Spätes Debatten-Opfer

Das Drama um einen abrupt gelöschten Blog-Eintrag auf „Welt Online“ über Kai Diekmann (die Älteren werden sich erinnen) hatte noch personelle Konsequenzen: Der Verlag Axel Springer hat sich von Philip Steffan getrennt, der als Moderator für „Welt Debatte“ gearbeitet hat.

Grund für die Trennung, die Steffan in seinem Blog „Schattenraum“ als „Rauswurf“ bezeichnet, obwohl sie formal im „gegenseitigen Einvernehmen“ erfolgt sei, ist nach seinen Angaben ein Blog-Eintrag, den er damals geschrieben hatte. Er hatte darin die Entscheidung von „Welt“- und „Welt Online“-Chef Christoph Kesse, den pointierten Text Alan Poseners kommentarlos löschen zu lassen, kritisiert:

Poseners Artikel ist nun mal nicht mehr zu verstecken, also hätte man im Hause die Zähne zusammenbeißen und seinen Stolz herunterschlucken können und vermutlich auch noch Lob eingefahren, einen selbstkritischen Diskurs offen zu führen.

Offiziell gestoßen hätten sich die Springer-Leute aber nicht an der Kritik und Offenheit Steffans, sondern an einem Screenshot vom „Welt“-Online-Redaktionssystem, der eigentlich eine Illustration ohne inhaltliche Brisanz darstellte. Der Screenshot habe jedoch nach Ansicht von Springer einen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz dargestellt und als Grundlage für die Trennung gedient, schreibt Steffan.

Ein interessantes Detail der Geschichte ist, dass der Verlag offenbar Wochen brauchte, Steffans vermeintlich heiklen Blog-Eintrag überhaupt zu entdecken — obwohl er damals überall verlinkt worden war.

Steffans Fazit:

Es wird schwierig bleiben für Verlage im Informationszeitalter, wenn Macht und Know-how weiterhin so diametral über die Hierarchie verteilt sind.

28 Replies to “Spätes Debatten-Opfer”

  1. Gut, wenn man weiß, dass er neben diesem Moderator-Job noch etwas vernünftiges macht und wenn man ebenfalls weiß, dass er eventuell sowieso bald gekündigt hätte, dann wirkt das nicht mehr ganz so dramatisch.
    Schade für die Meinungsvielfalt im Hause Springer (sollte es denn tatsächlich sowas geben). Glückwunsch an ihn, dass er nicht mehr bei diesem Verein arbeitet.

  2. Das Schlimme ist ja nicht, dass Springer so Blogeinträge wie den von Philip gar nicht lustig findet. Da sind sie nicht das einzige Untermehmen. Schlimm ist, dass Leute wie Keese und Döpfner sich hinstellen, und großspurig Neuerungen wie die Debatte ankündigen, und nicht den Hauch einer Ahnung haben, was das überhaupt ist. Sie werfen mit schick klingenden Wörtern um sich, um in den Fachmedien aufzutauchen. Das hat übrigens nichts mit fehlender Meinungsvielfalt zu tun: Die gibt es bei Springer genügend. Man darf sie halt nur nicht laut äußern.

  3. Ein Arbeitnehmer, der Interna seines Arbeitgebers in die Öffentlichkeit trägt, hat sich seinen Rauswurf redlich verdient. Da spielt es auch ausnahmsweise keine Rolle, ob es sich beim Arbeitgeber um den Verlag Axel Springer oder irgendeinen anderen handelt.

  4. Wenn ein Mitarbeiter von mir Teile eines in meinem Unternehmen genutzten Systems in Form von Screenshots etc. ins Internet stellt, dann ist das ein Vertragsbruch. In diesem Fall darf ich unbefristig kündigen.

    Da reicht ein Blick auf Gestaltung und winzigste Teile der Inhalte. Es geht dabei auch weniger um die Interna, die an die Öffentlichkeit dringen, sondern um den damit verbundenen Vertrauensbruch.

    BILD- bzw. Axel Springer-Schelte ist oft genug angebracht, aber wirkt nur dann, wenn sie auch wirklich ihre Berechtigung hat – und das ist ja in der Regel auch der Fall.

  5. Ist das wirklich ein Vertragsbruch? Für mich ist das nicht ganz so eindeutig…

    Wenn ein Mitarbeiter eines Unternehmens seinen (leeren) Schreibtisch fotografiert, ist das dann auch schon eine interne Information, bzw. handelt es sich hierbei auch um einen Vertragsbruch?

  6. Ich kann nur so viel sagen: Wenn ich intern eine eigens für mich entwickelte Software nutze, die ich selbst für mich entwickelt habe bzw. für mich habe entwickeln lassen, dann kann ich vertraglich regeln, dass deren Funktionen und Aussehen nicht nach außen getragen werden dürfen.

    Ich denke, da kann es von Branche zu Branche unterschiedliche Regelungen geben: Es gibt Branchen, da ist so etwas unkritisch, in anderen Branchen kann schon ein Foto von der Arbeitsstelle Außenstehenden zu viel verraten.

    Ein Online-Redaktionssystem ist meiner Ansicht nach kein Grenzfall: Es gehört eindeutig zu den schützenswerten Gütern eines Unternehmens.

    Ohne, dass ich Jurist bin.

  7. Schützenwertes Gut, ne klar
    http://drupal.org/

    opensource Software und davon ein generischer Screenshoot mit Namen von Menschen wo eh jeder weiß die schreiben für Springer. Das Bild mit dem leeren standart Schreibtisch past.

    Geheimnisverat nee, hier richts nach Aktionismus

  8. Open Source-Software hin oder her: Als Arbeitgeber zahlt man dem Arbeitnehmer sein Gehalt für Leistung UND Loyalität. Wenn eines davon ausbleibt, kann man für mich einiger moralischer Berechtigung kündigen.

    Und wenn man dann einen Vertrags- oder auch Gesetzesbruch heranzieht, um die Trennung zu begründen, dann ist das gängige Geschäftspraxis, beim bösen Axel Springer-Verlag, aber auch bei nahezu jedem anderen Arbeitgeber.

  9. Falschparken ist gängige Praxis. Ist es deshalb legal, vorbildlich oder gar notwendig?

    Loyalität heißt also, alles was der Arbeitgeber macht für richtig zu halten und auch noch dazu zu applaudieren?

    Sie sind nicht nur kein Jurist, Sie sind nicht einmal der deutschen Sprache mächtig, lieber Christian.

    Am Besten gefällt mir, dass Springer nicht nur gar keine Internetkompetenz auf Entscheiderebene zu haben scheint, sondern auch das noch herauszustellen scheint.

  10. „Sie sind nicht nur kein Jurist, Sie sind nicht einmal der deutschen Sprache mächtig, lieber Christian.“

    Ich bin nicht Ihr „lieber Christian“. Und dass ich der deutschen Sprache nicht mächtig bin höre ich zum ersten Mal. Wenn Ihnen außer dem Aufblasen von beim schnellen Schreiben nicht ausbleibenden Fehlern nichts einfällt, dann gehen Sie doch einfach nicht auf meine Beiträge ein.

    Und was Loyalität angeht: Ja, das heißt es. Zumindest in der Öffentlichkeit. Intern darf mir ein Mitarbeiter z.B. fast alles sagen. Was er extern über mich sagt, ist etwas ganz anderes.

    Aber was versuche ich überhaupt, in der Sache zu argumentieren. Wieso suche in nicht nach sprachlichen Fehlern bei Ihnen? Da brauche ich noch nicht einmal zu suchen.

    Am besten (sic!), man lehnt sich nicht so weit aus dem Fenster, wenn man nicht schwindelfrei ist.

  11. wenn zeitungsverlage sich im netz zu weit aus dem fenster lehnen, die möglichkeiten und das medium insgesamt aber so gar nicht zu kennen scheinen, dann sollten sie besser die finger davon lassen. ich denke nicht, dass wir solche onlineplattformen von verlagen verzichten können, wenn sie die vielfalt der plattformen derart reglementieren bzw. zensieren!

    und weiter, wenn man jemanden „weg haben“ möchte, dann findet man immer einen grund und sei es nur so ein an den haaren herbeigezogener datenschutzverstoß, den ich absolut lächerlich finde.

  12. Das Traurige ist nicht nur, dass Meinungsvielfalt bei Springer von oben nach unten diktiert wird, sondern auch der Anschein, dass die Entlassung nicht als das deklariert wird, was sie ist: Kündigung wegen fehlender Loyalität. Du hast uns kritisiert, das gehört sich in unseren Augen nicht, darum gehtst Du.

    Das, was Springer macht, ist das Suchen nach der Nadel im Heuhaufen. Jemanden wegen Publizierens eines Screenshots zu entlassen, halte ich nicht für tragbar. Vielleicht hört man ja noch von der Geschichte, wenn sie vor dem Arbeitsgericht landet.

  13. Nach dem Debatten-Opfer Philip Steffan, gibt es ein neues Opfer. Verantwortlich ist auch wieder der Chefredakteur Christoph Kesse.

    Diesmal hat es ein Kind getroffen. 13 Jahre alt. Das Mädchen wurde missbraucht. Ein Fotograf der dpa macht ein Opferbild (kein Bild der Täter) und die WELT veröffentlicht dieses.
    Den Bericht kann man auf meiner Website lesen.

  14. @Sachar

    Ich stimme dir zu: Es wäre ehrlicher, die fehlende Loyalität als Kündigungsgrund anzugeben. Das Problem ist nur, dass unser Arbeitsrecht solche Begründungen nicht akzeptiert. Das mag man vielleicht als Arbeitgeber begrüßen, für Arbeitnehmer ist es schwierig: Zweifel an der Loyalität erschweren die Zusammenarbeit ungemein, aber man ist zur Zusammenarbeit quasi gezwungen.

    Dass man dann nach einen anderen Verstoß sucht, der eine Kündigung rechtfertigt, ist vielleicht nicht besonders ehrenhaft, aber es ist oft genug de einzige Möglichkeit.

    Ich möchte hier weder den Axel Springer-Verlag verteidigen, noch möchte ich ein liberaleres Arbeitsrecht um jeden Preis. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass aus Arbeitgebersicht vieles anders aussieht als aus Arbeitnehmersicht. Und das gilt nicht nur für den Arbeitgeber Axel Springer-Verlag.

    Und ehrlich gesagt: Es sagt auch nichts über die Kritikfähigkeit des Arbeitgebers aus. Als Arbeitgeber sollte man immer offen für Kritik der Arbeitnehmer sein, daraus entstehen die besten Ideen. Wird diese Kritik aber öffentlich, zur Profilierung der eigenen Person (oder wozu sonst?) geäußert, dann wird die Reaktion für mich vielleicht nicht komplett, aber zumindest zum Teil nachvollziehbar.

  15. Entschuldigung: Bitte im ersten Absatz einmal Arbeitnehmer und Arbeitgeber tauschen, sonst ist noch mehr Blödsinn als in euren Augen eh schon ;-)

  16. Verstoß gegen das Datenschutzgesetz? Spinnen die? „Zweck dieses Gestzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird“. (§ 1 (1) BDSG)
    Also wenn das wirklich so begründet worden ist, dann rentiert sich ein Gang vors Arbeitsgericht allemal.

  17. Den Arbeitgeber kritisieren, ist eine Sache. Interne Dokumente zu veröffentlichen, eine andere. Hier wurde per Screenshot Interna veröffentlicht, wie minimal das auch sein mag. Dass der Arbeitgeber sowas prinzipiell nicht sehen will, kann ich nachvollziehen. Vielleicht hätte man es in diesem „milden“ Fall auch bei einer Verwarnung etc. belassen können.

  18. Sorry, aber beim normalen „arbeiter-arbeitgeber“-Verhältnis verkaufe ich nciht meine Seele, sondern meine Zeit.

  19. @ Nr. 12 (Christian):

    Ich bin nicht Ihr „lieber Christian”.

    Ich wollte nur freundlich sein.

    Und dass ich der deutschen Sprache nicht mächtig bin höre ich zum ersten Mal.

    Und wenn man etwas zum ersten mal hört, dann muss es falsch sein. Ne, ja, is‘ klar.

    Wenn Ihnen außer dem Aufblasen von beim schnellen Schreiben nicht ausbleibenden Fehlern nichts einfällt, dann gehen Sie doch einfach nicht auf meine Beiträge ein.

    Jeder macht mal Fehler. Ich ganz viele. Aber auch ich gebe mir mühe. Das unetrstelle ich Ihnen auch.

    Das war aber nicht das, was ich gemeint habe. Sie haben eine meiner Meinung nach krude Auffassung über das Wort „Loyalität“. Darauf bezog sich meine Kritik.

    Und übrigens: Echte mangelnde Loyalität ist nicht nur ein Kündigungsgrund, sondern ist meiner Erfahrung nach einer der wenigen Tatbestände, die Arbeitsrichter Arbeitnehmern selten „durchgehen“ lassen. Wobei meiner Beobachtung nach Arbeitsrichter häufiger Arbeitnehmern als Arbeitgebern recht geben.

  20. Demnächst fliegt man beim Springer schon raus, wenn man ein Foto vom Geschäftspapier des Verlages mit Mathias Döpfner als Vorstandsvorsitzender im Briefkopf auf seinem Blog veröffentlicht. Das ist nämlich auch vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Arbeitsmaterial mit mindestens 1 Internum. Vertrauens- und Loyalitätsbruch, sowas. Klare Kante: sofort rausschmeißen.

    Dergleichen mag, wie so vieles, formaljuristisch in Ordnung sein. Unter dem Gesichtspunkt der Rationalität oder gar des Anstands sieht das allerdings anders aus. Ich bin wirklich erstaunt, daß es Menschen gibt, die solchen Unsinn (auch hierzublog) völlig ernsthaft vortragen.

  21. Die Sache mit der Loyalität finde ich grundsätzlich interessant. Ich dachte immer, als Arbeitnehmer verkaufe ich meine Arbeitskraft, also Geld gegen Leistung. Was ist denn die Gegenleistung für Loyalität? Vielleicht war das früher mal (Arbeitsplatz-)Sicherheit. Aber damit ist es ja heute nicht mehr so weit her. Ich würde als Arrbeitnehmer (der ich nicht mehr bin, aber lange war) die Sache mit der Loyalität deswegen stets sehr formal sehen…

    Andererseits bietet die Veröffentlichung von internem Material, unabhängig von der konkreten Belanglosigkeit, der Gegenseite immer einen guten Vorwand, nicht mehr inhaltlich argumentieren zu müssen. Die Veröffentlichung ist allein deswegen schon ein Fehler. Wäre doch interessant gewesen, zu erfahren, welchen Kündigungsgrund Springer ohne diesen Screenshot angegeben hätte…

  22. In einem muß ich Christian in 17 in Schutz nehmen:

    Die ursprüngliche Verwendung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer war korrekt, die gebräuchliche Verwendung ist nämlich absurd.

    Schließlich gibt der Lohnempfänger seine Arbeit und der Kapitalist nimmt sie für sich in Anspruch, korrekterweise könnte man das ganze also bestenfalls als Arbeitsplatznehmer und Arbeitsplatzgeber bezeichnen, der momentane Gebrauch ist Quatsch.

  23. also das mit dem screenshot ist schon äißerst unglücklich, da hätte man sich denken können dass der arbeitgeber sich drauf beruft. bei aller kritik würde ich kein kleinstes fitzelchen interna, und wenn es nur eine leere eingabemaske der hauseigenen datenbank, cms, etc. ist, veröffentlichen.

  24. Keeses Stern ist ja nun am Sinken. Kann es wirklich sein, dass niemand mehr den Artikel über ihn aus der Welt vom 8.7. hat? Springer hat den getilgt… Siehe dazu Kontakter vom 7.8.07:
    Axel Springer AG
    Verliert Keese die Macht bei der blauen Gruppe?
    In SPRINGERS blauer Gruppe büßt CHRISTOPH KEESE gewaltig an Macht ein. Der Vorsitzende der Chefredakteursrunde überlässt Welt-Chefredakteur THOMAS SCHMID die Zuständigkeit für das Königsressort Politik.

    Im Berliner Verlagshaus Axel Springer droht WamS-Chefredakteur Christoph Keese, die Macht über die blaue Gruppe zunehmend an Welt-Chefredakteur Thomas Schmid zu verlieren. Nach Informationen des Kontakters wurden die Zuständigkeiten für die Ressorts bei der Welt, Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost seit Mitte Juli titelübergreifend neu geordnet. So verantwortet innerhalb der blauen Gruppe künftig Welt-Chef Schmid die Ressorts Politik, Kultur/Literarische Welt und Reportage/Vermischtes.

    Christoph Keese ist für Wirtschaft, Finanzen, Immobilien, Wissenschaft, Motor/Stil, Reise, Layout, Foto, Grafik sowie Produktion zuständig. Mopo-Chef Carsten Erdmann übernimmt Sport, die Berlin- und Regionalredaktionen sowie die ressortübergreifende investigative Einheit. „Durch diese Arbeitsteilung bekommen wir die Zeit, uns intensiver um die Kommunikation mit den Ressorts zu kümmern. Zugleich bleibt das Chefredakteursprinzip gewahrt: Jeder Titel hat einen klar verantwortlichen Chefredakteur“, rechtfertigt Keese den Umbau in einer E-Mail, die dem Kontakter vorliegt. Diese hatte er im Auftrag aller Chefredakteure am 11. Juli um 19.16 Uhr hausintern versandt – darunter auch an den Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner.

    Herrscher ohne Königsressort

    Seither schießen in den Redaktionen die Spekulationen ins Kraut. Denn Keese ist als Vorsitzender der Chefredaktionsrunde eigentlich oberster journalistischer Boss der blauen Gruppe. Viele Redakteure interpretieren die Neuordnung als gewaltigen Einflussverlust. „Es ist sehr verwunderlich, dass Keese das Königsressort Politik für alle Titel abgibt“, meint ein Insider. Welt-Chefredakteur Schmid habe hingegen durch den Umbau seine Position innerhalb der blauen Gruppe deutlich gestärkt.

    Ein Springer-Sprecher bestätigt auf Anfrage die Neuausrichtung der Ressort-Zuständigkeiten. Es gehe dabei „um eine verbesserte interne Kommunikation und nicht um Restrukturierung“, so die Begründung des Verlags. Zudem würden die Chefredakteure weiterhin „ihre Zeitungen und Websites in Eigenregie und unabhängig voneinander nach dem Chefredakteursprinzip“ leiten. Diese Struktur habe „sich bewährt und bleibt wie sie ist“.

    Aufstieg eines Machtbewussten

    Fraglich ist dennoch, was die überraschende Neustrukturierung langfristig für Keeses Karriere bei Springer bedeutet. Die kannte bislang nur eine Richtung: steil nach oben. Der heute 43-jährige Absolvent der Henri-Nannen-Schule startet als Assistent des früheren Gruner + Jahr-Vorstandschefs Gerd Schulte-Hillen. Bei der Berliner Zeitung steigt er schnell zum geschäftsführenden Redakteur und Wirtschafts-Ressortleiter auf. 1998 arbeitet er an dem Konzept für die börsentägliche Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland (FTD), deren Chefredaktion er gemeinsam mit Wolfgang Münchau übernimmt. Ab Sommer 2003 übt er die Position allein aus. Im Mai wechselt Keese dann als Chefredakteur zur Welt am Sonntag. Er verantwortet dort die Zusammenlegung der Redaktionen von Welt, WamS und Mopo und ist seit April 2006 Vorsitzender der Chefredakteursrunde sowie oberster Online-Befehlshaber.

    Keese gilt als machtbewusster Mensch. Deutlich wird dies in einem Porträt, das Thomas Delekat, Theodor-Wolff-Preisträger und langjähriger Kulturreporter der Welt, bereits 2002 über den damaligen FTD-Chefredakteur verfasste. Zwar wurde der Artikel aus dem Springer-Archiv mittlerweile mit einem Sperrvermerk verbannt. Doch er ist heute aktueller denn je. Unter dem Titel „Der Champion bin ich“ beschreibt Delekat die Affinität Keeses für den Film-Paten Vito Corleone. Pate-Fan Keese habe in der FTD einst elf Prinzipien des Machterwerbs und Machterhalts definiert. Dazu gehört eine, die Keese jetzt möglicherweise wieder vor Augen hat: „Macht schwindet schleichend. Wehre dich gegen kleine Niederlagen, denn sie haben große Auswirkungen.“ gl

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