom und Symbol sehen kann für das, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk allgemein schiefläuft.

Der Programmdirektor des ZDF verleugnet, dass die Kritik an Lanz sich an der Wagenknecht-Show nur entzündet hat, aber grundsätzlicher Natur ist. Das kann man aus seiner Sicht nachvollziehen, so ignoriert sie sich viel leichter.

Erstaunlicher ist es, dass Journalisten dasselbe tun, zum Beispiel eben jener Alexander Kühn. Im „Spiegel“ schreibt er, ganz auf der Linie seines Gesprächspartners:

Tatsächlich hat Lanz sich nur dies zuschulden kommen lassen: Er hat bei einem Interview versagt.

Viele Kollegen beschreiben es ähnlich. Wenn aber so ist, dass Markus Lanz abgesehen von diesem einen blöden Ausrutscher mehr oder weniger untadelig seine Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen moderiert, wie erklärt sich dann das nicht unbeachtliche Ausmaß an Kritik?

Ist doch klar: Weil im Internet ein schlimmer Mob regiert, der per se „unverhältnismäßig“ agiert, weil er es nicht erträgt, wenn seine virtuellen Fackeln und Mistgabeln mal für eine Minute unbenutzt in der Ecke herumstehen.

Kühn unterscheidet zwischen „Zuschauern“ und „dem Internet“:

Die Zuschauer werden es [Lanz] verzeihen. Das Internet tut es nicht.

In der Art, wie die professionellen Medien über die Kritik an Lanz im Netz berichten, werden wieder die Ressentiments der richtigen Journalisten gegen die unqualifizierten Normalbürger sichtbar, die im Netz plötzlich einfach die Absetzung von Moderatoren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fordern dürfen und dafür sogar Aufmerksamkeit bekommen. Beides war früher Journalisten vorbehalten.

Oliver Jungen schreibt auf FAZ.net:

Die Fronten waren klar vor dieser „Wetten, dass..?“-Ausgabe aus Karlsruhe. Die allermeisten Redaktionen sind — vielleicht ein wenig zu humorlos — gegen die Online-Petition gegen Markus Lanz zu Felde gezogen, wohl weil eine Sache in der Medienwelt inzwischen noch deutlich nerviger und aufdringlicher wirkt als der manchmal ungehobelte, oft ungelenke Fragestil von Markus Lanz: das ritualisierte Echauffieren einer selbstherrlichen Netzcommunity.

Da nutzt eine Frau, die sich über Lanz geärgert hat, das Mittel einer Online-Petition, und es finden sich schnell eine Reihe von Leuten, die ihre Wut teilen. Was genau macht daraus „das ritualisierte Echauffieren einer selbstherrlichen Netzcommunity“, wie Jungen lesbar angeekelt formuliert?

Und wie kommen ausgerechnet professionelle Medien, die ritualisiert jede „Wetten dass“-Sendung besprechen, als handele es sich um einen Staatsakt, dazu, anderen „ritualisiertes“ Verhalten vorzuwerfen?

Zum Schluss nennt Jungen die Leute, die Lanz im Internet kritisieren, noch „Netzjunkies“. Er erklärt diese Wortwahl nicht. Anscheinend versteht sich von selbst, dass jemand, der eine Online-Petition startet oder sie unterzeichnet, irgendwie süchtig sein muss. Jedenfalls: unzurechnungsfähig. Wie praktisch.

Ernstzunehmen ist nur die Kritik der nüchternen professionellen Kritiker.

Das wichtigste für die professionellen Lanz-Kritiker ist es, sich von den Laien-Lanz-Kritikern zu distanzieren. Antje Hildebrandt tut es am Anfang ihres Welt.de-Artikels explizit:

Das Bashing überlassen wir den Unterzeichnern einer Online-Petition, die — kein Scherz — die Absetzung von Markus Lanz im ZDF fordern.

Keine Ahnung, was genau sie zu dem Einschub „kein Scherz“ veranlasst hat. Dass die Forderung so abwegig ist? Oder dass es so abwegig ist, dass Leute sie aufstellen, die dafür nicht ausgebildet oder wenigstens von Verlagen bezahlt sind?

Schön aber natürlich die Konjugation unter Journalisten:

Ich kritisiere,
du kritisierst,
er/sie/es basht.

Später spricht Hildebrandt noch von den „Heckenschützen und Trittbrettfahrer[n] in dieser Koalition der Lanz-Hasser“ und behauptet, die Diskussion um die Online-Petition habe gezeigt, „wo das Bashing um des Bashings wegen aufhört und wo die Körperverletzung anfängt“. (Sie verrät dann die erkannte Position der Grenze leider nicht.)

Hajo Schumacher, ein Mann, der aus mir nicht ganz klaren Gründen keine Online-Petition starten muss, um seine Meinung in den Medien unterbringen zu können, bezeichnet die Kritiker der Sendung in der „Berliner Morgenpost“ nicht nur — „kein Scherz“, wie Antje Hildebrandt schreiben würde — als undankbar.

Petitionen seien auch gefälligst für ernsthafte Missstände zu reservieren (vermutlich meint er sowas wie den Skandal, dass das Computerspiel GTA V nicht für den PC erhältlich ist — die entsprechende Petition wurde bislang von 663.000 Unterstützern unterzeichnet). Dass Menschen, die die Talkshow von Markus Lanz mit ihren Rundfunk-Beiträgen mitfinanzieren, sich einfach anmaßen, dessen Arbeit zu kritisieren, ist für Schumacher jedenfalls „digitales Mobbing“. Und ist dann auch sofort bei der Körperverletzung:

Jemandem einfach mal eine reinzuhauen, digital und anonym, das scheint ein ewiges Bedürfnis zu sein, ganz wie früher in der Schule, als sich die Horde großer Jungs sehr stark vorkam, weil sie den bebrillten Schwächling kopfüber in den Mülleimer gestopft hatten. Was manche Schwarm-Intelligenz nennen, ist bisweilen animalische Rudel-Aggression.

Markus Lanz, der bebrillte Schwächling, verprügelt von der mächtigen Frau mit der Online-Petition? (Und womöglich war sich Schumacher nicht sicher, ob die Leser der „Berliner Morgenpost“ wissen, was ein „Rudel“ ist, und hat sicherheitshalber einfach noch „animalisch“ dazu geschrieben.)

Wie genau dürften nach Ansicht dieser Leute Bürger und Beitragszahler gegen etwas demonstrieren, das ihnen nicht gefällt, ohne das Wort vom „Rudel“ zu provozieren? Jeder schön einzeln, per Brief, ohne jemand anderem davon zu erzählen?

Es müsste, jedenfalls, irgendwie mutig sein. Auch das ist ein wiederkehrender Vorwurf an die Unterzeichner der Petition: Dass sie ja gar nicht mutig sind.

Alexander Kühn:

Im Schutz der Anonymität rufen die Ankläger: Ans Kreuz mit ihm! Und kommen sich wohl mutig vor.

Kommen sie wohl? Halte ich für einen völlig abwegigen Gedanken. Vermutlich muss man dafür „Spiegel“-Redakteur sein, um zu glauben, dass Menschen, die nicht den ganzen „Spiegel“-Apparat hinter sich haben, die Dokumentation, das Justiziariat, die Ressortleitung, eine schlichte Meinungsäußerung für „mutig“ halten.

„Spiegel Online“-Redakteur Christoph Sydow schreibt:

Der Schock über den Auftritt von Lanz sitzt offenbar so tief, dass viele erst jetzt den Heldenmut aufbringen, sich offen gegen ihn zu stellen.

Und auch der Moderator (und aktuelle Lanz-Gast) Jörg Thadeusz fomuliert in seiner Kolumne in der „Berliner Zeitung“ sarkastisch:

Wer Markus Lanz auch „irgendwie“ doof findet, bleibt auf dem Sofa liegen und klickt mal kurz. Mutiger Widerstand eben.

Ich weiß gar nicht, wer das behauptet hat, dass es „mutiger Widerstand“ wäre. Es ist ein bloßes Strohmann-Argument, um die schlichte öffentliche Meinungsäußerung von Menschen im Internet zu diskreditieren. Wäre es besser, wenn man solche Petitionen nur unterzeichnen dürfte, wenn man dabei auf einem Bein auf der obersten Stufe einer mindestens zwei Meter hohen Leiter balanciert? Wäre das mutig genug?

Auch David Hugendick betont auf „Zeit Online“ die „Gefahrlosigkeit des Unternehmens“, die aus den Lanz-Kritikern im Internet eine „Hetzmasse“ mache und ihn an das „Scherbengericht“ der Antike erinnert. Er spricht von „jene[r] bequeme[n] Ausprägung der digitalen Steinigungskultur, die ihre Akteure meist nicht mehr kostet als selbstgerechte Häme“.

Antje Hildebrandt sieht eine „merkwürdige Koalition von gefrusteten Gebührenzahlern, von ‚Wetten, dass..?‘-Nostalgikern und Twitter-Piraten“ am Werk, „die sich unter diesem Schirm der Petition versammeln“. Twitter-Piraten, klar. „Man ist geneigt“, fügt sie hinzu, „von einer Hasskampagne zu sprechen.“ Vermutlich ist „man“ sie selbst, aber ob sie nun von einer Hasskampagne sprechen würde oder nicht, bleibt gewohnt unklar.

Anika Riegert stellt im „Hamburger Abendblatt“ schockiert fest, dass sich der Link zu der Petition „wie ein hochansteckendes Virus im Netz“ verbreitet habe, und warnt:

Das Bedenkliche ist, so ein Klick ist gefährlich einfach. Man muss weder in ein Wahllokal gehen noch komplizierte Stimmzettel ausfüllen. Wer Lanz doof findet, kann das mit minimalstem Aufwand unterschreiben.

Klugerweise, ja: „klugerweise“, habe sich das ZDF aber bislang nicht öffentlich dazu geäußert. „Netzdemokratie hat glücklicherweise noch ihre Grenzen.“

Vielleicht müsste man ihr und vielen ihrer Kollegen einmal erklären, was eine Petition ist. Dass es sich um eine Bitte, ein Gesuch handelt, und nicht um eine Form der direkten Demokratie. Wenn sie eine große Zahl von Unterstützern hat, bedeutet das nicht, dass die Forderung erfüllt wird, sondern nur, dass sie entsprechend leichter Gehör findet.

Natürlich kann man die Petition kritisieren, Form und Inhalt von Lanz-Beschimpfungen und überhaupt die Empörungskultur im Netz und anderswo. Doch die Art, wie eine ganze Reihe professioneller Medien über die Petition berichten, zeigt, dass sie ein grundsätzliches und nachhaltiges Problem damit haben, dass ihnen das Kritik- und das Aufmerksamkeits-Monopol abhanden gekommen sind.

Andrian Kreye schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“:

Es geht um die Empörung. Und da liegt auch schon das Problem mit der Petition gegen Lanz. Was sich als direkte Demokratie geriert ist nicht viel mehr, als eine Kundenbewertung.

Der Vergleich mit der Kundenbewertung ist nicht ganz falsch, auch wenn der Zuschauer im Fall des öffentlich-rechtlichen Rundfunks viel mehr ist als nur Kunde. Und auch wenn es durchaus nicht abwegig ist, dass die Menschen in Lanz einen echten Missstand sehen, der sich durch schlichtes Abschalten nicht beseitigen lässt.

Aber auch Kreye bemerkt nicht, dass es nicht die Petition ist, die sich „als direkte Demokratie geriert“. Es sind die Medien, die sie als Volksabstimmung behandeln und die Unterstützerzahlen als Sensation und ihr damit überhaupt erst die unangemessene Bedeutung geben, über die sie sich dann hinterher beklagen.

Ist wirklich die Petition Grund dafür, dass die Debatte so ermüdend und hysterisch wirkt? Oder sind es die Reaktions-Reflexe der Medien darauf, die nicht aufhören können, auf die steigende Zahl der Unterzeichner zu starren und auf die Zahl der eigenen Seitenabrufe und aufgrund von beidem glauben, immer neue Artikel zu dem Thema veröffentlichen zu müssen?

Sie verzweifeln daran, dass sie nicht nur ihr Meinungs-Monopol verloren haben, sondern den neuen anderen Stimmen auch noch zusätzlich Gehör verschaffen. Deshalb sehnen sie sich, wie das ZDF, nach Zeiten zurück, als die Leute einfach schweigend konsumiert haben: das Fernsehen und die professionellen Kritiken darüber. Und wenn ihnen etwas nicht gefiel, lieber Gulaschsuppe aßen, anstatt das anzuprangern.

Korrektur, 12:25 Uhr. Ich hatte Christoph Sydow Volontär genannt, er ist aber Redakteur bei „Spiegel Online“.

Wie Markus Lanz ein paar Mal bei der „schönsten Linken aller Zeiten“ einhaken musste


Screenshot: ZDF

Es gab dann in der Sendung von „Markus Lanz“ gestern zum Beispiel den Moment, als die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, dem Moderator Markus Lanz erklären wollte, warum sie die Europäische Union „weithin undemokratisch“ nennt, was Lanz eine Ungeheuerlichkeit fand.

Wagenknecht: Ich hab doch im Europäischen Parlament gesessen, fünf Jahre. Ich hab —

Lanz: Was haben Sie da gemacht, eigentlich?

Wagenknecht: Ich habe erlebt — Ich habe im Ausschuss für Wirtschaft und Währung gesessen.

Lanz: Ja.

Wagenknecht: Zum Beispiel in diesem Ausschuss —

Lanz: Was verdient man da?

Wagenknecht: Man verdient das gleiche wie im Bundestag, aber das —

Lanz: Wieviel? Wieviel verdient man da?

Wagenknecht: Ich glaube, zur Zeit sind das im Europäischen Parlament 7000 Euro oder so.

Lanz: Kriegt man im Monat.

Wagenknecht: Aber ich wollte Ihnen eigentlich was darüber erzählen, wie Lobbymacht funktioniert.

Ja, aber wer will das schon hören?

Lanz warf ihr dann später noch vor, dass er gar nichts davon mitgekriegt hätte, was sie im Europaparlament gemacht hat. Und dass in Europa ja wohl trotzdem noch Sachen schieflaufen, obwohl sie da Abgeordnete war.

Es war, als würde man versuchen, eine inhaltliche Diskussion mit einem Sechsjährigen zu führen, der als Argumente zweihundert Fleischbällchen in Tomatensoße hat und bereit ist, jedes einzelne abzufeuern.

Lanz hatte Wagenknecht unter anderem damit begrüßt, dass sie „schönste Linke aller Zeiten“ genannt worden sei. Dann las er weiter von seiner Karteikarte vor:

Richtig gefährlich allerdings wird’s erst, wenn einen Gregor Gysi lobt. Das hat er in letzter Zeit so oft gemacht, dass sie jetzt prompt nicht Fraktionsvorsitzende geworden ist. Und vielleicht hat sie deshalb jetzt im Bundestag sogar den Papst zitiert, weil gegen Gregor Gysi nur noch der liebe Gott und vielleicht der Erzengel Sigmar Gabriel helfen kann.

Zum Einstieg in den politischen Teil der Diskussion fragte Lanz Wagenknecht:

Lanz: Wie ist das eigentlich für Sie, wenn Sie da jetzt im Bundestag sitzen und so nach links und rechts gucken – wobei: Links ist ja nix mehr, da sitzen Sie ja schon. Aber auf die andere Seite. Kriegt man da Minderwertigkeitskomplexe, wenn man diese Riiiiiesenkoalition sieht und dann ist man daneben so klein — und Gregor Gysi nur 1,50 groß?

Lanz hatte Wagenknecht eingeladen, um sie nicht zu Wort kommen zu lassen. Sie sollte anscheinend keinen Satz und keinen Gedanken zuende bringen. Zur Verstärkung und als Testosteron-Booster hatte er Hans-Ulrich Jörges eingeladen, den Politik-Clown vom Dienst beim „Stern“. Die beiden hatten sich offenbar vorab zu einem Wettbewerb verabredet, wer Wagenknecht schneller, lauter und dümmer über den Mund fährt. Die Strategie von Jörges war dabei, die tatsächlichen Aussagen Wagenknechts durch Pappkameraden zu ersetzen und die dann mit blinder Wut zu attackieren.

Wenn Wagenknecht redete, unterbrach Lanz sie. Wenn Jörges redete, murmelte Lanz „das ist richtig“, nickte, bot ihm fehlende Prädikate an und vollendete seine Sätze.

Es ging irgendwann darum, wie die CSU die Probleme mit der Einwanderung aus Bulgarien und Rumänien instrumentalisiert, was Jörges falsch fand, aber richtig.

Wagenknecht: Indem man billige Ressentiments schürt, löst man das Problem nicht. Es gäbe andere Wege, das zu —

Lanz: Aber das machen Sie doch auch, Frau Wagenknecht.

Wagenknecht: Nein.

Lanz:Doch. (zu Jörges und mit dem Finger auf Wagenknecht zeigend:) Aber das macht sie doch auch.

Wagenknecht: Wo schüren wir billige Ressentiments?

Lanz: Das machen Sie doch auch.

Wagenknecht: Wenn wir zum Beispiel über Zuwanderung reden, dann müssen wir über niedrige Löhne reden. Dann müssen wir über Scheinselbständigkeit reden. Über all das. Das sind die eigentlichen Probleme.

Lanz: Heißt das, …

Wagenknecht: Und nicht 20.000 Menschen, die aus Bulgarien …

Lanz: Da muss ich einmal einhaken.

Wagenknecht: … die teilweise auch noch hochqualifiziert sind.

Lanz: Da muss ich einmal einhaken. Das heißt, Sie unterstützen Europa uneingeschränkt? Das finden Sie gut?

(Hier beim Lesen einmal kurz innehalten, um die Fragenschärfe von Lanz angemessen zu würdigen.)

Wagenknecht: Ja, was ist Europa?

Lanz: Ja, was ist denn Europa für Sie?

Wagenknecht: Ich unterstütze …

Lanz: Sagen Sie’s mal.

Wagenknecht:… europäische Werte. Ich finde die europäische Kultur …

Lanz: Die europäische Union.

Wagenknecht: … großartig. Und ich finde die heutige Politik der Europäischen Union zutiefst falsch, weil es eine Politik ist, die vor allem große Unternehmen, große Konzerne, große Banken begünstigt und —

Lanz: Raus aus dem Euro oder drinbleiben?

Wagenknecht: Ja, das ist überhaupt nicht die Frage. Der Euro —

Lanz: Raus oder rein?

Wagenknecht: Der Euro ist jetzt — Na, rein können wir nicht, wir sind drin, und ob man ihn auflösen sollte ist, denke ich, jetzt aktuell nicht das Problem. Wir müssen nur gucken, wie wir die Europäische Krise —

Lanz: Die Frage würde ich trotzdem nochmal gerne nochmal stellen. Euro – Ja oder Nein?

Wagenknecht: Der Euro ist doch Realität. Wir …

Lanz: Für Sie, Frau Wagenknecht.

Wagenknecht: … entscheiden uns doch nicht, rauszugehen. Ich vermute …

Lanz: Nein, aber Sie haben gesagt, Sie haben die besseren Ideen. Sie haben die besseren Ideen.

Wagenknecht: Aber Sie müssen mich auch ausreden lassen …

Lanz: Ja.

Wagenknecht: … wenn Sie mir Fragen stellen und ich kann nicht antworten.

Als sich Wagenknecht zumindest sprachlich von der Formulierung im Entwurf des Europaprogramms der Linken distanzierte, wonach die EU eine „militaristische Macht“ sei, fragte Lanz:

Wer hat’s denn formuliert? War’s der Gysi? Wer hat das geschrieben?

Haben Sie’s geschrieben? Oder nicht?

Lanz distanzierte sich von seinem eigenen Studiopublikum, das es wagte, Wagenknecht mehrfach zu applaudieren. Jaha, dafür bekomme man natürlich Beifall, wenn man so populistisch argumentiere, sagte Markus Lanz. Sagte Markus „Was verdient man da eigentlich im Europaparlament“ Lanz.

Ich habe die Sendung, ehrlich gesagt, nicht zuende geguckt. Ich hab’s nicht geschafft.

Markus Lanz. Das ist der Mann, den das ZDF, ein öffentlich-rechtlicher Sender, regelmäßig außerhalb des Kinderprogramms über Politik diskutieren lässt. Ein Mann, für den sich die Debatte um die richtige Europapolitik auf die Frage reduzieren lässt: Europa — Ja oder Nein. Ein Mann, für den sich die Debatte um die richtige Euro-Politik auf die Frage reduzieren lässt: Euro — Rein oder Raus. Und ein Mann, der dann wütend wird, wenn sich jemand nicht zu ihm in den Sandkasten knien will, um auf seinem Niveau zu diskutieren.

Die ZDF-Zuschauerredaktion hat auf Beschwerden über die Sendung offenbar unter anderem mit dem Hinweis reagiert, Frau Wagenknecht sei mit der Auseinandersetzung „zufrieden“ gewesen. Das mag sogar sein, denn sie musste nur klüger und besonnener wirken als Lanz und Jörges, um klug und besonnen zu wirken, weshalb sie außerordentlich klug und besonnen wirkte. Markus Lanz macht diese Sendung aber nicht für Frau Wagenknecht.

„In der aktuellen Sendung ist die Debatte sicherlich auch an einigen Stellen schärfer geworden als dies geplant und in der Nachbetrachtung für die sachliche Erörterung notwendig war“, formulierten die Diplomaten aus der ZDF-Zuschauerredaktion. Solche Situationen nehme der Sender „jedoch intern mit Markus Lanz gemeinsam stets zum Anlass der kritischen Analyse.“

Na, dann ist ja gut.

Einen Lanz für die FDP brechen

Falls die FDP es nicht in den nächsten Bundestag schafft, hat es jedenfalls nicht an Markus Lanz gelegen. In einer Talkrunde des Grauens (Til Schweiger! Hellmuth Karasek! Markus Lanz! Til Schweiger! Til Schweiger!) verteidigte er gestern tapfer die kleine Partei gegen die Kritik seiner Gäste, nahm rührend Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor persönlichen Angriffen in Schutz und rühmte die Arbeit von Philipp Rösler.

Üblicherweise muss er das nicht, das machen die FDP-Leute schon selbst, die sich in seiner Sendung die Klinke in die Hand geben. (Lanz macht’s ihnen aber auch kuschelig. Dem Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel attestierte er im Juli, vermutlich auch zu dessen eigener Überraschung: „Sie haben definitiv gute Arbeit geleistet, das bescheinigen Ihnen ja viele.“) Aber jetzt, unmittelbar vor der Wahl, scheint es bei „Markus Lanz“ eine Karenzzeit für Politiker zu geben.

Ich nehme das einfach mal als Vorwand, die Statistik ins Blog zu stellen, die ich hier noch rumliegen hatte. Sie zeigt, welche Parteien die Politiker vertreten, die die Redaktion der ZDF-Talkshow in diesem Jahr eingeladen hat. Und obwohl ich nicht der Meinung bin, dass eine solche Sendung irgendeinem Proporz folgen oder ausgewogen sein muss, ist die politische Neigung von „Markus Lanz“ schon erstaunlich:

28 Prozent für die FDP.

(CDU: Peter Harry Carstensen, Wolfgang Bosbach (2x), Rita Süßmuth, Peter Altmaier, Julia Klöckner. CSU: Michael Glos, Norbert Geis, Ilse Aigner, Markus Söder (2x), Alexander Dobrindt (2x), Edmund Stoiber. SPD: Karl Lauterbach, Matthias Machnig, Malu Dreyer, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Hans Eichel, Andrea Nahles, Kurt Beck, Heinz Buschkowsky, Martin Schulz, Heide Simonis. FDP: Dirk Niebel (2x), Daniel Bahr (2x), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (2x), Wolfgang Kubicki (4x), Hans-Dietrich Genscher, Christian Lindner, Martin Lindner, Katja Suding. Grüne: Renate Künast, Claudia Roth, Jürgen Trittin, Christian Ströbele. Linke: Gregor Gysi, Sahra Wagenknecht, Katja Kipping. Piraten: Katharina Nocun, Johannes Ponader, Marina Weisband, Christopher Lauer.)

Kein schöner Lanz

„Der isst, wie er Ski fährt, wie er spricht, wie er moderiert, wie er ist — elegant und lustvoll. Und konzentriert. (…) Er ist als Mensch ein Naturtalent.“

Der „Stern“ über Markus Lanz

Ich habe im „Spiegel“ dieser Woche versucht zu erklären, was Markus Lanz für mich so unausstehlich macht.

Es sind ja nicht nur diese Posen, das Finger-an-den-Mund-legen, der Dackelblick, dieses sich Spreizen, die Witzelsucht, die konsequente Unterforderung des Zuschauers, die persönlichen Zudringlichkeiten, das Desinteresse an Inhalten, die Fragetechnik, die von Johannes B. Kerner gelernte Kunst, sich von sich selbst zu distanzieren, die Phrasen, die angestrengte und anstrengende Vortäuschung des kritischen Nachfragens, das Aufondulieren der Sprache, die Wichtigtuerei, das ganze streberhafte Gehabe.

Es ist auch das Ausmaß, in dem er aus seiner Talkshow eine Art Betriebsausflug gemacht hat, mit diesem unbedingten Willen zur kontrollierten Ausgelassenheit und dieser gezwungen Kumpelhaftigkeit. Hinter einer Fassade moderner Munterkeit tun sich Abgründe spießiger Bräsigkeit auf.

Man kann sich das schlecht vorstellen, wenn man es nicht gesehen hat, und weil ich mir ohnehin viele Stunden „Markus Lanz“ ansehen musste, habe ich als Begleitmaterial zu meinem „Spiegel“-Artikel ein Worst-Of aus den Sendungen zusammengestellt. (Ich rede mir ein, dass die Stunden, die das gedauert hat, nicht nur dem Erkenntnisgewinn dienen, sondern auch einen therapeutischen Effekt für mich hatten.)

Aus dem kurzen Video, das ich mir ursprünglich vorgestellt hatte, ist dann allerdings eine über 20 Minuten lange Collage geworden:

Wer sich davor fürchtet, kann sich allerdings auch das folgende Kondensat auf Quickie-Länge (150 Sekunden) ansehen:

Das Schlimmste an alldem ist die Ahnung, dass Lanz alles richtig macht. Dass das vom ZDF genau so gewollt ist. Dass der Sender sich vorstellt, dass seine Zuschauer so unterhalten werden wollen: so routiniert, so manieriert, mit dieser Mischung aus Wichtigtuerei und Besinnungslosigkeit — Anarchie für Leute, die es anarchisch finden, den Käse im Kühlschrank mal ins Gemüsefach zu legen.

Es ist leicht, sich vorzustellen, wie Lanz diese Art der Unterhaltung vom Herbst an nicht mehr nur am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag herstellt, sondern auch am Samstagabend in einer Sendung namens „Wetten dass“. Man muss sich nur ein Sofa anstelle der Sessel denken und Robbie Williams oder Angelina Jolie zusätzlich darauf.

Nachtrag, 5. August: Inzwischen kann man den „Spiegel“-Artikel auch kostenlos lesen.

Tri-Tra-Trullala, der Philipp und die Angela: Markus Lanz redet über Politik

Mein Kollege Michael Hanfeld von der FAZ hat einen gewaltigen Wutausbruch über die „Markus Lanz“-Sendung vom Donnerstag bekommen. Er nennt den Auftritt des FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler „ein Lehrstück über Propaganda im Gewand der Familienunterhaltung“, den „‚tiefsten Tiefpunkt‘ (Rudi Völler) des deutschen Journalismus und den Marianengraben politischer Wahrhaftigkeit“.

Michael Hanfeld ist relativ leicht zu erregen, und ich würde nicht jede Wertung in seinem Artikel unterschreiben. Aber beim Lesen habe ich mich daran erinnert, wie sehr auch mich beim Zuschauen ein Gefühl von Ekel überwältigt hatte und wie real mir die Sorge erschien, dass, wenn ich das zuende gucken würde, ich später in meinem eigenen Erbrochen zu mir käme.

Es hat ja nicht nur die Ebene der politischen Propaganda, wie sie Hanfeld beschreibt. Es ist auch die Dimension der Boulevardisierung von Themen und Infantilisierung von Kommunikation im Fernsehen, die hier sichtbar wird. Angesichts der Vorarbeit von Leuten wie dem Seelenprokler Reinhold Beckmann und dem Vaselineartisten Johanns B. Kerner müsste es eigentlich schwer sein, da noch neue Tiefen auszuloten. Lanz gelingt es mühelos.

Er nimmt politische Prozesse und Auseinandersetzungen konsequent aus der Perspektive des Menschelns wahr. Ich bin fast sicher, sie haben in der Redaktion vorher noch überlegt, ob sie die entscheidenden Begegnungen zwischen Angela Merkel und Philipp Rösler im Bundespräsidentenkandidaten-Findungsprozess nicht mit Handpuppen nachspielen sollten; vielleicht hätte Rösler auch den richtigen Gesichtsausdruck der Angela-Figur mit Knete oder Nudeln formen können. Dass das dann nicht geschah, hatte sicher nur den einen Grund: Alle wussten, dass Markus Lanz das auch so hinkriegt, ein Kleinkinderprogramm aus dem Gespräch mit dem FDP-Vorsitzenden zu machen, ohne Knete und Krokodil.

„Wie stellt man sich das denn vor?“ Das ist die Schlüsselfrage von Markus Lanz. Sie symbolisiert perfekt seine ganze verklemmte Zudringlichkeit und zudringliche Verklemmtheit.

Tatsächlich erfahren wird dank der Art von Markus Lanz einiges über Philipp Rösler. Vor allem, dass er gut sein muss im Umgang mit Kindern oder Verrückten. Wenn ich einmal in eine Situation gerate, wo es darauf ankommt, einem bewaffneten Irren geduldig zu erklären, dass man nur ein Mobiltelefon in der Hand hält und keine Fernzündung für ein von Außerirdischen hinter den Wolken geparktes Waffensystem, dann wünsche ich mir einen Menschen mit dieser unerschöpflichen Geduld und Gelassenheit an meiner Seite. Ich habe die Sendung aus oben beschriebenen Gründen nicht zu Ende geguckt, aber ich bin zuversichtlich, dass Rösler es bis zuletzt geschafft hat, Lanz nicht zu fragen, ob er vergessen hat, seine Tabletten zu nehmen. Dafür bewundere ich ihn.

Man kann sich die ganze Sendung in der ZDF-Mediathek angucken. Das kann ich aber niemandem empfehlen. Hier ist ein Kondensat:
 

Am Ende dieses Ausschnitts fragt Markus Lanz den FDP-Vorsitzenden, wieso er keinen Knacks hat, obwohl er doch als Kleinkind aus Vietnam adoptiert wurde und Frauen auf die Frage, welches Sternzeichen er ist, nicht mit Bestimmtheit die Wahrheit sagen kann. Das war tatsächlich der Punkt, als ich abgeschaltet habe und mich fragte, warum das ZDF sich nicht jeden Tag für diesen Mann und diese Talkshow rechtfertigen muss.

Die Unwahrheit über Akif Pirinçcis „KZ-Rede“

Am Montag, den 19. Oktober 2015, hielt der Autor Akif Pirinçci zum Geburtstag von Pegida in Dresden eine Rede, nach der er nicht mehr umstritten war, sondern indiskutabel. Hauptgrund dafür war eine Passage mit einem Nazi-Vergleich – die Rede wurde in den Medien auch als „KZ-Rede“ bezeichnet. Er unterstellte den deutschen Politikern, sie würden Kritiker der aktuellen Asylpolitik am liebsten in Konzentrationslager stecken.

Man konnte das, was Pirinçci an diesem Abend gesagt, schon wenig später wörtlich nachlesen. Man konnte es sich unmittelbar danach und bis heute auf YouTube anschauen. Trotzdem hat ein großer Teil der Medien das, was er gesagt und gemeint hat, falsch wiedergegeben und tut es teils noch heute. Sie haben den Zusammenhang weggelassen und den Eindruck erweckt (oder unumwunden behauptet), dass Pirinçci Flüchtlinge (oder Politiker) ins Konzentrationslager stecken wolle – und bedaure, dass sie geschlossen seien.

Das geschah, obwohl die wichtigste Nachrichtenagentur dpa am nächsten Tag in mehreren Meldungen immer wieder explizit darauf hinwies, dass sich der Satz nicht auf Flüchtlinge bezog.

Eine unvollständige Dokumentation des Versagens:

AFP, 20.10.:

Der deutsch-türkische Autor Pirincci, der auf Einladung des Pegida-Gründers Lutz Bachmann bei der Kundgebung am Montagabend aufgetreten war, hatte in seiner Rede Muslime attackiert und Flüchtlinge als „Invasoren“ bezeichnet. Nach Kritik an Politikern, die er „Gauleiter gegen das eigene Volk“ nannte, sagte er: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Die Menge reagierte mit Gejohle und Applaus.

AFP, 20.10.:

Pirincci hatte als einer der Hauptredner auf der Pegida-Kundgebung am Montagabend in Dresden gesagt, die „KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Die Staatsanwaltschaft prüft bereits eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung.

„Zeit Online“, 20.10.

Nur Stargast Akif Pirinçci, der vulgäre Held der Neuen Rechten und Linkenhasser, bringt Unruhe in die Feierstunde. Die Politiker seien „Gauleiter gegen das eigene Volk“, die Grünen eine „Kinderfickerpartei“. Schließlich bedauert er es noch, dass „die KZs leider außer Betrieb“ seien.

(„Zeit Online“ hat den Text inzwischen geändert.)

Bild.de, 20.10.:

27 Minuten hetzte der Sohn türkischer Einwanderer vor 20 000 Zuhörern, nannte Flüchtlinge „Invasoren“, sagte, Deutschland werde zur „Moslemmüllhalde“. Absoluter Tiefpunkt der Hass-Rede: „Es gebe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.

Dirk Müller, WDR, 20.10:

Es ist widerwärtig. Mit einem anderen radio-tauglichen Wort kann ich nicht mehr beschreiben, was sich seit einem Jahr in Dresden, aber auch in den sogenannten sozialen Medien abspielt. Da wird Rednern applaudiert, die unverhohlen zum Massenmord auffordern. Denn als was anderes soll man die Äußerung des Hetzautors Pirincci denn bezeichnen? Die KZs seien ja leider derzeit außer Betrieb?

(Nachtrag, 23. November: Nach einer einstweiligen Verfügung gelöscht.)

NDR Info, 20.10.:

Ein Zitat auf der Pegida-Kundgebung in Dresden am Montag wird einen Tag später diskutiert und mit Abscheu kommentiert. Es ist die Aussage eines Redners: In Deutschland seien die KZs ja leider derzeit außer Betrieb. Gesprochen hat diesen Satz der Autor Akif Pirinçci. Bezogen hatte er ihn in seiner Rede auf Flüchtlinge.

(Der NDR hat den Text inzwischen korrigiert.)

Markus Lanz, ZDF, 20.10.:


 

„Da geht dann jemand wie der Schriftsteller Pirinçci auf die Bühne und sagt einen Satz wie: Es gäbe natürlich auch andere Alternativen – mit Blick auf Ausländer ganz generell – aber, und jetzt Zitat: ‚Die KZs sind ja derzeit leider außer Betrieb.“

(Die Sendung ist in der ZDF-Mediathek inzwischen gelöscht.)

„Tagesschau“, 20.10.:

Denn einer der Pegida-Gastredner hatte mit seinen Parolen selbst unter Pegida-Anhängern für Emörung gesorgt. In seiner Rede bezeichnete der deutsch-türkische Autor Pirincci Asylbewerber als „Invasoren“, Politiker als „Gauleiter des eigenen Volkes“, und dann fiel folgender Satz: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.

Bundesjustizminister Heiko Maas in der „Tagesschau“, 20.10.:

„Zumindest die, die auf der Bühne standen und bedauerten, dass die KZ nicht mehr in Betrieb sind, das sind Nazis.“

„Hannoversche Allgemeine Zeitung“ / „Kieler Nachrichten“, 21.10.:

Als ein rechtsextremer Autor auf dem Podium offen die Wiedereinrichtung von Konzentrationslagern forderte, wandten sich einige Teilnehmer empört ab und verließen den Platz. Immerhin. Sie haben endlich erkannt, welche Gesinnung die Rattenfänger an der Spitze haben.

(Die Zeitungen haben diese Behauptung inzwischen öffentlich widerrufen.)

AFP, 21.10.:

Pirincci hatte in seiner Rede nach Attacken auf Muslime und Flüchtlinge sowie Kritik an Politikern gesagt: „Die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

epd, 21.10.:

Nach einer Hassrede des deutsch-türkischen Autors Akif Pirinçci am Montagabend in Dresden ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Verherrlichung des Nazi-Regimes. Auf der „Pegida“-Demonstration hatte er im Zusammenhang mit der Errichtung von Asylbewerberheimen gesagt: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

dpa, 21.10.:

Bei einem Aufzug der Pegida-Bewegung am Montag in Dresden hatte der Redner Akif Pirinçci in einer mit Diffamierungen und Beleidigungen von Muslimen gespickten Rede gesagt: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

„Handelsblatt“, 21.10.:

Sein Satz „Die KZs sind ja leider außer Betrieb“, für den er aus dem Pegida-Publikum vereinzelt Applaus bekam, trug Pirinçci eine Anzeige ein. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der Volksverhetzung“, sagte der Dresdener Oberstaatsanwalt Lorenz Haase.

„Neues Deutschland“, 21.10.:

Vorwürfe, die Pegida-Demonstranten liefen Neonazis hinterher, beantworten Redner zunehmend mit gleichlautenden Angriffen. So auch am Montagabend in Dresden. Dort verglich Lutz Bachmann Bundesjustizminister Heiko Maas mit einem Naziführer aus den 30er Jahren. Doch leicht verfangen sich die Redner in der Unlogik ihrer Argumente. Der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci nannte Politiker „Gauleiter gegen das eigene Volk“, sprach von „Umvolkung“ und von Flüchtlingen als „Invasoren“. Und dann bedauerte er, dass die KZ nicht mehr in Betrieb seien.

„Sächsische Zeitung“, 21.10.:

Für Aufsehen sorgt dabei vor allem der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci, der als Hauptredner erklärt hatte: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Nach der Anzeige einer Privatperson hat die Dresdner Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen Pirinçci aufgenommen. Unmittelbar vor seinem umstrittenen Satz hatte dieser die aktuelle Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mit einer von ihm so bezeichneten „Umvolkung“ der Nazis verglichen und erklärt, heutige Politiker agierten „zunehmend als Gauleiter gegen das eigene Volk“.

„Rheinische Post“, 21.10.:

Die Empörung ist riesig über das zynische Bedauern des Pegida-Hauptredners, wonach die Konzentrationslager ja „leider derzeit außer Betrieb“ seien. Danach konnte der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci am Montagabend in Dresden noch 20 Minuten weiter in übelster Weise gegen Flüchtlinge, Muslime und auch Politiker hetzen, bis Pegida-Gründer Lutz Bachmann ihn aus Zeitgründen von der Bühne bat.

Nachtrag, 1. Dezember. Inzwischen transparent geändert.

„Neue Presse“, 21.10.:

Und ließ kürzlich noch ein Demonstrant Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel symbolisch am Galgen baumeln, bedauerte der deutsch-türkische Schriftsteller Akif Pirinçci am Montagabend, dass keine Konzentrationslager in Betrieb seien – und ließ damit den letzten Vorhang der Biederkeit fallen, hinter dem „Pegida“ sich lange zu verstecken versuchte.

„Rhein-Zeitung“, 21.10.:

Inzwischen gehören diese Überschreitungen zum Markenzeichen, durch das Pegida seine Aufmerksamkeit gewinnt: der Galgen mit den für Kanzlerin und Vizekanzler reservierten Stricken, also der Aufruf zum Lynchmord. Die in der zentralen Rede propagierten Alternativen mit dem Bedauern, dass die Konzentrationslager „leider derzeit außer Betrieb“ seien, also der Aufruf zum Völkermord in dieser Woche. Sie wurden sogar noch bejubelt und beklatscht.

„B.Z.“, 21.10.:

Die Pegida-Proteste scheinen radikaler zu werden. Am Montag wurden in Dresden völlig frei fremdenfeindliche, rassistische Parolen geschwungen. Gastredner Akif Pirinçci rief sogar nach KZs

Am Montagabend verkündete der Autor seine dumpfen Ansichten am Jahrestag von Pegida in einer Hass-Rede vor der Semperoper in Dresden. 25 Minuten lang. Er bezeichnet die Grünen als „Kinderfickerpartei“, die Flüchtlinge als „Invasoren“, er beschwört die Vision einer drohenden „Moslemmüllhalde“ in Deutschland.

Und dann fallen die Sätze: „Es gäbe natürlich auch andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

„Hannoversche Allgemeine Zeitung“, 22.10.:

Er hatte am Montagabend als einer der Hauptredner auf der Pegida-Demonstration in Dresden die Politiker „Gauleiter gegen das eigene Volk“ gescholten, Deutschland als „Scheißstaat“ bezeichnet und Asylbewerberinnen „flüchtende Schlampen“ genannt. Das ganze gipfelte in folgender Bemerkung: „Es gäbe natürlich auch andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

„Die Zeit“, 22.10.:

WORTE DER WOCHE

„Die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ (Akif Pirinçci, Schriftsteller, in seiner Rede zum Jahrestag der Pegida-Demonstrationen )

Bernd Ulrich, „Die Zeit“, 22.10.:

Es wirkt in diesen Tagen so, als ob jede Minute irgendjemand eine Hemmung fallen lässt, nach einem härteren, verletzenderen Wort sucht, mit einer verbalen Keule herumrennt, um damit ein Tabu zu zertrümmern. Akif Pirinçci, der türkischstämmige Autor eines erfolgreichen Katzenkrimis, bedauerte am Montag auf der Dresdner Pegida-Kundgebung am Mikrofon: „Die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

„Leipziger Volkszeitung“, 22.10.:

Die Aussage des deutsch-türkischen Autoren Akif Pirinçci bei Pegida am Montag hätte aus Sicht von Burkhard Jung zum sofortigen Abbruch der Veranstaltung führen müssen. „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“, hatte Pirinçci gesagt und sich damit gegen deutsche Politiker gerichtet.

„Berliner Zeitung“, 22.10.:

Thomas Hoof, der Verlagsgründer von Manuscriptum, gibt sich am Telefon gegenüber der Berliner Zeitung einsilbig zu den Vorgängen um seinen Autor, gegen den inzwischen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Volksverhetzung eingeleitet wurden. (…) Bei seinem Pegida-Auftritt am Montag hatte Pirinçci gesagt: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

Bild Online, 22.10.:

Während gegen Pirinçci nach seiner üblen Hetze bei einem Pegida-Aufmarsch in Dresden („es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZ sind ja leider derzeit außer Betrieb“) die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung ermittelt, distanziert sich Verlagsleiter Andreas Lombard (51) von Pirinçci.

„Berliner Zeitung“, 23.10.:

Hintergrund des Streits ist, dass es bei Pegida-Demonstrationen zuletzt gehäuft zu Entgleisungen kam. So zeigte ein Teilnehmer eine Galgenattrappe mit Politikernamen; der Autor Akif Pirinçci bedauerte in einer Rede, dass „die Konzentrationslager nicht mehr in Betrieb sind“.

„Der Spiegel“, 24.10.

Man blickt in diesen Tagen auf eine enthemmte Republik, auf Bilder der Verrohung, die man lange nicht mehr sah, hört Töne des Primitiven, von denen man kaum ahnte, dass sie existieren. Die blutige Messerattacke in Köln; der Galgen in Dresden; das „Schlampe und Fotze“-Gebrüll einer Bürgerin aus Heidenau, als die Kanzlerin zu Besuch war; die Schilder zum einjährigen Geburtstag von Pegida, auf denen die „Feinde des deutschen Volkes“ benannt wurden: „Merkel, Gabriel u. deren Helfershelfer“; die Fäkal- und Nazi-Entgleisungen des Autors Akif Pirinçci und sein Satz: „Die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

Dirk Kurbjuweit, „Der Spiegel“, 24.10.:

Die Pegida-Bewegung nahm einen zweiten Anlauf, versammelt montags wieder viele Tausende in Dresden und zeigt sich radikalisiert: stilisierte Galgen für Politiker, hetzerische Reden, der Schriftsteller Akif Pirinçci verstieg sich zu der Widerwärtigkeit, das Fehlen von KZs zu bedauern.

„Berliner Zeitung“, 24.10.:

Kurz sah es aus, als sei Pegida am Ende. Die Gründer waren zerstritten, die Radikalisierung der Anti-Islam-Bewegung offenkundig, die Teilnehmerzahl sank. Doch mit dem Flüchtlingsansturm ist Pegida zurück – schärfer denn je: mit Galgen, an die man Politiker wünscht, und Rednern wie Autor Akif Pirincci, der fehlende Konzentrationslager beklagt.

AFP, 26.10.:

Vor einer Woche war es bei einer Pegida-Kundgebung in Dresden zu Hassreden gekommen. Der deutsch-türkische Autor Akif Pirincci hatte dabei Rede Muslime attackiert und Flüchtlinge als „Invasoren“ bezeichnet. Nach Kritik an Politikern, die er „Gauleiter gegen das eigene Volk“ nannte, sagte er: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Die Menge reagierte mit Gejohle und Applaus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Volksverhetzung.

AFP, 27.10.:

Der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci hatte in seiner Rede bei der Kundgebung Muslime attackiert und Flüchtlinge als „Invasoren“ bezeichnet. Nach Kritik an Politikern, die er „Gauleiter gegen das eigene Volk“ nannte, sagte er unter dem Beifall der Menge: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

„Tagesspiegel“, 27.10.:

Letzte Woche dann bedauerte der Pegida-Redner Akif Pirinçci zum ersten Jahrestag der „Bewegung“ nicht bloß, dass die KZs „derzeit außer Betrieb“ seien, „leider“. Er beschimpfte auch Politiker als “ Gauleiter gegen das eigene Volk“ und bezeichnete die Grünen als „Kinderfickerpartei“.

Nachtrag, 1. Dezember. Inzwischen transparent korrigiert.

 

Fürs Protokoll: Ich habe keinerlei Sympathien für Pirinçci und seine von Menschenverachtung getriebenen Texte voller Hass und Kot. Ich halte das KZ-Zitat in dem von ihm gemeinten Sinne, in dem er Gegner der Asylpolitik wie sich selbst mit den Juden im Dritten Reich vergleicht, für ähnlich unsäglich wie die entstellte Version. Und ich halte es für den eigentlichen Skandal, dass sich so viele Menschen erst jetzt von ihm distanzieren und dies nicht spätestens nach Erscheinen seines Buches „Deutschland von Sinnen“ getan haben.

Das ändert nichts daran, dass die – von einigen Ausnahmen abgesehen – fast flächendeckend irreführende oder falsche Berichterstattung über Pirinçcis Worte in Dresden ein Armutszeugnis ist für die deutsche Medienlandschaft. Und natürlich Nahrung für die „Lügenpresse“-Vorwürfe.

 
Mehr zum Thema, teilweise schon älter:

 

Korrektur, 4. November. Die Nachrichtenagentur AFP findet, sie gehöre nicht in diese Liste oben – und sie hat nicht unrecht damit. Der Zusammenhang des Pirinçci-KZ-Zitates fehlte zwar in einzelnen Meldungen. Insbesondere in ihren ersten Berichten am Tag nach der Pegida-Veranstaltung berichtet sie aber genau:

Der zu den Hauptrednern der Kundgebung zählende Pirincci hatte in seiner Rede einen angeblichen Vorfall in Hessen geschildert, wo ein CDU-Politiker einem Kritiker einer Flüchtlingseinrichtung gesagt haben soll, er könne Deutschland jederzeit verlassen. Pirincci sagte, offenbar habe die Politik die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt, dass ihm schulterzuckend die Ausreise empfohlen werden könne, wenn es nicht pariere. Danach sagte er den Satz: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

Das habe ich leider übersehen.

Wofür das „F“ in „FAZ“ steht

Und dann schlendert Sebastian Vettel an einem dunkel glänzenden Sportwagen vorbei, die Sonne scheint, und Vettel sagt, dass die Sonne scheint und der Wagen ganz toll ist. Dass Vettel das sagt, ist kein Wunder. Bei dem Auto handelt es sich um einen Ferrari, und bei Ferrari verdient Sebastian Vettel sein Geld; da muss man dann zwangsläufig schon mal in Werbevideos so Sachen erzählen:

So, here we are. We obvisiouly picked the right day. Sunshine. And a perfect car, California T from Ferrari. Obviously a lot of horse power and the usual turbo lag, thank God, is not there, so, äh, yeah, it’s really amazing. It’s a great car to drive, to enjoy every day on the Road.

Das Video läuft im youtube-Kanal von Ferrari und gedreht wurde es Mitte Juli, als Vettel eine Dependance seines Arbeitgebers in Wiesbaden besuchte. Am Tag, an dem der Werbeclip entstand, hat Ferrari noch ein weiteres Video produziert; nicht für sich selbst, sondern für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Gleich zu Beginn des Videos schlendert Sebastian Vettel an einem dunkel glänzenden Sportwagen vorbei, die Sonne scheint, und Vettel sagt, dass der Tag perfekt und das Auto ganz toll ist; dieses Mal auf Deutsch, ist ja für die FAZ.

Also, heute haben wir uns natürlich den perfekten Tag ausgesucht und das perfekte Auto dafür. Der neue Ferrari California T. Wie das T schon verrät, eben mit Turbomotor. Normalerweise gibt’s ja da das normale Turbo-Loch, aber das ist hier wirklich nicht vorhanden. Ansprechverhalten ist perfekt und Leistung hat es genug, also macht richtig Spaß.

Vettel sagt also in etwa das, was er im Werbevideo sagt, sogar noch ein klein wenig ausführlicher – und eben in der FAZ. Danach sieht man ihn und FAZ-Redakteur Boris Schmidt aus dem Ressort „Technik & Motor“ im beworbenen Ferrari-Modell durch die Landschaft gurken, Vettel fährt, Schmidt mit, und beide tragen knallrote Ferrari-Kappen. Anschließend interviewt Schmidt Ferrari-Mann Vettel vor dem Ferrari und hessischer Weinrebenkulisse. Schöne Werbung.

Screenshot Video FAZ.net

Screenshot Video FAZ.net

Die FAZ hat zwar ihr Dauerlogo oben links auf das Video gepappt, für die Produktion war sie aber gar nicht zuständig. Laut Abspann erledigte Ferrari „Kamera und Schnitt“, übernahm also die inhaltliche Komposition und war somit frei, vor das FAZ-Video den deutschen Ferrari-Werbeclip zu schneiden und unter die Spritztour dasselbe Werbemusikgeklonger wie im Werbeclip. Und bei der FAZ hat nicht mal einer aufgezeigt und „Hö?“ gesagt. Oder: „Äh?“

FAZ-Redakteur Schmidt hat mir auf meine Anfrage geantwortet, dass Ferrari „keinerlei Einfluss“ auf das Interview gehabt habe: „Das gefilmte Interview hat genau so stattgefunden wie im Video zu sehen, es wurde nichts nachbearbeitet oder herausgeschnitten.“ Wobei „keinerlei Einfluss“ nicht ganz stimmt. Geschnitten wurde das Video ja schon mal von Ferrari. Und an der langen Text-Fassung des Interviews, die in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erschienen ist, hat das Unternehmen auch mitgewirkt. Steht sogar im Text:

Und über die Formel 1 wollen wir nicht sprechen, das ist vereinbart.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 26.7.2015

Richtiger müsste es wohl heißen: „Und über die Formel 1 will Sebastian Vettel nicht sprechen, das ist vereinbart.“ Ferrari möchte ja das neue Auto zeigen, in schöner Landschaft und mit einem lockeren Plausch über Autofahren und Bratwurst. Redakteur Schmidt schreibt: „Das Wortlaut-Interview in der FAZ-Sonntagszeitung wurde nur mit Vettel bzw. seiner Managerin realisiert.“ Und es wurde, wie häufig bei Print-Interviews, noch mal geglättet, was man hier gut sehen kann, wenn man die Passagen im Video mit der gestrafften Druckfassung vergleicht.

Unwohl ist ihnen bei der FAZ dabei offenbar nicht, wenn ein halbes Werbevideo, fertig geschnitten und geliefert vom Unternehmen, um das geht, in einen Beitrag platziert wird, in dem Fragen nach der Formel 1 per se untersagt ausgeschlossen sind. Aber vielleicht ist das auch noch zu undeutlich.

Stellen wir uns deshalb abschließend vor, dass es kein Motor-Journalist gewesen wäre, sondern ein Politik-Journalist. Und dass der mit einer Unions-Mütze auf dem Kopf zum Interview mit Angela Merkel erschienen wäre und gesagt hätte: „Über Griechenland wollen wir nicht reden, das ist vereinbart.“ Und dann hätte Merkels Pressesprecher das Interview so geschnitten, dass man gleich zu Beginn Merkel sieht, wie sie am hell glänzenden Bundskanzlerinnenamt vorbei schlendert und sagt, dass die Sonne scheint und alles toll ist.

Solange der unter der Unions-Mütze nicht Sigmund Gottlieb ist, müsste man das mindestens merkwürdig finden; vor allem in einer Welt, in der Verlage gerne betonen, wie wichtig es sei, dass die Leser durch unabhängige Journalisten informiert werden. Unabhängig heißt in diesem Fall offenbar, dass man den eigenen Redakteur und das FAZ-Logo in einem Firmenvideo unterbringt.

Der Rest ist dann eher egal.

[Mit Dank an Bubi.]

Nachtrag, 14.00 Uhr. Die FAZ hat das Video entfernt. Unter der Text-Fassung des Interviews steht nun folgender Hinweis:

Anm. der Redaktion: In diesem Text befand sich in einer vorherigen Version ein Video mit Fahrszenen und einem Interview, das unser Redakteur mit Sebastian Vettel geführt hat. Wir haben dieses Video entfernt, weil es nicht unseren redaktionellen Standards entsprach.

In eigener Sache: Die Krautreporter und ich

Vor gut einem Jahr endete das Crowdfunding für „Krautreporter“. In den nächsten Tagen bekommen die Unterstützter von damals Post: Sie sollen angeben, ob sie auch in Zukunft Mitglied bleiben wollen. Mindestens 6000, sagt Sebastian Esser, sind nötig, damit es in irgendeiner Form weitergehen kann.

Ich wünsche den Krautreportern viel Glück, aber ich werde nicht mehr dabei sein.

Ich bereue es nicht, mitgemacht zu haben, und ich finde es nach wie vor richtig, auszuprobieren, ob und wie ein Online-Journalismus funktionieren kann, der sich nicht der oft zerstörerischen Logik der Klick-Optimierung unterwerfen muss. „Krautreporter“ war und ist ein richtiger Versuch – aber für mich ist er nicht geglückt.

Der größte einzelne Fehler war meiner Meinung nach, eine eigene Software programmieren zu lassen, was viel Zeit, Geld und Nerven gekostet hat – und teilweise auch jetzt noch nicht richtig funktioniert.

Aber das zentrale Problem ist ein anderes: Uns trieb die Lust an, ein neues Geschäftsmodell auszuprobieren, aber nicht unbedingt eine gemeinsame redaktionelle Idee. Wir taten uns schwer damit, zu definieren, worüber wir berichten wollen und wie. „Krautreporter“ bietet großartige Freiheiten, Geschichten aufzuschreiben, die woanders so nicht erscheinen könnten, aber das ist noch keine Antwort auf die Frage, was für Geschichten wir dann aufschreiben wollen und sollen und welche Geschichten unsere Leser von uns erwarten können. Es fehlte etwas, das diese Geschichten verbindet – für uns Autoren und für die Leser vermutlich auch.

In den vergangenen Wochen hat sich dann stärker herausgestellt, was ein anderer „Krautreporter“-Ansatz sein könnte: Weniger getragen von den unterschiedlichen (Spezial-)Interessen der einzelnen Autoren, mehr bestimmt durch Themenschwerpunkte, die aus einer festen Redaktion entwickelt und produziert werden. Vielleicht ist das eine Chance für das Projekt, zur Not in kleinerem Stil.

Und ich? Ich bin wild entschlossen, aus den „Krautreporter“-Erfahrungen zu lernen und etwas eigenes auf die Beine zu stellen: eine Plattform für Medienkritik, unterstützt von den Lesern. Demnächst mehr!

Nachtrag, 21. Juni. Sebastian Esser erklärt, was aus seiner Sicht gut und schlecht gelaufen ist, erklärt die Zukunftspläne und fragt: „Bleibst du Krautreporter?“

Aserbaidschan schon wieder enttäuscht von der freien Presse in Deutschland


(Ilcham Aliyew, Präsident von Aserbaidschan und Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Aserbaidschan, entzündet die Flamme der ersten European Games.)

Wie ungerecht. Da gibt Aserbaidschan gewaltige Summen aus, um sich der Welt in schönster Pracht zu präsentieren, und was machen deutsche Journalisten? Schreiben über so alberne Dinge wie die Verfolgung von Oppositionellen, Bürgerrechtlern und kritischen Journalisten im Land. Dabei sind die bloß zufällig alle samt und sonders kriminell, was soll man tun, sie einfach nicht verhaften, bloß weil sie Oppositionelle und Bürgerrechtler sind?

Es scheint ein merkwürdiger Widerspruch: Einerseits ist Aserbaidschan besessen davon, sich der Welt bekannt zu machen und durch Großereignisse wie den Eurovision Song Contest 2012 und jetzt die ersten Europa-Spiele ein glänzendes Bild von sich selbst zu zeigen. Andererseits sieht das Regime ganz offensichtlich keinerlei Notwendigkeit, im Dienst der Imagepflege wenigstens in den Wochen und Monaten vor diesem Großereignis positive Zeichen zu setzen, was den Umgang mit seinen Gegnern und den Respekt vor fundamentalen Rechten angeht.

Im Gegenteil: Regimekritiker wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt; Radio Liberty wurde aus dem Land geworfen, das Büro der OSZE geschlossen, Amnesty International abgewiesen; kritische Journalisten wurden am Flughafen festgehalten oder gar nicht erst akkreditiert.

Die Verfolgungs- und Einschüchterungskamapagne der aserbaidschanischen Regierung war so erfolgreich, dass es für Journalisten, Athleten oder gar Funktionäre, die in Aserbaidschan wenigstens auch mit Oppositionellen oder Bürgerrechtlern reden wollen, kaum noch Ansprechpartner gibt. Was bliebe, wäre noch ein Besuch bei den Angehörigen der politischen Gefangenen.

Um ein makelloses Image präsentieren zu können, nimmt das Regime jeden Makel in Kauf. Vermutlich aus dem Kalkül, dass die prächtigen, spektakulären, kontrollierten Bilder, die in den nächsten Wochen aus Baku kommen, ungleich mächtiger sind als die kritischen Kommentare der „Spaßbremsen“ und „Menschenrechtisten“, wie der „taz“-Redakteur Jan Feddersen vor drei Jahren Leute nannte, die sich partout nicht – wie er – von den schönen Fassaden blenden lassen wollten.

Ganz egal, also: völlig egal scheint der Regierung in Aserbaidschan aber die kritische Berichterstattung in einigen deutschen Medien doch nicht zu sein, jedenfalls hat die Botschaft in Berlin am Dienstag eine Mitteilung herausgegeben, in der sie sich über die schlechte Presse beklagt.
Sie nennt namentlich Claudia von Salzen vom „Tagesspiegel“ und Christoph Becker von der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und spricht von einer „Schmutzkampagne gegen Aserbaidschan“.

Zum Glück musste sich die Botschaft aber mit ihrer Klage über die böse deutsche Presse nicht allzusehr verausgaben. Ihre Pressemitteilung recycelt in weiten Teilen einfach Versatzstücke aus einer Pressemitteilung, die sie vor drei Jahren vor dem Eurovision Song Contest herausgegeben hat und in der sie über die freie Presse auch schon enttäuscht war.

Pressemitteilung 2015 Pressemitteilung 2012
Die Botschaft der Republik Aserbaidschan nimmt Stellung zu der unberechtigten Kritik an den Europa-Spielen in Baku Aserbaidschanische Botschaft nimmt Stellung zur Kritik in den deutschen Medien
In den vergangenen Wochen hat es in den deutschen Medien eine ganze Reihe von Versuchen gegeben, die Europa-Spiele, die zum ersten Mal in der Sport-Geschichte in diesem Jahr in Aserbaidschan ausgetragen werden, in Misskredit zu bringen. In den vergangenen Wochen sind in den deutschen Medien eine ganze Reihe von Vorwürfen gegen die Republik Aserbaidschan erhoben worden.
Wir laden alle kritischen Journalisten ein, sich ein objektives Bild von Aserbaidschan und der Entwicklung des Landes zu verschaffen und dem deutschen Publikum zu vermitteln. Wir laden alle kritischen Politiker und Journalisten ein, sich ein ehrliches Bild von Aserbaidschan und der Entwicklung des Landes zu verschaffen.
Kritik ist legitim, doch sollte sie auf Fakten beruhen. Einige der Berichte über Aserbaidschan basieren auf falschen oder unvollständigen Informationen. Die Lebensverhältnisse der Menschen in Aserbaidschan haben sich in allen Bereichen verbessert – die positiven Entwicklungen werden aber in vielen Presseberichten mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen kursieren unwahre und irreführende Berichte. Kritik ist legitim, doch sollte sie auf einer guten Informationsgrundlage beruhen. Einige der Berichte über Aserbaidschan, die in den vergangenen Wochen erschienen sind beruhten auf falschen oder unvollständigen Informationen. Ganz bewusst wurde und werden nachweisbar positive Fakten über die verbesserten Lebensverhältnisse der Menschen in Aserbaidschan unterschlagen. Es werden dem gegenüber ausschließlich kritische Stimmen gesammelt.
Von einer freien Presse ist solche unseriöse Herangehensweise sehr enttäuschend. Wir hätten nicht gedacht, dass eine freie Presse so einseitig berichten würde. Wir haben stets Fairness, Objektivität und wahrhaftige Berichterstattung erwartet.
Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist in der aserbaidschanischen Verfassung verankert. Neben zahlreichen TV- und Radiosendern gibt es ca. 500 Printmedien im Land, die auf Aserbaidschanisch, Russisch und Englisch veröffentlichen, sowie über 50 Nachrichtenagenturen. Die oppositionellen Zeitungen „Yeni Musavat“ und „Azadliq“ zählen zu den auflagenstärksten Tageszeitungen. Mehr als 70 % der Bevölkerung sind Internet-Nutzer. Es gibt keine Beschränkungen für die Internet-Ressourcen. Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist in der aserbaidschanischen Verfassung verankert. Neben zahlreichen TV- und Radiosendern gibt es über 200 Printmedien im Land, die auf Aserbaidschanisch, Russisch und Englisch veröffentlichen, sowie über 50 Nachrichtenagenturen. Ein Teil dieser Medien steht der Opposition nahe und veröffentlicht regierungskritische Artikel. Die auflagenstärkste Tageszeitung ist eine oppositionelle Zeitung. Auch die Nutzung des Internets ist unbegrenzt möglich.
Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet. Alle genehmigten Demonstrationen in Aserbaidschan verlaufen friedlich und ohne Zwischenfälle. Grundsätzlich sind alle friedlichen Formen von Demonstrationen und Versammlungen erlaubt und werden in der Regel genehmigt. Im Jahr 2012 wurden beispielsweise bereits mehrere regierungskritische Demonstrationen zugelassen, die unter anderem auch von oppositionellen Parteien organisiert wurden. Alle diese genehmigten Demonstrationen verliefen friedlich und ohne Zwischenfälle.
Die aserbaidschanische Regierung lässt die Bevölkerung vom wirtschaftlichen Aufschwung des Landes in höchstem Maße profitieren. Dies zeigt sich unter anderem an der Verwendung der Einnahmen Aserbaidschans aus der Öl- und Gasproduktion.. Die aserbaidschanische Regierung strebt an, die Bevölkerung vom wirtschaftlichen Aufschwung des Landes maximal profitieren zu lassen. Dies zeigt sich unter anderem an der Verwendung der Einnahmen Aserbaidschans aus der Öl- und Gasproduktion.
Mit großem Bedauern müssen wir leider feststellen, dass in den meisten Presseberichten keinerlei Proteste gegen die illegale militärische Besetzung von 20 % des aserbaidschanischen Territoriums und dieVertreibung von ca. einer Million Aserbaidschanern durch die Streitkräfte der Republik Armenien zu finden sind. Internationale Proteste gegen die völkerrechtswidrige Besetzung Berg-Karabachs werden in den meisten deutschen Medien schlichtweg ignoriert, selbst die Resolutionen des Deutschen Bundestages vom 04.03.2009 (Drucksache 16/12102) und des Europäischen Parlaments vom 23.10.2013 (Drucksache 2013/2621(RSP)) finden keine Erwähnung. Über die Verletzung der Heimatrechte der eine Million Aserbaidschaner durch Armenien herrscht Schweigen – zugleich werden Aserbaidschan pauschal und wahrheitswidrig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Mit großem Bedauern und Befremden müssen wir leider auch feststellen, dass weite Teile der Medien in Deutschland, einem Land, das 40 Jahre auf brutale Weise geteilt war, keinerlei Proteste gegen die militärische Besetzung von 20 % des aserbaidschanischen Territoriums in der Region und um die Region Berg-Karabach durch die Republik Armenien erfolgte. Scheinbar achselzuckend wird diese völkerrechtswidrige Maßnahme zur Kenntnis genommen. Es wird zur Kenntnis genommen, dass über eine Millionen Aserbaidschaner vertrieben wurden
Unser Land nimmt die Aufgabe der Austragung der ersten Europa-Spiele sehr ernst und tut alles, um dem Vertrauen und den Erwartungen der europäischen olympischen Gemeinschaft gerecht zu werden. Aserbaidschan wird den europäischen Sport-Fans ein würdiges Sport-Ereignis präsentieren. (…) Wir hoffen auch, durch diesen großen Event Europa unsere Gastfreundschaft und die Kultur unserer säkularen und toleranten Gesellschaft näher zu bringen. Der Eurovision Song Contest ist eine der größten Veranstaltungen, die in Aserbaidschan seit seiner 20-jährigen Unabhängigkeit gefeiert wird. Wir in Aserbaidschan hoffen, dadurch Europa unsere Gastfreundschaft und die Kultur unserer säkularen und toleranten Gesellschaft näher zu bringen.

Die Artikel von Claudia von Salzen und Christoph Becker zum Thema sind übrigens sehr lesenswert. Interessant zum Beispiel, was passiert, wenn eine Gruppe von Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach Aserbaidschan reist. Spoiler: Außer Tabea Rößner von den Grünen sah keiner der Parlamentarier, denen Präsident Alijew eine Audienz gewährte (unbedingt auch das Gruppenfoto ansehen und die Körpersprache beachten), die Notwendigkeit, sich auch abseits des offiziellen Regierungsprogrammes über die Lage im Land zu informieren, auch Johannes Kahrs (SPD) nicht.