Michael Jürgs‘ Rotz

Wäre dies ein Text von Michael Jürgs, hätte er nicht so angefangen. Es wäre die Beinlänge von Lügen vorgekommen oder die Brechzeit von Krügen — oder irgendeine andere Redensart, die man heute sonst nicht mehr hört, weil man sie schon so oft gehört hat.

Artikel von Michael Jürgs fangen so an:

Es gibt, wie gebildete Leser wissen, mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Schulweisheit sich träumen lässt.

Oder so:

In vordemokratischen Jahrhunderten galt den Gebildeten die aus dem Lateinischen entliehene Lebensformel Quod licet lovi, non licet bovi.

Sicher, es gibt auch Jürgs-Artikel, die anders anfangen, aber die wirken wie Ausnahmen, und Ausnahmen … — aber das wäre schon wieder ein Jürgs-Einstieg.

Michael Jürgs war Chefredakteur des „Stern“, hat mehrere Biographien geschrieben und gilt aus mir nicht bekannten Gründen als geistreicher und witziger Autor, der jedes Blatt schmückt. Außer Redensarten liebt er Metaphern und Wortspiele.

Als er vor zwei Wochen im „Spiegel“ den „Verfall der Sitten“ beklagt, tut er das unter der Überschrift „Kante statt Kant“. Er schimpft über „Handy-Terroristen“, die in Restaurants und Zügen nerven, über Frauen, die ihre Kinder mit Off-Roadern zum Kindergarten fahren und dort in der zweiten Reite parken, über Erste-Klasse-Fahrer, die sich über Obdachlosenzeitungsverkäufer beschweren, über feine Damen, die sich am Taxistand vordrängeln, und generell über Leute ohne Anstand und Sitten wie:

Das fettarschige Leggingsmädchen, geschätzte 16 Jahre alt, das zunächst die Fahrgäste in der U-Bahn herausfordernd mustert, dann den Kaugummi aus dem Mund nimmt, an eine Haltestange klebt, noch mal kräftig Rotz hochzieht und sich dann zungenküssend seinem ebenfalls gepiercten Freund widmet.

Ach, hätten die Gören doch ansehnliche Hintern oder wären wenigstens ungepierct!

Es ist die ewige Klage über das Verkommen der Welt. Sie begleitet den Lauf der Zeit mit ihrem Gegrummel, seit es alte Männer gibt. Jürgs aber sagt, selbst das Schlechterwerden der Welt sei schlechter geworden, denn früher hätten sich nur junge Leute daneben benommen und die Oberschicht und das gemeine Volk, heute aber alle:

(…) sowohl die Prolos wie die Protzler, Pöbler wie Populisten, gehören zum selben Verein.

(Hätte ich erwähnen müssen, dass Jürgs Stabreime mag?)

Er hat keinen Beleg für seinen „Trend weg von Kant, wonach das eigene Handeln stets anderen als Vorbild dienen solte, hin zur Kante, wonach man rücksichtslos gegen andere handeln darf“, aber er sagt, er braucht auch keinen, denn andere haben ja auch keinen. Und dann schreibt er einen sehr jürgs’schen Satz über Trendforscher, in dem er stolz vorführt, wie sehr man sich, mit ein bisschen Mühe, in eitlen Witzen verheddern kann:

Jene Propheten des Unbelegbaren, die auf ihre Art viele Jahre lang bei Gläubigen mit ihren in des Kaisers neuen Kleidern gehüllten Zukunftsprognosen — Horx, was kommt von draußen rein? — erfolgreich waren, haben auch ihre Zukunft hinter sich, seit Krisen in schnellerem Rhythmus passieren, als ihre Prognosen Makulatur sind.

Am vergangenen Sonntag hat Michael Jürgs nun in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einen Artikel geschrieben, in dem er für den Einsatz sogenannter „Trojaner“ im Kampf gegen Verbrechen plädiert. Er greift dabei zurück auf einen Besuch beim Referat SO 43 des Bundeskriminalamtes, das für Internetkriminalität zuständig ist. Und natürlich erzählt er nicht das, was er dort erlebt hat, ohne vorher zu schreiben:

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen:

Und so erzählt Jürgs in der „FAS“ über das Referat SO 43:

Dessen Büros, in welchen die Uniformierten Dienst schoben im Kalten Krieg, immer einsatzbereit, falls der Russe überraschend sonntags angreifen sollte — diese Büros sind bevölkert von zivil gekleideten jungen Menschen. Sie sitzen vor Computern und surfen. Ihre Arbeit hat zwar, genau wie die ihrer amerikanischen Vorgänger, zu tun mit Überwachung; doch sie nennen es Monitoring und behalten dabei nicht nur den europäischen Luftraum, sondern die ganze Welt im Auge. Was aussieht wie spielerisches Surfen in einer Start-up-Firma, ist hochprofessionelle kriminalistische Arbeit.

Es ist übrigens, auch wenn mir dazu spontan keine Redensart einfällt, so, dass man nur einmal eine Reise machen muss, um viele Male etwas erzählen zu können. Am 26. Juni 2011 hatte Jürgs in der Samstags-Schwester der FAS über das Referat SO 43 geschrieben:

Die Büros, in denen im Kalten Krieg Uniformierte Dienst schoben, einsatzbereit und allzeit wachsam, falls der Russe überraschend sonntags angreifen sollte, sind heute bevölkert von zivil gekleideten jungen Menschen. Sie sitzen vor Computern und surfen. Ihre Arbeit hat zwar wie die ihrer amerikanischen Vorgänger auch zu tun mit Überwachung — bei denen war es der Luftraum über dem Nato-geeinten Europa –, doch sie nennen ihre Kontrollen Monitoring, und sie behalten dabei die ganze Welt im Auge. Was oberflächlich betrachtet aussieht wie spielerisches Surfen in irgendeiner coolen Startup-Firma, ist in Wirklichkeit kriminalistische Arbeit.

Und auch das war nur ein leicht redigierter Vor Nachabdruck aus Jürgs‘ Buch „Die Jäger des Bösen“ über das BKA, das bereits im März erschienen war.

Nun könnte man wohlwollend annehmen, dass jemand, der eine Reise gemacht hat und seitdem immer wieder davon erzählt, sich mit dem Thema wenigstens auskennt. Es spricht im Falle Jürgs aber nichts dafür.

Er schreibt etwa:

Netztrojaner sind nicht wie die Bewohner Trojas Angegriffene, sondern Angreifer. Sie werden im Kern, dem Quellcode, gezielt zur Eroberung fremder Computerprogramme eingesetzt.

Was mag er mit „im Kern, dem Quellcode“ meinen? Der Quellcode ist das Programm, genauer gesagt seine menschenlesbare Form.

Er nennt die Telekommunikationsüberwachung „TÜK“ statt „TKÜ“. Er schreibt, dass der Paragraph 100 a der Strafprozessordnung „Lauschangriffe unter Strafe stellt“, dabei erlaubt dieser Paragraph gerade Lauschangriffe in bestimmten Fällen; es ist das Grundgesetz, das sie eigentlich verbietet. Er staunt: „Im Internet werden jährlich zweistellige Renditen erwirtschaftet, Tendenz steigend“, was nicht nur in dieser Unbestimmtheit von außerordentlicher Sinnlosigkeit ist, sondern auch das Internet bloß auf eine Profitabilität von, sagen wir, der Axel Springer AG bringt.

Jürgs‘ Argumentation ist filigran wie ein Betonklotz:

Dass BKA-Beamte eigene Meinungen haben über das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom März 2010, wonach die bis dahin gebräuchliche Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig ist, überrascht nicht wirklich. Die Statistik aber ist neutral. Seit die Vorratsdatenspeicherung in der bisherigen Form ausgesetzt worden ist, können nur noch in vierzig Prozent aller Fälle die Provider der anfragenden Polizei Auskünfte über IP-Adressen geben, die zu möglichen Tätern führen. Davor waren es über neunzig Prozent.

Die Statistik ist „neutral“? Jedem Journalistenschüler und Volontär würde ein solcher Satz — hoffentlich — schon prinzipiell um die Ohren gehauen.

Jürgs nennt keine Quelle für seine neutrale Statistik. Das BKA spricht davon, dass es zwischen März 2010 und Ende April 2011 sogar in 84 Prozent keine Auskunft von den Providern bekam. Das kann Jürgs aber in seinem Artikel vom 23. Oktober 2011 nicht wissen, weil er den Absatz auch bloß wieder aus seinem bereits im März 2011 erschienenen Buch übernommen hat, wo sich allerdings auch keine Quelle findet.

Aber was bedeutet die BKA-Zahl oder zur Not die von Jürgs? Anders als Jürgs suggeriert, sagt sie nichts darüber aus, wie viele Fälle wegen fehlender Vorratsdatenspeicherung nicht aufgeklärt werden konnten.

In seinem Buch nennt Jürgs die Zahl in einem Absatz, der so beginnt:

Doch wer einmal Fotos von sexuell misshandelten Kindern — oder schlimmer noch: misshandelten Babys — auf den Bildschirmen der Ermittler gesehen hat, wer, was noch unerträglicher ist, ihre hilflos um Gnade bettelnden Stimmen gehört hat und weiß, dass dies die Pädosexuellen und Pädophilen angebotene Realität, dass dies echter Horror ist und kein inszenierter, ist bereit, jedes Gesetz zu brechen, um die Kinder zu befreien.

Das ist der Kern von Jürgs‘ Argumentation in all seiner intellektuellen Schlichtheit: Der Zweck heiligt die Mittel.

Er variiert das in seinem FAS-Artikel in verschiedenen Graden von Perfidie und Naivität. Er beklagt sich allen Ernstes darüber, dass die Internet-Ermittler der Polizei sich an Gesetze und Bestimmungen halten müssen, die Leute, die sie jagen, aber nicht — als sei dieses Ungleichgewicht nicht das Wesen jeder polizeilichen Ermittlung.

Er beschreibt, wie Tausende von Menschen starben, weil sie aufgrund von Fälschern unwirksame oder vergiftete Medikamente bekamen, und fragt:

Falls man durch nicht gar so legal eingesetzte Trojaner solche Kriminellen dingfest machen kann oder Verbrechen verhindert: Wer würde sich darüber beklagen?

Es ist dasselbe Argument, mit dem Folter legitimiert wird. Oder Lynchjustiz. Es bedeutet das Ende des Rechtsstaates.

Man würde das natürlich nicht ahnen, wenn man Jürgs liest, der sein Plädoyer für den Abschied vom Rechtsstaat mit lustigen Wortspielen und abgegriffenen Metaphern mischt.

Der Anfang seines Textes geht übrigens vollständig so:

Es gibt, wie gebildete Leser wissen, mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Schulweisheit sich träumen lässt. Die Vorstellung, man könnte mit Trojanern auf den Schreibautomaten von Charlotte Roche, Walter Moers oder Daniela Katzenberger deren Texte löschen und die Drucklegung der Werke verhindern, ist beispielsweise so ein schöner Traum.

Der zweite Satz hat keinerlei logische Verbindung zum ersten. Aber warum soll man einem Jürgs, wenn man ihm schon die sachlichen Fehler nicht rausredigiert, das Textrecycling nicht übel nimmt und die Angriffe auf die Fundamente unserer Demokratie durchgehen lässt, ausgerechnet den sprachlichen Unsinn aus seinen Texten streichen?

185 Replies to “Michael Jürgs‘ Rotz”

  1. Die eigentliche Frechheit Jürgs ist doch, die Roche, die Katzenberger und ausgerechnet den vielleicht fantasievollsten derzeitigen Autor, Moers, auf eine Stufe zu stellen. Das ist nicht nur Unsinn, sondern auch unverschämt.

  2. Es sagt bestimmt irgendwas Ungutes über mich aus, dass ich seinen Stil tatsächlich noch widerwärtiger finde als seinen Inhalt.
    Ich meine, mir ist klar, dass die Abschaffung des Rechtsstaats eine größere Bedrohung ist als blödsinnig geschriebene Zeitungsartikel. Ich kann trotzdem nicht die gleiche emotionale Heftigkeit dagegen aufbringen, die mich packt, wenn ich solche gequirlten Mist lese wie den Absatz über die gebildeten Leser und Frau Katzenberger, wer auch immer das ist.
    Aber ich arbeite an mir.

  3. Kurze Godwin-Anmerkung: Ist der letzte Satz (mit Katzenberger, Roche und Moers – tatsächlich eine ganz merkwürdige Kette) ein Aufruf zur digitalen Bücherverbrennung?

  4. Bei der Frankfurter sind sie doch so homergeil. Einer sollte Jürgs mal erklären, dass Trojaner nach dem Holzpferd benannt sind und nicht nach den Einwohnern von Troja. Und im Kern, dem Quellcode des Pferds: Feindliche Griechen!

  5. @ Spielkind (#5): Man könnte fast den Eindruck haben. Passt aber zur Grundhaltung des Mannes, die Stefan Niggemeier aufgedeckt hat: Der Zweck heiligt die Mittel.

  6. „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der
    Welt ist nahe.“ (Keilschrifttext aus Ur, Chaldäa, um 2000 vor Christus, [Aus einem Paul Watzlawick-Vortrag])

  7. Ich denke ja prinzipiell sogar auch, dass der Zweck die Mittel heiligen kann. Es ist nur eine Frage des Zwecks, oder vielmehr der verschiedenen Zwecke und ihrer Gewichtung.

  8. „Es ist die ewige Klage über das Verkommen der Welt. Sie begleitet den Lauf der Zeit mit ihrem Gegrummel, seit es alte Männer gibt.“

    Danke!

  9. „sondern auch das Internet bloß auf eine Profitabilität von, sagen wir, der Axel Springer AG bringt. “

    Schöner Text. Zwischen Wachstum (Springer) und Rendite (=Ertrag) besteht allerdings ein entscheidender Unterschied.

  10. > Die Vorstellung, man könnte mit Trojanern auf den Schreibautomaten von Charlotte Roche, Walter Moers oder Daniela Katzenberger deren Texte löschen und die Drucklegung der Werke verhindern, ist beispielsweise so ein schöner Traum.

    Der Witz an dem vom CCC analysierte Trojaner ist ja, dass er genau das als Möglichkeit geboten hat. Das wird wohl auch als Konsequenz haben, dass sämtliche Beweise der „handvoll“ Einsätze (etwa hundert), die auf die Weise gesichert wurden, von den Gerichten nicht anerkannt werden können, da es ein leichtes ist, diese mit dem Trojaner selbst zu platzieren um sie dann „abzuhören“.

  11. Wenn er Pech hat, dann demonstriert ihm jetzt mal so ein Exemplar der heruntergekommenen und zuchtlosen Jugend, dass es eben mit so einem Trojaner doch möglich ist, die Texte von ihm – zum Beispiel – vom „Schreibautomaten“ zu löschen und so den Abdruck zu verhindern.
    Aufrufen dazu möchte ich jedoch nicht, im Gegenteil: Jeder hat das Recht dazu, seine Meinung öffentlich zu äußern. Im Fall von Michael Jürgs reicht das dann schon, um zu wissen, dass man es mit einem Gegner des Rechtsstaates zu tun hat.

  12. Danke für den Artikel! Habe den FAS-Artikel von Jürgs nach Lesen der ersten beiden Absätze übersprungen – das war mir alles zu doof. Hatte zu dem Zeitpunkt aber keine Ahnung wer Jürgs ist. Jetzt weiß ich mehr, danke!

  13. „Netztrojaner sind nicht wie die Bewohner Trojas Angegriffene, sondern Angreifer.“
    Auch der Satz ist Blödsinn. Weil mit Trojaner ja nicht die Bewohner Trojas gemeint sind, sondern Trojanische Pferde, und das *waren* die Angreifer.

  14. @ Helen (#6) und Tilman_s (#16): Dann ist es doch gut, dass die Berliner Mauer nicht in Troja stand und Kennedy nicht dort seinen berühmten Satz geäußert hat, nur eben mit Trojaner…

  15. Mir ist das von Stefan Niggemeier in diesem Fall mit etwas zu viel Schaum vorm Mund geschrieben. Natürlich kann man, wenn man will, Jürgs unterstellen, den Rechtsstaat aushöhlen zu wollen. Man muss aber nicht, es ist nicht zwingend.

    Es gibt just über den Punkt (Computer-Observation zur Bekämpfung von Kindesmisshandlung) viele Argumente pro und contra. Und natürlich haben auch Polizisten das Recht, die aktuelle Fassung eines Gesetzes und die aktuelle Rechtsprechung dazu als wenig hilfreich zu kritisieren.

    Wie gesagt: man kann da unterschiedlicher Ansicht sein. Aber man sollte Leute wie Jürgs und auch Polizisten, die mit der Situation in diesem konkreten Feld unzufrieden sind, nicht gleich auf eine Stufe stellen mit Befürwortern von Lynchjustiz und Folter.

  16. @Theo: Ja, ich verstehe die Aufregung auch nicht.

    Mal ehrlich:

    Falls man durch nicht gar so legal eingesetzte Trojaner solche Kriminellen dingfest machen kann oder Verbrechen verhindert: Wer würde sich darüber beklagen?

    bereit, jedes Gesetz zu brechen, um die Kinder zu befreien.

    Was muss einer denn schreiben, bevor man ihm unterstellen darf, den Rechtsstaat aushöhlen zu wollen?

  17. @Marc:

    Die EBITDA-Rendite erreichte damit 17,2 Prozent nach 18,0 Prozent im Vorjahreszeitraum. Die inländischen Zeitungen erreichten eine EBITDA-Rendite von 22,3 Prozent, die inländischen Zeitschriften hielten ihre Profitabilität mit einer EBITDA-Rendite von 20,6 Prozent auf einem hohen Niveau.

    (Aus der verlinkten Pressemitteilung von Springer.)

    @theo: Jürgs fordert aber nicht nur, dass rechtliche Grundlagen geschaffen werden, die den Ermittlern weitreichende(re) Befugnisse geben, was selbstverständlich eine legitime Forderung ist. Er plädiert auch dafür, es mit dem Recht nicht so genau nehmen, wenn man dadurch Ergebnisse erzielt. Das ist exakt die Legitimation von Folter.

  18. bereit, jedes Gesetz zu brechen, um die Kinder zu befreien.
    Wenn jemand Folter auf eine Stufe stellt mit Trojanereinsatz, dann ist es Jürgs selbst, siehe Fall Gäfken.

  19. Ich glaub, ich muss bei Stefan Abbitte leisten. Wenn die längere Schaffenspause hier geholfen hat, diesen Artikel zur Welt zu bringen, dann war sie jede Sekunde wert.

    Selten habe ich so viel Wahres in so verhältnismäßig wenig Zeilen gelesen.

    Vor einer Gesellschaft, die sich zunehmend und stolz „bereit, jedes Gesetz zu brechen, um die Kinder zu befreien“ erklärt, habe ich Angst. Man versuche nur mal, wenn man das eigenen Kind vom Kindergarten abholt, gegen dieses von nahezu allen anderen Eltern geäußerte Dogma zu argumentieren. Ich habe es versucht, es war ein trauriger Tag.

  20. Mal abgesehen von Fragen des Rechtsstaates: Die Sachunkenntnis Jürgs‘ ist erschreckend. Sollte man mit einem Thema nicht vertraut sein, ehe man darüber schreibt? Das englische „Trojan“ (=Trojaner) ist nun mal eine Verkürzung des früher durchaus gebräuchlichen „Trojan horse“ (=Trojanisches Pferd) und bezeichnet damit sehr wohl den Angegriffenen und nicht den Angreifer.

    (Ja, das haben andere auch schon festgestellt. Ich finde es dennoch ein spannendes sprachliches Phänomen, dass diese Verwirrung überhaupt entstehen kann. Die deutsche Bezeichnung müsste ja streng genommen „ein Trojanisches“ (analog zu „ein Helles“) lauten).

  21. „denn schrifft und guten grund wollen wir haben, nicht seinen eigen rotz und geifer“ (Luther). Ich hoffe sehr, daß auch Sie, lieber Herr Niggemeier, bei der Themaformel diesen „Rotz“-Klassiker vor Augen hatten. Denn sonst wäre ein wg. Verluderung der guten Sprachsitten in Unmut verfallener Leser zu gern geneigt, Ihnen diesen metaphorischen Fehlschneuz auf die Inquisitor-Weste zu schmieren. Gegen Jürgs‘ Schludrigkeiten, Selbstzitate, Moralpathos wäre noch manches mehr einzuwenden – nur sollte der Kritikaster sich ab und zu auch an die laufende Nase fassen, besser: dazu das Taschentuch der Selbstkritik verwenden.

  22. @gaddrig #17 Ich persönlich bedaure es ja besonders, dass der olle Kennedy seinen Spruch nicht in der französischen Hauptstadt aufgesagt hat… ^^

  23. Ich nehme an, „Rotz“ bezog sich auf einen Artikel von Nadine Lantzsch gegen Udo Vetter, in dem sie den Rechtstaat als „Der Rotz, der Ihr Leben lebenswert macht, Herr Vetter“ bezeichnete.

    Muß man nicht wissen. Ist mir eigentlich auch lieber, wenn das bitte niemand mitbekommen hat, wie sehr sich diese sogenannten Feminist _Innen damit ins Abseits gestellt haben.

  24. Bravo, Schöner Artikel. Da merkt man welche Perlen des Qualtitätsjournalismus einem entgehen wenn man auf die Printpresse in den meisten Fällen verzichtet.

  25. Ich noch mal. IMHO sollte man das gesamte Zitat erwähnen, nicht nur den Ausdruck „bereit, jedes Gesetz zu brechen“:

    „Doch wer einmal Fotos von sexuell misshandelten Kindern — oder schlimmer noch: misshandelten Babys — auf den Bildschirmen der Ermittler gesehen hat, wer, was noch unerträglicher ist, ihre hilflos um Gnade bettelnden Stimmen gehört hat und weiß, dass dies die Pädosexuellen und Pädophilen angebotene Realität, dass dies echter Horror ist und kein inszenierter, ist bereit, jedes Gesetz zu brechen, um die Kinder zu befreien.“

    Es geht Jürgs um nicht erlaubtes Ausspähen von Computern. Klar überhöht er das dann, aber wer ihn kennt, weiß doch, dass er weder Lynchjustiz noch Folter befürwortet.

    Natürlich kann man das – vom Prinzip her – mit Lynchjustiz, mit Folter gleichstellen. Man kann das mit allem gleichstellen, was verboten ist. Die Argumentation gegen Jürgs ist logisch und formal korrekt. Inhaltlich allerdings finde ich es etwas daneben.

    Im praktischen Leben ist das dann viel komplizierter. Zwecks Fahndung darf die Polizei nicht Computer ausspähen, um mißbrauchten Kindern zu helfen. Gibt es aber einen begründeten, konkreten Verdacht auf eine sehr aktuelle Straftat, dürfte sie sogar ohne Durchsuchungsbeschluss die Wohnung stürmen.

    Es geht im Kern somit immer um ein Abwägen. Was für den einen ein vager Verdacht ist (Kinderbilder im Netz), der keine Überwachung rechtfertigt, ist für manch anderen dann sehr konkret. Der seht die Bilder und verspürt Ohnmacht. Man muss die Meinung dann nicht teilen, kann aber dennoch zumindest seine Motive vielleicht nachvollziehen.

    Man kann durchaus verschiedene Ansichten zu diesem Komplex haben. Man kann das juristisch diskutieren oder politisch, moralisch oder sonstwie.
    Ich habe nicht den Eindruck, dass es viele gibt, die den derzeitigen Stand der Dinge wirklich befriedigend empfinden. Die Richter und der Gesetzgeber haben verschiedene Dinge abwägen müssen. Das, was heraus kommt, ist immer nur ein Kompromiss. Solche Kompromisse können sich natürlich auch mit den Jahren wieder ändern. Auch das BVerfG urteilt heute in manchen Dingen anders als noch vor 40 Jahren.

    Ich finde, dass bei einer solchen Debatte es niemandem hift, wenn er die Argumente der Gegenseite für gleichsam staatszersetzend hält.
    Das meinte ich mit zuviel Schaum vorm Mund. Man empört sich, man versucht verbal zu glänzen, aber die Sache selbst wird dadurch um keinen Deut besser. Und, klar, man hat immer das Recht auf seiner Seite, die andere Seite ist immer zu blöd und differenzieren ist langweilig.

  26. Wenn ich mich für klein und unbedeutend halte, mit mir selbst nicht im Reinen bin, mit meiner Gesamtsituation unzufrieden, was kann ich tun?

    Ich kann mich mühen, mich strecken, aufraffen, meine Prinzipien überdenken, mich mit mir selbst auseinandersetzen. Das ist sehr mühsam, manchmal auch schmerzlich. Das gilt es zu vermeiden.

    Welche Alternative gibt es da?

    Nun, ich kann die anderen um mich herum abgraben. Ich kann alle um mich herum schlecht machen. Ich kann mit dem Finger in die schlechte Welt deuten. Wenn ich das lange genug tue, dann habe ich die gesamte Welt um mich herum moralisch tiefergelegt. Zwar nur aus meinem subjektiven Bewertungssystem heraus, aber das genügt. Ich habe mir einen privaten Podest erschaffen, ohne dass ich mich verändern musste. Ich bin mühelos super.

    Das Prinzip: Selbsterhöhung durch Abgraben der anderen. Je stärker die anderen abgegraben werden, desto größer die Minderwertigkeitsgefühle des Abgrabenden.

    So mal eine These.

  27. Übrigens, interessanter Gedanke: Einige Worte (z.B. A***, V***, T*****) von Charlotte Rotz…ääh, Roche per Trojaner in einen Jürgs-Text hineinzuimplantieren. Oder ein Roche-Buch mit einem Satz wie „Was juckt es die Eiche, wenn sich eine Sau dran reibt?“ Wobei jucken, Sau und reiben ja…ach, egal.

  28. @theo

    Der Mann ist bereit, jedes Gesetz zu brechen. Die Aussage ist gerade außerhalb des Kontextes so wertvoll, weil sie selbst sich ja des größtmöglichen Empörungsszenarios bedient, um die eigene Ungeheuerlichkeit zu verschleiern.

    Kinder! Missbrauchte Kinder! Gegen jemanden, der mit der Axt anrückt, zieht man nicht das Stilett.

  29. @34, Atze Rohla:

    Sie meinen, Jürgs will per se Gesetze brechen und nutzt die Sache mit der Kindesmisshandlung nur als Instrument? Steile These.

  30. @ theo (#35): Das glaube ich weniger. Jürgs argumentiert aber eben genauso wie Befürworter von Folter: Der Zweck heiligt die Mittel, und wenn man einen Verbrecher fangen/ein Verbrechen verhindern/ein Opfer retten kann, lohnt es sich, auch mal das eine oder andere Gesetz dabei zu brechen. Es trifft ja die Richtigen. Die Täter, die sonst vielleicht ungeschoren davonkommen. Da sollten wir uns keine Skrupel erlauben. Oder so in der Art.

    Der Rechtsstaat ist in dieser Argumentation nur solange gut, wie er nicht im Weg ist. Wenn rechtsstaatliche Einschränkungen bei irgendetwas stören, soll man sie ohne weiteres umgehen können.

    Das Problem dabei ist, dass die Schwelle jedesmal sinkt. Beim erstenmal braucht es noch ein ganz ganz schlimmes Verbrechen, etwa einen Bombenanschlag im Frankfurter Hauptbahnhof zur Hauptverkehrszeit, oder ein besonders perverses Kinderpornovideo, um z.B. den Einsatz eines illegalen Trojaners oder die Folter Verdächtiger zu rechtfertigen. Beim überübernächstenmal reicht vielleicht schon ein Milliardenbetrug, und irgendwann wird das schon bei Kleinkram normal. Und wenn die Gesetze schon praktisch wertlos sind, fangen dann Polizei, Staatsanwaltschaft und andere irgendwann an, ihre eigenen Interessen auch gleich mit durchzusetzen.

    Die Schwelle wird niedriger, die Schwere der Rechtsverletzungen nimmt zu, und irgendwann kann man sich mit GG und StGB den Hintern abwischen, wie in Syrien, Iran, Weißrussland, China und einer ganzen Reihe anderer Länder.

    Diese Art der Argumentation ist brandgefährlich, je mehr Leute sie öffentlich vertreten, desto schwerer wird es, Recht und Gesetz aufrechtzuerhalten. Darum gehört Leuten wie Jürgs auf die Finger geklopft. Wehret den Anfängen…

  31. was die Person Jürgs wirklich will, ist zweitrangig. In der Textanalyse geht es nur darum, wie der Autor Jürgs argumentiert, und wohin eben diese Argumentation führen könnte: zum Lynchmob. Die Person Jürgs wird sich vermutlich völlig missverstanden fühlen, wie eben jene Eltern von Kindergartenkinder, die nur ihre Kinder schützen wollen. Das große ganze, vulgo den Rechstaat dabei aber aus dem Blick verlieren.

  32. also irgendwo ist die haltung ja nachvollziehbar, es mit dem gesetz nicht so genau nehmen zu wollen, wenn dafür kriminelle, wie sexualtäter, gefasst werden. ich würde sagen, es ist menschlich. von einem journalisten der sogenannten qualitätsmedien erwarte ich aber, dass solche gedankenspiele nicht publiziert werden. immerhin haben sie meiner meinung nach eine aufklärungs- und informationsfunktion. solche texte sind allerhöchstens falschinformation. bei dem schreibstil gehen die noch nicht mal als unterhaltung durch.

    was ich mich frage, wo sind die textchefs und faktenchecker, wenn solche sachen in die seiten der fas und faz gehoben werden? hat ein jürgs narrenfreiheit? oder wissen die es selbst nicht besser? oder werden die auch bei diesen blättern schon eingespart?

  33. 36, Jochen:

    Diese Argumentation könnte – vom Prinzip her – auch zum Völkermord führen. Prinzipiell kann man alles ableiten, wenn man will. Aus der Äußerung von Jürgs ein prinzipielles Verhältnis zum Rechtsstaat abzuleiten, ist billig.
    Und was die Eltern betrifft: sie sind ebenso Teil des Rechtsstaates wie derjenige, der sich Sorgen um seine virtuelle Unverletzlichkeit macht. Beide haben einen Anspruch auf Schutz.

    Das „große Ganze“ ist im Ergebnis ein Abwägungsprinzip. Da sind weder die um ihre Kinder besorgten Eltern noch die um ihre bürgerlichen Freiheiten besorgten Menschen „klein“. Und es ist m.E. geradezu irrwitzig, einer dieser Parteien vorzuhalten, ihre konkreten Sorgen führten prinzipiell in einen Unrechtsstaat.

  34. @ theo (derzeit noch #42): Die konkreten Sorgen führen zunächst natürlich nicht in einen Unrechtsstaat. Der Umgang mit den Sorgen und die Maßnahmen, die man zur Beseitigung dieser Sorgen unternimmt, können aber den Rechtsstaat aushöhlen und so zur Schaffung eines Unrechtsstaats beitragen.

    Und ich muss Jochen (derzeit noch #36) recht geben: Selbst wenn Jürgs selbst keinen Lynchmob will, er rechtfertigt ihn zumindest implizit. Wenn man einmal so argumentiert wie Jürgs in dem Artikel, fällt es hinterher schwer, die Linie zu ziehen, ab der man sich dann doch wieder an (Ermittler und Strafverfolger einschränkende) Gesetze halten soll. Alle möglichen Leute könnten sich die Argumentation zu eigen machen und damit alle möglichen Rechtsverstöße begründen und – soll vorkommen – Jürgs einfach vereinnahmen. Der müsste sich dann davon distanzieren und hätte jede Menge Schmutz an der Backe…

  35. Der Artikel ist an sich schon notwendig, gehört aber meiner Ansicht nach noch in einen größeren medialen und gesellschaftlichen Zusammenhang eingebettet. Es ist das unverhohlene Einschwenken des Mainstream auf die Verteidigung des Korpsgeistes innerhalb der Polizei, der sich durch Kontrollmechanismen aus der Politik wenig beeindrucken lässt. Eher sucht er sich einen Rückhalt in den staatsrechtlichen Wunschvorstellungen der innenpolitischen Hardliner. Es ist, grob geschätzt, in den vergangenen fünf Jahren bei den meisten umstrittenen Fragen der Verbrechensaufklärung und -bekämpfung eine konservative Medienöffentlichkeit gewachsen, die genau diese Herauslösung der Polizei aus der demokratischen Legitimation positiv bewertet; Vorratsdatenspeicherung und Zugangserschwerungsgesetz online, offline Bundeswehreinsätze im Innern oder der G8-Gipfel in Heiligendamm, zuletzt die Entschädigungszahlung an Magnus Gäfgen, bei allem erschien immer wieder der reflexhafte Forderung, die Exekutive dürfe sich gar nicht erst einer Rechtsnorm unterordnen. Die Stoßrichtung der Medien ist übrigens dieselbe, wie sie die Gerichtsshows seit Jahren in ihren Unterhaltungsprogrammen vormachen: der Strafprozess ist keine juristische Angelegenheit mehr, sondern eine moralische. Genau diese moralische Wertung ist es, die das Handeln antreibt – „ (…) bereit, jedes Gesetz zu brechen (…)“ – und sich notfalls mit objektiv kriminellen Mitteln gegen die demokratische Gesellschaft wendet. Das muss immer wieder herausgearbeitet werden. Notfalls, bis die Ohren bluten.

  36. „Er schreibt, dass der Paragraph 100 a der Strafprozessordnung „Lauschangriffe unter Strafe stellt“, dabei erlaubt dieser Paragraph gerade Lauschangriffe in bestimmten Fällen; es ist das Grundgesetz, das sie eigentlich verbietet.“

    Wenn das Grundgesetz diese Lauschangriffe „eigentlich verbietet“, wäre der besagte § 100a StPO überhaupt nicht mehr existent. Ein einfaches Gesetz kann nicht erlauben, was das Grundgesetz verbietet. Der zitierte Satz kling nicht gerade so, als hätte der Autor selbst ein ausgeprägtes Verständnis von Rechtsdingen.

    Es mag Lehrmeinungen geben, die der Ansicht sind/waren, dass das GG Abhörmaßnahmen „verbietet“ – dem ist aber das BverfG nicht gefolgt. Insofern ist ihr Satz falsch – oder zumindest sehr ungenau und missverständlich.

    Dass GG macht den Eingriff, den jegliche Art von Überwachung darstellt, rechtfertigungs- und abwägungsbedürftig. Es schreibt außerdem eine klare gesetzliche Grundlage vor. Von „verbieten“ kann aber keine Rede sein.

    Man muss hier verschiedene Sachverhalte auseinanderhalten:
    1. Unter dem GG sind grundsätzlich Eingriffe in die Grundrechte, nach einer umfassenden Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter, möglich.
    2. Für die „normale“ TKÜ (also eine Wanze im Telefon o.ä.) ist eine entsprechende verfassungsmäßige Rechtsgrundlage geschaffen worden. D.h. wenn im Einzelfall nicht von dieser abgewichen wird, ist alles „bestens“.
    3. In Sachen Quellen-TKÜ wird gerade gestritten, ob es eine eigene Ermächtigungsgrundlage braucht, oder ob auf den besagten 100a zurückgegriffen werden kann.

    D.h.: mit einem neuen § in der StPO zu Quellen-TKÜ (der sich vermutlich stark an der bestehenden Regelung orientieren würde) wäre das Thema erledigt. Natürlich müssten sich die Behörden dann auch in jedem Einzelfall an das Gesetz halten… was zeigt, dass das ganze (wie meistens) viel eher eine politische als eine rechtliche Frage ist.

  37. @theo (#41)
    Das große Ganze ist eben kein Abwägungsprinzip, sondern der Rechtsstaat an sich. Das viel zitierte Aushöhlen dieses besteht ja grade im Abwägen, und das darf auf keien Fall passieren. Das gleiche und immer gleiche Recht gilt für Kinder, Eltern, aber auch für Kinderpornoproduzenten und Markus Gäffgen. Abwägen, wem man jetzt garde welches Recht zubilligt ist Willkür und hat mit einem Rechstaat und vor allem unserem Grundgesetz nichts mehr zu tun.

  38. @TKEDM #38: Nein. Was daran liegen mag, das ich beiden nichts abgewinnen kann. Wobei mir von Jörges kein dermaßen Biedermann-und-Brandstifter-artiger Artikel erinnerlich ist.

    @theo #44: Ich persönlich glaube ja, das Jürgs die Kinder/der Terrorismus/das BKA genauso egal sind, wie der Rechtsstaat. Hauptsache eine griffige Schlagzeile, bloß nichts recherchieren, wiederverwerten, das voreingenommene Publikum mit den immer gleichen billigen polemischen Parolen befriedigen. Dass er damit denen, die den Rechtsstaat gerne beiseite lassen wollen – weil der Zweck ja die Mittel rechtfertige – zuarbeitet, nimmt er weigstens billigend in Kauf.

  39. @45 (theo)

    „Abwägen, wem man jetzt garde welches Recht zubilligt ist Willkür und hat mit einem Rechstaat und vor allem unserem Grundgesetz nichts mehr zu tun.“

    Sie scheinen weder das GG, unseren Rechtsstaat, noch das Prinzip der Abwägung verstanden zu haben.

    Das Grundgesetz und unser gesamter Rechtsstaat/unser gesamtes Gemeinwesen ist ohne Abwägung widerstreitender Rechte völlig undenkbar. Ein Verfassungsjurist wägt täglich die verschiedenen grundgesetzlichen Positionen gegeneinander ab. So (und nur so) funktioniert das GG.

  40. @Sacki: Rechtsbrüche können nicht gegeneinander verrechnet werden, hätte ich in meiner nichtjuristischen Naivität gedacht. Ich hätte gedacht, Polizisten sind an Recht und Gesetz gebunden.

    Was hier zur Debatte steht, ist die fiktive Norm: „Die Exekutive darf Gesetz A brechen, wenn hierdurch Brecher des Gesetzes B gefasst werden könnten.“

    Moralisch wird diese Norm gerechtfertigt, indem A mit einem „nicht-so-schlimm“-Verstoß belegt wird, B mit einem emotionalem „ganz-furchtbar-schrecklich-unsere-kinder“-Verstoß. Dadurch hört sich das irgendwie plausibel an. Dennoch kann eine solche Norm nicht in die Allgemeinheit erhoben werden, der Willkürstaat dämmerte am Horizont.

  41. @Hadron

    Klar: alle staatliche Gewalt ist an Recht und Gesetz gebunden. Auch im Strafrecht ist ja klar: wer das Gesetz bricht und sich dabei erwischen lässt wird bestraft. Man muss hier also grds. zwischen ganz normalen einfachem Recht und Grundrechten bzw. Verfassungsrecht unterscheiden.

    Aber: auch viele Gesetze, an die die Behörden sich zu halten haben, beinhalten z.B. oft einen Abwägungs/Beurteilungs/Ermessensspielraum. Der kann zwar von Gerichten im Nachhinein überprüft werden – ein gewisses „Verlassen auf die Beurteilung der Behörde“ ist aber im Gesetz oft angelegt.

    Letztlich gibt es das, was sie beschreiben doch schon längst.
    „XY darf generell nicht gemacht werden. Für den Fall das aber YX eintritt, ist es doch erlaubt“ -> Das ist dann aber keine Willkür oder ein Gesetzesbruch, sondern Gesetzgebungstechnik bzw. eine im Gesetz angelegte Ausnahme. Solange es vorher so im Gesetz stand und Fall YX tatsächlich eingetreten ist (und gerade darum wird oft gestritten), dürfte die eigentlich grundsätzlich verbotene Maßnahme doch angewendet werden. Dummes Beispiel: „kein Bürger darf seiner Freiheit beraubt werden, es sei denn, er begeht Straftaten.“

    Für die Behörden heißt es einfach: kein Handeln ohne oder gar gegen das Gesetz (wie wohl beim Bayern-Trojaner geschehen).

    Für den Gesetzgeber heißt das: die Gesetze so flexibel zu machen, dass auch im Einzelfall (den man nicht unbedingt vorher bedacht haben muss) angemessen reagiert werden kann. Dabei ist es wohl oft schwer die Waage zu halten, weil nämlich die wirklich grundlegenden Entscheidungen ja doch vom Gesetzgeber getroffen werden müssen.

    Und: Das GG (als der übergeordnete Rahmen) ist von je her extrem Auslegungs- und Abwägungsbedürftig.
    Wenn das BverfG z.B. über die Zulässigkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung entscheidet, macht es im Kern nichts anderes, als zwischen den Freiheitsrechten des Straftäters, den Schutzinteressen der Allgemeinheit und noch ein paar anderen Prinzipien abzuwägen und in einen (für alle Beteiligten) möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Das Ergebnis wird dann als „ist verfassungsgemäß“ oder „ist nicht verfassungsgemäß“ verbreitet. Da werden über sehr viele Seiten Urteile gefällt, die letztlich aus einem Satz (vllt. sogar einem Wort) im GG stammen – weil es Hauptsächlich um Werturteile und Abwägungen durch die Richter geht. ;)

    Oder kurz: es ist kompliziert.

    Damit mich keiner falsch versteht: Ich halt die Quellen-Tkü für bislang komplett rechtswidrig. Allerdings ließe sich das (wenn man es politisch will) mit einem neuen § in der StPO ändern.

  42. Was ist denn so verkehrt daran, einen Text so zu beginnen:

    „Es gibt, wie gebildete Leser wissen, mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Schulweisheit sich träumen lässt.“

    Wer vergewissert sich denn nicht selbst gern, gebildete Leser zu haben, also selbst gebildet zu sein? Das geht besonders gut, indem man Plattheiten drischt.

    Auch der Glaube an die Statistik sei ihm unbenommen, obwohl Jürgs als „gebildeter Leser“, der er anderswo sicher gern sein möchte, zum Begriff Glauben durchaus etwas einfallen sollte.

    Gegen die Vergewaltigung von Trojanern durch Jürgs muss ich jedoch nach Kräften protestieren.

  43. @54
    Sie haben natürlich recht. Selbiges gilt für fast alle Maßnahmen, die irgendwo im Gesetz stehen. Ich hätte also schreiben sollen: „Ein neuer Paragraf, der die Vorgaben des BverfG einarbeitet, und die Sache ist erledigt.“

    @55 Das ist mir auch aufgefallen, leider erst im Nachinein.

  44. Das ist ja mal eine Premiere. Ich lese den Artikel am Sonntag und ärgere mich in Grund und Boden, und kurz darauf steht’s in deinem Blog. sonst muss ich immer nachlesen. Das ist ein Zeichen … ;o)

    Zum Thema Jürgs:

    Wie schafft es so etwas Chefredakteur zu werden?! So viel unzusammenhängende Sätze hintereinander, soviel Blah-blah (dessen Inhalt ich nicht verstehe), so viele simple Fehler.

    So hat er nicht nur die TKÜ als TÜK tituliert sondern auch das altehrwürdige BAT als BTA bezeichnet. Was ja schon fast egal ist, da es schon vor ein paar Jahren vom TVöD ersetzt wurde (Tja, Pech gehabt). Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Tarifvertrag_für_den_öffentlichen_Dienst

    Ich weiß, es ist aber auch so schwer zu recherchieren.

    Er schrieb „[…] Die Teams auf der anderen Seite des Feldes spielen technisch auf höchstem Niveau, sie müssen, logisch, die gleiche Ausbildung durchlaufen haben wie die Beamten von SO 43 beim Bundeskriminalamt, die ihnen auf der Spur sind. […]“

    Also sinngemäß, dass sich die Beamten (Die Guten) und die Kriminellen (Die Bösen) — aus der selben „Quelle“ kommend — in unterschiedliche Akteure auf dem Spielfeld ‚Internet‘ entwickelt haben. Wahrscheinlich sind es alle getrennte Zwillinge direkt von der Uni, Schwerpunkt Informatik (oder was mit Netzwerk und Programmieren und PC und so) kommen. Logisch halt.

    Dann babbelt er noch (ja ich komme aus Hessen :oD ) was von „[…] auf die Homepage von nur anscheinend legalen Firmen […]“. Da war doch mal was mit „das Gleiche“/“dasselbe“ oder „scheinbar“/“anscheinend“ oder all die anderen Stolpersteine der deutschen Sprache (http://www.korrekturen.de/beliebte_fehler/scheinbar_anscheinend.shtml).

    Dieser ganze Artikel scheint mir diktiert, abgeschrieben und unredigiert gedruckt worden zu sein! Anders kann ich so etwas bald nicht mehr erklären. ;o)

  45. Das ganze hier ist ebenso albern wie überflüssig. Sich über einen veraltenden Autor in dieser Form zu echauffieren … Geht’s noch?

  46. @Bernhard Paul: Solange Herr Jürgs Redaktionen findet, die seine Texte drucken, ist es weder albern noch überflüssig, ihm (und damit auch der FAS/FAZ) seinen Unsinn um die Ohren zu hauen. Das ist Sinn und Zweck von couragiertem Medienjournalismus

  47. Das Lustige an solchen Texten wie denen von Michael Jürgs ist ja, dass die Verantwortlichen sowas für Journalismus halten. So lange jedenfalls, bis sie niemand mehr für sowas bezahlt.

  48. @35: Das ist der beste Kommentar hier, genau darum gehts: Wir beginnen mit dem Aufweichen und plötzlich gibt es keine klar definierten Grenzen mehr, dh jeder entscheidet selber welcher Zweck welche Mittel heiligt.

    Und ich sitz immer noch mit Kopfschütteln vor den ersten beiden Sätzen, die haben nun wirklich nullkommanull Beziehung zueinander…

  49. „[…]ist bereit, jedes Gesetz zu brechen, um die Kinder zu befreien.“

    Da haben wir es ja wieder: „Would somebody please think of the children?!“

  50. Typen wie Jürgs sind und waren mir immer zuviel – zuviel, um über ihre Karrierismen länger als eine Unverständnissekundelang nachzudenken. Danke für die kompakte Zusammenfassung!

  51. Wieso ist der Mann nur dem Moers so böse. Glaubt er vielleicht, die 400-Seitigen Bücher die er schreibt, seien eine fortführung des Kleinen Arschlochs ohne Sprechblasen?

  52. auch schlechte autoren trinken!

    oder wie man im tv sagt: am liebsten unterhalten wir uns über tv.

    zwei sätze die natürlich nichts miteinander zu tun haben!

    wer liest denn herrn jürgs? der schreibt nur so, weil ihn niemand liest.

  53. Danke für den schönen Artikel.
    Eigentlich traurig, aber neben all den gesellschaftlich bedeutenderen Fragen die in dem Text aufgeworfen wurden, hat mich doch die Beleidigung Moers auch spontan am meisten empört.

  54. Was ich nicht verstehe: Was hat der Mann denn gegen Kante? Ich fand das eine Album von denen ganz gut …

  55. Wer sind eigentlich diese Kinder, die immer so mit aller Macht vor allem und allen geschützt werden sollen? Mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit: Warum müssen immer Kinder herhalten? Warum sollten Kinder schützenswerter sein als alte Menschen oder als mittelalte Menschen wie z.B. ich? Wie konnte „der Kinderschänder“ zum Inbegriff des Schlechten werden, wo doch der den meisten dabei vorschwebenden Typ nun wirklich nur eine überaus seltene Erscheinung ist und darüber hinaus selbst krank und hilfsbedürftig? Schämen sich Journalisten wie dieser Jürgs denn gar nicht, wider besseren Wissens sich an einem plakativen Klischee aufzugeilen?

    Nur auf die letzte Frage habe ich eine Antwort: Sie schämen sich nicht. Sie brauchen sich auch gar nicht zu schämen, vor den Kindergärten und Schulten der Republik verklärt man solche Meinungs-Führer zu Helden.

  56. @theo (40*): bei den bekannten Trojanereinsätzen ging es aber nicht um Kinder sondern um Anabolika…. und die ist volljährig…

    DAS ist der Punkt an der Sache: der Zweck der angeblich das Mittel heiligen soll fällt weg und das Mittel kann mehr als vorher erlaubt wurde und trotzdem soll das alles noch ok sein, nur um den Programierer einer Online Apotheke und einen zwielichtigen Bodybuilder zu „überführen“??

    *=http:>//www.stefan-niggemeier.de/blog/michael-jurgs-rotz/#comment-198065

  57. @Nadine (#33): Eine Informationspflicht besteht bei Jürgs‘ Texten nicht, es sind Glossen, feuilletonistische Alltagsbetrachtungen, Meinungsartikel … Die können so gedruckt werden, auch von Qualitätsmedien, solange die sachlichen Fehler rausredigiert werden und aus sprachästhetischen Gründen auch die allzu abgegriffenen Bilder.

    Und ist es tatsächlich so, dass Jürgs ein „Der Zweck heiligt die Mittel“ propagiert? Er schreibt: „Doch wer einmal Fotos von sexuell misshandelten Kindern (…) auf den Bildschirmen der Ermittler gesehen hat, (…) ist bereit, jedes Gesetz zu brechen, um die Kinder zu befreien.“ Kann man daraus politische Forderungen ableiten? Ich denke nicht, womöglich wäre ich ebenfalls bereit, jedes Gesetz zu brechen, wenn ich solche Bilder sehe. Wenn man wohlmeinend ist, kann man aus Jürgs Formulierung sogar Kritik herauslesen: dass nämlich bei den Ermittlern eine Art mediale Deformation stattgefunden haben könnte, bei den Ermittlern, die sich Tag für Tag solche Bilder anschauen müssen. Können die überhaupt noch kühl urteilen? Oder besteht da die Gefahr, dass ihnen der Furor das Handeln diktiert?

    Bei Licht betrachtet eine recht interessante Volte. Und das von einem Autor, den ich eigentlich nicht leiden kann.

  58. @71. + 72.
    ja, ist mutig, sich mit „den großen“ anzulegen:) wenn man allerdings argumentativ auf der sachebene bleibt, hat man eine gute basis.

  59. Ich finde den formellen Stil jetzt gar nicht soo schlimm, zum Teil sogar recht ansprechend. Was der sich inhaltlich und argumentatorisch für Klöpse leistet, ist aber tatsächlich der Hammer.
    Und erst vor diesem Hintergrund finde ich diese süffisant pseudo-geistreiche Art, über Themen zu schreiben, von denen er keine Ahnung hat, ekelig.

  60. Außerdem hat Jürgs einige gute Sachbücher geschrieben. Darüber hinaus ist er ein guter und viel gefragter Redner.
    Niggemeiers Stärke ist das Reden bekanntlich nicht, eher das Fressen und Pöbeln.

  61. Lieber Stefan Niggemeier,
    ein sehr notwendiger, gelungener Post. Ich warte schon lange darauf, dass sich jemand mal den Kollegen Jürgs vornimmt, dessen Beiträge in Magazinen, Zeitungen, TV-Runden oder Büchern immer den Hang zur Dampfplauderei haben. Weshalb ich nicht verstehe, warum er immer wieder eingeladen wird.
    Das schlimmste Erlebnis mit Jürgs hatte ich bei einer Lesung vor rund zwei Jahren in Hamburg. Auf die Frage eines Kollegen von der Journalistenschule, ob er sich bei seinen Recherchen auch auf Quellen aus dem Netz bediene, antwortete er ziemlich aufgebracht und zurechtweisend (sinngemäß): „Junger Mann, ich gebe Ihnen einen guten Tipp: Verlassen Sie sich niemals auf das Internet, wer Wikipedia und Co. als Quelle begreift, wird in diesem Beruf scheitern. Wer sich mit sowas einlässt, wird niemals ein guter Journalist und ist verloren. Wenn Sie es zu etwas bringen wollen, hören Sie auf meine Worte.“ Und das war nicht im Sinne der Grundregel gemeint, dass man Quellen immer mehrfach überprüfen sollte. Es war in dem Sinne gemeint: Das Internet ist eine schlechte Sache.
    Also, erneut: Herzlichen Dank für den Post.

  62. früher sagte man in solchen fällen (jürgs und die ganzen rotzblagen): aufklären, mißverständnisse beseitigen etc.

    heute bin ich mir nicht sicher, ob das noch was helfen wird.
    wie soll man jemanden aufklären, der das offensichtlich gar nicht will?

  63. „… Er schimpft über „Handy-Terroristen“, die in Restaurants und Zügen nerven, über Frauen, die ihre Kinder mit Off-Roadern zum Kindergarten fahren und dort in der zweiten Reite parken, über Erste-Klasse-Fahrer, die sich über Obdachlosenzeitungsverkäufer beschweren, über feine Damen, die sich am Taxistand vordrängeln, und generell über Leute ohne Anstand und Sitten … Er hat keinen Beleg für seinen „Trend weg von Kant, wonach das eigene Handeln stets anderen als Vorbild dienen solte, hin zur Kante, wonach man rücksichtslos gegen andere handeln darf“…“
    .
    Augen auf, Herr Niggemeier, öfters S- und U-Bahn fahren, durch Berlin flanieren, dann sehen sie das, was Jürgs beschreibt. Wenn Sie nicht wegschauen.
    Der Rest sind Stilfragen, z.B. Stabreime und Metaphern gefallen Ihnen nicht. Nun ja.
    .

  64. Der Untergang des Abendlandes… wieder einmal. Ich mag diese Kulturpessimisten einfach nicht. Die ganze Welt verdummt, wobei sie, die Herrenreiter, natürlich die Ausnahme bilden. Elitäres Geschwafel, vermischt mit Kinderschänder-Populismus – ziemlich eklige Angelegenheit.

    Fragt sich angesichts, welchen Unrechts, als nächstes jedes Gesetz gebrochen werden soll. Um mit Jürgs zu sprechen: „Der Weg zur Hölle ist geplastert mit guten Absichten, nicht mit schlechten.“

    Noch kurz zum erwähnten Walter Moers: Mir scheint, der Mann hat kurz in eine beliebige Bestseller-Liste geschaut und bling Namen herausgepickt, wobei er zumindest nicht auch noch Umberto Eco mit aufgezählt hat.

  65. @Jeeves

    In einer Sache haben Sie Recht: Auch ich verstehe nicht, warum Niggemeier seinen in der Sache großartigen Artikel gegen Jürgs‘ durch Herumreiten auf stilistischen Kleinigkeiten (und Geschmacksangelegenheiten) selbst entwertet.

    Dadurch setzt er seine (berechtigte, in allen Punkten von mir geteilte) Empörung über die Inhalte unnötig herab. Eine Schwäche, die Niggemeier immer schon hatte, und die ich immer schon bedauert habe.

  66. Ich bin froh, dass ich nach dem mißglückten Einstieg doch weitergelesen habe („Wäre dies ein Text von Michael Jürgs, hätte er nicht so angefangen.“ Dabei hatte der Text vor diesem Satz noch gar nicht angefangen. Voll doof!). Ich weiß nicht, an was für einer Art von Größenwahn und Selbsverliebtheit dieser Jürgs leidet, aber es ist doch schön für ihn, dass er weiß, wie man sich zu benehmen hat, dass er als moralisches Gewissen Deutschlands, ach was, drauf gesch****, DER GANZEN WELT (jau, und darauf noch ’n Schluck Dosenbier, hallelujah!) Hinz und Kunz, wie das deutsche Sprichwort so schön sagt, anprangern ung geißeln kann und sich dabei auch noch eines originellen und witzigen Stils zu bedienen weiß. Danke, Herr Niggemeier, für Ihren guten Text (bis auf den Einstieg, wie gesagt), dre Jürgs steht jetzt in meiner persönlichen neutralen Top-Journalisten-Statistik auf Platz 1, den er sich aber mit FJ Wagner teilen muss.

  67. Heute Morgen fuhr ein Auto vor mir, an dessen Heck „Todesstrafe für Kinderschänder!“ stand – war das etwa Jürgs? Was macht der denn um diese Uhrzeit hier …

  68. Dieser Jürgs ist ja dümmer, als die BILD erlaubt. Sein Zitat: „Es gibt, wie gebildete Leser wissen, mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Schulweisheit sich träumen lässt.“

    Gebildete Leser wissen, dass der Spruch lautet: „Es gibt mehr Dinge IM Himmel und AUF Erden, HORATIO, als SICH EURE PHILOSOPHIE ERträumen lässt.“

    Hamlet, 1. Akt, 5. Aufzug. Kein Zitat, sondern nur ein Satz, den Shakespeare in einem fiktiven Stück einer fiktiven Person in einer fiktiven Handlung in den Mund legt, der übrigens später widerlegt wird.

    Ein Satz, der übrigens sehr gern von Esoterikern und sonstigen weltfremdem Menschen benutzt wird, wenn denen die Argumente ausgehen.

    Ergo: Argumentation auf NULL-Niveau, einfach zu dumm, um es ernst zu nehmen….

  69. 90, Tharben:

    Ich nehm ihn ernst. Genauso, wie ich auch Stefan Niggemeier ernst nehme. Ich habe da offenbar eine andere Meinung als Sie und viele andere hier. So ist das nun mal, es gibt immer verschiedene Sichtweisen. Das Einzige, was es nicht gibt, ist die einzig wahre Erkenntnis.

  70. Auch eine Betrachtung wert wäre der Jürgs der SZ: Christian Nürnberger schreibt auch schwer salbandernde Aufsätze mit Null Erkenntnisgewinn…

  71. Ybersinn 51:
    Was ist denn so verkehrt daran, einen Text so zu beginnen:

    „Es gibt, wie gebildete Leser wissen, mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Schulweisheit sich träumen lässt.“

    – Weiß der gebildete Leser auch, dass es Elfen gibt? Nein – er weiß, dass sich das ein gewisser Shakespeare mal ausgedacht hat. Wer das so unter das Volk jubelt verbreitet bestenfalls Halbwissen und demonstriert keinen Sinn für Quellenverantwortung. Dieser Einstieg ist deshalb wundervoll symptomatisch für das Jürgs’sche Problem an sich, wie es im weiteren Artikel dargestellt wird. Das Zitat zeichnet das Bild eines selbstherrlichen Elitisten, der auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer höheren Kaste die Welt der Beliebigkeit seiner Meinung zu unterwerfen können glaubt.

  72. Oh doch, es gibt eine Wahrheit, die alle zu respektieren haben und zu der es keine Ausnahme gibt und zwar ohne wenn und aber.
    Und das ist unser Grundgesetz!

    Mann kann eben nicht mit der klassisch-dümmlichen Jammer-Argumentation „Ach, die Kinder, denkt doch an unsere Kinder“ kommen. Das würde ja bedeuten, dass alle Menschen vor dem Gesetz NICHT gleich sind.

    Kinder wären nach dieser Logik somit „gleicher“ als Jugendliche oder Erwachsene und wenn man das weiterspinnt wäre dann wohl der Herr Politker oder Manager auch „gleicher“ als die Putzfrau oder der 30-jährige Akademiker wichtiger und „systemrelevanter“ als der 85-jährige Rentner, sprich für den kann man auch mal ein paar Grundrechte brechen, aber für alte Opas, Putzfrauen oder Ausländer wollen wir uns dann natürlich schon wieder ans Grundgesetz halten, da ist es dann nicht mehr so dringlich, dass wir für diese Typen unsere Werte verraten, stimmt’s? Rocker und Landstreicher haben auch kein Recht auf Rechtsbruch, aber Lehrer und hübsche junge Mädchen auf jedenfall.

    Also für Babys sollte doch auf jedenfall ein hübscher Rechts- und Verfassungsbruch drin sein, klar…..wobei, wenn derselbe Fall ein Asylanten-Baby betreffen würde, oder die Eltern nur von Hartz4 leben, dann gilt das natürlich auch nicht mehr, dann müssen wie nochmal ein bißchen feilschen ob die auch so „gleich“ und „wertvoll“ sind wie ein bedauernswertes deutsches Baby….

  73. janssen, #93:

    Zunächst einmal lesen Sie bitte, was z.B. sacki in #47 über das GG geschrieben hat. Das GG ist kein Monolith, sondern wandlungsfähig.
    Außerdem irren Sie, wenn Sie meinen, dass Erwachsene, Kinder und Heranwachsende vor dem Gesetz „gleich“ sind. Tatsächlich genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen rechtlichen Schutz, was ja auch Sinn macht.

  74. @theo

    Ganz davon ab, dass im Deutschen nicht „Sinn macht“: Worin sehen Sie denn die Sinnhaftigkeit eines besonderen Schutzes von Kindern und Jugendlichen, z.B. im Vergleich zu alten Menschen? Gerade aus dem Blickwinkel des demographischen Wandels halte ich diesen Tanz um Kinder, Kinder, Kinder für nicht nur ärgerlich, sondern geradezu dumm.

  75. @91 Also, werter Herr von der Au, auf Nürnberger möchte ich gar nichts kommen lassen. Was haben Sie bloß gegen Moralisten, zumal wenn sie guten Stil schreiben (worüber man bei dem vormals linksliberalen Jürgs immer schon geteilter Meinung sein konnte)?! Im Gegensatz zur Mehrzahl der bekennenden Zyniker hier an Bord, die nur wohlfeile Grunzlaute des Zustimmens absondern, wenn es ans Abmachen geht, legt N. auf „Charakter“ Wert – und echauffiert sich wohl das eine oder andere Mal über Gebühr. Aber bitte – dann lesen Sie erst mal Karl Kraus oder Kerr, die sich über einen reaktionären Polizeipräsidenten, der einer Verlegersfrau an die Wäsche wollte, so in die Wolle kriegten, daß Reclam die astreinen Trollereien auch heute noch nachdruckte.

  76. @95 … und wie im Deutschen etwas „Sinn macht“, werter Atze Rohla, können Sie bitte bei den Gebrüdern Grimm (s.v. Sinn, II 21f.) nachschlagen. „Ob man gleich sich erst einen Sinn dazu machen muß“ (Goethe)?! Aber ja: „die weyse ist, das man wenig wort mache, aber vill und tieffe meynungen ader synnen“ (Luther). Das bekannte Lessing-Zitat übers Sinnmachen laß ich hier mal weg. Ältere Germanisten wußten noch, woher das deutsche „Sinn machen“ kommt, aus dem Mittellatein der Scholastik „sententiam facere“. Bsp. „Petrus der maister Lampardus, der die sentencias machet, das ist das puch von hochen synnen zu teutsch“. „Sententia“ ist aber vor allem „Urteil“ – und damit könnte man glatt wieder die Abwägung der ggf. widerstrebenden Grundrechte im GG auf die „Sinn“-Ebene heben. Mir bleibt ein gehöriges Ungehagen, das aus dem entschieden (auch hier) zu pathetischen Pochen auf der Unabdingbarkeit von Normen herrührt. Heillose Juristen können wohl nicht anders, als den Anspruch auf absolute Gültigkeit übergeordneter Rechtsordnung festzuschreiben – der Begriff „schuldhafte Verstrickung um Bemühen um Menschlichkeit“ bleibt ihnen nachrangig, obwohl ihnen bewußt sein müßte, daß in letzter Konsequenz die gnadenlose Exekution des Kategorischen Imperativs in die Unmenschlichkeit führen kann (gerade im Fall Daschner/Gäfgen).

  77. @Zahnwart, #70: „[…] Und ist es tatsächlich so, dass Jürgs ein „Der Zweck heiligt die Mittel“ propagiert? […]“

    Ja. Wenn er den Satz so geschrieben aber nicht gemeint haben sollte ist er ein schlechter Autor. So etwas sollte dann nicht veröffentlicht werden! Oder sollte der geneigte Leser in Zukunft den Inhalt solcher Zeilen raten?

    „[…] Kann man daraus politische Forderungen ableiten? […]“

    Nein, aber er zeigt damit seine geistige Haltung in dieser Angelegenheit. Mehr wurde auch nicht behauptet.

    @Camillo, #Alle

    Hmmm … der Jürgs wird sich wohl „hochgebumst“ haben, denn von seinem Können her sieht es ziemlich düster aus. (Hiermit erkläre ich Eidesstattlich und unter Zeugen, dass der erste Teil des vorhergehenden Satzes ein Scherz war!) :oD

    Und sonst? Bist Du etwa neidisch?! o_O :o)

    @Atze Rohla, #85

    Teilweise sind Jürgs Metaphern so was von deplatziert, ich kann es aber leider nicht richtig ausdrücken wie schlecht sie sind. Im Boulevard würde so etwas wahrscheinlich nicht weiter negativ auffallen.


    Da ich selber bei dem Verein arbeite, über den Jürgs schrieb, weiß ich genau, was von Jürgs FAS Artikel Schwachsinn ist: Das meiste.

  78. @kampfstrampler

    Sie merken aber schon, dass der Sinn von „Sinn machen“ bei Goethe ein anderer ist?

    Zum gleichwohl wichtigeren Unsinn zur Sache „Kategorischer Imperativ“ und Daschner/Gäfgen äußere ich mich lieber nicht.

  79. @95

    „Worin sehen Sie denn die Sinnhaftigkeit eines besonderen Schutzes von Kindern und Jugendlichen, z.B. im Vergleich zu alten Menschen?“

    Ist das eine ernsthafte Frage?

  80. @100 Atze Rohla. Goethe meint hier sehr wohl, „sich ein Urteil bilden“. Über Kant und rechtsphilosophische Fragen diskutiere ich mit Ihnen hier nicht – Ihr Verdikt „Unsinn“ ist leicht und leichtfertig dahergequatscht. Da sind Sie mir – halten zu Gnaden – schlicht nicht satisfaktionsfähig genug; was durch Ihre (GG-konträre) Suada über die angeblich nicht stärker zu schützenden Kinder und Jugendlichen noch bekräftigt wird.

  81. @ Atze Rohla (#102): Selbst wenn Goethe „Sinn machen“ in einer anderen als der heute üblichen Bedeutung gebraucht haben sollte – die Sprache verändert sich eben, Bedeutungen verschieben sich, es kommen neue hinzu. Goethens Sprachgebrauch gegen die aktuelle Bedeutung von „Sinn machen“ ins Feld zu führen, ist fehl am Platze.
    Und selbst wenn „Sinn machen“ ein nagelneuer Anglizismus aus dem Jahr 2011 wäre, hieße das nicht, dass es falsch oder schlecht wäre. Es ist eine grammatisch korrekte Wendung, nicht die erste ihrer Art („Schule machen“), und es gibt keinen Grund, dagegen anzurennen. „Sinn machen“ ist längst in die deutsche Sprache eingegangen, das kriegen Sie nicht mehr weg. Nicht mögen darf man „Sinn machen“ natürlich trotzdem.

  82. Nur noch eine kleine erbsenzählerische Anmerkung: Der Quellcode ist natürlich nicht das Programm in maschinenlesbarer Form – sondern in menschenlesbarer Form. Daraus wird dann in der Regel per Compiler ein Binärcode, der dann nur noch von Maschinen (oder dem CCC, respektive anderen Experten) lesbar ist.

  83. Das gibt doch alles keinen Sinn hier. Whiskyausschank auch an Kleinkinder, für Gleichbehandlung und Gerechtigkeit! Wohlsein!

  84. @gnaddrig: Ich mag die Verwendung von „Sinn machen“ auch nicht. Einfach weil sie zwangsläufig exakt diese Diskussion hervorruft, ansonsten wär’s mir wurscht. Ich persönlich hege ja eine Abneigung gegen „zeitgleich“ – und die Tatsache, dass man „und“ anscheinend nur noch mit einem vorgestellten Gedankenstrich verwenden darf (kaum ein Teaser kommt ohne aus). Wollte ich immer schon mal loswerden. Ach, und abgenudelte inhaltsleere Phrasen wie „neu erfinden“, („XY erfindet den Jazz neu“, gerne auch genommen in Form von: „Sich selbst immer wieder neu erfinden“) oder Sätze mit „daherkommen“. *Schüttel*

  85. Macht es Sinn, sich derart über Jürgs Metaphern zu echauffieren? Ich meine … ist doch gut, dass es ihn gibt. Dann hat Stefan Niggemeier was zu schreiben. Sonst ist ja nix los. ;-)

    „Quellcode“ ist übrigens ein Wort, über das ich hier gern gestolpert bin. Ich nehme es in meine to-do-Liste auf. Macht Sinn.

  86. @ inga (#110): Da haben Sie gar nicht so unrecht, was das Anstoßen immer derselben Sinn-machen-Diskussion angeht.

  87. „Im Internet werden jährlich zweistellige Renditen erwirtschaftet“

    Potz-Blitz, da werd‘ ich mir mal schnell Aktien von dem Internet holen.

  88. Inga,

    das mit dem „- und“ finde ich persönlich nett, wobei ich das ja unpersönlich gar nicht finden kann. Also sollten wir auch das „ich persönlich“ wegwerfen, „ich“ reicht ja. Einverstanden? :-)

  89. @103, 104: Och, geschätzter Hausherr, jetzt haben Sie mir meine Konterattacke mit dem furzenden Germanistik-Prof, der einen satisfaktionssüchtigen Leutnant auflaufen ließ, aus dem Ring genommen. Dann eben zurück zum Text, und zwar zu Ihrem, konkreter: zum letzten Absatz, wonach Jürgs erste zwei Sätze in der FAS „keinerlei logische Verbindung“ miteinander hätten. Einspruch, Euer Ehren, das wiederum ist seinerseits perfide. Die Verbindung ist a) assoziativ: von der „nicht träumenden Schulweisheit“ hin zum schönen „Traum“ des unbefugten Eindringlings, verabscheute Texte schon in ihrer Entstehung löschen zu können. Und b) logisch: Als Jürgs zur Schule ging, war an solche Fazilitäten zwischen Himmel und Erde tatsächlich nicht zu denken, also dergleichen ein surrealer Traum, der nun aber Wirklichkeit wird, so daß Jürgs sich die (natürlich nicht realiter gewünschte) Hoffnung auf Eingriffe in die Autorenhoheit anderer machen könnte. Wieso das „sprachlicher Unsinn“ sein soll, weiß der Fuchs, kann nur ein Sophist behaupten – und die wußten schon zu Zeiten des ollen Sokrates, wie Paradoxa aufzustellen und wie sie zu lösen seien. Allerdings ist es sicherlich so, daß Jürgs und Niggemeier in diesem Leben einander wohl nicht mehr semantisch verstehen werden: Sie wollen es schlicht nicht. In Journalistenschulen der näheren Zukunft könnte man ihre Argumentationsstile als Spiegelfechterei von „Qualle“ gg. „Skalpell“ bewerten.

  90. @theo #90

    Fakten sind nicht verhandelbar. Herr Niggemeier liegt richtig, Herr Jürgs liegt falsch.

    Wissen Sie, ich habe viele Ansichten, viele Gefühle und Instinkte. Doch unser Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind für mich prinzipiell unumstößlich. Denn sie sind das Fundament, auf dem unser wankender Rechtsstaat steht. Offenbar sieht das Herr Jürgs und Sie anders.

  91. Tharben,

    geltendes Recht und geltende Rechtsprechung sind bindend, aber niemals frei von Kritik. Wo kämen wir denn hin, wenn man das nicht kritisieren dürfte?

    „Unumstößlich“ ist die Rechtsprechung des BVerfG schon deswegen nicht, weil es a) den Europäischen Gerichtshof gibt und b) das Grundgesetz – bis auf die FDGO – durchaus veränderbar ist und auch schon verändert wurde. Das BVerfG hat überdies seine eigene Rechtsprechung im Lauf der Jahrzehnte „modifiziert“.

    Wir hatten das aber schon ein paar Mal in diesem Thread. Offenbar haben Sie das überlesen.

  92. @theo #118

    Bitte behalten Sie meinen ersten Satz im Auge. Er lautet: „Fakten sind nicht verhandelbar.“

    Ihre „das muss man in Deutschland noch sagen dürfen“-Rhetorik disqualifiziert Sie.

  93. @theo (#115): Ach nö. Hier ging es ja schließlich und endlich um meine eigene, ganz persönliche individuelle Einzelmeinung, die ich niemandem aufoktroyieren will. Pleonasmus als bewusste rhetorische Figur halt, Bastian Sick zum Trotz. Aber wenn einer „Sinn machen“schreibt, dann ist natürlich die vorhersehbare Diskussion schon von vorneherein vorprogrammiert.

  94. @Tharben: Pssst, wenn Du ganz genau suchst, ist es möglich, dass Du in dem Absatz vielleicht unter Umständen noch weitere Pleonasmen findest. Aber nicht weitersagen ;-)

  95. (Ich soll Witze nicht erklären, ich soll Witze nicht erklären, ich soll Witze nicht erklären…)
    (Und „Witze“ schon malgleich gar nicht!).

  96. #44@sacki:
    3. In Sachen Quellen-TKÜ wird gerade gestritten, ob es eine eigene Ermächtigungsgrundlage braucht, oder ob auf den besagten 100a zurückgegriffen werden kann.
    #54: „Ein neuer Paragraf, der die Vorgaben des BverfG einarbeitet, und die Sache ist erledigt.“

    Der Streit ist nicht neu, und es gab dazu ein aufsehenerregendes Urteil des BVerfG., in welchem dieses ein neues Grundrecht des Bürgers auf Integrität informationstechnischer Systeme quasi geschaffen hat, wie bereits schlau bemerkt wurde – gerade deswegen ist es aber nicht damit getan, mal eben was einzuarbeiten.

    Insbesondere kann man nicht im Vorgriff auf eine erwartete Einarbeitung heute die TKÜ-Software weiter so benutzen als wär nix, und sich darauf rausreden, es ginge hier um lästige Details, auf die es nicht ankommt.

    Die Idee eines Trojaners scheint mir doch sehr prinzipiell unverträglich mit der Integrität informationstechnischer Systeme. Wäre das so ein Klacks, dann hätte die Regierung wohl längst ein entsprechendes Gesetz in (Vorsicht: metaphorische Alliteration) trockene Tücher gebracht.

    Auch darf daran erinnert werden, dass der eingesetzte Trojaner nicht bloß die Integrität des Systems verletzt hat, sondern über die TKÜ hinausgehende Funktionen hatte – erstens: Bildschirmfotos zu machen, zwotens: eine deaktivierte Funktion für Mikrofon- und Kameraspionage, die per Fernsteuerung aktivierbar waren und drittens: generell die Möglichkeit Funktionen aus dem Netz nachzuladen (vulgu: Updates).

    Dabei sprach das verletzte Gesetz ausdrücklich davon, dass auch technisch dafür zu sorgen sei, dass solches nicht möglich ist. Und zur Bestätigung, dass das Gesetz verstanden wurde, war genau dieser Teil der Software ein wenig, wenn auch nicht hinreichend, gegen Entdeckung geschützt, d.h. es wurde mit Vorsatz von denen gegen das Recht verstoßen, die es eigentlich schützen sollen.

    In wiefern trägt solches, rechtswidriges Verhalten eigentlich zu einem Corpsgeist bei, der immer wieder beklagt wird, wenn vor Gericht die Polizisten sich gegenseitig nicht belasten oder decken?

    Es muss ja mehr als ein Beamter davon wissen, dass es da verbotene Funktionen gibt. Die haben dann gegenseitig etwas gegeneinander in der Hand – das ist mir ganz unangenehm, wenn solche Seilschaften der Omerta existieren. Was machen die sonst noch? Kokainparties mit der Beute?

    #70@Zahnwart:
    Wenn man wohlmeinend ist, kann man aus Jürgs Formulierung sogar Kritik herauslesen: dass nämlich bei den Ermittlern eine Art mediale Deformation stattgefunden haben könnte, bei den Ermittlern, die sich Tag für Tag solche Bilder anschauen müssen. Können die überhaupt noch kühl urteilen?

    Oh sicher – so muss es sein! Die Ermittler sind nicht mehr zurechnungsfähig – oder was soll das heißen? Und der Gesetzgeber soll denen jetzt einen Freifahrschein ausstellen?

    Es ist ja nun gerade die Idee, dass der Gesetzgeber von der Executive verschieden sein muss, damit solch eine Selbstbedienungsmentalität gar nicht erst Raum greift. Ein Journalist, der sich damit gemein macht, ist peinlich, und erfüllt genau die Kriterien des Vulgären, das er heuchlerisch beklagt.

    Und was hat die Kritik an der Sprache damit zu tun? Insofern viel, als sich im Missbrauch der Sprache sich der Missbrauch des Rechts nochmal spiegelt, der schiefe Vergleich korrespondiert mit einer schiefen Argumentation, die Ignoranz gegenüber der Wahrheit ist hier wie dort die gleiche.

  97. Sonst hochgeschätzter Stefan Niggemeier,

    es ist selbstverständlich Ihr gutes Recht, in Sachen „TKÜ“ eine sehr restriktive Position zu vertreten. Auch ich hege angesichts vieler Vorkommnisse ein tiefes Misstrauen gegen gewisse paranoide Züge gewisser staatlicher Stellen, glaube aber nicht (und die Realität bestätigt das), dass Missbrauch technischer Möglichkeiten sich durch totales Rechercheverbot verhindern lässt. Notwendig sind statt dessen sehr dezidierte Regeln, welche Methoden zur Aufklärung welcher Delikte eingesetzt werden dürfen.

    Für die Art Ihrer Kritik an Herrn Jürgs habe ich kein Verständnis. Jeder hat seine eigene „Schreibe“ (Sie auch!), und man muss heute schon froh sein, wenn Journalismus wenigstens in korrektem Deutsch, flüssigem Stil, gewürzt mit diesem oder jenem Schuss Ironie (wo’s passt) und ohne Einschleimen bei der „Jugendsprache“ daherkommt. Und es mag ja auch offensichtlich sein, dass Herr Jürgs kein IT-Experte ist – im Kontext mit dem, was er uns sagen will, spielt das aber keine Rolle.

    Ein bisschen mehr Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen zu überaus komplexen und ambivalenten Sachverhalten wäre manchmal schon wünschenswert.

  98. Ich stimme #128 Bitbändiger durchaus zu und wiederhole mich, dass diese Debatte hier sehr überflüssig bis albern ist. Lasst doch dem Jürgs seinen Rotz!

  99. @Bernhard Paul, #131

    Wenn jemand Rotz schreibt, darf er sich nicht wundern, wenn ihm jemand sagt, dass er Rotz schreibt.

  100. @132JensE

    Ich kann nur nicht verstehen, dass man Rotz diese Bedeutung beimessen kann. Ich rotze Rotz einfach weg.

  101. @inga #124

    Pleonasmus? Mal sehen, was die deutschsprachige Wikipedia dazu sagt.

    Ich kann kaum glauben, was auf meinem LCD-Display zu lesen ist. Ich bin überrascht, überrumpelt – und aus den Socken gehauen. Soweit ich erkennen kann ergibt macht der Eintrag bei Wikipedia im Kontext dieser Diskussion nicht viel Sinn. Außerdem stelle ich soeben fest, dass es mir während der Einnahme meines Frühstücks an Originalität fehlt. Ich werde mich neu erfinden müssen. Bitte machen Sie weiter – und fahren Sie fort.

  102. @ Tharben (#121): Da möchte ich höflich wiedersprechen. Duden gibt den aktuellen Stand der Dinge in Sachen (Auf-)Oktroyieren folgendermaßen wieder:

    ok|troy|ie|ren [urspr.= (landesherrlich) bewilligen, bevorrechten < frz. octroyer < afrz. otroier < mlat. auctorizare = sich verbürgen; bewilligen < spätlat. auctorare, zu lat. auctor, Autor] (bildungsspr.): aufoktroyieren.

    auf|ok|troy|ie|ren (bildungsspr.): aufzwingen: jmdm. seine Meinung, seinen Willen, dem Staat eine Verfassung a.

    © Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM].

  103. @uidbisas (137)
    Danke für den Link-Tipp, wirklich hervorragender SPAM und irgendwo hat die Seite in ihrer sprachlich unterirdischen Qualität ja auch mit dem Thema des Posts und dieser Diskussion zu tun.
    Ihnen, Herr Niggemeier, danke für den Artikel, ich teile Ihre Meinung, kann aber auch einige Punkte der anderen Diskutanten nachvollziehen.
    Das ist doch das Schöne: Herr Niggemeier gibt einen Anstoß, so dass andere (wir) sich eine Meinung bilden können…

    Gruß

  104. … wie sich hier der intellektuelle Flügel gegenseitig vollkotzt. SN ist mir btw zu unpolitisch – schön motzen, bloß nicht verbessern. Das ist in etwa die Devise.

    MfG ein Progressivlinker

  105. @140 (Nummer 139) ;-)

    Um’s Verbessern geht es Niggemeier nur bei Rechtschreibfehlern, das System findet er, so, wie es ist, schon sehr in Ordnung. Er tritt für nichts ein, er tritt nur auf (Selbstdarstellung) und drauf (Erniedrigung anderer). Das muss man nicht mögen, eigentlich kann man es nur mögen, wenn man genauso ist.

    Seine Brillanz ist aber unbestritten, nur eben auch unbestritten vergeudet.

  106. Ich find das putzig wie die Leute sich ein Ei gepellt haben dass Stefan bei Spiegel anfängt und den Untergang des Blogs heraufbeschworen haben.

    Wobei mir grad einfällt dass ich mir nen Google Alert basteln muss für Niggemeier-Artikel auf SPON (weil’s ja nicht alles im RSS-Feed des Blogs landet).

    Sowas wie die Links von ix in seinem RSS-Feed wären ganz nett. Sowas sollte es hier geben. Da würde sich jeder Freuen weil er merkt, wie die Qualität im Spiegel steigt :-D

  107. Lesenswertes Stück. Aber nur mal so interessehalber: Was ist denn am (partiellen) Textrecycling so verwerflich? Die meisten freien Journalisten sind auf Mehrfachverwertung ihrer Beiträge angewiesen, wenn sie auf einen grünen Zweig kommen wollen. Zugegeben, Herr Jürgs mag ebenso wie der Blogherr nicht in die Kategorie der Zweitverwertenmüsser gehören, aber grundsätzlich ist Mehrfachverwertung doch des freien Journalisten täglich Brot.

    Ich kenne nun die Leserschaft von FAS und Samstags-FAZ und den Jürgs’schen Büchern nicht so intim, dass ich seriös einschätzen könnte, wie groß da die Schnittmenge ist und wievielen Lesern die Absatzdopplung aufgefallen sein könnte. Aber gerade bei Publikationen, die sich an weitgehend unterschiedliche Leserschaften richten, ist Mehrfachverwertung doch nun wirklich nicht anstößig. Oder?

    (Dass die berichteten Fakten – ob nun einfach oder mehrfach verwertet – korrekt recherchiert und wiedergegeben werden sollten, versteht sich von selbst.)

  108. @gnaddrig #137

    Der Duden beschreibt, er urteilt nicht darüber, ob ein Wort korrekt ist.

    Wenn nur lange und viele genug einen Begriff falsch verwenden, kommt er in den Duden, so falsch er auch sein mag.

    Sollte sich beispielsweise im alltäglichen Sprachgebrauch das Wort aboktroyieren, also abaufzwingen, durchsetzen, wird es bald darauf im Duden stehen.

  109. @Tharben: Genau, Sprache ist vor allem eine Konvention. Aus diesem Grund ist die Kategorie „richtig“ oder „falsch“ schlicht nicht relevant, sondern nur, ob ich die Sprache im jeweiligen aktuellen Kontext richtig verwende.
    Oder anders ausgedrückt: Im Duden stehen Definitionen. Definitionen sind Tautologien, und Tautologien können nicht falsch sein. Die Definition „Dieses grüne Gemüse hier ist eine Karotte“ kann also niemals falsch sein, wohl aber mehr oder weniger sinnvoll.
    Beispiel: In Bayern verwendet man gerne doppelte Verneinungen („Des hob i niemals ned gmacht“). Allen Beteiligten ist klar, dass er’s nicht gemacht hat, Logik hin oder her. Wer jetzt anfängt, hier auf die Logik zu pochen, wird damit nur eins erzeugen: Missverständnisse. Und DAS widerspricht dem Zweck von Sprache.
    Ich habe ehrlich gesagt eine ziemliche Abneigung gegen Grammatik-Besserwisser. Irgendwer hat z.B. den Radiomoderatoren mal gesagt, dass der Plural von „LKW“ nicht „LKWs“ sei, sondern auch „LKW“, weil der Plural von „Wagen“ eben auch „Wagen“ ist. Jetzt haben die sich das Plural-s dermaßen erfolgreich abtrainiert, dass sie leider auch das Genitiv-s nicht mehr über die Lippen bringen („…13 km Stau wengen eines liegen gebliebenen LKW auf der…“). Tja. Und ich zucke jedes Mal zusammen, wenn ich irgendwo lese, dass „… damit XY programmiert“ ist. Nicht, dass „… damit ist XY vorprogrammiert“ eine besonders hübsche Formulierung ist (ich bevorzuge z.B. „… damit wird XY Tür und Tor (hihi, gemerkt? Pleonasmus!) geöffnet“), aber es ist zumindest die geläufige. Genauso wie „aufokroyieren“.

  110. Och, Herr Niggemeier, Ihr Text-Kram fängt auch immer irgendwie gleich an und endet irgendwie immer gleich…

  111. @148: mir hat inga auch sehr gut gefallen. aber mit dem knutschen…da möchte ich mich noch nicht festlegen.

  112. @ Tharben (#145): Richtig. Der Duden schaut dem Volk aufs Maul und beschreibt den aktuellen Sprachgebrauch. Was im Duden steht, wird gesprochen. Es steht im Duden, weil es gesprochen wird. Und ja, wenn genügend Leute einen Begriff auf bestimmte Art verwenden, gelangt er dann auch so in den Duden und gilt als normal und – wenn man so will – richtig.

    Die Sprache ändert sich, und jede Veränderung kann man zunächst als falsch auffassen, egal ob es ein neues Wort ist, eine neue Bedeutung eines vorhandenen Wortes, eine neue Redewendung, oder eine neue grammatische Konstruktion.

    Was kann es denn außer dem Sprachgebrauch der Muttersprachler für ein Kriterium für richtig und falsch geben? Es gibt keinen zeitlosen, unbestreitbar richtigen, idealen Sprachstand, an dem sich alles messen ließe. Die Sprache ist so, wie ihre Sprecher sie verwenden. Und so, wie die Allgemeinheit spricht und schreibt, ist es ungefähr richtig. „Aufoktroyieren“ etwa. Dabei ist „oktroyieren“ natürlich von vornherein überflüssig, weil es ein perfekt passendes urdeutsches Wort dafür gibt: Aufzwingen ;)

    Aber wenn Sie schon mit richtig und falsch argumentieren wollen, dann tun Sie das doch auch konsequent. Das Etymologische Wörterbuch des Deutschen (nach Pfeifer) gibt an, dass „oktroyieren“ Anfang des 17. Jahrhunderts in der Bedeutung „Landesherrlich bewilligen, verleihen“ aus dem Französischen entlehnt wurde. Warum verwenden Sie es nicht in dieser „richtigen“ Bedeutung? Wie rechtfertigen Sie die von Ihnen favorisierte Bedeutung „aufzwingen“? Die müsste doch eigentlich auch falsch sein. Wenn Sie aber zubilligen, dass die Sprache sich ändert und sich die Bedeutung von „oktroyieren“ seit der Entlehnung vor ca. 400 Jahren geändert hat, können Sie weitere Änderungen nicht grundsätzlich ablehnen und für falsch erklären. Damit spricht außer Ihrem persönlichen Geschmack nichts gegen das gängige „Aufoktroyieren“.

  113. @ gebimmel (#151): Ja, wir Klugscheißer können bei sowas einfach nicht an uns halten. Vielleicht sollte es für uns auch einen Sandkasten geben…

  114. Knutschen darf mich sowieso nur mein Schnurzelpurzel.
    Und mein vierjähriger Neffe (auch wenn das eine ziemlich feuchte Angelegenheit ist).

  115. @146 inga „Tür und Tor geöffnet“ – doch, sehr schön, allerdings sprachhistorisch kein Pleonasmus. Gemeint sind die (Haus-)Tür und das (Hof-)Tor – was bekanntlich in bäuerlichen wie städtischen Gehöften nicht dasselbe ist. Wenn man jetzt Abbildungen alter Tore sich anschaut, dann könnte man erkennen, daß die Tür sogar ins Tor eingelassen sein kann. „Tür und Tor“ ist also eine (alliterierende, jaja!) Paarformel, deren Glieder sich semantisch ergänzen – so wie „Land und Leute, Mann und Maus, Kind und Kegel“. Hach, wie lieb‘ ich’s doch, so richtig mal zu klu… (wer kann, der kann – wer nicht kann, ist nur neidisch).

  116. @ inga (#153): Aber knutschen wollen darf Sie theo. Das können Sie allerdings durch Kommentare verhindern, die er nicht mag.

  117. @ Cher Pa (#142): Wunderbar auf den Punkt gebracht. Ich les‘ ja SN auch gerne, eben wegen der Brillanz. Aber dass er ein Systemlemming, ein Kapitalismusjünger sei? Bitte zerstören Sie nicht meine Illusionen *träum

  118. Nur ungern störe ich die hier anwesenden Linguisten beim Knutschen. Ihr könnt gleich weitermachen. Mir brennt da aber eine sprachbezogene Jürgs-Frage unter den Fingern. Er schreibt

    „Das fettarschige Leggingsmädchen …, das sich dann zungenküssend seinem ebenfalls gepiercten Freund widmet.“

    Sprache ist nicht wahr oder falsch, ok. Ich hätte hier aber „ihrem“ erwartet. Wollte Jürgs in kunstvoller Verwendung von Sprache den von ihm so empfundenen androgynen Charakter beleibter Baumwollhosenträgerinnen zum Ausdruck bringen? Oder habe ich etwas übersehen? Schwindet mein Sprachgefühl, dämmert drohend die Demenz? Ich bin zutiefst verunsichert.

  119. @ Hadron (#158): Wenn ich kurz dürfte. Das Wort Mädchen ist Neutrum, grammatisch gesehen („das Mädchen“). Also hat Jürgs recht wenn er von dem Leggingsmädchen und seinem Freund spricht. Er hätte natürlich auch von der Leggingsschlampe und ihrem Freund schreiben können.

  120. Uff. Ich habe den Kommentar #121 vollständig eingeklammert, den kompletten Kommentar in Kursivtags gesetzt und einen Ironie-Smiley drangepappt, um kenntlich zu machen, wie ernst es mir ist. Nämlich kaum bis gar nicht.

    In Kommentar #136 habe ich nochmal versucht klarzustellen, wie ernst es mir ist: kaum bis gar nicht. Siehe hierzu ingas Kommentar #110

    In Anbetracht der Nichtigkeit – und im Vergleich zur Ernsthaftigkeit des eigentlichen Themas – beeindruckt mich euer Durchhaltevermögen.

    So, und nun seht, was ihr angerichtet habt: ich fühle mich ausgeschlossen, schuldig und als Troll. Mag mir jemand Mut zusprechen, mich knuddeln und sagen, dass es nicht so gemeint was? inga? gnaddrig? Ich gebe auf. Wo ist denn mein weißer Kissenbezug?

  121. Das grammatische Geschlecht (Genus) sollte man nicht mit dem biologischen Geschlecht (Sexus) verwechseln, insofern hat gnaddrig recht.

    Allerdings ist es umgangssprachlich mittlerweile durchaus üblich, „das Mädchen“ so zu referenzieren, als wäre es ein feminines Wort. Um das Thema von weiter oben aufzugreifen: Vermutlich wird diese Variante bald Einzug in den Duden finden, wodurch sie dann de facto korrekt wäre… ;-)

  122. Danke. Seltsam. Das Rotkäppchen küsst seinen Wolf. Das Rotkäppchen küsst ihren Wolf. … Hmmm.. Bin Berliner, kenne ursprünglich nur den einzigen Artikel „dit“. Macht manchmal Probleme.

    Und: Sie haben mich schon wieder korrigiert, inga. Bitte um Erlaubnis, sie nicht knutschen zu dürfen. Das lag mir noch auf der Zirbeldrüse.

  123. @ Tharben: Mein Ironiedetektor muss einen Wackelkontakt haben. Aber wenn jemand jemandem einen bestimmten Sprachgebrauch aufzuoktroyieren versucht, sehe ich rot, da gibt es kein Halten mehr. Da kann ich auch bei völligen Nichtigkeiten ziemlich lange durchhalten. Nimm’s nicht so tragisch, ich wollte nur spielen ;)

  124. @162 Matthias

    Es wird dann nicht das grammatische Geschlecht so referenziert, als wäre es ein feminines Wort, sondern die mit dem Begriff „Mädchen“ inhaltlich bezeichnete Person. Und die ist ja in jedem Fall auch feminin. Da gab’s mal interessante Beiträge in den Kommentaren bei Stefanowitsch, ich find die jetzt aber nicht mehr…

    http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog

  125. Hat mir keine Ruhe gelassen, ich glaube, ich hab’s jetzt.

    Ich habe durch den Begriff „fettarschiges Leggingsmädchen“ hindurchgeblickt. Er hat mir ein Fenster in die Welt geöffnet. Dort sah ich in der U-Bahn diese Frau, arbeitslos vielleicht, die sich mit Süßigkeiten und Coca-Cola die kleinen Portionen Glück schenkt, die ihr im sonstigen Leben versagt bleiben. Eindrucksvolle Frau, mächtige Brüste, provokant, mit ihren engen bunten Hosen die Blicke der Fahrgäste auf sich ziehend. Erwünschte Blicke, die ihr für einen kurzen Moment das Gefühl von Bedeutung verschaffen. Die rüpelhaft ist – aus Not.

    Ja, genau diese Frau habe ich gesehen. Auf irgendeiner meiner unzähligen Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin habe ich sie sogar schon einmal husten hören. Und dann sah ich, wie sie sich ihrem Freund zuwendet und ihn küsst.

    ___
    Dies vielleicht auch als Beispiel, mit welcher Brille solche Szenen genauso gut betrachtet werden können.

  126. „Jedem Journalistenschüler und Volontär würde ein solcher Satz — hoffentlich — schon prinzipiell um die Ohren gehauen.“

    lass „hoffentlich“ einfach weg. oder nimm „schon prinzipiell“ mit in die gedankenstriche. dann klingt es weniger moralinsauer in dem ansonsten super text …

  127. Warum regt sich hier denn niemand über das generell mittelmäßige journalistische Niveau der FAS auf? Herr Jürgs passt als harmloser, sach-, fach- und weltfremder, vor allem aber recherchefauler Dampfplauderer doch hervorragend zu diesem gut gemeinten Blatt. Und Sie, Herr Niggemeier, haben ihre Lebenszeit auch schon sinnvoller investiert. Ich hielt Sie mal für einen fähigen Journalisten. Aber auch Sie scheinen langsam den Wald nicht mehr zu sehen vor lauter Bäumen. Mein Gott, ich muss die FAS abbestellen. Ich rede ja auch schon wie Jürgs. Früher hat das Fernsehen dumm gemacht. Jetzt ist es das Zeitungslesen.

  128. @171 „vorauseilende elektronische Bücherverbrennung“?? Ist das jetzt Bösartigkeit, werter Kommentor, oder schieres Unvermögen? Da sitzt ein alter Autor, tut seufzend kund, wenn er alles an „Kollegen“ nicht mag, und spielt – ich betone: „spielt“ – mit der irrealen Überlegung, wie ihm wohl wäre, wenn es ihre Texte gar nicht gäbe. Zum Verständnis von Ironie empfehle ich mal kurz Stephen Fry, Making History.

  129. #171 ist wohl die Suche nach höchstmöglicher moralischer Empörung. Offenbar reichte es noch nicht, dass man Jürgs staatszersetzende Haltung vorhielt und eine geistige Nähe zu Befürwortern von Lynchjustiz und Folter. Es hat zwar ein wenig gedauert, aber nun – endlich, möchte man ausrufen – hat jemand auch den Bezug zu den Nazis entdeckt.

  130. Michael Jürgs hält es anscheinend für die Aufgabe des Rechtsstaates, Leute hinter Schloss und Riegel zu bringen, die in seinen Augen schlimme Finger sind – egal weswegen. Vor ein paar Monaten kam in Brandenburg ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter in U-Haft – wegen Verdachts auf Subventionsbetrug irgendwann nach 2000. Jürgs hat sich in einem länglichen Artikel darüber verbreitert http://www.tagesspiegel.de/berlin/brandenburg/der-luftschlossherr-vom-schwielowsee/4276772.html , was der Mann bei der Stasi alles angestellt haben könnte. Etwas Konkretes hat er zwar nicht herausgefunden, weil die Akten wohl vernichtet sind, aber seine Recherchen reichten Jürgs doch für das Urteil, es sei ein kleiner Sieg der Gerechtigkeit, dass der Kerl nun sitzt (Ich frage mich immer noch, was Jürgs wohl für einen großen Sieg hielte). Dass der Stasi-Mann wegen Sachen eingefahren ist, die er lange nach der Wende angestellt hat, war für Jürgs dabei offenbar zu vernachlässigen. Ob seltsame Erwartungen an den Rechtsstaat auch zu den Stilmitteln dieses Möchte-Gern-Praeceptor-Germaniae gehören?

  131. Vielleicht kann „gnaddrig“ (#137) bei der Fortsetzung der Lektüre des Duden im Sandkasten gelegentlich auch einmal die korrekte Schreibweise von „wiedersprechen“ nachschlagen.
    Von Klugscheißer zu Klugscheißer …

  132. Das Thema bei „Hart aber fair“ heute abend lautet:
    „Hier stehe ich, ich kann nicht anders – vom Lohn der Geradlinigkeit!“
    Die Gäste: Bosbach, Käßmann, Maffay, Wallraff und Jürgs.

  133. Danke, Herr Niggemeier! Ich habe schon lange bei Ihnen keinen so treffenden Artikel mehr gelesen, der absolut ins Schwarze trifft und diesen „Journalisten“ regelrecht demontiert. Und das zu Recht.

  134. @ Klokschieter (#176): Das war nur ein Tippfehler, also ein klassischer Fall von Muphry’s Law. Sowas darf natürlich nicht sein, kann aber auch dem ambitioniertesten Klugscheißer mal passieren.

  135. Irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass für diese Kritik ein tieferer Grund vorliegt.

    Sicher kann man all die Kritik an Stil, Argumenten und Recherchemethoden von Herrn Jürgs schreiben.

    Aber in dieser Länge, Detailverliebtheit und Heftigkeit?

  136. Also ich finde: Burda und Bushido, da wächst zusammen, was zusammen gehört. Hat der Markwort nicht auch immer mit „Ficken, Ficken, Ficken“ geworben?

    PS: Hab ich es überlesen, oder fehlt tatsächlich bisher noch der Hinweis: und das alles von unserem GEZ-Zwangsbeitrag.

  137. Danke für diesen tollen Artikel! Er trifft absolut ins Schwarze… Schön, dass man hier genau merkt, welche guten Journalisten den Menschen entgehen, wenn man auf die Printpresse in den meisten Fällen verzichtet.
    Habe den FAS-Artikel von Jürgs nach Lesen der ersten Sätze zwar übersprungen aber ich hatte zu dem Zeitpunkt ja keine Ahnung wer Jürgs ist.

  138. „Schön, dass man hier genau merkt, welche guten Journalisten den Menschen entgehen, wenn man auf die Printpresse in den meisten Fällen verzichtet.“

    Und der Mensch, der so etwas schreibt, bietet unseren Kindern Nachhilfe an. Aua.

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