Mein Leben & ich

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Es gibt sie noch, die Überraschungen im deutschen Fernsehen.

In der Nacht auf Samstag zeigte RTL ab 1.52 Uhr unerwartet zwei Folgen der bislang ungesendeten letzten Staffel der schönsten Comedyserie, die der Sender je produziert hat: „Mein Leben & ich“ mit Wolke Hegenbarth. Angekündigt war für diese Zeit die bizarre Fake-Dokureihe „Verdachtsfälle“, und aus dem offiziellen Programmdienst von RTL im Internet geht bis jetzt noch nicht hervor, dass etwas anderes kam. Nur in den Videotext waren (versehentlich, muss man vermuten) Hinweise durchgesickert, und tatsächlich liefen dann die 62. und 63. Folge von „Mein Leben & ich“ (in umgekehrter Reihenfolge natürlich). Weitere neue Folgen könnten in den nächsten Wochen zu sehen sein, teilweise hat RTL sogar schon Termine veröffentlicht (Samstag, 1.55 Uhr, Sonntag, 6.25 Uhr, Mittwoch, 2.20 Uhr), sicher ist nichts.

Selbst für einen Sender wie RTL, der viel Erfahrung damit hat, treue Serienfans zu ärgern, ist der Umgang mit „Mein Leben & ich“ spektakulär. Drei Jahre lang lag die sechste Staffel fertig produziert im Schrank. Den Erfolg der Serie, die bei Kritikern und Publikum angekommen war, beendete der Sender, als er die originelle Idee hatte, die fünfte Staffel im Fußballsommer 2006 erst nur halb zu zeigen, aber teilweise parallel zu den WM-Spielen. Als die Geschichte ein halbes Jahr später weiterging, war das Zuschauerinteresse nur noch durchschnittlich.

Ein Sendersprecher erklärte, für eine Ausstrahlung am Hauptabend fehlten dazu passende Sendungen — was völliger Unsinn ist: In diesem Sommer hat RTL etwa am Montagabend erfolgreich Sitcoms gezeigt hat, darunter die Serie „Der Lehrer“, die vorher zwei Jahre im Sendekeller abhängen durfte und die RTL im Doppelpack wegsendete (was bei neun Folgen nicht aufgeht, RTL aber egal war: Die letzte Folge blieb halt ungesendet oder lief, wer weiß es, in Fünf-Minuten-Schnipseln rückwärts zwischen den Sex-Hotline-Spots in der Nacht).

Sie müssen sie wirklich hassen, bei RTL, die letzten Zuschauer, die noch ein paar Restansprüche an ihr Programm haben.

29 Replies to “Mein Leben & ich”

  1. Erinnert mich an die Kultserie „Firefly“, welche in den USA durch willkürliches Hin- und Herschieben von FOX gekillt wurde. Wer heutezutage eine Serie wirklich sehen will wartet eh auf die DVD (oder Blu-Ray) anstatt sich der Gnade des Sender auszusetzen. „Mein Leben & ich“ gibts komplett für etwas über 100€ bei Amazon.

  2. Da hat RTL mal eine gute Serie, die auch ankommt und was wird damit gemacht? Sie wird abgeschoben. Ich habe vergangene Woche noch einen Artikel (ich glaube beim Fernsehlexikon) darüber gelesen, dass die 6. Staffel bereits seit 3 Jahren im Schrank liegt. Aber warum?
    Kann man mit diesem Müll wie Bauer sucht Frau bzw. DSDS wirklich besser Quoten erzielen? Schrecklich…

  3. Der „Firefly“-Vergleich ist so langsam nervig. Wenn dann doch bitte gleich „Fox“ mit „RTL“ vergleichen und nicht immer an einzelnen Punkten aufmachen. „Drive“ war auch eine Totgeburt, andersherum haben sowohl „TtSCC“ und „Dollhouse“ jeweils eine zweite Staffel bekommen, wurden aber am Freitagabend totgesendet – während „Smallville“ dort ganz gut weg kommt.

    Ich mag „Mein Leben & Ich“ auch sehr, das Problem ist aber doch wohl eher, dass diese Sendung für den Sender zu intelligent ist. Ich finde auch nicht, dass hier „Noch der letzte Zuschauer“ vergrault wird. Die dumme Masse schaut doch zu. Die fetten Couch-Potatoes. Menschen, die beim Fernsehen nicht mitdenken wollen, und sich noch über den letzten Raab und Bohlen-Kommentar gegenüber Menschen, die sich nicht wehren können, amüsieren.

    „Mein Leben & Ich“ war, wie „Stromberg“ es noch ist, zu intelligent, zu pointiert und sicherlich zu sehr auf zu viele Zuschauer und deren Seelenleben zutreffend. Man musste doch glatt mitfühlen, und da bucht doch keine Sau Werbung zu. Titten. Bullen. Diffamieren. Das zieht im deutschen Fernsehen.

    Wobei ich bemerken muss, dass ich eigentlich zum Theme gar nichts mehr sagen darf. Ich hab vor zwei Jahren meinen Receiver abgeklemmt, weil mich das Fernsehprogramm irgendwann nur noch beleidigt hat in meinem Verlangen danach, beim Zuschauen gefordert zu werden. Ich würd wirklich gerne wieder mehr TV gucken, wenn es nicht so gnadenlos scheiße wäre.

  4. Ich ziehe hier mal eine Parallele zum Umgang des ZDF mit der tollen Serie Anna Piel. Die wurde kurz vor dem sehr spannenden Ende der ersten Staffel durch irgendwelche SOKO Wiederholungen ersetzt. Gerüchteweise lief die Serie noch mal im Nachtprogramm.

  5. @Sebastian: Aber das ist doch das Rätselhafte. Die Quoten von „Mein Leben & ich“ waren nicht schlecht — mit Ausnahme der letzten Folgen der 5. Staffel, die unvermittelt nach einer halbjährigen Pause liefen. Die Serie war (damals zumindest) nicht zu gut fürs RTL-Publikum.

  6. @ Stefan Niggemeier

    Mir hat das ein Ex-RTL-Serien Redakteur mal so erklärt:“ Ein neues Löwenmännchen beißt komplett den Nachwuchs des alten tot.“ Ich gehe mal davon aus, dass das alles sehr viel mit der ökonomischen „Hauspolitik“, dem Stellenabbau und dem Kahlschlag in der Serienlandschaft zu tun hat. Kann ja mal nachfragen, wenn es interessiert.

  7. @Stefan: ich habe das ja schon angedeutet. Meiner Ansicht nach ist des Pudels Kern die Anzeigenabteilung. Ich gehe davon aus, dass die Sorte Unternehmen, die im Umfeld der Sendung geworben haben, in irgendwelchen Package Deals für Werbeschaltungen wie Steinchen im Getriebe waren. Mit einer anderen „Programmierung“ oder wie man das nennt ließe sich der Sendeplatz höchstw. anders vermarkten für Werbekunden, die damals mehr dem Zielpublikum von RTL entsprochen haben könnten.

    Ich meine: RTL hat für Werbekunden, die ihnen besser in den Kram gepasst hat, entsprechendes Programm geschaffen. Die „Assets“ bei RTL sind ja die Programmplätze in der Primetime und ich bin einfach der Ansicht, dass sich Programm für denkende Menschen weniger gut vermarkten lässt.

    Ich denke das wird sich erst wieder umkehren bis bei uns endlich sowas wie CBS geschaffen wird, wo die „alten“ Menschen über 49 ihre Heimat finden. Ich find’s ja immer süß, wie Craig Ferguson sich darüber echauffiert. Aber ich schweife ab.

    Na ja oder vielleicht auch nicht. Drücken wir es anders aus: das Musikantenstadl hätte auf dem Programmplatz sicherlich genau so viele wenn nicht sogar noch mehr Zuschauer gefunden. Nur hätten die sicherlich auch kein Geld gebracht, weil die immer die gleiche Sorte Dental-Haftcreme kaufen, die immer gleiche Sorte Seife, das gleiche Waschmittel, keine MP3-Player, keine Cola, nicht zu McDreck gehen etc. etc.

  8. @Sebastian: Hat denn schonmal jemand MLuI mit „Firefly“ verglichen oder warum nervt das jetzt? Die Situation ist sicher nicht die exakt gleiche, zeigt aber dass es in den USA nicht unbedingt besser ist. Wobei es da immerhin noch mehr Mut für innovative Formate gibt als hier, nur wird diesen oft nicht die Chance gegeben sich zu entwickeln.

    Wie auch immer, die Theorie dass „sich Programm für denkende Menschen weniger gut vermarkten lässt“ könnte natürlich stimmen, aber sollte eigentlich nicht so sein. Gebildete Menschen haben doch im Schnitt auch mehr Geld auszugeben, oder ist dem nicht so?

  9. @8 Das Löwengleichnis leuchtet mir ein. Ich habe schon immer vermutet, daß sich Angehörige des Fernsehzoos an anderen Standards des Umgangs orientieren als z.B. Franz von Assisi. Ich weiß ist irgendwie eine komische Gegenüberstellung jetzt, aber der hatte es ja auch irgendwie mit Tieren.

  10. @Tim: meine Aversion gegen das Firefly-Beispiel liegt ganz einfach darin begründet, dass es IMMER angebracht wird. Ganz unabhängig davon, dass es sich um eine extreme Genre-Serie handelte (was man von MLuI sicherlich nicht sagen kann – ich meine mal im Ernst: Cowboys im Weltraum), dass es sich um eine Whedonverse Serie handelte, und dass Serien am laufenden Meter entgegen der von den Autoren vorgesehenen Abfolge gesendet werden. Ganz davon ab dass Firefly mittlerweile Lichtjahre her ist – sieben um genau zu sein („Castle“ hat daraus ja in der Halloween-Folge vor vier Wochen einen Insider-Joke gemacht). Es ist so auch nicht ungewöhnlich. Erneut das Beispiel „Castle“ in der ersten Staffel, darüber hinaus alleine dieses Jahr „Modern Family“ und „The Middle“. Der Zuschauer merkt es bisweilen nicht und vielfach sorgt es dafür, dass eine Serie besser akzeptiert wird. „Hank“ ist mittlerweile Geschichte.

    Ich meine der Affront ist doch, dass „Mein Leben & Ich“ auf so bescheidenen Sendeplätzen verramscht wird. Das kann man über „Firefly“ sicherlich nicht sagen, sondern eher über „The Sopranos“ auf ZDF, oder „Veronika Mars“ (wieder ZDF).

    Was man Fox vorwerfen könnte, wäre z.B. „Fringe“, noch eine Genre-Serie, so unbarmherzig gegen „Grey’s“ und „Private Practice“ zu setzen, oder dass, weil die World Series so kurz war, ohne einen Schimmer einer Ankündigung dann eine neue Folge lief, wo im Prinzip Spiel 7 der World Series gelaufen wäre.

    Deshalb war es meiner Ansicht nach ein unpassendes Beispiel. Es wird langsam auch alt und abgedroschen. Kaum macht ein Sender irgendwas mit einer Sendung, was zu deren Ableben führen könnte, und schon wird „Firefly“ aus dem Hut gezogen. Ich denke Terminator und Dollhouse sind genügend Gegenbeispiele, um diese Scharte längst ausgewetzt zu haben – wenigstens seitens Fox.

    Außerdem lenkt es von RTL ab und dem DEUTSCHEN Fernsehmarkt. Ich finde RTL ist viel eher wie das ZDF in dem Bestreben, gutes Material bloß nicht in die Prime Time zu lassen, es sei denn es sind eingekaufte US-Serien. Gott bewahre man sendet irgendwas, was auch nur den Keim einer deutschen Fernsehkultur aufkeimen ließe, zur Hauptsendezeit.

    „Diese Drombuschs“ oder „Ekel Alfred“ wird’s auf diese Art nie wieder im deutschen Fernsehen geben.

  11. Was ist blos mit RTL los? Heute Nacht lief Doctor’s Diary, die Folgen 1 und 2, in richtiger Reihenfolge. Ohne Ankündigung. Muss ich jetzt immer das Nachtprogramm auf gut Glück aufnehmen, um mal eine gute, in Deutschland/Österreich produzierte Serie zu sehen? Aber, besser so, als gar nichts. Das „Fernsehlexikon“ hat dazu letzte Woche ja einen lesenswerten Eintrag geschrieben, wie ein sinnvoller Umgang mit Serien aussehen könnte. Hoffentlich ist das nun nicht nur ein Versuchsluftballon, der nach ein paar Tagen wieder zum platzen gebracht wird. Macht mal bitte so weiter.

  12. Täusche ich mich, oder waren es nicht auch RTL (damals vielleicht ogar noch „plus“), die bei „Das Model und der Schnüffler“ beschlossen hatten, das ganze Serienfinale relativ kurzfristig in einer Nacht zu bringen?

    Ich musste damals extra einen Kumpel mit Longplay-fähigem Videorekorder bitten, mir das aufzunehmen – und dann verschob sich das RTL-Programm (wegen einer Sportveranstaltung?) und die letzten Folgen waren nicht mehr auf dem Band. Und sind nicht wiederholt worden.

    Mit Serienfans hatten die’s noch nie…

  13. @diaet: Genau so war’s. Am 6.9.1991 hat RTL das Serienfinale von „Das Model und der Schnüffler“ versendet (vgl. hier), und zwar von 1.20 Uhr bis 6.00 morgens. Vorher liefen die US-Open (nachmittags Graf-Navratilova, abends Seles-Capriati).

  14. Dr. Psycho lief glaubich bei Pro7. Und jetzt könnte ich auch kurz recherchieren, bin aber zu faul, aber ist da nicht noch ne weitere Staffel angekündigt?

  15. Und ich möchte eine Lanze für „Brothers & Sisters“ (klar, bin mit zwei älteren Brüdern und einer jüngeren Schwester aufgewachsen)brechen, eine Serie die kurz auf Pro 7 lief. Gab’s dann nochmal bei Premiere zu sehen, aber das Senden der weiteren Staffeln läßt auf sich warten.

  16. Mir ist es unerklärlich, was der intelligente Herr Niggemeier am deutschen Fernsehprogramm (offensichtlich) so fasziniert; speziell mein‘ ich das große Nichts von den peinlichen Schlagersendungen bis zu irgendwelchen belanglosen RTL-Serien…
    Camp?

  17. Die Erstausstrahlung der Folge „Benny“ der Serie „Der Lehrer“ fand am 25.11.09 um 4:25 Uhr statt. Die Wiederholung wird am 27.11.09 um 4:35 gesendet. Vorwärts und ohne Unterbrechung.

  18. Das Erste ist auch nicht viel besser und hat gerade im November eine Retrospektive des Autorenfilmers Rudolf Thome zur Nachtzeit versendet. Wahrscheinlich muss man das sogar noch als eine enorme Leistung des zuständigen Redaktuers einstufen, die Retrospektive (mit Fernsehpremieren!) überhaupt durchgesetzt zu haben.
    Am 29.11um 2.45 ! läuft dann noch „Berlin Chamissoplatz“

  19. Ich dachte, ich und mein bester Freund sind Exoten. Aber nein, es gibt sie, die Liebhaber dieser Serie. Ich schaue ab und an Samstag morgens die Folgen und stehe dafür dann auch gern mal etwas eher auf. (ist so ziemlich das einzige, wofür ich den TV anschalte).

    Meine Begeisterung für die Serie rührte ursprünglich daher, dass die Beste Freundin Claudia mich und besagten besten Freund dramatisch an eine Klassenkameradin erinnert – und zwar in JEDER Hinsicht.

    Mir fallen spontan nicht viele deutsche Comedyserien ein (eigentlich keine so aus dem FF), die ich ähnlich gelungen finde. Gut, Stromberg, aber das ist ja eher Satire, wärhend „Mein leben und ich“ ziemlich vorrangig Comedy ist.

  20. Ahoi Knorke, du bist ich. Kommentar 24 könnte ich volltextzitieren. Wenn ich fäisbuk nicht doof fände, gründete ich flugs eine MLuI – Gruppe.

  21. Wenn man die miesepetrige Hauptfigur nie so richtig mochte, weil sei stets nur gemäkelt und gemeckert hat, dann kann man das Kuddelmuddel der Übertragung gut verschmerzen :-)!

  22. @gerrit: Da wäre ich doch gern mit dabei, wenn’s mir nicht genauso ginge mit Facebook ;-)

    @tacke: Das ist ja das dolle: Die Mäkeligkeit hatte was ansteckend fröhliches an sich, jede Minute darf man mit einem weiteren desillusionierenden Kommentar rechnen. Als Zyniker kann man das herrlich finden.

  23. @13 ff
    Serien, die von den Heimatsendern in den USA absichtlich totgesendet werden, haben – anders als in Deutschland – bessere Chancen, wiederbelebt zu werden, da es hier in Amerika deutlich mehr ausgebaute Vermarktungswege gibt. Serien können es auch einmal wieder über Spartensender oder die Studiokanäle im Kabel zurückschaffen. Letztere sind dafür z.B. sehr gut geeignet, da sie wegen Zeitzonen und morgendlichem Werbemangel über die Woche Wiederholungen zu ganz unterschiedlichen Zeiten bringen.

    Dass das in Deutschland – privat wie öffentlich – nicht klappt mit der Serienprogrammierung, ist aber doch absolut kein neues Phänomen. Ich erinnere mich an Zeiten (da ich noch RTL sah), wo teilweise neue Folgen von Amiserien (man erinnere sich an das golden glänzende „Deutschlandpremiere“) oder auch Eigenproduktionen in Formel-1-Regenpausen oder nachts nach zu schnellem K.O. zersendet wurden. Und die waren teilweise damit echt nicht in der richtigen Zielgruppe plaziert.

    Traurigerweise fiel mir da gerade auch „Nowhere Man“ ein, deren Wiederholung durch Auslassen und Platzwechsel verdorben wurde; bei einer Serie, bei der das Verständnis fundamental von der richtigen Reihenfolge abhing.

    Sprich: Weiterhin ein trauriges Bild, aber keineswegs neu.

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