Sondierjournalismus: Lesen in der Kartoffelsuppe

Täusche ich mich oder lässt sich die innenpolitische Nachricht des gestrigen Tages verlustlos auf einen einzigen Satz zusammendampfen, der lautet: „CDU/CSU und SPD haben sich zu ersten Sondierungsgesprächen getroffen?“ Und alles, aber auch wirklich alles andere, das um diese Nachricht herum erzählt wurde, ist Pillepalle?

Aus den Online-Medien von „Süddeutscher Zeitung“ und „Welt“ erfahre ich:

  • Die SPD-Leute sind um 12:47 Uhr vom Jakob-Kaiser-Haus aufgebrochen, tragen jeder eine rote Kladde in der Hand, sagen aber nichts.
  • Die CDU/CSU-Leute sind ein paar Minuten später aufgebrochen, nehmen denselben Weg, aber ein anderes Tor und sagen auch nichts.
  • Angela Merkel winkt einmal.
  • Volker Kauder ruft den vielen Kameraleuten, Fotografen und Reportern zu: „Hallo! Guten Tag!“
  • Merkel und Gabriel sollen vorher mehrmals telefoniert haben.
  • Es gab „heiße“ („Spiegel Online“) Kartoffelsuppe mit Würstchen und Pflaumenkuchen.
  • Horst Seehofer und Olaf Scholz haben miteinander gescherzt.
  • Alle lachten, nur Hannelore Kraft „soll sauertöpfisch geguckt haben“.
  • Laut Andrea Nahles hat es „Konsensuales“ gegeben, aber „strittige Punkte“ seien „identifiziert“ worden.
  • Angela Merkel ist auf Unions-Seite „wie die klare Verhandlungsführerin aufgetreten“.
  • Volker Bouffier und Stanislaw Tillich haben häufiger was gesagt; Horst Seehofer nicht so häufig.
  • Beim Thema Finanzen hat Finanzminister Schäuble was gesagt.
  • Die SPD-Leute haben insgesamt viel gesagt.

Im „heute journal“ kündigt Moderator Christian Sievers den Beitrag zum Thema ohne erkennbare Ironie mit den Worten an:

Die spannende Frage für Deutschland: Was ist am Ende herausgekommen? Die Antwort: Zunächst mal nur ein Datum; man will sich wiedertreffen. Für alles andere muss man, wie Winnie Heescher jetzt, schon ganz genau hinschauen.

Das Ergebnis des ganz genauen Hinschauens, für Deutschland:


Bei CDU/CSU wurden im Fraktionsgebäude die Fahrstühle angehalten, bis die SPD-Leute weg sind. Die ZDF-Reporterin weiß: „Noch gilt, Abstand halten.“


Volker Kauder lässt Gerda Hasselfeld noch bei sich im Fahrstuhl mitfahren. Die ZDF-Reporterin weiß, man will sich: „als Kuscheltruppe verkaufen.“


Die SPD-Leute müssen ein paar Sekunden vor der Tür der Parlamentarischen Gesellschaft warten. „Man steht ein bisschen pikiert vor der Tür.“


Die CDU/CSU-Leute kommen fünf Minuten später.


„Bilder von der Sondierung gibt es keine. Die Speisekarte dringt heraus.“


Hinterher erscheint Andrea Nahles als erste wieder.


Die Generalsekretäre von CDU und CSU kommen erst 45 Minuten später.


Andrea Nahles spricht von einer „konstruktiven Atmosphäre“.


Hermann Gröhe spricht von einer „konstruktiven Atmosphäre“. Die SPD-Reporterin findet: Sie klingen „wie ein altes Ehepaar“.

Stunden zuvor hat das ZDF, mutmaßlich aufgrund der außerordentlichen Brisanz der sich überstürzenden Ereignisse, eine fünfzehnminütige Sondiersondersendung ins Programm genommen. Chefredakteur Peter Frey und die Leiterin des Haupstadtstudios Bettina Schausten fragen den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel: „Was nun?“

Eine erschöpfende Antwort darauf hätte, wie gesagt, gelautet: „Nun treffen wir uns übernächste Woche wieder.“ Spätestens nach 45 Sekunden hätte man die Sendung abbrechen können. Da sagt Gabriel auf die Frage, ob eine große Koalition nach diesem Treffen wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher geworden ist:

Es ist, glaube ich, genauso offen wie vorher.

(Unbezahlbar: das hilflos-bedeutungsschwangere „Offen“, das Schausten daraufhin echot.)

Zum Glück haben Schausten und Frey aber noch ein paar substanzielle Nachfragen auf ihren Karteikarten vor sich stehen, nämlich unter anderem:

  • Fühlten Sie sich irgendwie umworben?
  • Standen die 15 Prozentpunkte irgendwie im Raum, die zwischen Ihnen liegen, zwischen beiden Wahlergebnissen?
  • Da stehen ja auch die Beziehungen von früher im Raum, die da um den Tisch saßen, die kannten sie ja alle. Wie ist das eigentlich, was das Verhältnis zwischen Ihnen und Frau Merkel angeht?
  • Muss man wieder Vertrauen zueinander fassen?
  • Vertreten Sie eigentlich auch die These, dass die Wahlniederlage 2009 der SPD in der Verantwortung der Kanzlerin lag?

Diverse Versuche der Moderatoren, Gabriel dazu zu bringen, Steuererhöhungen zu einer nicht verhandelbaren Voraussetzung für das Eintreten in eine Große Koalition zu erklären, haben den erwartbaren Misserfolg.

Schön war allerdings, wie der SPD-Vorsitzende in dem albernen Satzergänzungsspiel, das aus irgendeiner internen Pflicht in jeder „Was nun“-Sendung gespielt werden muss, den Halbsatz vervollständigte: „Das wichtige Finanzministerium ist für die SPD…“ – „… ein wichtiges Finanzministerium.“

Es wäre ein guter Moment der Selbsterkenntnis für die ZDF-Verantwortlichen gewesen — zu merken, was für einen Unsinn man hier veranstaltet. Stattdessen widmet Bettina Schausten die Sendung „Was nun?“ vollends um in „Wenn dies, was dann?“ und fragt nach dem Mitgliedervotum, das über einen eventuellen Koalitionsvertrag entscheiden soll:

Wenn Sie dann überstimmt würden als Parteivorsitzender, würden Sie dann auch die Konsequenz ziehen und wären Sie dann gescheitert?

Sie fragt den Mann, der gerade fünfzehn Minuten lang nicht sagen wollte, ob man überhaupt der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen näher gekommen ist, ob er zurücktreten wird, wenn diese Koalitionsverhandlungen geführt werden, wenn sie zu einem Abschluss kommen, wenn dann die Mitglieder gegen einen Vereinbarung stimmen, deren Inhalt heute schon deshalb nicht bekannt sein kann, weil die Verhandlungen darüber noch gar nicht offiziell begonnen haben? Könnte nicht das bitte nächste Mal Horst Lichter da sitzen, sich erkundigen, ob es sich bei dem Pflaumenkuchen um einen Hefe- oder einen Quark-Öl-Teig handelte, und kritisch nachfragen, wer wieviele Stücke nahm, obwohl er vorher schon von der Kartoffelsuppe?

Ist das, was da gestern in den Medien stattfand (und eigentlich seit Wochen so ähnlich geht), politischer Journalismus? Oder könnte man’s auch einfach ohne Verlust lassen?

Nächste Woche treffen sich Union und Grüne. Was es wohl gibt?

55 Replies to “Sondierjournalismus: Lesen in der Kartoffelsuppe”

  1. Immerhin handelt es sich um ein internationales Phänomen. Ich saß vor drei Wochen für vier Stunden am Flughafen in Newark fest und sah – die Morde auf der Navy-Basis in Washington betreffend – im Fernsehen vier Stunden lang ungefähr 25 Experten darüber diskutieren, dass offen sei, wann was passiert ist und man nichts sagen könne. Live.

  2. Nein, ist das ist kein politischer Journalismus. Es ist noch nicht einmal ein Simulieren davon. Es ist ein Meutenjournalismus, dem es nur darum geht, soziale Interaktionen, die nicht bekannt sind, anhand von Indizien zu deuten und diese hieraus errichteten Deutungs-Kartenhäuser als Fundamente zu verkaufen. Diese Form der Berichterstattung ist eine noch größere Beleidigung des Wählers als die zugegeben inhalts- wie sinnlosen Worthülsen der politischen Parteien im Wahlkampf. Diese Pseudo-Journalisten tragen nämlich dazu bei, dass sich Politiker immer weiter in Worthülsen ausdrücken. Ich würde im übrigen Frau Schausten einfach mal fragen, ob sie inzwischen 150 Euro für die Übernachtung von Freunden in ihrer Wohnung nimmt. Und ob sie diese Einnahmen eigentlich versteuert.

    Eine zentrale Frage in der Zeit bis zur Begegnung von Schwarz und Grün dürfte im lustigen Spekulieren darum bestehen, ob Seehofer Trittin die Hand gibt oder nicht. Hierüber lässt sich wunderbar mutmaßen. Es entlastet so schön, sich als Journalist den Sachthemen zu widmen.

  3. Warum ist das „unsinnig“? Auf einer anderen Ebene als der politischer Ergebnisse ist ja auch das, was Massenmedien hier vermitteln, Information. Über politische Verhältnisse, Kommunikationsstile, Befindlichkeiten. Ich würde auch generell sagen, dass die Rolle von Massenmedien nicht das Urteilen ist oder das Vertiefen – sondern die Primärfunktion ist überhaupt die Vermittlung von Information unter Abwesenden in einer immer fragmentierter werdenden Gesellschaft, die sonst in ihren jeweiligen Bubbles die Gesellschaft auseinanderfallen lassen.

  4. Es ist unsinnig, weil es komplexe politische Themen auf Schlagworte reduzieren will und damit das produziert, was man dann später als „Worthülsen“ oder „Sprechblasen“ geisseln kann. Es ist irgendwann keine Information mehr, sondern nur die Vortäuschung von Information. Wenn die „Rolle der Massenmedien“ sich auf einen solchen Bullshit beschränkt, kann man sie abschaffen. Oder gleich die „Bunte“ hinschicken.

  5. Das fiese ist aber das ich als Zuschauer gestern um 19 Uhr die heute Nachrichten bewusst eingeschaltet habe, um etwas über die Sondierungsgespräche zu erfahren und natürlich war mir bewußt dass da nichts wirklich wichtiges gezeigt wird. Immerhin hat man mal nicht irgendwelche ankommenden Limousinen abfilmen müssen.
    Was wäre denn die Alternative gewesen? En Thema, dass das Land beschäftigt mit einem Satz abhandeln und sonst ignorieren?
    Dann könnte man doch gleich die starren Nachrichtensendungen in Frage stellen.
    NAtürlich würde es auch reichen nur alle drei Tage Nachrichten zu konsumieren und sonst täglich den Hintergrund im Deutschlandfunk zu hören, aber dafür bin ich halt zu sehr News Junkie…

  6. Ich verstehe die Aufregung nicht. Medientheoretisch ist es doch ganz klar: Nichts geschieht, aber die Medien müssen dennoch etwas berichten. Der TV-Sender kann halt nicht einfach mal das Programm abschalten, einfach mal nicht senden, nur weil nichts passiert; und die Zeitung kann morgen auch nicht einfach nicht erscheinen, nur weil heute nichts passiert ist.

    Das ist alles. Das ist auch, für jedermann, der medientheoretische Grundkenntnisse absehbar, d.h. erwartbar und insofern auch keine Information mehr. Entsprechend fällt Ihr Beitrag hierzu, Herr Niggemeier, in die gleiche Kategorie wie das von Ihnen Kritisierte: Sie berichten über das Nichtberichtenswerte. Sie berichten nämlich über die längst nicht mehr berichtenswerte Tatsache, dass die Medien auch dann berichten, wenn es nichts zu berichten gibt.

  7. @Keuschnig: Sie unterliegen eben einem großen und grundsätzlichen Irrtum, wenn Sie meinen, die Massenmedien könnten eine andere Funktion haben. Welche denn? „Instrumente der Aufklärung“? Um das modern zu kommentieren: LoL!

    Wenn „Information“ (d. h. für den Rezipienten: das Neue, Unerwartete, Noch-nicht-Gewusste) in den Massenmedien mehr sein sollte, als nur der Ausnahmefall, dann stünde es schrecklich um unsere Welt. Seien Sie froh, dass in unserer Welt das meiste nichts Neues ist. Neuigkeiten sind üblicherweise Katastrophen, fast schon per definitionem.

  8. Ach was – gerufen hat zum Disco-Funk Lady Marmalade. Nur heißt es jetzt: Voulez-vous coucher avec moi – oder vielleicht doch nur Wullewupp Kartoffelsupp?! Das angeheizte Publikum hätte gern mehr „Helgisierung“ der Politik – gehn‘ se nun oder gehn’se nich zum Katzeklo? Die einen hätten gern mehr Freude durch Kraft, die anderen möchten muttiphil sein. Und so tobt sich eben alles in sterilen Annäherungsmetaphern aus, zu denen sich alle – jede/r für sich, Mutti für uns alle – irgendwo/irgendwie wiederfinden können. Sondierungsmikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Sondierungsberichttornado: Wer jetzt nicht die Backen aufbläst, glaubt, ihm ginge hinterher die Luft aus. Pustekuchen …

  9. Natürlich könnte man darüber berichten, welche Positionen die Parteien haben (mal abgesehen von den großen Sachen wie Steuererhöhungen etc., die immer wieder besprochen werden) und wo man eine Einigung erzielen könnte. Es gibt dazu durchaus genug Material, O-Töne etc., die man nutzen konnte. Auch über die Entwicklungen bei den Grünen und der FDP könnte man weiter berichten, die Linke oder über die kleineren Parteien, die sich auch gerade neu sortieren (AfD, Piraten, …). Oder was jetzt noch in der Zwischenzeit im Bundestag passiert, wenn man erst Anfang Januar eine neue Regierung bekommt. Es ist ja nicht so, dass es nicht auch international genug Dinge gibt, die Deutschland ebenso betreffen, von Syrien über die stillstehende Regierung in den USA oder die Problematik rund um Lampedusa.

    Wenn bei den Sondierungsgesprächen noch nichts rausgekommen ist bzw. nichts nach außen sickert, dann kann man das kurz sagen, aber muss dazu nicht noch extra eine Sondersendung bringen, wenn der Programm auch anders gefüllt werden kann…

  10. Ich habe das Gefühl, hier wird mal wieder um des Kritisierens willen kritisiert. Die ganz Angelegenheit gestern war nicht besonders ergiebig, natürlich nicht, aber die Menschen hat es interessiert. Jedes Medium, das fern oder hinter der Berichterstattung anderer zurück geblieben wäre, hätte von den Rezipienten (zurecht) ordentlich was auf den Deckel bekommen. Spannend ist, wer sondiert. Wie die Politiker auftreten. Mit welchen kleinen Kniffen große Symbole erzeugt werden sollen (siehe Fahrstuhl). Jeder, der sich für deutsche Politik interessiert, hat sich gestern die Berichterstattung zu diesem „Ereignis“ reingezogen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben die Medien gestern einen guten Job gemacht.

  11. @14: Und dass es „die Menschen“ so sehr interessiert hat, das wissen sie von wem? Kann ja sein dass man als Medienpraktikant das als ganz großes Kino entziffern mag, aber ich bin da ganz anderer Meinung, was dort abgeliefert wurde ist das was McLuhan schlicht und einfach vor ewigen zeiten bezeichnet hat: The Medium is the Massage. Nichts weiter.

  12. Wenigstens ist ein schöner Blogbeitrag dabei rumgekommen — als ich den Titel in meinem Blogreader sah, musste ich schallend lachen. Und das im Bus, auf dem Weg nach Hause ;)

  13. Soweit ich mich erinnere, gab es diese „Was nun,…?“-Sendungen normalerweise nur, wenn etwas politisch sehr bedeutsames passiert ist. Wenn das ZDF die Hürde für diese Sendung jetzt so weit senkt, heißt das wohl, dass wir diese spektakulären Kamerarundfahrten mindestens einmal die Woche sehen dürfen…

    In einer der nächsten Ausgabe erklärt uns das ZDF dann hoffentlich auch, was es mit diesem seltsamen goldenen Glitter-Glamour-Design auf sich hat, den die Sendung seit ein paar Jahren hat.

  14. Ach, die setzen nur um, was man seit langem ahnt: Der Wähler möchte bloß ja nicht mit Politik behelligt werden. Dass Helmut Schmidt sich persönlich ausgezeichnet mit Franz Josef Strauß verstand, war früher mal ’ne Randnotiz, heute geht es im Grunde nur ums Wer-kann-mit-wem-auch-und-insbesondere-auf-menschlicher-Ebene. Wen interessieren schon Inhalte? Wir wollen doch eh nur alle, dass sich nichts ändert. Die Welt um uns verändert sich? NSA, NSU, Klimaveränderung, Krieg überall, Flüchtlingsdrama…? Wir brauchen neue Konzepte, Strategien, Haltung? Oh, bitte nicht so laut! Es könnte sonst noch jemand hören. Arghhh.

  15. Dass ständig versucht wird, aus Nichts was zu machen, was dann auch noch möglichst viele Menschen anschauen, dürfte in erster Linie ein Problem des deutschen Fernsehens und nicht des Journalismus sein, oder? Vermutlich waren die Quoten ganz ordentlich. Gibt es denn heute noch wichtigeres?

  16. @14:
    „Jeder, der sich für deutsche Politik interessiert…“
    Ah, Sie sprechen von mir?

    „…hat sich gestern die Berichterstattung zu diesem »Ereignis« reingezogen. “
    Nee, doch nicht.

  17. Gut, dass sich aufgrund der neuen Haushaltsabgabe die Einnahmen der ÖR stabilisiert haben. Dann darf demnächst auch wieder in voller Mannschaftsstärke zur WM gereist und weiterhin allerfeinster Qualitätsjournalismus durchgeführt werden.

  18. Christoph #14:

    „aber die Menschen hat es interessiert.“

    Standardspruch mit dem man alles begründen kann. Dabei weiß niemand wirklich, was an dem Tag „die“ Menschen interessiert.

    „Jeder, der sich für deutsche Politik interessiert, hat sich gestern die Berichterstattung zu diesem »Ereignis« reingezogen.“

    Wenn man sich unter „Politik“ sonst nichts vorstellen kann als Sondierungsgespräche und wenn man das eigene mediale Geschnatter für politischen Journalismus hält, dann ja.

    Ich empfinde das, was die Medien da zelebrieren, als äußerst unkreativ und als etwas sehr bequem. „Wir schalten mal nach…“ ist längst zum Ersatz von tiefgründigen Recherchen und Analysen geworden.

  19. @johnson #10 / #11

    Die Tatsache, dass man ein Phänomen medientheoretisch erklären kann, sollte niemanden davon abhalten, Bullshit als Bullshit zu bezeichnen.

    Im übrigen hat mich die Sondierungs-Sonder-Berichterstattung dazu inspiriert, heute Kartoffelsuppe zu kochen.

    Das ist doch was.

  20. „Hermann Gröhe spricht von einer »konstruktiven Atmosphäre«. Die SPD-Reporterin findet: Sie klingen »wie ein altes Ehepaar«.“

    Was sagt denn der CDU-Reporter dazu?

  21. @ Oliver:
    „..Im übrigen hat mich die Sondierungs-Sonder-Berichterstattung dazu inspiriert, heute Kartoffelsuppe zu kochen. […] Das ist doch was…“
    Ja. Das ist schrecklich!

    @Stefan:
    „..»CDU/CSU und SPD haben sich zu ersten Sondierungsgesprächen getroffen?« Und alles, aber auch wirklich alles andere, das um diese Nachricht herum erzählt wurde, ist Pillepalle?..“ Nein. Es fehlt der Hinweis: „Die wollen sich wieder treffen.“
    Das beginnt dann wieder so.
    Und dass es SO endet, wünschen sich Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel.
    Sie haben allerdings Frau Kaa vergessen. „Vertraauuuee miiir!.“
    (It`s entertainment, stupid).

  22. Man könnte meinen, irgendeine Prinzengattin ist drauf und dran, einen zukünftigen Thronfolger zu werfen.

  23. In dem Moment, wo ich mein Kreuz bei den Linken gemacht habe, war mir klar, dass Gabriel mit Merkel in die Falle kriecht und Deutschland zugrunde richtet.

    Und es passiert so….. ich schäme mich, ein Deutscher zu sein.

  24. Hier könnten sich allerdings auch einige im Internet mal an die eigene Nase fassen!
    Als der arabische Frühling stattfand wurde über die deutschen Medien gemeckert, sowie auf amerikanische Medien und Al Jazeera verwiesen, die 24/7 berichtet haben. (Zugegebenermaßen hat AJ wenigstens noch Reporter vor Ort gehabt)
    Wer immer schneller etwas wissen will muss sich halt mit der Flut unwichtigem Quatsch zufrieden geben. (vgl. auch Wolf Blitzer, der damals die Festnahme von irgendeinem verdächtigen verkündet hat, ohne das es stimmte).

    tl;dr wer dauernd schnellere Berichterstattung fordert muss mit viel Leerlauf leben können

  25. Ich glaube, „Politik-Journalismus“, insbesondere im Fernsehen, ist über die letzten Jahrzehnte qualitativ immer mehr abgesackt und es ist kein Ende in Sicht. Heute hat man Internet, Twitter usw., so dass quasi nie Stillstand herrscht. Die Folge ist, dass jeder – nicht zuletzt auch Journalisten- Angst haben etwas zu verpassen oder nicht als erster ETWAS mitteilen zu können. Das Problem ist leider dieses ETWAS. Inhaltlich aussagekräftig ist es eher im Ausnahmefall. Hauptsache man kann es als erster senden oder steht lang genug mit Mikro im Bild. Dass man dann am Ende nur einen Pups vom Gabriel als Geräusch übertragen kann, ist völlig egal, solange man es nur gesendet hat.

    Das war auch der Grund, weshalb ich im Prinzip die komplette „Wahlkampfberichterstattung“ die letzten Wochen vor der Wahl ignoriert habe. Jeden Tag ein unnötiger Schwachsinn, wie z.B. Hochrechnungen wieviele Leute noch unentschlossen sind. Nutz- und Informationswert waren nahe Null.

    Etwas überspitzt: Als es noch Testbild gab -ich habe nur sehr wenig davon mitbekommen-, war irgendwann eben einfach Schluss. Da muss man sich dann eben auf das Wichtige beschränken oder wird als Journalist einfach irgendwann abgewürgt. Dann geht es eben erst am nächsten Tag weiter. Und da man nur begrenzte Sendezeit hatte, gab es dann zwischendurch auch mal was anderes. Heute, wo jeder ÖR seine unzähligen Spartenkanäle, Mediatheken und Twitterer hat, muss man die Kapazitäten ja vollkriegen. Und das wäre nur mit sinnvollen Infos kaum zu schaffen (oder zu teuer). Daher gibts dann den intellektuellen Abfall, der mit Journalismus (wenig) nichts zu tun hat.

  26. Der extrem lange Text ist Ironie, oder?

    Vorschlag zur Güte für nächste Woche mit den Grünen

    Überschrift: tl;dr

    Text des Eintrags: Link zu diesem Eintrag

    Schönen Sonntag.

  27. Mindestens genauso seltsam ist es, dass sich Politiker auf Interviews einlassen, obschon sie vorher genau wissen, dass sie inhaltlich nichts sagen werden. Es ist von vornherein ausgemacht, dass das Gespräch sinnlos und inhaltsleer wird – und dennoch langweilen beide Seiten (Interviewer und Interviewte) sich und den Zuschauer. Es ist reiner Aktionismus, besser wäre in der Tat, über den Kuchen zu sprechen.

  28. @27, Oliver: Sie haben nicht verstanden, worum es mir ging. Ich wollte darauf hinaus, dass es völlig nichtinformativ ist, Bullshit als Bullshit zu bezeichnen. Wassollte BS denn auch sonst anderes sei ? Und dass, wer von Medien (oder zumindest in diesem Fall) etwas anderes als BS erwartet, eben nicht besonders viel über die Medien weiß. Wer sich von unseren TVMedien Tag für Tag aufs neue überraschen lässt, ist, vorsichtig gesagt, ein Idiotß

  29. @johnson: Der Punkt ist doch: Es gibt nicht nichts zu sagen. Ein einfacher Satz in der Art „Die Parteien wollten über das Ergebniss der Sondierung nicht sprechen und treffen sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut.“ hätte völlig genügt und man hätte sich um Dinge kümmern können die in der übrigen Welt passieren. Denn das ist die eigentliche Aufgabe einer Redaktion: Das wichtige vom unwichtigen zu trennen.

    Zumal ich über ihren Kommentar sofort schmunzeln musste. Zu jedem Beitrag in diesem _privaten_ Blog tauchen auch Kommentare auf wie unwichtig das Thema doch ist und meist auch ob SN den nix wichtigeres zu berichten hätte. Und nun kommen sie und sagen ist doch völlig normal und legitim.
    Im Rundfunk – mit bezahlten Journalisten und Redakteuren …

  30. @38:
    So spricht ein Freund der Welt, wie sie ist.
    Dass Herr Niggemeier sich damit aber nicht zufrieden gibt und sich immer wieder auch an vermeintlichen Petitessen abarbeitet – für dieses Verdienst ist er zurecht bekannt.

  31. @39: Warum Sie das „privat“ unterstreichen, weiß ich nicht. In jedem irgendwie relevanten Sinn, ist es nämlich falsch, dass dieser Blog „privat“ ist: Er ist öffentlich, publizistisch. Sonst wäre er wohl passwortgeschützt und versteckt. Wenn Sie damit einfach nur darauf hinweisen wollten, dass es SNs Blog ist und der ja wohl schreiben kann, was er will – dann Prosit.

    Zweitens: Ich sage nicht, es sei „legitim. Ich sage, es kann gar nicht anders sein (weshalb die legitim-illegitim-Kategorisierung auch hier überhaupt nicht angebracht ist). Das ist alles. Man kann sich über die ewige Wiederkehr des Gleichen in den Medien aufregen. Damit reproduziert man das aber nur, gleichsam als Echo. Und wer sich dann in den Kommentaren wiederum darüber aufregt, der betreibt das auch nur weiter. Kommentarbereiche in der deutschen Blogszene sind ja auch quasi die Endstufe der medialen Nichtinformativität und Banalität. Mehr „Nichts“ geht nicht.

  32. Hier liegt meiner Ansicht nach, auch bei vielen Kommentaren, ein Missverständnis vor. Das was am Freitag im Jakob-Kaiser-Haus und in der Parlamentarischen Gesellschaft passiert ist, und was am 14. Oktober und in den nächsten Wochen passieren wird, und auch in Zukunft alle 4 Jahre vor einer Regierungsbildung, ist keine „Politik“ im engeren Sinne, keine „News“ – sondern politisches Theater. Deshalb geht die Frage, ob die Berichterstattung darüber politischer Journalismus sei, an der Sache vorbei. Selbstverständlich nicht, wie sollte sie auch.
    Die Anbahnung einer Ehe zwischen zwei möglichen Koalitionspartnern ist in diesem frühen Stadium eine Art Feydeausches Vaudeville, inklusive der Auf- und Abgänge der Akteure, der verschlossenen oder zu spät geöffnetenTüren, der blockierten Aufzüge, der verrutschten Statements und der Kartoffelsuppe als Bühnenrequisit. Oder der Auftritt der CDU-Verhandlungsführer wie in „The Magnificient Seven“ von John Sturges. All das ist in dem inkriminierten, schön sezierten Stück im Heute-Journal doch sehr genau ausgearbeitet worden.
    Und um daran ein Vergnügen zu haben, braucht es doch gewiss nicht eine ironische, mit verschmitztem Augenzwinkern begleitete Anmoderation von Christian Sievers. Das bitte doch genau nicht!
    Die begleitende Presse, inklusive der Tweets und „Was nun?“s übernimmt dabei abwechselnd die Rolle des Publikums, der (Theater-)Kritik und des begleitenden Chores.
    Wenn man daran keinen Spass hat, kann man sich natürlich fragen, ob das „Heute-Journal“ im ZDF sich nicht lieber nach einer kurzen Wortmeldung 20 Minuten mit den Ereignissen von Lampedusa hätte beschäftigen sollen oder das „Was nun?“ mit Sigmar Gabriel hätte auswechseln sollen für ein „ZDF-Spezial“ zu diesem Thema.
    Die erste Frage würde ich persönlich mit Nein, die zweite mit Ja beantworten.

  33. Quizonkel Jauch hat dann heute abend auch nichts anderes in petto, als mit ein paar Politikern über mögliche Koalitionen zu plaudern. Altmaier, Kraft etc. Wo keiner sich auf irgendwas festlegen wird. Von meinen Gebühren! Eine Runde über Shutdown wäre da ergiebiger.

  34. @43: Das ist ja das Problem aller Polit-Talks, wenn die nur Roboterpolitiker einladen, die Moderatoren die Fragekunst nicht beherrschen und der Sender sich nicht traut bohrende Nachfragen der Moderatoren zuzulassen, bleibt es bei der verhärteten Soße.

  35. Um nochmal auf die zentrale Frage zurück zu kommen:
    Laut Ex-Stern-Jürgs, augenblicklich bei Jauch, wird’s wohl auf Gulasch hinauslaufen. Und er macht gerade nicht den Eindruck, als könne man ihm das noch ausreden.

  36. @41: „Wenn Sie damit einfach nur darauf hinweisen wollten, dass es SNs Blog ist und der ja wohl schreiben kann, was er will“
    So ist es.

    „Man kann sich über die ewige Wiederkehr des Gleichen in den Medien aufregen.“
    Hm, naja. Wenn sich keiner widerholen dürfte, düften wir garnix mehr sagen, denken oder tun.

    Aber ich denke auch nicht das es Kernaussage des Blogartikels ist, es geht vielmehr um eine aufgeblasene Nonsens-Sendung, die als Journalie daherkommt, mit den Informationsgehalt von – Kartoffelsuppe.

    P.S. Wenn ich ihnen Worte zugesprochen habe das sie nicht gesagt haben tut mir das leid.

  37. Um mal etwas Unsinn ins Sinnfreie zu bringen:

    Nachdem ich die Teilnehmerliste der „Diskussion“ bei Jauch gesehen hatte, habe ich mir von meinen Rundfunkbeiträgen auf 3sat Timo Wopp angeschaut. Der bringt es auf den Punkt.
    „Wir brauchen Entschleunigung, und zwar schnell.“ (sinngemäß) Seine Balljonglage ist atemberaubend. Sicher in der Mediathek zu finden. Und am Montag tritt Marc-Uwe Kling im 3satfestival 2013 mit der „Känguru-Offenbarung“ an.

  38. Der Journalismus hat doch gut funktioniert.
    Im Artikel und den Kommentaren wird scharfsinnig über Nichtigkeiten diskutiert. Niemand stellt der SPD die Frage, warum sie mit dem Vizekanzler-Posten zufrieden ist, wo sie doch den Kanzler stellen könnte, wenn sie nur die „linke“ Mehrheit im Bundestag sehen könnte.
    Warum ist das „linke“ Votum des Volks nichts wert?
    Möchte die SPD ihr „linkes“ Wahlprogramm gar nicht durchsetzen?

    Die journalistischen Nebelkerzen funktionieren gut.
    Es gibt auch keine Diskussion über Minderheitsregierungsmodelle (CDU, oder sogar rot+grün), die in skandinavischen Ländern wohl gut funktionieren.

    Mir persönlich macht am meisten Angst, dass diese große Koalition so eine erdrückende Mehrheit haben wird und es quasi nur noch ein Oppositiönchen geben wird.

  39. wer fernsehen schaut, ist selber schuld.
    in meinem leben wählt keiner CDU / SPD und niemand schaut fernsehen.

    Gibt es da einen Zusammenhang?

  40. @42 : Diese ganzen Belanglosigkeiten werden großes Theater ausschliesslich durch die Bühne, die dafür bereitet wird.

    Politisch relevant – und damit berichtenswert – sind Vorgänge für politischen (!) Journalismus imo nur, wenn sie Konsequenzen für die Gesellschaft oder den Staat haben. Alles andere ist Entertainment.
    ( In diesem Fall: schlechtes. )

    Schlechtes Entertainment als politischen Journalismus auszugeben, ist entweder inkompetent oder betrügerisch.
    Und DAS ist tatsächlich ein Vorgang, der für Staat und Gesellschaft Konsequenzen hat. Insbesondere, wenn der Anbieter ein öffentlich-rechtlicher ist.

  41. Gut beobachtet, Herr Niggemeier! Leider ist die Verflachung des Politjournalismus nicht auf die Berichterstattung von vertraulichen Sondierungsgesprächen beschränkt, bei der zugegebenermaßen die Kollegen aus den Politik-Ressorts im Nebel stochern müssen (bin selbst Journalist). Die überspitzte Personalisierung, Dramatisierung und Verengung auf Koalitionsoptionen statt Analysen und Hinterfragen der unterschiedlichen Positionen in einzelnen Politikfeldern ist seit Jahren viel zu weit verbreitet. Da ist es kein Wunder, dass sowohl die Politiker als auch die Journalisten wenig Ansehen in der Bevölkerung genießen.

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