Neues von deutschen Klickproduzenten

stern.de, das Online-Angebot des „Stern“, das das Ziel, so erfolgreich zu werden wie der „Spiegel“, mit dem Ehrgeiz getauscht hat, so trashig zu werden wie „RP-Online“, hat aus der britischen Boulevardzeitung „The Sun“ die Geschichte über den Briten abgeschrieben, der meint, Atlantis entdeckt zu haben — bei Google Earth seien die Spuren westlich von den Kanaren als Relief auf dem Meeresboden zu erkennen. (Die Sache hat sich inzwischen aufgeklärt.)

Für ein Angebot mit dem Anspruch von stern.de ist das natürlich nur ein Thema, wenn man eine mindestens sechsteilige Bilderstrecke daraus machen kann. Ist in dem Fall aber leicht:






Nachtrag, 17:05 Uhr. Ralf Klassen, der Vizechef von stern.de, antwortet in den Kommentaren.

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Dann schalten wir doch gleich weiter zum schon erwähnten Online-Auftritt der „Rheinischen Post“. Seit sich die Sängerin Rihanna und ihr Freund vor knapp zwei Wochen gestritten und er sie geschlagen haben soll, steht das „R“ in RP-Online für „Rihanna“. Gesicherte Fakten sind zwar dürr, aber zum Glück meldet sich jeden Tag irgendein anonymer Bekannter von einem der Beteiligten zu Wort und anscheinend klicken die Menschen das Thema wie blöd, so dass RP-Online tut, was RP-Online halt tut (und schon bei Salma Hayek letztens so gut funktioniert hat):








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Beim Kölner „Express“ hat man unterdessen etwas anderes Feines entwickelt, um die Page-Impressions künstlich in die Höhe zu treiben: Das Klickstrecken-Interview bzw. die Interview-Klickstrecke. Sieht dann zum Beispiel im Ansatz so aus:

Geht aber auch mit Uli Hoeneß:

Die Leute von express.de haben das übrigens so geschickt konstruiert, dass man am Ende der Interviews vorne wieder rauskommt, so dass man sich leicht versehentlich zweimal durchklickt, bevor einem eine gewisse Redundanz auffällt.

[mit Dank an Kaspar Klippgen, Jan Miebach und Paul Neuhaus]

45 Replies to “Neues von deutschen Klickproduzenten”

  1. Ich glaube es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Klickstrecken die Informationen zufällig und nicht mehr in einer bestimmten Reihenfolge ausgeben (würde mit dem Interview sicher sehr gut klappen). Das sollte die Klick-Quote locker verdoppeln…

  2. Bei Stern.de steht (jetzt) aber: „Es muss von Menschen gemacht sein“, war ihm laut der britischen Zeitung „The Sun“ sofort klar.“
    Das ist doch das übliche Abschreiben, was alle machen. Und es steht sogar dabei von wo. Sogar mit Link.

    Oder steht die Quelle erst seit 14.10 Uhr drin?

  3. @Marc: Nö. Das steht da von Anfang an. Mir geht’s ja auch nicht um das Abschreiben (und ich finde das gedankenlose Abschreiben von „Sun“-Quatsch wird dadurch nicht (viel) besser, dass man die Quelle angibt), sondern um das Ranzoomen.

  4. @Stefan: Ja, das verstehe ich schon. Mein Kommentar ging auch eher in Richtung der Express-Klickstrecke. Du hast ja geschrieben, es kann schnell passieren das man einige Beiträge mehrfach anklickt bis man merkt, dass man sie schon gelesen hatte. Das könnte man doch gleich zum System machen! Noch mehr Klicks für mehr Profit…

  5. Ich finde Stern und RP-Online, Express und all die anderen machen Ihre Sache richtig gut. Solche PI-Steigerungen wie in den letzten Jahren hat die Branche noch nie erlebt. Und das alles in den Zeiten der Wirtschaftskrise. Es gibt doch eben noch Zahlen die wachsen.

    Ich seh nur nie die Werbung, die auf all den Seiten erscheint. Aber das dürfte nicht so schlimm sein.

    Es lebe die Klickstrecke. Helau!

  6. Lieber Stefan Niggemeier,

    ich korrigiere außer Haus nur ungern – muss das aber in diesem Fall leider tun, weil zwei Fakten etwas, nunja, verdreht wurden.

    1. Wir haben in unserer Urspungsmeldung nicht die „Sun“ abgeschrieben, sondern die – durchaus renommierte – Wissenschaftseite des „Daily Telegraph“ als Quelle gehabt. Vergleiche hier: http://tinyurl.com/cuoakc
    Die Kollegen hat übrigens auch die Idee, mittels Fotostrecke an die fragliche Gegend heranzuzoomen, um die Verortung der ganzen Sache leichter zu machen. Mit PI-Schinderei hat das nix zu tun…
    2. Wir haben die ganze Sache von Anfang an als die Spekulation berichtet, die sie war. Und haben dann als Google die Erklärung mit den Sonarlinien veröffentlicht, sofort ein Update nachgeschoben und schließlich ganz aufgeklärt: http://www.stern.de/wissenschaft/natur/:Google-Earth-Atlantis-Mythos/655498.html

    In der Hoffnung, damit nahezu wissenschaftlich exakt geholfen zu hofen und der (ehrlichen) Vorfreude auf den nächsten kritischen Blick,

    Ralf Klassen

    Stellv. Chefredakteur stern.de

  7. Lieber Herr Klassen,

    ich finde es bemerkenswert (gut), dass Sie hier einen erklärenden Kommentar abgeben. Um zukünftig keine Missverständnisse in puncto Klickstrecken in Google Earth/Maps aufkommen zu lassen, nutzen Sie doch einfach die Funktion, die dafür in Google eingebaut ist: ein kml-file. Und verzichten Sie auf 78-teilige-Sprüche-Klickstrecken von Schmidt/Pocher.

    Danke.

    Manuel

  8. @Ralf Klassen:

    1. Die auf stern.de angegebene Quelle für die Geschichte ist die „Sun“. Und die im „Telegraph“ angegebene Quelle für die Geschichte ist auch die „Sun“.

    2. Die Überschrift der Bilderstrecke lautet: „Heranzoomen ans mythische Inselreich“.

    Vor allem aber: Wäre der Gedanke völlig abwegig, anstatt die Zeit in den Bau einer (ich bleibe dabei: PI-schindenden) Bilderstrecke zu investieren und eine (ich bleibe auch dabei: von der „Sun“ übernommenen) Gaga-Spekulation weiter zu verbreiten, vor der Veröffentlichung kurz selbst zu recherchieren, was es wirklich sein könnte?

    Sind stern.de-Journalisten komplett davon abhängig, dass die Boulevard-Kollegen von „Sun“ und „Daily Mail“ irgendetwas rauskriegen? Wie arm.

  9. Toll, ich seh‘ blau! :)

    Abgesehen davon finde ich solche Klickstrecken doch eher sehr dümmlich, dienen sie ja letzten Endes nur (!) zur Erhöhung der Klickzahlen, damit mehr Profit gemacht werden kann. Sehr viel Erhellendes steht meistens ja nicht drin. Und außerdem habe ich das Gefühl, dass meistens dann den Leuten nicht mehr einfällt, als z. B. die Sprüche von Schmidt und Pocher aus dem Fernsehen abzuschreiben.

  10. Um mal kurz vom Inhaltlichen abzuweichen. Wenn ich das hier lese…

    Sind stern.de-Journalisten komplett davon abhängig, dass die Boulevard-Kollegen von „Sun” und „Daily Mail” irgendetwas rauskriegen? Wie arm.

    …dann fühle ich mich doch mal wieder bestätigt in meiner Meinung: Du bist ein arrogantes Arschloch!

    Da antwortet hier ein gestandener Journalist in deinem Drecksblog, und du reagierst auf diese überhebliche Art und Weise. Widerlich!

  11. Davon abgesehen, dass der Stern ein tantiges Langweilerheft geworden ist und den armen stern.de-Leuten nicht besseres einfällt als jede Geschichte mit Titten, Brüsten und Hintern zu bebildern, würde ich schon deshalb nicht da arbeiten wollen, weil ich keine Lust hätte, mir nach 25 Jahren noch abgestandene Tagebuchwitze anzuhören.

  12. @Plogger: Naja, früher hat man als Journalismus möglicherweise eben bezeichnet, sowas – als einen Boulevard-Artikel – zum Anlass zu nehmen, zum Hörer zu greifen und jemanden zu fragen, der sich mit sowas auskennt. Beispielsweise selber bei Google nachfragen. Oder einen Wissenschaftler, der sich mit Meeresböden beschäftigt.

    Ab selbst ohne so einen (naheliegenden) Schritt: Das mit dem Größenverhältnis hätte einem ebenfalls auffallen können, wenn man sich ein wenig mit der SACHE beschäftigt hätte, statt nur ganz eilig einen Artikel zu produzieren.

    Und dann wäre man womöglich selber derjenige gewesen, der’s aufgeklärt hätte….

  13. @18 Wenn man dazu immer wieder Anlass gibt, hats man nicht besser verdient.
    Meine Favoriten sind ja die Horrorsportunfallbilderstrecken.

  14. > Da antwortet hier ein gestandener Journalist in deinem Drecksblog, und du reagierst auf diese überhebliche Art und Weise. Widerlich!

    Und ist _das_ nicht arrognat und überheblich?

    Also ich klatsch hier für Stefan Niggemeier. Wo ist das Popcorn?

    Ich les Stefan’s Blog gern. Den Stern nicht. Da können die noch so gestandenen Mist verzapfen.

  15. @21. Mag sein. Aber sind einfach ungefähr so lustig und originell wie Kohl- oder Klein-Erna-Witze. Sorry.

    Horrorsportunfallbilderstrecken guck ich nie. Habe leider ein wunderbar funktionierendes Schmerzgedächtnis und bereits einige Verletzungen gehabt.

    Ich mag Fotogalerien, die das gezeigt Thema etwas vertiefen. Stern Online macht das manchmal bei Auslandsthemen – so viel zur Ehrenrettung der Kollegen.

  16. Nanü, nana, nanünana?

    Wer hat`s entdeckt, wer genau? Die Schweizer, von Ricola. Oder doch die Sun? Egal. Durchaus schön zu lesen, dass sich einer der Sternsinger hier herablässt um sich einzuschalten, passiert nicht alle Tage, passiert nicht überall. Noch schöner aber, dass Herr Stefan N. sich das Recht der Normalität herausnimmt und den Sternsinger so behandelt, wie er es verdient: Normal.

    Das dies dann wiederum als Zeichen von Arroganz gewertet und das Blog auf einmal ein „Drecksblog“ ist zeigt mir einmal mehr, warum ich bis heute den Stern nicht wirklich lese – es sei denn, ein Stefan N. berichtet darüber. Aber dann lese ich ja eigentlich nicht den Stern sondern die Wahrheit.

    Darian, dem der Sternschnuppe ist seit 1975.

    (Quelle: http://www.Darian-van.Dark.de)

  17. muss sagen, dass ich auch über Niggemeiers Antwort gestolpert bin. Und auch wenn es sein Blog ist, finde ich den Ton, insbesondere beim Fazit unangemessen. Das braucht nicht sein, finde ich.

  18. Zu dem „gestandenen Journalisten“, der sich „herablässt“:

    Es ist ja eben schön, dass sich der Herr von „stern.de“ *nicht* in dem Sinne herablässt. Er schreibt hier einfach ganz normal mit in den Kommentaren, was hier viele auch freut. Die Augenhöhe ist doch gewahrt, wo ist das Problem?

    Dann falle ich über Ploggers Formulierung „gestandener Journalist“. Ich meine: Klar, der Mann ist Profi. Na und? Wie viele andere hier auch. Warum sollte Stefan plötzlich lieb sein, nur weil er es mit einem „gestandenen Journalisten“ zu tun hat? Diesen Blick finde ich suspekt. Ganz unabhängig von der Frage, ob Stefans Reaktion angemessen ist oder nicht.

    Ach ja, was den Vorwurf der Arroganz betrifft: Ich bin überzeugt, zur Arroganz gehören zwei. :-)

  19. Was plogger zeigt ist typisch deutsches Schafskopf-Verhalten. Warum ist einer, der mal etwas überspitzt und ein bisschen arrogant formuliert, gleich ein A***? Es läuft immer gleich: weißes Schaf sucht sich schwarzes Schaf, anstatt die Herausforderung anzunehmen. Mäh, bäh, raus aus der Herde!

    Außerdem hat Herr Klassen
    a) zu verschleiern versucht, dass die Quelle zweifelhaft war,
    b) es als völlig normal hingestellt, dass eine reine Gag-Story unter den Labels „Wissenschaft“ und „stern.de“ an den hoffnungsvollen Leser kommt, und dann einfach mal nachgebesert wird, wenn die Pointe platzt,
    c) die Klickstrecke mit der „Idee“ begründet, das Heranzoomen leichter zu machen und die Anschaulichkeit zu verbessern, wobei es doch am Anschaulichsten wäre, einfach die betreffende Stelle aus Google Earth direkt einzubinden, wo dann jeder selber lustig herum zoomen könnte (was aber wiederum nur ein Klick wäre),
    d) allen Ernstes auch noch nicht einmal selbstironisch eingesteht, dass es sich bei diesem Content bloß um billiges Entertainment und Werbung handelt, sondern wieder von Wissenschaft spricht.

  20. Mal was Rationales zu Klickstrecken: damit kann man keinen Profit machen, nicht mal Reichweite, maximal schwer vermarktbare PIs. Scheint aber bei Usern recht populär zu sein.

  21. nur zur Klarstellung: ich bin einfach für eine harte Auseinandersetzung aber einen respektvollen Ton. Ob das nun arrogant, unhöflich, überspitzt oder wie auch immer bei wem auch immer rüber kommt, ist für mich erstmal zweitrangig. Ich finde dieses „Wie arm“ in der Form unpassend. Das wird für mich schon anders, wenn man es in die berühmte „ich-Botschaft“ verpackt. Und gerade weil Stefan Niggemeier immer sehr genau argumentiert bzw. sich in seiner Argumentation meist auf einer bestimmten Ebene bewegt (während die Kommentare der Leser dann diese Ebene meist verlassen und dadurch häufig sehr ungenau werden), halte ich solche Äußerungen unangemessen.

  22. Aber was ist es, wenn nicht „arm“, im wörtlichen und im übertragenen Sinne, wenn die Leute von stern.de nicht selbst recherchieren — und das von einem leitenden Mitarbeiter auch noch als völlig korrekt dargestellt wird?

  23. das ist v.a. und erstmal unprofessionell. Wie gesagt, ich möcht mich hier auch nicht in Wortklaubereien verzetteln. Ich denk einfach, dass das man sich immer um einen angemessenen Ton bemühen sollte. Der sollte so sein, dass der potentielle Gesprächspartner bzw. Adressat auch weiter Interesse daran haben kann, hier mitzureden. Bei so einem Ton vergeht mir aber eher die Lust auf die sachliche Auseinandersetzung. Und er hat sich ja dann auch nicht mehr gemeldet.
    Vielleicht so: hart in der Sache, dialogbereit im Ton

  24. Nach dem ersten Lesen emfand ich den Kommentar von Stefan auch etwas unsachlich. Nach nochmaligem Lesen muss ich aber sagen, dass ich ihn nicht unangemessen finde. Auf jeden Fall ist der Tonfall kein Grund sich aufzuregen.

    Übrigens ein schönes Zitat von Herrn Klassen:
    „Die Kollegen hat übrigens auch die Idee, mittels Fotostrecke an die fragliche Gegend heranzuzoomen, um die Verortung der ganzen Sache leichter zu machen. Mit PI-Schinderei hat das nix zu tun…“
    Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

    Zumal die Kollegen die Klickstrecke direkt in die Seite eingebettet haben, so dass man sofort und ohne ein neues Fenster oder eine neue Seite zu laden darauf zugreifen kann. In der Tat, bei denen hat das nichts mit PI-Schinderei zu tun, sondern bildet in meinen Augen einen Mehrwert.

    @34: Ja, da kann ich nur zustimmen. Hatte man nicht bei Bloggern behauptet, sie würden ja nur ungeprüft abschreiben und würden damit keine journalistische Arbeit machen?..

  25. Nur weil jemand seine Meinung äußert, hat er noch lange nicht recht. Deshalb finde ich an Stefans Antwort auf Klassen nichts falsch. Bleibt der Aufruf: Herr Klassen, verteidigen Sie Ihre Position, wir sind gespannt!

  26. Stefans Wortwahl wird kritisiert? Weil er eine, wie ich finde, von Selbstzufriedenheit, Ignoranz und Frechheit triefende Aussage auf Normalmaß stutzt? ‚Wie arm‘ – treffender geht’s doch gar nicht, wenn man diese Praktiken bei stern.de nicht verharmlosen will, wie der Stellvertreter es tut. Der glaubt, es wäre Kritik, wenn jemand in dem Quark, für den er verantwortlich ist, ausrutscht…

  27. Für Google Earth Fans: Hier, bei 15°57’14.67″S; 5°39’55.17″W, ist der partielle Untergang der ehemaligen Verbannungsinsel St. Helena zu beobachten. Völlig verloren in der Mitte des Atlantischen Ozeans.

    Keine Klickstrecke! ;-)

  28. @40: Und die Megaklickstrecke paßt nicht mal zum Artikel. Da geht es doch um Unterschiede Mann/Frau im Verdienst – Die „Tabelle“ zeigt aber Einstiegsgehalt und Gehalt nach 5 Jahren – Völlig sinnfrei. Was haben die sich dabei gedacht?

    – Oliver

  29. Bei all dem Diskurs über die Tonart, in der hier kommentiert wird, scheint der eigentliche Sinn und Zweck dieses Blog-Eintrags verloren gegangen zu sein. Ist es nicht viel wichtiger, darüber zu diskutieren, wie sehr der Journalismus unter dem Internet leidet? Die genannten Beispiele sind dafür doch die beste Grundlage!
    Natürlich darf man das Internet als solches nicht als das große Monster ansehen, das die traditionelle Berichterstattung auffrisst. Natürlich muss man das eigene Handwerk den Gegebenheiten eines neuen bzw. jungen Mediums anpassen. Doch muss das wirklich in solchem Maße passieren, dass journalistische Sorgfalt der Generation von Klicks untergeordnet wird? Stefan Niggemeier hat doch vollkommen Recht, wenn er anhand dieser Beispiele darauf hinweist, dass sich mit den Internetangeboten der Verlage etwas entwickelt, das nicht nur jeden gestanden Journalisten verängstigen sollte.
    Ich gehöre selbst zu der Zunft der jungen Journalisten, die mit Content Management Systemen und der Maxime „online first“ aufwachsen. Und ich muss sagen, dass es grausam ist, wenn die Zeit, in der ein Artikel veröffentlicht wird, wichtiger als der Inhalt ist. Manchmal geschehen Online-Veröffentlichungen frei nach dem Motto: „Wir können es ja später noch ergänzen“ – was dann selten passiert. Auch wird man angehalten, möglichst von jedem größeren Termin gleich eine ganze Bildergalerie mitzubringen und zusätzlich am besten noch ein Video. Hauptsache es generiert Klicks.
    Was das eigentliche Problem dabei darstellt, ist nicht unbedingt die schwindende Sorgfaltspflicht der Journalisten, sondern die Angst der Verlage, noch weiter in die roten Zahlen zu rutschen. Insbesondere kleinere Häuser, aber wie gesehen auch die ganz großen, kämpfen seit Jahren und versuchen mittels des Internets zumindest ein wenig in die Zukunft des eigenen Unternehmens zu investieren. Wer weiß schließlich, ob und wann sich die Prophezeiung vom Untergang der Print-Medien erfüllt? Dass dabei solch unschöne Gebilde entstehen, wie jene endlosen Klick-Strecken oder mangelhaft recherchierte Artikel, ist nicht einmal den Ausführenden anzukreiden. Es sind die Chefs, die geradezu hysterisch alle Möglichkeiten der digitalen Welt ausschöpfen wollen und dabei vergessen, vielleicht zuerst darüber nachzudenken, was die Leser/User überhaupt wollen. Würde ein Online-Auftritt einer Tageszeitung genauso sorgfältig und akribisch vorbereitet wie die Zeitung selbst, gäbe es keine PI-Jagd und sicherlich auch mehr Qualität. Manche haben das bereits (schon lange) erkannt. Bleibt zu hoffen, dass der Rest eines Tages nachzieht und sich nicht zwischen gezoomten Google-Maps und der 342. Meldung über das Schicksal eines Promis verheddert.

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