Niggi non grata

Diese Woche war ich mal wieder in Münster. Ich komme ja aus Osnabrück, das liegt gleich um die Ecke, und früher waren wir da öfter zum Einkaufen oder zu Besuch im sogenannten All-Wetter-Zoo.

Diesmal war ich in Münster, um zuzusehen, wie „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann in der Burschenschaft auftritt, in der er Mitglied ist: der „Franconia“, einer Verbindung, die unter anderem von der SPD als rechtsextrem eingestuft wird. Das Verbindungshaus der Franconia heißt „Frankenhaus“ und ist ein Klinkergebäude, das von außen wie ein größeres Zweifamilienhaus aussieht. Es liegt an der Himmelreichallee, was ich erst ziemlich lustig fand, aber vermutlich nur mit dem benachbarten Zentralfriedhof zu tun hat. Zig Fahrräder vor dem Haus deuteten auf reges Interesse, von gegenüber schallte aus den Probenräumen der Musikschule ein sympathisches musikalisches Durcheinander.

Der Abend war sehr warm, und es schien vor allem zwei Gruppen von Besuchern zu geben: Zum einen graumelierte Herren, unter deren offenen Jacketts und Mänteln man die schräg über die Brust laufenden bunten Bänder sah, die sie als Mitglieder der Verbindung auswiesen. Die Franconia ist eine farbentragende und schlagende Verbindung — aber um irgendwelche Narben zu sehen, war es zu dunkel. Zum anderen junge Leute, die ich für mich erleichtert als „ganz normal“ einsortierte. Alberner Gedanke, schon klar. Ich wusste auch nicht, wie genau ich mir eingefleischte, aktive Burschenschafter vorstellen sollte. Jedenfalls schienen einige Leute, wie ich, zum ersten Mal hier zu sein. Es war eine öffentliche Veranstaltung, für die in Münster auch geworben wurde. Deshalb war ich einfach hin zur Franconia, nachdem ich auf zwei Anfragen per „E-Post“ (so heißt das bei denen), ob ich mich anmelden müsse oder einfach kommen könne, keine Antwort bekommen hatte.

Mit einer Gruppe kichernder junger Frauen ging ich ins Haus. Ein bärtiger junger Mann mit Mütze und Band, der nun doch dem Klischee in meinem Kopf von einem Burschenschafter recht nahe kam, hielt uns und den anderen von innen die Tür auf. Und während alle anderen vor und hinter mir unbehelligt weitergingen, winkte er mich zu sich rüber und fragte nach meinem Namen. Meine Antwort schien er schon erwartet zu haben, und dann er teilte er mir bedauernd mit, dass ich nicht willkommen sei. Herr Diekmann habe ausdrücklich gesagt, dass er meine Anwesenheit nicht wünsche, und Herr Diekmann sei nun einmal der Gast, und ich hätte sicher Verständnis dafür, dass man solchen Wünschen der „Bild“-Redaktion entspreche.

Das verstand ich, und das sagte ich auch dem Türsteher. Ich verstand nur nicht, warum man mir das nicht mitgeteilt hatte. Zum Beispiel als Antwort auf meine zwei E-Posts E-Posten E-Pöste E-Mails. Doch, sagte der Mann, natürlich habe man mir geantwortet. Und als ich wiederholte, dass ich wirklich nichts bekommen hätte, sagte er betrübt, dann müsse wohl technisch etwas schiefgelaufen sein.

Ja, so Pannen passieren. Wenigstens hatte es technisch geklappt, dafür zu sorgen, dass der Bursche vom Dienst mich am Eingang erkennen würde.

So war das, bei der Franconia. Erstaunlich, um was sich „Bild“-Chefredakteure so neben ihrer sonstigen Arbeit alles noch kümmern können. Ich habe dann noch ein bisschen den Musikschülern beim Proben zugehört. Habe gestaunt, dass da ein Polizeiauto mehrmals ganz langsam am Verbindungshaus vorbeifuhr, und mich gefragt, ob die wegen Diekmann da waren oder wegen mir, verwarf den zweiten Gedanken dann aber doch als ein bisschen größenwahnsinnig.

[Wichtiger Nachtrag hier.]

40 Replies to “Niggi non grata”

  1. Lustig, lustig.

    Hast du eigentlich irgendwann schonmal mit Diekmann persönlich gesprochen?
    Wenn es selbst inzwischen soweit geht, dass der Bild-Chefredakteur sich vor dir verstecken muss, dann steht deinem Weg zum A-Promi nix mehr im Weg. ;)

    Gruß

  2. Das muss ne lange Liste von Namen sein, die der Diekmann rumzeigt, von „nicht willkomenen“ Gästen bei angebliche öffentlichen Veranstaltungen.

    Diekmann bevorzugt offenkundig das Halbdunkel. Somit lässt er die friedlich-kritische Öffentlichkeit ausperren. Hat Diekmann etwas zu verbergen?

    Über diese Frage hinaus: Diekmann lässt mit seinem Verhalten erkennen, dass er wohl eher nicht demokratisch gesinnt ist.

    …und solche Besorgnis erregend seltsam agierenden Leute wie Diekmann tragen Verantwortung für eine auflagenstarke Zeitung?

  3. Stelle ich mir äußerst unbefriedigend vor – ich kenne den Weg von Münster nach Berlin und umgekehrt. Wenigstens noch einen Abstecher nach Osnabrück gemacht?

  4. jo mei. geelhar diekmann, kai. abgebrochener jurastudent. bielefelder schülerzeitungsmacher, busenfreund von helmut kohl, mann von bild-kolumnistin katja kessler. brechmittel par excellence.

  5. wenn ich in den internen bereich gehe und mal aus spaß als username goebbels eingebe und ein „passwort“ dann bleibt der username stehen. es gibt dort einen goebbels….nur sein passwort fehlt uns noch! hammer, das ist ja echt der hammer!komme auch aus ms und werde die sache im auge behalten! ;)

  6. […] Und so schrieb ich nicht über den Ärger, den ängstliche alte Männer haben müssen, weil Leute, deren Beruf das Töten anderer Menschen mit einschließt – man könnte gar sagen, es ist deren Hauptzweck – kein Problem damit haben, menschliche Überreste anzufassen, vor denen es einen normal sozialisierten “Zivilisten” gruseln täte und sich dabei auch noch fotografieren. Und über eine bigotte Zeitung, die selbst kein Problem in der Zurschaustellung weit schlimmerer Dinge hat, sich suhlend in Blut, Dreck und Tränen anderer, dabei die Tür nach Rechts sperrangelweit offen hält, aber hier einen so auf moralisierend macht, wie es manch katholischer Preister auf der Kanzel tut, um nach der Messe seine kleinen Ministranten zu missbrauchen. […]

  7. BILDblog…

    Sehr, sehr schätze ich Blogs mit echter Botschaft – nicht zuletzt, da sie rar gesät sind. Ohne Frage ist BILDblog ein solches. Versuchen die Macher um Stefan Niggemeier doch durch anhaltende Fingerzeige auf journalistische Schlampereien und verdächt…

  8. […] Ob das BildBlog wirklich ein Blog ist, diese Frage wird hier nicht erörtert. Aber dass sich die traditionellen Medien von den Blogs beeinflussen lassen, dass wissen wir schon länger, nur welche Ausmaße das annimmt, das kann man in dem Blogeintrag von Stefan Niggemeier, Gründer und Mitblogger des BildBlogs nachlesen; seinen Angaben zufolge wurde ihm der Eintritt zu einer Veranstaltung verweigert, auf der Bild-Chefredakteur Kai Diekmann als Sprecher eingeladen war. […]

  9. […] BILD-Chefredakteur Kai Diekmann besuchte eine Burschenschaft in Münster. BILDblogger Stefan Niggemeier kam nicht rein, Radio Q-Reporter Nicolas Schweers schon und wurde zum BILDblog Korrespondenten befördert. Die Interview-Töne mit Diekmann zum Besuch gibt es jetzt im “Was mit Medien”-Podcast Nummer 63. Außerdem im Gespräch: Chef des Ex-Print-Medienmagazins V.i.S.d.P. Hajo Schumacher. Als MP3 runterladen – RSS-Feed zum Abonnieren – mit iTunes hören […]

  10. Seltsame Jungens.

    Ich kam mit Spiegelreflex und Systemblitz rein, obwohl ich nicht einmal von der Zeitung war (ich wurde nicht einmal nach meinem Namen gefrag).

    Ich konnte sogar ein Bild für die Wikipedia schießen, obwohl er mir sagte, dass da nur Mist über ihn stünde.

    Ich glaube, da hat sich jemand dein Bild eingeprägt ;-)

  11. es ist einfach nicht zu fassen, um es mal so auszudrücken, was sich einige menschen erlauben können. ihr menschsein gereicht nicht einem land, seiner presse, sondern seiner ethik und moral zur schande, dass es duldet, jene werte in den dreck ziehen zu lassen mit dem alles schlagenden argument, man tue dies der journalistischen ehre wegen. kai diekmann wird in die geschichte eingehen, als das synonym eines neunen, schmutzigen und widerwärtig stinkenden journalismus und einer gesellschaft, die gewissen und widerstandslos aus dessen schweinetrog säuft!

  12. Frau Wirtin hatte auch einen Burschenschafter
    Der hatte ein Geschwür am After
    Das bepinselte er täglich mit Schwarz-Rot-Brauner Jodtinktur
    Und winselte ganz kläglich

  13. Ob es Zufall demnach ist, dass sich die In-and-out-Fraktion so alle zwei Wochen Gelhaare als out betiteln. Auch heute wieder: „Fett-Mütze tragen, sprich: Haare mit zu viel Wachs oder Gel gestylt. Wirkt meistens wie in der Fritteuse gebadet.“

    Hat Schmiermichel den Laden noch im Griff?

  14. …und weil die heutige Rubrik so schön Bild-chloroform ist, gleich noch das zweite Out: „Sich nicht entschuldigen können/wollen! Ehrlich sorry sagen heißt Stärke zeigen“

  15. …das erinnert mich doch irgendwie an die Methoden von Scientology bei deren Veranstaltungen. Schwarze Listen mit unerwünschten Gästen. Nur das die, so wie man hört, da ne eigene Abteilung für beschäftigen. Ja aber wer weiss was bei Bild so alles passiert…

  16. Mir wird vor allem schlecht, wenn ich höre/lese, wie „katholisch“ sich doch gerne der Herr Diekmann hinstellt.
    Wer sich wirklich ernsthaft als Katholik versteht, geht als Student, wenn er einer Verbindung beitritt, nicht zu den „Schlitzern“ (Burschenschaften), sondern wird Mitglied in einer katholischen Studentenverbindung (im CV, KV oder UV). Nicht ohne Grund lehnen die Katholischen Studentenverbindungen bzw. deren Dachverbände seit ihren Gründungen die Mensur als nicht mit dem katholischen Glaubensleben vereinbar ab! Und allzuoft leidet man als katholischer Verbindungsstudent darunter, mit diesen burschenschaftlichen Kreisen, wegen den dort häufig anzutreffenden rechtsradikalen/verfassungsfeindlichen Tendezen, in einen Topf geworfen zu werden.
    Die Burschenschaftsmitgliedschaft von Herrn Diekmann ist für mich ein eindeutiger Beweis, wie ernsthaft katholisch er wirklich ist, nämlich dann, wenn es ihm dient, er sich z.B. auf einem Foto mit dem Papst und seiner „Volksbibel“ profilieren kann. Dabei ist Herr Diekmann strenggenommen aus kirchlicher Sicht sogar ein Ehebrecher (geschieden & wiederverheiratet) – Erbärmlich, diese Heuchelei!

  17. Hat Bild noch vor einiger Zeit behauptet, sie würde Bildblog bzw. Niggemeier nicht wirklich wahrnehmen, so ist die Warnehmung doch mittlerweile leicht angestiegen. Verfolgt man die Einträge hier, ist sie noch etwas höher als für die der Taz.

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