Search Results for: zwanziger

Wenn der Abmahner zweimal klingelt

Claudia Pechstein vermutet, dass Jens Weinreich gedopt war, als er über sie schrieb, dass vieles dafür spricht, dass sie gedopt hat, aber das hier wird kein Text über Leute, die Dinge sportlich nehmen. Im Gegenteil.

Jens Weinreich (die Älteren werden sich noch an seine Auseinandersetzung mit DFB-Präsident Theo Zwanziger erinnern) ist einer von den Kollegen, nach denen auf irgendwelchen Podien über Qualität im Journalismus dauernd gerufen wird. Er ist einer der wenigen investigativen Sportjournalisten, kritisch und unabhängig, er recherchiert statt abzuschreiben, er verbeißt sich in Themen, auch wenn sie gerade keine Konjunktur haben. In seinem Blog zapft er das Wissen seiner Leser an und veröffentlicht Original-Dokumente, damit sich jeder selbst ein Bild machen kann. Und wenn er etwas nicht weiß, schreibt er das ebenso auf, wie wenn er etwas falsch gemacht hat.

Er ist, mit anderen Worten, eine unfassbare journalistische Nervensäge, und es gibt sicher eine erhebliche Zahl von Leuten, die nur darauf warten, dass sie ihm an den Karren fahren können.

Am vergangenen Donnerstag berichtete er über die Blutdoping-Fernsehshow der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und machte einen Fehler. Er schrieb zum Beispiel in der Online-Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“:

Inhaltliche Schwer- und Reizpunkte setzten die beiden von der Verteidigung beauftragten und bezahlten Gutachter: Holger Kiesewetter aus Berlin und Rolf Kruse vom Referenz-Institut für Bio-Analytik in Bonn.

Weinreich selbst hatte in der Pressekonferenz nach der Bezahlung gefragt, aber die Antwort teilweise falsch verstanden. Kiesewetter bekam Geld für sein Gutachten, Kruse nicht.

Nun hätte es vermutlich ausgereicht, Weinreich eine kurze Mail mit der Bitte um Korrektur zu schreiben, und alles spricht dafür, dass er dieser Bitte auch dann sofort nachgekommen wäre. Aber Weinreich erhielt keine Bitte um Korrektur, sondern noch am selben Abend per Fax eine Abmahnung von Simon Bergmann, dem Anwalt von Claudia Pechstein. Er wurde aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben.

So eine richtige Abmahnung hat gegenüber einer bloßen Aufforderung zur Richtigstellung einen schönen Nebeneffekt: Sie kostet den Abgemahnten Geld, sogar dann, wenn er der Forderung sofort nachkommt. Im konkreten Fall sind es Abmahngebühren in Höhe von 775,64 Euro inklusive Mehrwertsteuer für die Arbeitszeit des Anwalts.

Das kann man natürlich machen. Womöglich ist es im besten Interesse von Claudia Pechstein, wenn ihr Anwalt gleich mit großer Wucht gegen falsche Darstellungen ihrer Verteidigungsstrategie vorgeht, vielleicht war das auch ein Anliegen von Frau Pechstein selbst, die „Weinrich“ für den „naivsten Sportjournalisten“ hält, von dem sie „bislang je etwas lesen durfte“. Und natürlich muss ein Journalist für seine Fehler geradestehen — auch wenn er in diesem Fall einen unverhältnismäßig hohen Preis für ein offenkundiges Missverständnis zahlt.

So weit, so alltäglich.

Am nächsten Tag bekam Jens Weinreich eine weitere Abmahnung. Er sollte sich noch einmal verpflichten, den bereits einmal abgemahnten Satz nicht mehr zu wiederholen. Diesmal trat Simon Bergmann allerdings nicht als Anwalt, sondern als Klient auf. Absender des Schreibens war sein Sozius Christian Schertz.

Das ist ein lustiger Trick. Man behauptet, dass die falsche Aussage über Rolf Kruse und die „Verteidigung“ von Pechstein nicht nur die Rechte von Pechstein verletze, sondern auch die ihres Anwalts. Und verdoppelt so die Zahl der Abmahnungen. Und die Höhe der geforderten Abmahngebühren: auf schlappe 1551,28 Euro.

Hier ist Simon Bergmann nicht mehr für Claudia Pechstein im Einsatz. Hier handeln er und Christian Schertz quasi auf eigene Rechnung. Und womöglich hatten sie davon noch eine offen. Denn Weinreich und Schertz kennen sich persönlich — von der Auseinandersetzung zwischen dem Journalisten und Theo Zwanziger. Schertz vertrat dabei den DFB und seinen Präsidenten und musste eine Reihe peinlicher juristischer Niederlagen hinnehmen.

Die Frage, ob Schertz im Recht ist und Bergmann einen Anspruch gegenüber Jens Weinreich jenseits der (längst erfolgten) Korrektur des Fehlers hat, überlasse ich gerne Juristen. Aber was die Motivation des Vorgehens angeht, spekuliere ich gerne: Es könnte ein persönlicher Akt der Revanche sein. Oder der Versuch, einen kritischen, lästigen Journalisten einzuschüchtern. Es geht nicht um Gerechtigkeit (und um die Wahrheit schon gar nicht); es geht um Schadensmaximierung. Wer es wagt, kritisch über Pechstein und ihre Fernsehshow zu berichten, wer sich traut, kritisch über Simon Bergmann und seine PR- und Verteidigungsstrategie zu berichten, wer hartnäckig nervt, soll gewarnt sein: Schon ein blöder Fehler kann richtig teuer werden.

Christian Schertz hat uns bei BILDblog und mich bei den juristischen Auseinandersetzungen um dieses Blog sehr unterstützt. Aber ich habe mich (auch weil es schon früher Anlass für Zweifel gab) entschieden, mich in Zukunft nicht mehr von der Kanzlei Schertz-Bergmann vertreten zu lassen.

DFB zwingt Jens Weinreich in die Knie

Jens Weinreich und der Deutsche Fußball-Bund haben ihren Rechtsstreit beigelegt.

Der Sportjournalist Weinreich erklärt, dass er DFB-Präsident Theo Zwanziger nicht in die Nähe eines Volksverhetzers rücken wollte, als er ihn einen „unglaublichen Demagogen“ nannte. Der DFB erklärt, dass er Weinreich nicht in seiner Arbeit behindern wollte, als er Lügen über ihn verbreitete (das mit den Lügen erklärt der DFB natürlich nicht).

Der DFB wird sein bislang erfolgloses Unterlassungsverfahren gegen Weinreich nicht weiter verfolgen. Und Weinreich wird nicht darauf beharren, dass der DFB die Gegendarstellung veröffentlichen muss, die er gerichtlich bereits durchgesetzt hatte.

Ich verstehe sehr gut, dass Jens sich auf diesen Vergleich eingelassen hat. Aber er bedeutet aus meiner Sicht, dass der DFB, der sowohl juristisch als auch publizistisch in dieser Auseinandersetzung bislang der klare Verlierer war, nun als Sieger vom Platz geht. Dass der Verband nicht einmal dazu gebracht werden konnte, eine Gegendarstellung gegen seine verleumderische Pressemitteilung über Weinreich abzudrucken, spricht Bände.

Die Zermürbungstaktik des DFB und seines Anwaltes (dessen Kanzlei in anderen Fällen auch mich vertritt) ist voll aufgegangen. In den vier Verfahren, die das ehemalige Call-TV-Unternehmen Callactive und ihr Geschäftsführer Stephan Mayerbacher gegen mich angestrengt haben (der mir neuerdings unaufgefordert Mails mit möglicherweise brisanten Dokumenten über angebliche Mauscheleien zwischen 9Live und der Bayerischen Landesmedienanstalt schickt), habe ich erlebt, wieviel Kraft, Zeit und Geld eine solche Auseinandersetzung kostet. Während ein Mann wie Theo Zwanziger einen ganzen Stab von Juristen und PR-Leuten kommandieren kann, um mit allen Mitteln seine Ehre und seinen Stolz zu verteidigen, ist für einen Freien Journalisten wie Jens Weinreich jede Verhandlung nicht nur mit Kosten, sondern auch mit Einnahmeverlusten und einer erheblichen psychischen Belastung verbunden.

Jens Weinreichs Bitte um Spenden hat eine verdiente und, wie ich finde, sensationelle Resonanz gefunden: Rund 860 verschiedene Menschen gaben insgesamt knapp 22.000 Euro. Das ist nicht nur, aber auch ein Beweis dafür, wieviel Solidarität im regelmäßig verfluchten Internet zu finden ist und ich bin ein bisschen stolz darauf, einen kleinen Beitrag dazu geleistet zu haben.

Aber letztlich ist es mit all dem Geld nicht getan. Es geht darum, immer wieder die Kraft aufzubringen, die Zumutungen und Drohungen der Gegenseite auszuhalten. Und es geht darum, für sich die Entscheidung zu treffen, ob man wirklich einen erheblichen Teil des eigenen Lebens mit einer so unproduktiven Auseinandersetzung verschwenden will, die man letztlich nicht gewinnen kann, egal wie sie formal ausgeht: Weil jeder Sieg so teuer mit eigener Energie erkauft ist, während die Gegenseite gelassen den Einsatz immer weiter erhöhen kann.

Wie gesagt: Ich verstehe die Entscheidung von Jens sehr gut, und vermutlich ist es sogar die richtige Entscheidung. Aber machen wir uns nichts vor: Der DFB hat durch den Vergleich klar gewonnen. Jedem Kritiker, der es wagen könnte, von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen und den DFB-Präsidenten in einer Form zu kritisieren, die ihm nicht passt, wird es eine Warnung sein.

Nachtrag. Auch lesenswert: Alexander Svenssons Interpretation des Vergleichs, die sich eigentlich nicht so sehr von meiner unterscheidet, aber einen deutlich positiveren Tenor hat.

DFB findet Wundermittel gegen Internet

DFB-Präsident Theo Zwanziger will nun doch nicht mehr wie ursprünglich versprochen zurücktreten, falls ihm ein Gericht abschließend bestätigt, dass er sich unter bestimmten Bedingungen „unglaublicher Demagoge“ nennen lassen muss. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“:

In der Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am vergangenen Freitag seien die Voraussetzungen geschaffen worden, [sagte Zwanziger,] um sich im Internet künftig „besser gegen ungerechtfertigte Angriffe wehren zu können. Das ist der Schutz, den ich erwarte und der in erster Linie durch aktive und verbesserte Internet-Kommunikation gewährleistet werden muss und kann. Wenn dies geschieht, dann hat das Amt des DFB-Präsidenten weiter die Faszination, die es immer für mich hatte.“

Im Kampf, den Theo Zwanziger gegen den unbequemen freien Journalisten Jens Weinreich führt, hat der DFB unterdessen eine weitere Niederlage erlitten: Das Landgericht Berlin lehnte seinen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ab, die Weinreich gegen eine mit Halb- und Unwahrheiten gespickte Pressemitteilung des DFB erwirkt hatte.

[via Jens Weinreich]

Nachtrag, 31. Januar. Jens Weinreich hat in seinem Blog die schriftliche Urteilsbegründung des Gerichtes veröffentlicht. Über die Pressemitteilung, mit der der DFB Weinreich diffamierte, heißt es darin, der DFB schildere „den Hergang und die Entwicklung der Unstimmigkeiten bewusst einseitig und verfälschend unter Verschweigen essentieller Umstände“. Die Presseerklärung sei „bewusst unvollständig“. Der Leser müsse die Aussagen in einer Weise verstehen, die „nicht der Wahrheit entspricht“.

Das Gericht urteilt also, dass der DFB in der Presseerklärung, für die DFB-Kommunikationsdirektor Harald Stenger verantwortlich zeigt und die von DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach stolz an Hunderte prominente Empfänger verschickt wurde, bewusst gelogen hat. Das ist aber bestimmt bei einem so ehrenwerten Verein wie dem DFB kein Rücktritts- oder Entlassungsgrund.

Thomas Knüwers Ende der Debatte

Vielleicht hat Sönke Iwersen einfach den Fehler gemacht, den Eintrag seines „Handelsblatt“-Kollegen Thomas Knüwer beim Wort zu nehmen. Unter der Überschrift „Weil der Journalist sich ändern muss“ wiederholte Knüwer in seinem „Handelsblatt“-Blog „Indiskretion Ehrensache“: Dass für Journalisten nichts mehr so zu sein scheint, wie es war. Dass Journalisten mit der bisherigen Arbeitsweise nicht weiter kommen. Dass Journalisten sich den neuen Kommunikationsformen nicht mehr verweigern dürfen. Dass Journalisten sich nicht mal ansatzweise ausreichend an die neue Zeit angepasst haben. Dass „viele, viele Kollegen eine geistige 180-Grad-Wende“ vollführen müssen.

Knüwer hat das schon oft gesagt, geschrieben und gebloggt. Und vielleicht war es für Iwersen das eine Mal zuviel. Jedenfalls dachte er wohl: Mache ich einfach mal etwas Anderes, etwas Unerhörtes, und benutze die neuen Kommunikatonsformen dafür, meinem Redaktionskollegen Knüwer öffentlich zu widersprechen.

Es war ein Widerspruch, der weniger mit diesem einen Eintrag zu tun hatte und mehr mit Knüwers ganzer Selbstinszenierung und seinen ewig glänzenden Augen für jeden Gimmick des Web 2.0. Offenbar hatte sich da schon länger etwas aufgestaut. Der Kommentar lautete:

Lieber Thomas,

Bei aller kollegialer Zurückhaltung: mir ist kein Journalist bekannt, bei dem Selbstdarstellung und Realität derart auseinanderklaffen wie bei Dir. Vielleicht könntest Du die permanente Selbstbeweihräucherung mal kurz unterbrechen und erklären, warum Deine fantastische Verdrahtung über Xing, Facebook, Twitter und Co. so wenig journalistischen Mehrwert bringt. Wenn es tatsächlich so wäre, dass diese Kommunikationswege neue Infos erschließen – warum kommen die Scoops im Handelsblatt dann nicht von Dir, sondern immer von anderen Kollegen?

Man kann Dir oft dabei zusehen, wie Du selbst in Konferenzen ständig mit Deinem Telefon herumdaddelst. Vielleicht twitterst Du nur grad, dass Du grad gern einen Keks essen würdest – wer weiß das schon. Jedenfalls führt das Ganze nicht dazu, dass Du das Blatt laufend mit Krachergeschichten füllst. Bieterkampf bei Yahoo? Neues vom Telekomskandal? Untergang von Lycos? Das alles wären doch Themen, zu denen Dir, dem hyper-vernetzten Journalisten, die Insidernachrichten zufliegen könnten. Tun sie aber nicht. Stattdessen stellst Du gern mal eine Nachricht als exklusiv vor, die morgens schon über Agentur lief oder in der New York Times stand.

Ich verstehe einfach nicht, warum Du ständig diejenigen Kollegen runtermachst, von deren Geschichten Du selbst lebst. Eine große Zahl Deiner Blogeinträge basiert doch auf Artikeln Deiner Print-Kollegen, zu denen Du dann einfach Deinen Senf dazugibst. Ohne die von anderen recherchierten Grundlagen hättest Du da nichts zu schreiben.

Du behauptest, die Journalisten müssten sich ändern und meinst damit wohl, sie müssten so werden wie Du. Es ist aber so, dass die meisten Kollegen gar kein Interesse daran haben, Nachrichten einfach nur wiederzukäuen, so wie Du.

Es ist Dir ja unbenommen, in Deinem Blog eine Art Resteverwertung zu betreiben. Aber bitte verkauf das nicht als Zukunft des Journalismus.

Bei aller Begeisterung, die ich selbst für viele neue Formen der Kommunikation und des Journalismus aufbringen kann, und bei aller Verzweiflung, mit der ich beobachte, wie viele Kollegen glauben, dass die beste Antwort auf Probleme und beunruhigende Veränderungen ist, sie nicht zur Kenntnis zu nehmen — ich finde, dass in dieser wütenden Erwiderung genug Wahrheit steckt, über die es sich zu diskutieren lohnt.

Und wer, wenn nicht Thomas Knüwer, plädiert immer wieder für schonungslose Offenheit und Kritik und Selbstkritik? Wer ist so schnell im Austeilen, dass er das auch einfach einstecken könnte?

(Knüwer ist einer von denen, die oft schneller bloggen als denken ((ich leider manchmal auch)), was er in dem Beitrag wieder zeigte, als er der FAZ vorwarf, sie hätte ihre mangelnde Internet-Kompetenz erneut bewiesen, indem sie einen Artikel zum Thema von Harald Staun aus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ nicht online freischaltete. Dabei war er schon am Samstagabend online, woraus man wiederum Schlüsse über Knüwers eigene Internet-Kompetenz ziehen könnte.)

Jedenfalls: Eine Diskussion über den Kommentar von Iwersen fand nicht statt. Knüwer löschte ihn.

Er erklärte mir das auf Anfrage damit, dass Iwersen mit seinem Kommentar „eindeutig gegen interne Regeln im Umgang mit Blogs und Kommentaren“ verstoßen hätte. Es sei zwar erlaubt und sogar erwünscht, dass „Handelsblatt“-Redakteure die Blog-Einträge ihrer Kollegen kommentieren. Auch Widerspruch sei erlaubt — aber nur fachlicher Art. In Iwersens Kommentar sieht Knüwer aber keine solche Kritik, sondern eine „unglaubliche Diffamierung“. Er sei „zutiefst enttäuscht“, dass der Kollege ihn in dieser Form angegriffen habe.

Nachdem sich mehrere andere Blogger der Sache angenommen hatten, begründete Knüwer die Löschung schließlich in seinem Blog damit, dass Iwersen sich mit dem Kommentar möglicherweise „in arbeitsrechtliche Probleme gebracht hätte“ — keine überzeugende Argumentation, denn wenn es solche Probleme gibt, hat Iwersen sie nun auch so.

Knüwer weiter:

Warum Herr Iwersen Animositäten gegen mich hegt, die er in der Redaktion bisher nicht zum Ausdruck brachte, ist mir nicht klar. Dies auszudiskutieren ist aber kein Thema für ein Blog.

Nicht?

Warum Herr Iwersen Animositäten gegen Thomas Knüwer hegt, wird aus seinem Kommentar jedenfalls sehr deutlich. Im Zweifelsfall wird auch er sich diffamiert gefühlt haben — nicht persönlich, aber wieder und wieder getroffen von Knüwers Angriffen auf Journalisten, die nicht so sind wie Knüwer.

Ich finde es eine berechtigte Frage, der sich Leute wie Knüwer (und ich) ernsthaft stellen müssen: Wer denn die Artikel recherchiert, während wir Kommentare moderieren und Twitter-Beiträge lesen und lustige Experimente mit Kamera-Übertragungen machen. Das ist keine Entweder-Oder-Debatte, denn natürlich wird der Journalismus der Zukunft beides brauchen: traditionelle und neue Formen der Recherche und des Publizierens.

Der unwichtigste, aber vielleicht erstaunlichste Aspekt der kleinen Kollegen-Konfrontation 2.0 beim „Handelsblatt“ ist allerdings, dass Thomas Knüwer offenbar unterschätzt hat, wie viel Aufmerksamkeit er der Sache gibt, wenn er einen solchen Kommentar löscht. Dass er keinen Weg fand, ihn einfach stehen zu lassen und darauf zu antworten (oder auch nicht). Dass er da ungefähr soviel Internet-Kompetenz bewies wie Theo Zwanziger.

Nachtrag, 23.10 Uhr. Nach einigem Hin und Her und Hin hat Thomas Knüwer den Kommentar jetzt wieder freigeschaltet. Der Konflikt ist damit aber nicht aus der Welt — der grundsätzliche um das Thema nicht und der konkrete um den Kommentar auch nicht.

Neues vom DFB in Sachen Weinreich

(Alles zur Vorgeschichte der Auseinandersetzung zwischen DFB-Präsident Theo Zwanziger und dem freien Journalisten Jens Weinreich hier im Blog und bei Weinreich selbst; eine gute Zusammenfassung bietet der „Direkte Freistoß“.)

Am Montag dieser Woche habe ich Harald Stenger, dem Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes, eine E-Mail mit Fragen zu der erstaunlichen Presseerklärung seines Verbandes geschickt, in der er Weinreich angriff. Heute hat mir DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch geantwortet. Ich veröffentliche seine Antworten, wie vom DFB gewünscht, ungekürzt. (Alle Links von mir.)

Herr Niersbach schreibt von einer grundlosen Diffamierung „in – mehr oder weniger anonymen – Internetblogs“. Können Sie mir ein Blog nennen, das Niersbach damit meint?

Koch: Natürlich soll damit nicht gesagt werden, dass Jens Weinreich anonym bloggen würde. Vielmehr ist damit abstrakt gemeint, dass in Internetblogs zahllose User und vielfach unter Pseudonymen sich an Debatten beteiligen, deren Verfasser nicht mehr direkt, sondern nur noch durch Teilnahme an der Blogdiskussion ansprechbar sind.

Sie schreiben, Weinreich habe „über seinen Anwalt am 11. November 2008 dem DFB eine Erklärung zukommen lassen“. Handelt es sich bei dieser Erklärung um das von Jens Weinreich in seinem Blog veröffentlichte Schreiben vom 14. November 2008?

Koch: Nein, es handelt sich nicht um eine Erklärung vom 14. November, sondern um eine Erklärung vom 12. November. Wir haben dies auch in unserem Schreiben zur gemeinsamen Presseerklärung von VDS und DFB [gemeint ist DJV] richtig gestellt (siehe auch nächste Antwort).

Sie schreiben, Weinreich habe am 6. November in einem Blogeintrag klargestellt, dass er den Begriff „Demagoge“ nicht im Sinne von „Volksverhetzer“ gemeint habe. Warum hat Herr Dr. Schertz dann noch vier Tage später, am 10. November, von Weinreich genau diese Klarstellung gefordert?

Koch: Der DFB war bemüht, die Auseinandersetzung in einer beide Seiten zufriedenstellenden Weise zu beenden. Das sollte aus Sicht des DFB aber nicht durch ergänzende oder klarstellende Blogeinträge, sondern durch ein persönliches Schreiben von Herrn Weinreich erfolgen. In der Sache selbst, die zwischenzeitlich leider fast vollständig in den Hintergrund gestellt wird, geht es nämlich weiterhin darum, dass Dr. Zwanziger mit der Bezeichnung „unglaublicher Demagoge“ persönlich verunglimpft worden ist. Als Dr. Theo Zwanziger von mir kurz vor Einreichen der auf Unterlassung und Widerruf abzielenden Klageschrift davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass Herr Weinreich erstmals am 12. November (also nicht am 11. November, wie irrtümlich in unserer Pressemitteilung angegeben) uns gegenüber schriftlich erklärt hatte, eine andere Deutung des Begriffs „unglaublicher Demagoge“ für sich in Anspruch zu nehmen und somit durch ein Schreiben seines Anwalts zum Ausdruck brachte, dass er Dr. Theo Zwanziger nicht in die Nähe nationalsozialistischer Propaganda rücken will, war aus Sicht des DFB der Kern des Streits erledigt und unser Anwalt wurde beauftragt, alles Weitere auf dieser Ebene abzuwickeln. Zuvor hatte Herr Weinreich diese Erklärung lediglich in seinem Internet-Blog abgegeben, was für uns allerdings nicht ausreichend war..

Sie schreiben, Weinreich habe diese Klarstellung am 6. November „nach dem Verfassen der Klageschrift“ veröffentlicht. Sie stellen Weinreichs Klarstellung als eine Reaktion auf die Androhung einer Klage dar. Wie kann Weinreich schon am 6. November auf eine Drohung vom 10. November reagieren?

Koch: Die juristische Auseinandersetzung zwischen Dr. Zwanziger und Herrn Weinreich lief bekanntlich bereits seit vielen Wochen und war nicht abgeschlossen. Nachdem das Amtsgericht und das Kammergericht Berlin Herrn Dr. Zwanziger einstweiligen Rechtsschutz verweigert hatten, war – wie bei solchen Verfahren üblich – durch Herrn Dr. Zwanziger und den DFB zu entscheiden, ob ein Hauptsacheverfahren durchgeführt werden soll oder nicht. Dies war Herrn Weinreich bestens bekannt und wir haben am Morgen des 6. November entschieden, vor Einreichen der Klage über die Anwälte nochmals Herrn Weinreich eine letzte Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Herr Weinreich hat in seinen Blog am 6. November um 11.53 Uhr, also nach unserer Entscheidung am Morgen, die Klage einzureichen, eine Erklärung gestellt, die wir als Basis für eine außergerichtliche Einigung gesehen haben. Dies wurde dann in einem Schreiben seines Anwalts vom 12. November erstmals uns gegenüber schriftlich zum Ausdruck gebracht.

Sie schreiben, Weinreich habe sich der Rufschädigung schuldig gemacht und zitieren Herrn Dr. Koch mit den Worten, Weinreich habe Herrn Zwanziger indirekt als Volksverhetzer bezeichnet. Ist Ihnen bekannt, dass zwei Berliner Gerichte Weinreichs Äußerung für zulässig erklärt haben und der Deutung von Herrn Dr. Koch widersprochen haben?

Koch: Die beiden Berliner Gerichte haben einstweiligen Rechtsschutz verweigert und keine Entscheidung in der Sache selbst, d.h. in der Hauptsache getroffen. Dies wäre erst im Rahmen einer mündlichen Verhandlung juristisch zu klären gewesen.

Sie zitieren Herrn Dr. Koch mit den Worten, Weinreich habe „nun erstmals in angemessener Form gegenüber Theo Zwanziger versichert, diese Deutung [des Wortes ‚Demagoge‘ als ‚Volksverhetzer‘] sei nicht von ihm beabsichtigt gewesen“. Warum waren die früheren öffentlichen Erklärungen von Weinreich, zum Beispiel am 22. Oktober in seinem Blog nicht ausreichend? Damals schrieb Weinreich über diese Deutung: „Ich weiß nicht, wie man darauf kommt, so etwas zu behaupten. Dass ich dem kolossal widerspreche, wiederhole ich gern noch einmal.“

Koch: Blogeinträge mögen für die Internetcommunity ausreichende Erklärungen sei. Für den DFB stellen sie keine zufriedenstellende Reaktion auf missverständliche, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens attackierende und verunglimpfende Äußerungen dar. Deshalb waren die Blog-Einträge von Herrn Weinreich am 22. Oktober und 6. November für uns nicht ausreichend.

Soweit die Antworten des DFB.

Mir ist bewusst, dass kaum ein Außenstehender mehr dieses Gewirr von Terminen und Erklärungen durchschauen und auch nur annähernd rekonstruieren kann, was Wahrheit und was Lüge ist. Und dass sich die Diskussion längst wegentwickelt hat von diesen Detailfragen, die mir noch am Montag relevant schienen.

Aber als ein Indiz dafür, wie heillos sich der DFB bei seinem Versuch, Weinreich zu diffamieren, in seinen eigenen Halb- und Unwahrheiten verstrickt hat, kann man die Widersprüche festhalten, was Blogs angeht: Wenn jemand in einem Blog etwas äußert, das Herr Zwanziger als ehrenrühig ansieht, handelt es sich also um eine öffentliche Stellungnahme, gegen die man mit aller Härte vorgehen muss. Wenn jemand in einem Blog mögliche Missverständnisse ausräumt, handelt es sich aber um nicht ernst zu nehmendes Zeug, das jenseits einer „Internetcommunity“ niemand zur Kenntnis nimmt?

(Der DFB hat mich zwar darum gebeten, seine Antworten komplett zu veröffentlichen. Ich habe aber davon abgesehen, hier auch die Änderungen eines teils deutlich abweichenden Entwurfes zu dokumentieren, die in dem Word-Dokument mit den Antworten noch sichtbar waren. Ich hoffe, der DFB ist mir nicht böse.)

Nachtrag, 19:15 Uhr. Auf sueddeutsche.de kann man Theo Zwanziger über viele Zeilen bei der Selbstdemontage zusehen.

Das Schweigen des DJV

Wieder ein Tag, an dem ich froh bin, nicht Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (DJV) zu sein, weil es mir die Zeit spart, aus ihm auszutreten.

Der „Kölner Stadtanzeiger“ berichtet über die Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Fußballbund und dem Journalisten Jens Weinreich:

Die Berufsverbände halten sich zurück. Der Präsident des Verbands Deutscher Sportjournalisten, Erich Laaser, lehnt jeden Kommentar ab, und beim Deutschen Journalistenverband nennt man die Pressemitteilung des DFB zwar „unglücklich“, aber es handele sich doch nur um eine Privatfehde.

Die European Federation of Journalists (EFJ) hat sich dagegen in einer Pressemitteilung auf die Seite Weinreichs gestellt und spricht von einem „schockierenden Beispiel für die Einschüchterung eines Journalisten“.

Nachdem Theo Zwanziger Jens Weinreich in der juristischen Auseinandersetzung mit 0:2 unterlag, liegt er im publizistischen Kampf aktuell schätzungsweise 1:37 zurück.

[via Jens Weinreich]

Nachtrag, 16:40 Uhr. Die Lämmer schweigen nicht mehr:

(…) Es gehe nicht an, dass der Sportjournalist Weinreich öffentlich so angeprangert werde, betonten DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken und der Präsident des Verbands Deutscher Sportjournalisten, Erich Laaser. Es sei an der Zeit, die Schärfe aus der Auseinandersetzung zu nehmen. (…)

Die Lügen des DFB (2)

Der „Gießener Anzeiger“ ist eher versehentlich in die eskalierende Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und dem freien Sportjournalisten Jens Weinreich geraten. Die Zeitung war Mitveranstalterin einer Podiumsdiskussion am 6. November in Gießen, an der DFB-Präsident Theo Zwanziger teilnahm. Am 8. November berichtete das Blatt über den Verlauf des Abends und schrieb, Zwanziger habe dem Moderator Herbert Fischer-Solms „demagogische Fragen“ vorgeworfen.

Das hatte eine gewisse Brisanz, denn der Rechtsstreit, den Zwanziger gegen Weinreich zuvor angestrengt hatte, beruhte vor allem auf Zwanzigers Behauptung, das Wort „Demagoge“ sei untrennbar mit dem Nationalsozialismus und dem Begriff der Volksverhetzung verbunden.

Während Fischer-Solms die Formulierung bestätigte und weitere Zeugen benannte, bestritt Zwanziger laut seinem Anwalt die Darstellung des „Gießener Anzeigers“.

In der Presseerklärung, die der DFB am vergangenen Freitag über die Auseinandersetzung mit Weinreich verbreitet hat, erweckt Verbandssprecher Harald Stenger nun den Eindruck, der „Gießener Anzeiger“ habe seine Darstellung zurückgenommen:

Hinzu kommt, dass am 12. November auch der Chefredakteur des Gießener Anzeigers gegenüber Dr. Zwanziger die Berichterstattung des Blattes über die Teilnahme des DFB-Präsidenten an einer Podiumsdiskussion bedauert hat, die seitens Weinreich erneut benutzt wurde, um den DFB-Präsidenten zu diskreditieren.

Ich habe Chefredakteur Wolfgang Maaß daraufhin gefragt, welchen Teil der Berichterstattung er bedaure und ob die Darstellung des Sachverhaltes in seiner Zeitung falsch gewesen sei. Seine Antwort lautet:

in aller Kürze: Ich habe nicht unsere Berichterstattung bedauert, sondern dass durch diese ein unzutreffender Eindruck über den Besuch von Herrn Dr. Zwanziger bei unserer gelungenen Podiumsdiskussion entstehen konnte. Insofern sind wir mit dem DFB im Reinen. Für uns ist damit die Angelegenheit erledigt.

Die konkrete Frage ist vermutlich in der ganzen Geschichte ein eher unwesentliches Detail, aber das ist doch bemerkenswert: Nicht einmal die Position des Chefredakteurs des „Gießener Anzeigers“ scheint der DFB in seiner Pressemitteilung wahrheitsgemäß wiedergegeben zu haben.

„WamS“ macht sich zum Komplizen des DFB

Ralf Köttker, Sportredakteur der „Welt“ mit berühmter Frau, hat sich in den Dienst der Desinformationskampagne des DFB und seines Präsidenten Theo Zwanziger gestellt. In einem Interview (inzwischen nur noch gekürzt online) in der heutigen „Welt am Sonntag“ heißt es:

Sie selbst haben auch ein Zeichen gesetzt und sich juristisch gewehrt, weil Sie in einem Internet-Blog als „unglaublicher Demagoge“ bezeichnet wurden. War das nötig?

Zwanziger: Wer mein Engagement gegen Rechtextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung verfolgt, der wird dafür Verständnis haben. Ich bin nicht empfindlich, wenn ich sachlich kritisiert werde. Aber ich wehre mich auch entschieden, wenn ich mit Unwahrheiten und Unterstellungen in ein falsches Licht gerückt werde. Die massive Kampagne dieses Journalisten, der mich in die Nähe eines Volksverhetzers im strafrechtlichen Sinne gerückt hat, hat mich tief getroffen. Hier wurde meine persönliche Ehre bewusst verletzt, da gibt es bei mir keine Kompromisse.

Hand in Hand führen Köttker und Zwanziger die Öffentlichkeit in die Irre: Welcher Leser würde ahnen, dass Köttkers Aussage „Sie haben sich juristisch gewehrt“ eine Kurzform sein muss für: „Sie haben vergeblich versucht, sich juristisch zu wehren.“ Welcher Leser würde aus Köttkers Frage „War das nötig?“ nicht fälschlicherweise schließen, dass Zwanziger erfolgreich war? Und wer käme nach dem Lesen des Interviews darauf, dass zwei Berliner Gerichte einstweilig zu dem Ergebnis kamen, von einer Herabsetzung Zwanzigers jenseits zulässiger polemischer Kritik könne keine Rede sein und er sei nicht in die Nähe eines Volksverhetzers im strafrechtlichen Sinne gerückt worden?

Ich kenne Herrn Köttker nicht. Ich kann deshalb nicht spekulieren, ob es Ahnungslosigkeit oder Kalkül ist, das ihn zum Komplizen des DFB in seinem Kampf gegen die Wahrheit werden lässt. Ich weiß nicht einmal, was ich schlimmer fände.

Die Lügen des DFB

bei seinem Rufmordversuch an dem lästigen Journalisten Jens Weinreich — Oliver Fritsch hat sie im „Direkten Freistoß“ sehr übersichtlich gesammelt. Am Ende fragt er:

Ist jemand für den größten Sportverband der Welt tragbar, der in einer Mitteilung an die Presse und die Politik wesentliche Punkte des von Gerichten verhandelten Falls verschweigt, Sachen verdreht, propagiert statt argumentiert, manipuliert statt aufklärt, verleumdet und diffamiert? Kann sich der DFB einen Lügner als Generalsekretär leisten?

Und auch Jens Weinreich selbst hat noch einmal akribisch die Auslassungen, Manipulationen, Unwahrheiten und Lügen des DFB aufgelistet. Sein Fazit über die von dem ehrenwerten Verband an zig Journalisten, Prominente, Bundestagsabgeordnete und andere Multiplikatoren versandten Meldungen lautet:

Der Inhalt dieser Mitteilungen lässt mir als Betroffenem mäßige Interpretationsmöglichkeiten: Es geht einzig und allein darum, die Wahrheit zu beugen, mich zu diffamieren, meine Integrität, Kompetenz und Professionalität als Journalist in Frage zu stellen und meine wirtschaftliche Existenz als freier Journalist zu gefährden. Ich habe durch diese Auseinandersetzung schon jetzt finanzielle Nachteile erlitten. Und ich frage mich, um mal ein Beispiel zu nennen, wie potenzielle Kunden (Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunkstationen) wohl reagieren, wenn ich ihnen im März 2009, wenn Theo Zwanziger in Kopenhagen in das Exekutivkomitee der Uefa gewählt werden will, Beiträge anbiete. Ich glaube die Antwort zu kennen.

Kai Pahl hat sich in „Alles außer Sport“ ebenfalls ausführliche Gedanken über den Fall und seine Bedeutung gemacht. Er urteilt:

Die Drei von der DFB-Stelle und ihr Cheffe besorgen sich die Selbstdemontage derzeit selber. Profitum sieht anders aus.

(Vermutlich notwendiger, aber wirkungsloser Hinweis an Wolfgang Niersbach: Keines der verlinkten bösen „Internetblogs“ ist anonym. Die genannten Personen stehen mit ihren Namen für ihre Aussagen und können, wenn es dem DFB beliebt, also auch persönlich verklagt oder öffentlich diffamiert werden.)

DFB: Diffamieren statt Klagen

Der Deutsche Fußball-Bund hat seine Strategie geändert. Sein Präsident Theo Zwanziger verzichtet nun darauf, den freien Sportjournalisten Jens Weinreich zu verklagen. Stattdessen hat sich der DFB entschieden, den Kollegen vor einem illustren Publikum zu diffamieren.


Die Homepage des DFB zeigt lachende ältere Herren und formuliert treffend zweideutig: „Zwanziger-Diffamierung missbilligt“. Screenshot: dfb.de

DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach hat heute Abend eine E-Mail verschickt, in der er erklärt, sein Verband könne es nicht hinnehmen, dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens „grundlos diffamiert werden“ — „auch nicht in – mehr oder weniger anonymen – Internetblogs“. Da sich der Fall, auf den sich Niersbach bezieht, vor allem im Blog „Direkter Freistoß“ von Oliver Fritsch und „Jens Weinreich“ von Jens Weinreich abspielte (unter unmaßgeblicher Beteiligung dieses Blogs, dessen Betreiber Sie oben in Weiß auf Grün sowie in der Adresszeile lesen können), meint Niersbach mit „mehr oder weniger anonym“ offenbar „nicht anonym“. Das nur als erstes Indiz für den Respekt vor der Wahrheit, den der Deutsche Fußball-Bund hier demonstriert.

Das Dokument, das der DFB in dieser Sache verbreitet und das Kürzel des DFB-Direktors Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit, Harald Stenger, trägt, strotzt vor weiteren Unwahrheiten. Zum Beispiel behauptet der DFB, Weinreich habe Zwanziger „ohne Anlass“ einen „unglaublichen Demagogen“ genannt. Man kann darüber streiten, ob Weinreich ihn so nennen durfte. Man kann nicht darüber streiten, ob er es „ohne Anlass“ getan hat. Der Anlass ist ein konkreter Auftritt Zwanzigers und ein konkrete inhaltliche Auseinandersetzung. Den „Sachbezug“ hat auch das Landgericht Berlin festgehalten, als es Zwanzigers Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen Weinreich ablehnte. Dass die Pressemitteilung des DFB nicht einmal erwähnt, dass zwei Gerichte der Argumentation Zwanzigers, seines Anwaltes und nun des DFB bereits widersprochen haben, zeigt, wie unredlich der DFB agiert.

Der DFB schreibt als Erklärung für die neue Strategie:

Unmittelbar vor der Erhebung einer auf Unterlassung und Widerruf abzielenden Klage Dr. Zwanzigers gegen Weinreich hat der Berliner Journalist jedoch nunmehr über seinen Anwalt am 11. November 2008 dem DFB eine Erklärung zukommen lassen, die Dr. Zwanziger als ausreichende Entschuldigung und Eingeständnis eines Fehlverhaltens von Weinreich akzeptiert.

Jens Weinreich bestreitet, dass er oder sein Anwalt dem DFB oder seinem Anwalt am 11. November 2008 überhaupt irgendeine Erklärung haben zukommen lassen. Weinreich hat in seinem Blog ein Schreiben von heute (14. November) veröffentlicht, in dem sein Anwalt erklärt, nichts Neues zu erklären zu haben. Sollten sich die Behauptungen des DFB auf diesen Brief beziehen, ist er von erstaunlicher Perfidie, es als ein Dokument zu bezeichnen, aus dem man eine „Entschuldigung“ und das „Eingeständnis eines Fehlverhaltens von Weinreich“ lesen kann.

Als Zeugen für die Ungeheuerlichkeit Weinreichs und Unantastbarkeit Zwanzigers (der nicht nur gegen Jens Weinreich, sondern auch gegen Nazis und Homophobie im Sport ist) führt der DFB neben seinem Generalsekretär noch den Ligaverbands-Präsidenten Dr. Reinhard Rauball sowie den für Rechtsfragen zuständige DFB-Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch auf. Koch wird mit den Worten zitiert:

[…] als Demagoge wird ein Volksverhetzer bezeichnet, der sich einer strafbaren Handlung schuldig macht. Eine Volksverhetzung begeht, wer zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde dadurch angreift, dass er andere beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Koch suggeriert, es gäbe nur diese eine Definition für den „Demagogen“. Nicht nur ein Blick in den Duden, mit dem Theo Zwanziger argumentiert hat, zeigt, dass er damit unrecht hat. Und falls der DFB gerade keinen Duden zur Hand hat — die hier nicht ganz unmaßgebliche Meinung des Berliner Landgerichtes in der Sache müsste er doch vorliegen haben. Sie lautet:

Dass Diktatoren demagogisch agieren mögen, führt jedenfalls nicht dazu, dass derjenige, den man einen Demagogen nennt, mit einem Diktator gleichzusetzen wäre.

So steht es in dem Beschluss des Gerichtes in Sachen Zwanziger ./. Weinreich.

Der DFB hat die Pressemitteilung, in der er Jens Weinreich diffamiert, nicht nur auf seiner Homepage veröffentlicht, sondern direkt per E-Mail verschickt. Unter den Empfängern sind neben dem Integrationsbeauftragten des DFB, diversen Fußball-Verbänden, dem Schriftsteller Albert Ostermaier, dem Leiter der Ulmer Staatsanwaltschaft, Dr. Wolfgang Zieher und dem Büro von Grünen-Chefin Claudia Roth über ein Dutzend Bundestagsabgeordnete.

Vielleicht lässt es sich ja noch einrichten, morgen in den Bundesliga-Stadien eine Schweigeminute für die verlorene Ehre des Theo Zwanziger abzuhalten.

Jens Weinreich hat auch die neuesten Entwicklungen ausführlich dokumentiert.

(Noch einmal der dringende Hinweis, von Beschimpfungen und möglichen Beleidigungen der handelnden Personen in den Kommentaren sowie mehr oder weniger anonymen „Internetblogs“ abzusehen. Auch wenn der DFB offenbart meint, die „Grenzen der Meinungsfreiheit“ würden von ihm bestimmt und nicht von Gerichten, würde ich mich nicht darauf verlassen, dass er von rechtlichen Schritten gegen Kritiker absieht.)