Internet-Manifest-Ping-Pong

Die Frage nach Bezahlinhalten ist vielleicht ein – wenn auch für die Qualität und Rolle der Presse in Zukunft entscheidender – Nebenschauplatz, aber manchmal erwachen dort die grauen Zellen und schicken die ersten Botenstoffe aus. Wenn sie nicht sofort durch Glaubenssätze abgebloggt werden, entstehen so die ersten Kriterien und Argumente für eine vernunftbegabte Auseinandersetzung.

„WAZ“-Geschäftsführer Bodo Hombach antwortet auf unser Manifest.

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Sie fordern neue Ideen, neues Denken. Wir auch. Denn die an Ideenlosigkeit nicht zu überbietende Hamburger Erklärung hat uns deutlich gemacht, in welch katastrophalem Zustand sich das unternehmerische Denken in Deutschlands Medienhäusern befindet, wie veränderungs- und beratungsresistent diese Unternehmen sind.

Nun könnte man sie im Sinne der Marktwirtschaft einfach Richtung Untergang wanken lassen. Nur: Damit ist auch die Zukunft des Journalismus gefährdet – und das kann nicht im Sinn einer Demokratie sein.

Thomas Knüwer antwortet Bodo Hombach.

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mit dem medium das massenhaft „opfer“ produziert meint hombach natürlich nicht etwa die bildzeitung, „wild und hund“ oder das feldtelefon, sondern das internet. mit „anarchie“ meint er offenbar newsgroups, foren, blogs, webseiten, suchmaschinen oder soziale netzwerke die sich weltweit gebildet haben und dummerweise nur in deutschand der deutschen jurisdiktion unterliegen. und wie jeder weiss, sind nur die rücksichtslosen im internet erfolgreich: google, spiegel online, netzpolitik.org, die huffington post, ebay, amazon. schlimmer noch ist das beispielsweise bei facebook, xing, studivz und dem anarcho-netzwerk twitter. auch dort sind nur die rücksichtslosesten mitglieder an der macht. das alles muss dringend reglementiert werden, jetzt kommts, weil freiheit kinderpornographie ermöglicht. freiheit, anarchie, opfer, rücksichtslosigkeit, kinderpornografie. was für eine argumentationskette!

Felix Schwenzel antwortet Bodo Hombach.

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1. Das Internet ist anders.
… aber Journalismus im Internet ist nicht notwendig gratis.

Kommunikationswissenschafter Stephan Ruß-Mohl setzt unseren 17 Thesen 17 eigene entgegen.

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Qualität – noch so ein Reizwort. Ruß-Mohl schreibt: „Das Internet ‚entlarvt‘ gar nichts. Journalismus, der aufklärt, Spin reduziert, Skandale enthüllt, Korruption eindämmt, kostet Geld und hat große, arbeitsteilige und leistungsfähige Redaktionen zur Voraussetzung.“ Das ist es wieder, das sattsam bekannte Hohelied auf den Qualitätsjournalismus, der investigativ recherchiert, Skandale noch und nöcher aufdeckt und den Mächtigen ausdauernd auf die Finger klopft. Doch darum geht es ja gar nicht. Niemand, auch nicht das Manifest oder dessen Autoren bestreiten, dass investigativer Journalismus richtig und wichtig ist, auch wenn man ihn zunehmend mit der Lupe suchen muss. Das Internet macht aber transparent, wenn beispielsweise dutzende Zeitungen tagtäglich mit der gleichen Agenturberichterstattung inkl. demselben Foto aufmachen, das Internet macht nachvollziehbar, wenn deutsche Edelfedern ohne Quellenangabe aus amerikanischen Zeitungen abschreiben. Ein Journalistik-Professor müsste doch so etwas eigentlich gut finden. Oder nicht?

Stefan Winterbauer antwortet Stephan Ruß-Mohl.

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14 Jahre sind vergangen, seitdem Joshua Quittner in seinem berühmten »Hotwired«-Text „Way New Journalism“ die Vision eines ganz anderen Journalismus im Internet entwickelt hat. Es lohnt sich, Quittners Text noch einmal auf den Bildschirm zu holen: Er nennt nicht nur die Werkzeuge, die das Netz zur Verfügung stellt, sondern beschreibt auch deren möglichen Gebrauch: Multimedialität, Vertiefung, Dynamik der Texte, Journalismus als Gespräch, Publikumskritik, die Bedeutung von Amateuren – all das findet sich dort bereits. Seither ist viel Zeit für den Realitätstest gewesen, zu dem er damals aufgefordert hat. Das Manifest lässt wenig davon erkennen, dass der Erfahrungsschatz seither größer geworden ist.

Kommunikationswissenschafter Christoph Neuberger kommentiert das Manifest.

22 Replies to “Internet-Manifest-Ping-Pong”

  1. Der Beruf Journalist ist ja ziemlich freizüg in der Nennung.Wer irgendwo ein Klecks in eine Zeitung setzt, der glaubt er sei Journalist.Beim Redakteur ist dies wieder anders. So darf nur ien Profi heißen.Und kein Quereinsteiger.

    Begrifflichkeiten und derem Handhabungen,sind hier auch im Web, in einem Lauf. Klare Sturkturen sind trotz aller Arnachie von Nöten. Auch im Web.

    EIn heiloses Durcheinander führt zu diesem Bild eben, wie oben mehrfach genannt ist.

    Eine Vereinigung wäre passend.Und dann müsste so ein Programm wie das Manifest nochmal in die Mache. Und auf breiter Basis auf dem Punkt gebracht werden. Dies ist mit Sicherheit nicht nur AUfgabe der Alpha – Bloggergarde.Sondern ein Prozeß, der Internetdemokratie. Und die geht immer nur von unten nach oben!

  2. Ich raff ehrlich garnix mehr. Wer will hier eigentlich was??? Ich will guten, (fast) fehlerfreien Journalismus. Wenn ich morgen meine Tageszeitung aufschlage erwarte ich schon lange keine Exklusiv-Stories mehr (das gabs schon lange auf google.news oder twitter.com), aber ich will (Hintergrund-)Information. Wenn ich nach dem Zeitungslesen noch mehr Information haben möchte, geh ich nochmal ins Internet und recherchier die entsprechenden Quellen. Aber da hat man doch nur jeden zehnten Tag zu Zeit, ich versteh das ganze Problem zwischen den Medien und dem Internet nicht. Man muss doch nur die Nachfrage bedienen. Ich würde jedenfalls für eine Tageszeitung bezahlen und dennoch evtl auch ein Onlineabo einer anderen Zeitung haben, wenn das aktueller als meine Tageszeitung ist.
    PS: Ich bin weit unter 30 :)

  3. Irgendwie war es die letzten Wochen hier lustiger. Naja, hat uns halt der Alltag wieder … *räusper* Böse Verleger! Pfui! Ab ins Körbchen!

  4. Was Felix Schwenzel geschrieben hat, das habe ich mir auch so gedacht, konnte es aber nicht so gelungen und pointiert ausdrücken. Neubergers Kritik gefällt mir ebenfalls sehr gut. Es ist zugleich die vernünftigste und härteste. Ich bin begeistert, wie man so scharf kritisieren kann, ohne überheblich oder gemein zu erscheinen. Das würde ich auch gern können.

    Ansonsten ist der Lärm bezogen auf seinen Gegenstand etwas zu laut, um mal mit Shakespeare aufzuhören.

  5. Bin ich der einzige, der sich wundert, dass nach wie vor so viel Worte in diese Debatte investiert werden?

    Das Geschäftsmodell der Massenmedien ist seit jeher, die Aufmerksamkeit ihres Publikums an Werbetreibende zu verkaufen — und hat sich im Internet nicht geändert.

    Mit den Inhalten *selbst* wurde nie, wirklich *nie*, Geld gemacht. Niemand bezahlt dafür. Ja, es gibt eng umgrenzte Ausnahmen. Auch das ist im Zeitalter des Internet alles exakt so geblieben, wie schon immer.

    Was sich geändert hat, ist, dass es früher so teuer war, Inhalte zu vertreiben, dass die Macher der Inhalte und die Händler der Werbefläche/-zeit ein und dieselben waren: die Medienhäuser. Seit dem Internet ist der Vertrieb von Inhalten, zumindest in kleinem Umfang, effektiv kostenlos. Selbst in großem Umfang ist er um viele Größenordnungen günstiger.

    Die Kontrolle über den Vertriebskanal von Werbung, den die Medienhäuser genossen, hat sich in Luft aufgelöst.

    Heute kann jeder Inhalte ins Internet stellen und Werbung schalten. Dass der schiere Ozean an Konkurrenz dabei die Preise für Werbefläche ins Bodenlose heruntertreibt — wundert es jemand?

    In der neuen Flut von Inhalten ist der Vertrieb von Werbefläche an die übergegangen, die die Aufmerksamkeit des Publikums nicht selber beanspruchen, sondern sie leiten: die Suchmaschinen.

    Was ist an all dem so schwer zu verstehen, dass darüber noch immer debattiert wird? Ist es nicht nachzuvollziehen, dass der Kontext, der die Existenz der Medienhäuser ermöglicht und gerechtfertigt hat, komplett verschwunden ist?

    Ja, ich weiß, dass das den Medienhäusern nicht gefallen kann. Der Geschmack der Realität ist allzu oft bitter. Dumm nur, dass sie sich darum nicht schert. Dumm ebenso, dass das Rad der Zeit auch nicht zurückzudrehen ist.

    Wie der Journalismus im Zeitalter des Internet zu retten ist, scheint genauso offensichtlich: der Überhang des Medienhauses ist im Zeitalter minimal-kostspieligen Vertriebs einfach nicht mehr nötig. Das Resultat liegt auf der Hand:

    Wie schon der Musiker vor ihm wird der Journalist zum Einzelkämpfer.

    Was gibt es an dieser Tatsachenlage noch lang und breit zu diskutieren?

  6. Die Ausführung via wirres.net ist richtig, würde aber zweifellos ernster genommen, wenn sie in deutscher Sprache verfasst wäre.

  7. @ 11: Haben sie schon einmal Ihren Beitrag mit dem ersten Satz Ihres Beitrags verglichen? :-)

  8. 13: lol, großartig

    11 zusammengefasst heißt nichts anderes als: Früher haben Firmen (Verlage) mit einem Geschäftsmodell Geld verdient, bei dem Journalismus Mittel zum Zweck war. Heute verdienen andere Firmen Geld mit einem anderen Geschäftskonzept, dass ganz losgelöst vom Journalismus ist.

    Da Journalismus aber systemrelevant ist, muss es denn in professioneller Form (also gemacht von hauptberuflichen, gut ausgebildeten und von Interessen dritter unabhängiger Journalisten) ja irgendwie weiterhin geben. Dazu gibt es verschiedene Modelle, das geeignetste scheint mir – das habe ich auch schon oft geschrieben – ein öffentlich-rechtliches System, da es die Aufgabe des Journalismus am besten leisten kann.

    Es scheint mir am sinnvollsten, die Verlage von der Bürde eines Journalismus für alle (mit dem sie offenbahr kein Geld verdienen können) zu entkoppeln, indem wir ihn anders sichern. Dann können die Verlage, dass tun, was sie tun sollen: Geld verdienen mit Geschäftsmodellen, mit denen man Geld verdienen kann.

  9. @ 13: :-)

    @ 14: Ich stimme zu, dass der Journalismus erhalten werden muss… wenn auch nicht notwendigerweise das, was Medienhäuser selbst wie auch die bei ihnen oft allzu bequem etablierten Journalisten dafür halten. (Das ist, denke ich, auch die Essenz dieses Weblogs.) Ob ein öffentlich-rechtliches System die Lösung ist (wie es im Übrigen in den letzten Jahren auch für Musiker vielfach vorgeschlagen wurde), weiß ich nicht so ganz – das systematische Problem des Journalismus ist, dass er von absoluter Neutralität abhängig ist und mit den Interessen *jedes* Geldgebers (also auch des Staates) potentiell in Konflikt steht.

  10. „das systematische Problem des Journalismus ist, dass er von absoluter Neutralität abhängig ist und mit den Interessen *jedes* Geldgebers (also auch des Staates) potentiell in Konflikt steht.“

    Der Staat gibt dem Öffentlich-Rechtlichem Rundfunk kein Geld. Die Bürger tun das.

    Natürlich gibt es in allen real existierenden Journalismus-Betrieben dieses Problem. Der Verlag, die Parteien, die Interessen derjenigen, die Spenden zahlen/sich Abos leisten können/wollen. Die Sache ist: potenziell und von der Grundidee her taugt meiner Ansicht nach ein öffentlich-rechtliches System am ehesten.

    Sie schreiben es ja selbst: Den Verlagen ist der Journalismus lange Zeit ein probates Mittel zu dem Zweck gewesen, Werbefläche zu verkaufen. Natürlich gibt, eher gab es auch Verleger oder Journalisten, die Journalismus machen wollen und da die Werbung Mittel zum Zweck ist. Wie Stefan Niggemeier vielleicht sogar. Oder so wie jetzt auch in Italien mit der neuen regierungskritischen Zeitung, deren Name mir grad entfallen ist.

    Aber doch nicht Burda, Holtzbrinck, Springer…

  11. Wenn ich mich recht erinnere wurde Paul Simon ziemlich kritisiert, als er sein afrikanisches Album aufgenommen hat. Ein Kritiker meinte, „das hätte jeder machen können.“ Es soll geantwortet haben: „Aber ich war derjenige der es gemacht hat.“

    Ich denke mal hier spielt eine Menge Neid mit, dass hier so eine Art deutsches „Cluetrain Mainfest“ erstellt wurde. Und mach einer denkt sich, „das hätte ich genau so machen können.“

    Ich stelle immer wieder fest, dass „Durchschnittlichkeit“ recht schnell „Überdurchschnittlichkeit“ erkennt, es verübelt und dann versucht diese zu vernichten.

    Wie war das noch mit der Toleranz und dem Protektionismus? Praktisch jeder Fortschritt hat schon immer mit Widerstand gekämpft.

    „Wer dabei mithelfen möchte, diesen Text weiterzuentwickeln, kann das gerne hier tun.“ Das sagt doch schon alles aus…

    Auch die Vinylplatte wurde mal von der Kassette abgelöst, dann kam die CD usw. Einfach mal heute einen jungen Menschen fragen was eine Vinylplatte ist…

    P.S. Galileo hat Mundverbot bekommen… er hatte leider kein Internet.

  12. @ Markus Trauernicht (17):
    Ach herrje. Das IM hat im Vergleich mit Cluetrain ungefähr den Stellenwert des FDP-Grundsatzprogramms im Vergleich mit der UN-Menschenrechtscharta: Irgendwie ähnlich, aber nur eine eng umgrenzte Westentaschenversion für eine kleine Zielgruppe. Ich kann ja verstehen, dass Stefan und andere Unterzeichner das Ding gerne am Leben erhalten würden, zumal Hombach dafür so einen schöne Aufhänger geliefert hat. Tatsächlich aber grenzt es eher an Leichenfledderei, das Ding wieder hervorzukramen, nachdem es eigentlich schon sanft entschlafen war. This is sooo summer of ’09!

  13. #16: „Der Staat gibt dem Öffentlich-Rechtlichem Rundfunk kein Geld. Die Bürger tun das.“
    Der Staat gibt dem ö-r Rundfunk das Geld. Die Bürger zahlen nur. Sie haben keinerlei Einfluss auf den ö-r Rundfunk.

  14. Eigentlich unspektakulär, was ein belgischer Journalist da formulierte: „Buch, Radio und Zeitungen werden zu einem Medium zusammenwachsen“. Warum erwähnte er nicht das Internet und nicht das Fernsehen? Nun, dieser Auspruch ist von 1932. 1998 stand ich selbst vor Investoren und stellte meine Internet-TV-Aktivitäten im fernen N.Y. vor, abgesichert natürlich durch die Prognosen namhafter Forschungsinstitute: danach hätten wir im Jahre 2005 (!) in Deutschland bereits einen Umsatz mit bewegten Bildern von rund 5 Milliraden EUR erzielen müssen. Um es mit Obama zu sagen: Wooow! Nun prophezeit das Internet-Manifest den ungefähr zehnten völligen System-Wechsel in den Medien innerhalb von 50 Jahren und trotzdem werden auch diesmal wieder einige Naturgesetze nicht ausser Kraft gesetzt werden: wenn, ja wenn die Medien ihren Job ernst nehmen, den Unterschied und die Wertigkeit des Profi-Journalismus deutlich zu machen. Was sie aus Arroganz und monopolistisch anmutender Marktaufteilung in der Tat viele Jahre nicht gemacht haben. Wenn denn Journalisten sich bemühen mit handwerklicher Perfektion die Lage in Afghanistan oder an der Wall Streeet zu erklären, was ein Home-Blogger niemals wird tun können. Auch in 50 Jahren nicht. Natürlich wird daneben die Parallel-Welt des semi-professionellen Halbwahrheiten-Verbreitens entstehen, aber genau wie Podcast und „Second Live“ wird dies für nur für eine Minderheit interessant bleiben, wenn der große Hype vorbei ist. Ein gut gemachte, konstruktive Provokation ist das Internet-Manifest auf jeden Fall – Pflichtlektüre für alle, die Medien für mehr halten als eine wegwerfwerte Discountware.

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