Irgendwer hat im Ausland womöglich nett gemeinte Dinge über die „Zeit“ gesagt

Mit dieser Diashow wirbt die „Zeit“ dafür, bei ihr zu werben:

DIE ZEIT ist die einzige deutsche Wochenpublikation mit stetigem Erfolg, so die New York TimesEs gelingt, Intellektuelle und Promis gleichzeitig anzusprechen, meint The Economist

Ich bin darüber gestolpert, weil es mir unwahrscheinlich erschien, dass in dem von mir heiß geliebten „Economist“ ein solcher Quatsch stehen könnte wie der, dass die „Zeit“ Intellektuelle und Promis gleichzeitig anspreche. (Sind „Promis“ überhaupt eine werberelevante Zielgruppe?)

Im Archiv fand sich keine Spur von dem angeblichen „Economist“-Zitat, also fragte ich bei der Pressestelle von iq media, dem Vermarkter der „Zeit“, ob man mir eine Quelle nennen könnte.

Eine Antwort bekam ich nicht; jedenfalls keine direkte. Aber jetzt sieht die Werbung für das Werben in der „Zeit“ plötzlich so aus:

DIE ZEIT ist die einzige deutsche Wochenpublikation mit stetigem Erfolg, meint The EconomistEs gelingt, Intellektuelle und Promis gleichzeitig anzusprechen, so die New York Times

Aha! Tatsächlich hat der „Economist“ kürzlich etwas so ähnliches formuliert („Die Zeit is the only German news weekly that is steadily growing its sales“). Und tatsächlich findet sich in der „New York Times“ das Zitat mit den Intellektuellen und den Promis — es ist allerdings kein Urteil der Zeitung, sondern eine Aussage des Hamburger Journalistik-Dozenten Steffen Burkhardt, die sie bloß wiedergibt.

Kommt anscheinend alles irgendwie nicht so drauf an, wenn man „Das Leitmedium“ vermarktet. (Und ich wüsste immer noch gern, was es bedeuten soll, wenn eine Zeitung „Intellektuelle und Promis gleichzeitig“ anspricht. Richard David Precht?)

24 Replies to “Irgendwer hat im Ausland womöglich nett gemeinte Dinge über die „Zeit“ gesagt”

  1. Dank dem Zitat des Zitats des Professors können sich ZEIT-Leser also als intellektuell und prominent gleichzeitig empfinden. Als Mitarbeiter einer Marketingagentur wüsste ich dann trotzdem immer noch nicht, warum ich ausgerechnet bei Narzissten werben sollte.

  2. @freiwild: Ich würde genau das Gegenteil herauslesen.
    Intellektuelle ≠ Promis

    Beispiel: Die Geissens

  3. Ist der Artikel mit den intellektuellen Promis überhaupt in der „New York Times“ erschienen oder lediglich in deren globaler Ausgabe, der „International Herald Tribune“, wie die Erklärung darunter nahelegt?
    Und vielleicht meint Burkhardt im Kontext seines Zitates ja auch, dass Mr. Di Lorenzo die „Zeit“ mittlerweile so weit boulevardisiert hat, dass nicht nur Intellektuelle gerne _darin_ vorkommen, sondern auch Promis.

  4. Werbung darf doch lügen, die nennen es dann nur anders.
    Die „Schwindelwerbung“ der Lebensmittelindustrie hat allerdings 2012 von der Efsa (Efsa,European Food Safety Authority) einen kleinen Dämpfer bekommen, aber sie wollen weitermachen und wehren sich: „Die Lebens­mittel­industrie gibt sich mit den neuen Werbe­regeln nicht einfach zufrieden. Der Verband der Hersteller von Nahrungs­ergän­zungs­mitteln etwa sieht unter anderem die Informations­freiheit der Verbraucher und die Meinungs­freiheit der Anbieter verletzt. Er klagt jetzt gegen die Europäische Kommis­sion…“

    Stiftung Warentest mit Kritik an Produzenten:
    „Ärgerlich für die Kunden: Es gibt auch Hersteller, die weiter mit Formulierungen werben, die man unter den zugelassenen vergeblich sucht. Als „Klug­stoff“ für Kinder verkauft etwa Vital Products seine Addy Junior Plus Kapseln. Gefüllt sind sie mit Omega-Fett­säuren, Vitaminen und Mineralstoffen. Die Mischung hilft laut Angabe auf der Packung bei Konzentrations­schwäche und Lern­störung. Eine Aussage, die da (laut Warentest) nicht mehr stehen dürfte.“

    Das fordern vermutlich auch die Medien lauthals: „Informations­freiheit der Verbraucher und die Meinungs­freiheit der Anbieter!“

    Wahrheit.Pfft.

  5. „Es gelingt, Intellektuelle und Promis gleichzeitig anzusprechen.“
    „Ich gehöre nicht mehr dazu.“ (Uli Hoeneß)

    Zufall?

  6. Spricht es denn gegen die ZEIT an sich, wenn die Vermarktungsagentur (die zum Handelsblatt gehört) in ihrer Werbung ein bisschen Stuss verzapft?
    Die Ansage „Mit dieser Diashow wirbt die »Zeit« dafür, bei ihr zu werben“ ist ein bisschen irreführend – oder findet sich diese Bilderstrecke auch auf zeit.de? Das geht aus dem Beitrag nicht so ganz hervor.

  7. Alle vergessen so gerne das The Economist sich hinter George Bush und den Iraq Krieg gestellt haben. So ein toller Zeitschrift…

  8. “It walks the tightrope, appealing to intellectuals and celebrities.”

    Vielleicht meint der Dozent damit, dass in der „Zeit“ nicht nur Intellektuelle, sondern auch Promis wie z.B. Guttenberg und Hoeneß die Möglichkeit haben, ausführlich ihr Geschwurbel abzulassen?

  9. Wenn man die Zielgruppe bis zu den H-Promis runterrechnet, gehören ja jeder dazu, der schon mal bei Frauentausch im Fernsehen seine oder ihre 15 Minuten hatte. Die Zielgruppe ist also größer, als man denkt.

  10. Unangenehm an der Bezeichnung „Leitmedium“ ist ja nicht zuletzt auch, dass Eigenwahrnehmung von ZEIT und BILD sich hier aufs peinlichste zu überschneiden scheinen.

  11. @BlueKO #2

    Man kann auch weder intelligent noch prominent sein. Nur weil die Geissens in einer peinlichen Nischensendung auftreten (und darüber hinaus noch bei RTL2) sind sie noch lange nicht prominent.

  12. Auf ähnliche Art und Weise stöbern Buchverlage, Theater, Konzertveranstalter oder Musicalbühnen Lobhudeleien zusammen. Notfalls wird aus „An Stumpfsinn nicht zu überbieten!“ auf dem Plakat oder in der Anzeige „…nicht zu überbieten!“

  13. @freiwild #19: Das sah die Horde rund um Lanz vergangene Woche wohl (leider!) anders.

    Mir fallen nur keine prominenten Intellektuelle ein…

  14. @#19: Schlechtes Beispiel. Die Geissens tummeln sich auch in großen Abendshows der Öffentlich-Rechtlichen, betreiben Werbung für Großkonzerne, haben ihre DVD-Reihe … Mögen muss man sie nicht, das ändert jedoch nichts an der Bekanntheit (=Prominenz). Vermutlich sind sie deswegen öfters mal bei der Zeit Thema.

  15. @21: Richard David Precht hat Stefan ja selbst schon genannt. Mir fielen dazu auch noch Peter Sloterdijk und der kürzlich verstorbene Walter Jens ein, die in beide Schubladen passen.

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