Lügen wie nicht gedruckt

In seinem „Tagebuch“ (das ist so etwas wie ein Blog auf Papier) im aktuellen „Focus“ schreibt Helmut Markwort:

Das über dubiose Internet-Quellen verbreitete Gerücht, an geheim gehaltenen Orten in Großbritannien werde schon die neue D-Mark gedruckt, ist blühender Unsinn. Verblüffenderweise gibt es eine Menge Menschen, die solchen Quatsch glauben und weitererzählen mit der Begründung, es habe ja im Internet gestanden.

Sie sagen das mit der gleichen Wichtigkeit wie den Satz: Es hat ja in der Zeitung gestanden. Fakten in Zeitungen werden im Allgemeinen verantwortungsbewusst und seriös geprüft. Im Internet hingegen gibt es nicht nur bekannte und zuverlässige Anbieter. Jeder Narr, Desinformant oder Denunziant kann dort jeden Blödsinn oder auch jede Gemeinheit in die Welt setzen.

Der letzte Satz ist zweifellos richtig. In Zeitungen kann nicht jeder jeden Blödsinn oder auch jede Gemeinheit in die Welt setzen, sondern nur die Narren, Desinformanten oder Denunzianten, die es in die Redaktion geschafft haben.

Aus Daffke habe ich mir mal die Mühe gemacht, nachzusehen, wer den „blühenden Unsinn“ verbreitet, dass in Großbritannien schon wieder die D-Mark gedruckt werde.

Na sowas:

Es handelt sich um die Online-Auftritte der Münchner Schwester-Zeitungen „Münchner Merkur“ und „tz“. Offenbar fallen die nicht unter die „bekannten und zuverlässigen Anbieter“ im Internet. Aber was die bloß online veröffentlichen, wird nach Markworts Logik womöglich auch nicht „im Allgemeinen verantwortungsbewusst und seriös geprüft“.

Die Zeitschrift „Euro“ und die Sonntagszeitung „Euro am Sonntag“ erscheinen im Finanzen Verlag, der aus einer Tochter der Axel Springer AG hervorgegangen ist.

Am 22. Februar 2012 veröffentlichte „Euro“ auf Papier:

Den Anfang machte unter anderem Pippa Malmgren, ehemalige Wirtschaftsberaterin des Ex-US-Präsidenten George W. Bush und der Deutschen Bank sowie Gründerin der Investmentberatung Principalis Asset Management. Im Oktober 2011 sagte sie, Deutschland werde den Euro verlassen und neue Scheine würden bereits von der Banknotendruckerei De La Rue in England gedruckt. Beweise lieferte sie aber nicht.

Und am 25. Mai 2012 schrieb „Euro am Sonntag“ ebenfalls auf Papier:

Pippa Malmgren, Präsidentin des Londoner Vermögensverwalters Canonbury, sorgte schon im November für Aufsehen, als sie sagte: „Ich glaube, dass Deutschland bereits mit dem Druck neuer D-Mark-Scheine begonnen hat.“ Ähnliches deutete Frank Fischer vom Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen in der „Wirtschaftswoche“ an.

Ach? Tatsächlich: Die „Wirtschaftswoche“ aus der Verlagsgruppe Handelsblatt, die zur Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH gehört, in der unter anderem auch „Die Zeit“ und der „Tagesspiegel“ erscheinen, berichtete in ihrer seriös gedruckten Ausgabe 50/12 vom 12. Dezember 2011:

Frank Fischer spricht große Dinge gelassen aus: „Ich weiß von einem guten Freund, der Kontakte zur Bundesbank hat, dass D-Mark gedruckt werden.“ Ein Spinner? Wie man’s nimmt: Fischer ist Profi, in seinem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen managt er erfolgreich rund 50 Millionen Euro. Kann er seine Quelle näher beschreiben? Sein Freund, sagt Fischer, sei Professor, und der wüsste es von einem Ex-Partner eines großen Wirtschaftsprüfers, dem wiederum habe es ein Freund aus der Bundesbank beim Wein erzählt. (…)

Der bislang wohl letzte D-Mark-Schein wurde am 7. März 2000 bei Giesecke & Devrient in München gedruckt, es war ein Zehner. Die Druckplatten wurden vernichtet, nur wenige stehen noch im Geldmuseum der Bundesbank in Frankfurt.

Skeptiker wie Fondsmanager Fischer verbreiten, dass die Bundesbank schon wieder neue in Auftrag gegeben hat. Immerhin: Auch die D-Mark-Einführung 1948 wurde schließlich drei Jahre lang geheim vorbereitet. Laut einem Bericht des Deutschlandfunks brachte am Ende dieser drei Jahre, am 20. April 1948, ein Bus mit undurchsichtigen Milchglasscheiben die Mitglieder der von Ludwig Erhard geführten „Sonderstelle Geld und Kredit“ in einen US-Fliegerhorst bei Kassel. Dort seien die letzten geheimen Vereinbarungen zur Abschaffung der Reichsmark und Einführung der D-Mark getroffen worden.

Und: Im Kalten Krieg, Anfang der Sechziger, hatte die Bundesbank schon mal eine Geheimwährung. (…)

Ich würd’s ja nicht glauben. Aber es stand in der Zeitung.

Nachtrag, 23:05 Uhr. Ich hätte es wissen müssen. Der „blühende Unsinn“, der „Quatsch“, das Gerücht, das laut Markwort „über dubiose Internet-Quellen verbreitet“ wurde, wurde auch von „Focus Money“ verbreitet:

Bereits seit Ende September geistert durch angelsächsische Börsenportale die Meldung, dass „die Deutschen die Wiedereinführung der D-Mark ankündigen werden. Sie haben die neue Währung bereits bestellt und die herstellenden Firmen aufgefordert, sich zu beeilen.“ (…)

Doch nicht nur im Ausland kursieren solche Gerüchte. So ließ Frank Fischer, renommierter Fondsmanager des erfolgreichen Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, verlauten, „dass D-Mark gedruckt werden“. Er wisse das „von einem guten Freund, der Kontakte zur Bundesbank hat“.

„Focus Money“, gedruckte Ausgabe, 25. Januar 2012. Herausgeber: Helmut Markwort.

38 Replies to “Lügen wie nicht gedruckt”

  1. Meine Erfahrung ist eher, dass man im Allgemeinen glaubt, was in Zeitungen und Büchern steht, und erst einmal für dubios hält, was im Internet steht. Wenn ich scherzend sage, „wenn’s im Internet steht, wird’s ja wohl stimmen“, wird das immer verstanden. Ich bin natürlich nicht repräsentativ, aber einer „Menge Menschen“ kann man alles andichten.

    Wichtig wäre tatsächlich, dass möglichst viele Leute lernen, die Glaubwürdigkeit von Quellen zu beurteilen. Dazu würde auch die Einsicht gehören, dass die Unterscheidung nach Medium ein ziemlich schwaches Kriterium ist. Mag ja sein, dass eine Zufallsauswahl von Zeitungsartikeln einen höheren Wahrheitsgehalt hat als eine Zufallsauswahl von Internetseiten. Aber wenn man sich allein darauf stützt, bleibt Wahrheitsfindung Glückssache. Man hat nur die Chancen ein bisschen erhöht. Schade, dass verblüffenderweise eine Menge Menschen ihre Vorurteile sowohl über Zeitungen als auch über „das Internet“ nicht nur nicht aufgeben wollen, sondern auch noch so offensiv weiterverbreiten. Und sich dann noch darüber aufregen, dass in unserer Gesellschaft jeder was sagen darf.

  2. Naja, die zitierten Artikel scheinen ja schon ausreichend Distanz zu dieser Aussage zu wahren (auch wenn sich das letzte Beispiel ein bisschen sehr ausführlich in Spekulationen ergeht). Wenn die beiden Urheber des Gerüchts sich ihres Expertenstatusses rühmen können – und danach sieht’s aus – finde ich das journalistisch okay. Auch wenn ich das Gerücht natürlich für totalen Blödsinn halte.

  3. @wortwart: Also, man kann als Medium wie der „Focus“ gleichzeitig ein Gerücht verbreiten und sich darüber empören, dass andere dieses Gerücht verbreiten (und daraus sogar schlussfolgern, dass Print Online als seriöse Informationsquelle überlegen ist)?

  4. @Sebastian:

    und erst einmal für dubios hält, was im Internet steht.

    In Ihrem Internet, vielleicht.

    Mein Internet dagegen ist doch ziemlich seriös.

  5. @12
    Natürlich kann man das, schließlich verbreiten andere Internetquellen das Gerücht, ohne dass Deutschlands Eliteverleger daran verdienen, das ist in Zeiten des LSR doch schon Grund genug sich darüber aufzuregen.

    Aber dass das was gedruckt ist automatisch eine hohe Glaubwürdigkeit hat ist auch eine lustige Annahme, dann werden die Machwerke des KOPP Verlag ja plötzlich total seriös, nur weil sich mittlerweile jeder ein paar ISBNs und nen Druckauftrag in Polen oder sonstwo leisten kann.

    Wobei – ist die Erwähnung des KOPP-Verlages eigentlich schon eine eine Erfüllung von Godwin’s law?

  6. @ Stefan Niggemeier

    Erst „knüwern“, jetzt „Daffke“!

    Sie werden doch nicht schon mit knapp 43 Jahren zurück in die Baby-Sprache fallen. Ich dachte immer, dass passiert erst ab 80 aufwärts!

  7. Neu im Internet? Sonst nur Focus gelesen? Naja, kann passieren.

    „Knüwern“ für Anfänger (2008,Lukas Heinser)

    „Daffke“ seit dem 20. Jahrhundert bezeugt; Entlehnung aus dem Rotwelschen dafko „durchaus, absolut“(Wiki)

  8. @15 Frank Reichelt:
    Babysprache? Juristendeutsch!
    LArbG Berlin-Brandenburg 6. Kammer, Urteil v. 06.05.2011
    Az 6 Sa 2558/10
    „Der Kläger hatte seine Arbeitspflicht und seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf deren Interessen gemäß § 241 Abs. 2 BGB vorsätzlich schwer verletzt, indem er die Beklagte bzw. deren Auftraggeberin gleichsam „aus Daffke“ öffentlich vorgeführt hat. Angesichts der auch in seiner Bezeichnung der Arbeitsbedingungen als menschenunwürdig zum Ausdruck gelangten Einstellung des Klägers bestand die Gefahr, dass dieser bei nächster Gelegenheit erneut rücksichtslos seine auch nur vermeintlich berechtigten Interessen öffentlichkeitswirksam verfolgen würde.“

    Ging um einen Berliner Busfahrer, der wegen eines Streites mit einem Kollegen den vollbesetzten Bus verlassen hat, und das mit den menschenunwürdigen Zuständen bei seinem Arbeitgeber begründet hat.

  9. Mein Gott, das war doch nur eine klitzekleiner morgendlicher Humorversuch, meinetwegen mißlungen, aber dem Meister gleich verteitigend beizuspringen zeugt auch nicht gerade von überbordendem Sinn für Humor. Bleibt gelassen, Jungs!

  10. Nun, wenn dieses „über dubiose Internet-Quellen verbreitete Gerücht“ mal nicht über eine vielgeliebte Nachrichtenagentur kam. Die verbreitet ihre Inhalte ja auch digital in den Redaktionen.

    Herr M. ist ja schon lange eher Lobbyist als Journalist, insofern kann man ihm hier auch kein mangelhaftes Handwerk vorwerfen, zumal das Nicht-Prüfen und Abschreiben ja auch in seinem Haus mittlerweile Gang und Gäbe sind.

  11. Aber im bösen Internet kursierten die Gerüchte über die sofortige Rückkehr der D-Mark wirklich schon viel früher, nämlich bereits im Mai 2010. Wie der gedruckte Spiegel ebendamals schon zu berichten wusste:
    http://www.spiegel.de/spiegel/a-696220.html
    Ist aber tröstlich, dass diese Information mit nicht einmal zweieinhalbjähriger Verspätung jetzt auch bei Markwort angekommen ist.

  12. @19 Frank Reichelt
    Hm, das Urteilszitat mit der Zuschreibung „Juristendeutsch“ (Daffke mag ja alles sein, aber sicher kein Juristendeutsch) zeigt ja vielleicht auch, dass der Kommentar u.U. nicht ganz ernsthaft gemeint war…
    Aber offenbar ist heute Tag der missglückten Humorversuche, warum trinkt man auch nicht erst einen Kaffee anstatt zu kommentieren.

  13. „»Tagebuch« (das ist so etwas wie ein Blog auf Papier)“

    *Grins* Früher sagte man noch: „… »Blog« (das ist so etwas wie ein Tagebuch im Internet)“. Wie sich doch die Zeiten, Prioritäten und Wahrnehmungen verändern.

  14. @ Ackerbau

    Ein weiser Rat hat zur Abrundung dieses Scharmützels ja noch gefehlt!
    Vielen Dank für die kostenlose Lebensberatung.

  15. @Stefan W., 13: Wenn ich „ich“ meine, schreibe ich nicht „man im Allgemeinen“. Und wenn ich meinen würde, dass die Unterscheidung nach Medium ein starkes Kriterium sei, würde ich nicht schreiben, „dass die Unterscheidung nach Medium ein ziemlich schwaches Kriterium ist“.

  16. hat denn herr markwort eigentlich von dieser kritik an seinem tagebuch erfahren und darauf reagiert? wenn man nachweislich humbug erzählt, sollte man sich nämlich schon korrigieren. zumindest wenn man eine halbwegs gute kinderstube hat – behaupte ich jetzt mal

  17. @ 28: Markwort reagiert ja auch nicht auf den restlichen Quatsch in seinem Blatt. Warum sollte er das jetzt anfangen? Altersweisheit?

  18. @pruefer: Das hat nicht so sehr mit Alter, sondern eben mit Kinderstube zu tun – etwas nachweislich Falsches sollte man korrigieren. Und zwar egal, ob „man“ Marktwort oder Niggemeier, Diekmann oder Rösler heißt.
    Sollte. Machen aber längst nicht alle, schon gar nicht bei den Printmedien. Möglicherweise hat der Hausherr deshalb ja schon längst irgendwo in seiner Cloud eine entsprechende Liste abgelegt: „… kann seine Fehler nicht selbst korrigieren“. Auf dieser Liste würde dann seit knapp sechs Jahren auch sein heutiger Arbeitgeber stehen:
    http://www.stefan-niggemeier.de/blog/der-spiegel-kann-fehler-leider-nicht-selbst-korrigieren/

  19. @Detlef: Jein, jedenfalls nicht, was die Sache von damals angeht. Denn inzwischen hat der „Spiegel“ kleine Korrekturkästchen und muss das nicht mehr in den Leserbriefen verhandeln.

  20. @12: Dass der Focus das auch gebracht hat, hatte ich nicht mehr gesehen – das gibt der Angelegenheit eine schöne Pointe. Mein „journalistisch gerade noch okay“ bezog sich allerdings ausdrücklich auf die Artikel, die das Gerücht verbreiteten, nicht auf Herrn Markworts Gedankenmüll.

  21. @vera: Wenn ich das mal etwas spitzer formulieren darf:
    „Die Akzeptanz von Firlefanz
    führt manchmal doch zu Relevanz.“
    (Eigenzitat -SCNR)

    oder noch spitzer:
    Intelenz und Kompetenz
    versagt bei Markwort. Konsequenz
    ist Hohlgeschwätz in Permanenz.

  22. Ich find’s als Informatiker ja interessant, daß die Leuten glauben, mit dem Drucken von Geldscheinen sei’s getan. Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn SAP, Oracle, Lexware, DATEV et.al. „im Geheimen“ ihre Software D-Mark-fähig machen würden…

  23. @Martin Schröder:
    Ich würde mir Sorgen machen, wenn die Software-Produkte der von Ihnen genannten Firmen nicht mehr-währungs-fähig wären oder wenn diese keine Währungsumstellung handhaben könnten.

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