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Abschied von 9live

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Vielleicht wäre eine humane Lösung, die Moderatoren glauben zu machen, dass 9live den Betrieb seiner Anrufspiele gar nicht einstellt. Man könnte den Studiotrakt, in dem sie arbeiten, abriegeln und sie einfach weiter arbeiten lassen. Gelegentlich müsste mal jemand anrufen und durchgestellt werden und eine falsche Lösung sagen, aber das wäre kein großer Aufwand, auch finanziell nicht.

Sie scheinen dort schließlich, wenn schon nicht glücklich zu sein, so doch wenigstens ein Zuhause gefunden zu haben. Am Freitagabend konnte man Tina Kaiser zusehen, die sich die endlose Zeit, bis der „Hot Button“ zuschlug, damit vertrieb, ihren Lieblingssong „Spending My Time“ (!) von Roxette leise vor sich hin zu summen. Ihr Kollege Dirk Löbling, der die nächste Schicht übernahm, beschimpfte leidenschaftlich die Kollegen in der Regie, wobei unklar blieb, ob die Stimmen, mit denen er sich unterhält, tatsächlich in seinem Ohr oder nur in seinem Kopf sind. Später kam Max Schradin und begann seine Sendung damit, minutenlang zu tanzen, wie ein Achtjähriger im Kinderzimmer vor dem Spiegel.

9Live hat längst mehr mit betreutem Wohnen zu tun gehabt als mit Fernsehen. Warum soll man diesen Menschen das nehmen? Nur weil sich der Countdown bis zum Zuschlag des Hot Button ab Ende Mai von ewig auf unendlich verlängert?

Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Lösung wäre natürlich, dass Menschen, die rund um die Uhr bei einer Fernsehsender-Attrappe moderieren, nicht woanders moderieren können. Denn obwohl die Call-TV-Animateure sich, seit das Aus des Programms bekannt ist, in bitteren schwarzen Humor flüchten, muss man fürchten, dass sie mit ihrem Talent zum Füllen von Zeit durch Nichts auch in anderen Sendern eine öffentliche Aufgabe finden werden. Vermutlich reicht es schon, sie auf eine schlammfarbene Couch zu setzen, und sie könnten als Moderatoren der Nachmittagsfüllungen in den Dritten Programmen durchgehen.

Die am Dienstag gesuchten männlichen Vornamen mit einem L waren übrigens Kalani, Naphtali, Neacel, Sheldon, Sobieslaw, Udalfried, Walo, Zabdiel und Zsolt.

Schlaf- und Skandalbehörden

Ich hätte die „Funkkorrespondenz“ lesen sollen. Oder mir einen Merkzettel machen mit der Warnung an mich selbst: „Wenn du einen Artikel schreibst, der zum Ergebnis kommt, dass die Medienaufsicht in Deutschland womöglich funktioniert, hast du vermutlich nur nicht gründlich genug recherchiert.“

Am Sonntag habe ich für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ eine Bilanz der Gewinnspielsatzung gezogen. Seit eineinhalb Jahren drohen 9Live und den anderen Call-TV-Anbietern Bußgelder, wenn sie gegen die Regeln verstoßen, die ein Mindestmaß von Fairness und Transparenz garantieren sollen. Die Landesmedienanstalten haben seitdem über eine halbe Million Euro Bußgeld verhängt und sind der Meinung, das habe Wirkung gezeigt — obwohl noch kein Sender Geld gezahlt habe. (Tatsächlich haben Kabel 1, Super RTL und Das Vierte schon Bußgelder bezahlt. Davon wusste nur der zuständige Sprecher der baden-württembergischen Medienanstalt LfK, den ich gefragt hatte, angeblich nichts.)

Die aufregendere Geschichte stand zwei Tage zuvor im Branchendienst „Funkkorrespondenz“: Einen Teil dieser Summe werden die Sender nämlich nie zahlen müssen, weil die Landesmedienanstalten Fristen versäumt haben und die Verfahren einstellen mussten, weil es verjährt war. 115.000 Euro hat die Bayerische Landesmedienanstalt BLM auf diese Weise dem Sender 9Live geschenkt — weil die Mitarbeiter in den Osterferien waren. Oder im Deutsch der Beamten:

„Die Verjährung kam dadurch zustande, dass durch ein äußerst bedauerliches Büroversehen während der Urlaubszeit die fünf Fälle in der BLM liegengeblieben sind und es so versäumt wurde, die Bescheide der Staatsanwaltschaft fristgerecht zuzustellen.“

Als Konsequenz aus der Schlamperei sei „umgehend eine doppelte Terminkontrolle eingeführt“ worden, teilte die BLM der „Funkkorrespondenz“ mit, verweigerte aber die Auskunft, ob gegen Mitarbeiter dienstrechtliche Maßnahmen eingeleitet wurden.

Die Landesmedienanstalten werden, was viel zu wenig bekannt ist, zum größten Teil von den Rundfunkgebühren bezahlt: Sie bekommen knapp zwei Prozent davon, weit über 100 Millionen Euro jährlich. Wir, die Gebührenzahler, finanzieren also ein — aufgrund der föderalen Struktur der Medienaufsicht — ohnehin außerordentlich aufwändiges Verfahren, das einem Bußgeldbescheid vorausgeht. Und am Ende ist dieser ganze Aufwand für die Katz, weil die Mitarbeiter der BLM vergessen haben, sich die damit verbundene Frist irgendwohin zu schreiben, und sich in den Osterurlaub verabschiedet haben?

Es ist nicht so, dass es sich um Ausnahmen in einem sonst funktionierenden System handelte. Die „Funkkorrespondenz“ berichtet von zwei weiteren Fällen, in denen durch Schlamperei in der BLM die Verfahren verjährten. Auch bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg MABB musste ein Bußgeldverfahren wegen abgelaufener Fristen eingestellt werden, weil — wie die Behörde mitteilte — „die Weihnachtszeit dazwischen kam“.

Bei den Landesmedienanstalten — und insbesondere den beiden genannten — verbindet sich in einzigartiger Weise der ganze Albtraum einer föderalen Bürokratie mit Inkompetenz und schlichtem Unwillen. Ich bin überzeugt davon, dass die Bayerische Landesmedienanstalt unter Wolf-Dieter Ring (seit 21 Jahren im Amt) kein Interesse daran hat, die von ihr lizensierten (und im Land angesiedelten) Sender wirkungsvoll zu kontrollieren. Und der Aufsichts- und Auskunftswiderwille der MABB unter Hans Hege (seit 19 Jahren im Amt), die theoretisch für Pro Sieben zuständig wäre, ist ein fortdauernder Skandal.

Ich habe vor fünf Jahren zusammen mit Peer Schader für die „Sonntagszeitung“ einen Text über das Elend der Medienaufsicht in Deutschland geschrieben. Dessen Überschrift „Schafft die Landesmedienanstalten ab!“ wurde leider gelegentlich als bloße Polemik missverstanden.

Die geheimnisvolle Fionnghuala

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Seit Anrufsendern, die gutgläubige Zuschauer in die Irre führen, Bußgelder drohen, ist das Geschäft fairer geworden – und schlechter. Dabei hat noch keiner bezahlt.

Heute würde es Schlag auf Schlag gehen. Kein Gerede, keine Verzögerungen, garantiert zwanzig Gewinner in fünfzehn Minuten. Dirk Löbling, der Animateur, der an diesem späten Donnerstagabend Dienst hat bei 9Live, scheint angemessen aufgeregt. So ein „Gewinner-Countdown“, erklärt er, sei „sehr speziell“. Und weil er von der Regie vorgegeben werde, könne man sich darauf verlassen, dass das damit verbundene Versprechen eingehalten werde.

Vierzehneinhalb Minuten später ist ein Gewinner gefunden. Es stehen noch 25 Sekunden auf der Uhr, es fehlen noch 19 Gewinner, und Löbling macht Geräusche und Gesten, die seine Fassungslosigkeit ausdrücken sollen. Wie soll das zu schaffen sein?

Es ging dann doch recht entspannt. Es stellte sich nämlich heraus, dass der Anrufsender bei seinem „Gewinner-Countdown“ nur die Zeit zählt, die er zählt. Bis die nächsten zwanzig Sekunden Spielzeit abgelaufen waren, verging eine Dreiviertelstunde, in der der Moderator sich zeitweise mit einem Menschen in seinem Ohr über die Blumen in der Studiodekoration unterhielt. Nach endlosen Minuten erbarmte er sich, zählte einen Countdown runter, dann lief der „Gewinner-Countdown“ wieder weiter, jemand wurde durchgestellt, nannte einen Beruf, der auf „-er“ endet, und gewann einen zweistelligen Eurobetrag. Es schien, als müsse man sofort anrufen, weil das Spiel sofort vorbei sei. Aber 9Live könnte im Notfall einen solchen „Gewinner-Countdown“ von wenigen Sekunden über Jahre strecken.
Sie machen sich immer noch einen Spaß – und vor allem natürlich: ein Geschäft – daraus, die Zuschauer in die Irre zu führen. Aber die Hoch-Zeiten des Call-TV sind vorbei, im Guten wie im Schlechten. Die Tricks, die 9Live heute einsetzt, sind vergleichsweise harmlos. Aber auch die Erlöse sind nicht mehr, was sie mal waren. Der Marktanteil des Senders liegt bei nur noch 0,1 Prozent – bei jüngeren Zuschauern ist er nicht mehr messbar. Für die Schwestersender Sat.1, Pro Sieben und Kabel 1 produziert 9Live noch Anrufsendungen tief in der Nacht; eine Sendung wie „Quiz Night“ auf Sat.1 läuft regelmäßig vor immerhin ein- bis zweihunderttausend Zuschauern – aber wer weiß, wie viele von denen wach sind.

Auch der Spartenkanal Sport 1 bessert sein Einkommen mit den Telefongebühren dummer Zuschauer auf und lässt werktags nachmittags zum Beispiel weibliche Vornamen mit „A“ am Ende raten (gesucht waren am Freitag: „Notburga, Immacolata, Inmaculada, Fatoumata, Fearchara, Femmechina, Fionnghuala, Flordeliza, Rizalia, Boglarka“). Aber Sender wie Super-RTL, MTV, Viva, Nickelodeon, Tele 5 und Das Vierte haben sich inzwischen von dem zwielichtigen Geschäft verabschiedet; in der Schweiz sorgte ein Gerichtsurteil für das abrupte Ende der Branche.

Warum das Geschäft nicht mehr so läuft? Die einfachste Erklärung ist, dass die Teilnehmer im Laufe der Zeit entweder zu klug oder zu arm geworden sind, um noch mitzumachen. Pro-Sieben-Sat.1 nennt in seinem Geschäftsbericht als Grund für die sinkenden Anruferzahlen und Erlöse „die Einführung einer neuen Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten“. Neu daran waren weniger die Regeln, die Mindeststandards an Fairness und Transparenz sicherstellen sollen und in ähnlicher Form schon vorher galten; neu war die Möglichkeit, Bußgeld gegen Sender zu verhängen, die sich nicht an sie hielten.

Seit die Satzung vor eineinhalb Jahren in Kraft getreten ist, hat die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten 54 Beanstandungen ausgesprochen und Bußgeld in Höhe von 575 500 Euro verhängt, den größten Teil gegen 9Live. Die Mängel sind fast immer dieselben: Es sei unzulässig Zeitdruck aufgebaut, über die Auswahlverfahren und Einwahlchancen in die Irre geführt oder über den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe getäuscht worden.

Dem 9Live-Animateur Jürgen Milski, der als „Big Brother“-Kandidat und Kumpel des selig vergessenen Ztlatko aufgefallen war, wurde jetzt eine besondere Ehre zuteil: Erstmals sprach die ZAK ein Bußgeld nicht nur gegen den Sender, sondern auch den Moderator persönlich aus. Gesucht waren: „Tiere mit Doppelbedeutung“. Keine einzige der achtzehn 9Live-Lösungen (darunter Holzbohrer, Feuerwalze, Perlhuhn, Rammbock) wurde erraten. Inwiefern es sich zum Beispiel beim Rammbock überhaupt um ein Tier handele, ließ der Sender offen. Milski erweckte dafür wiederholt den Eindruck, es handle sich um ein leichtes Spiel. „Normalerweise halten wir uns an die Geschäftsführung und den Sender, weil es um strukturelle Probleme oder seine Aufsichtspflicht geht“, sagt Axel Dürr, Sprecher der in der ZAK geschäftsführenden baden-württembergischen Landesmedienanstalt LfK. In diesem Fall aber habe es den Eindruck gegeben, dass Milski besonders eigenmächtig die Regeln brach.

Jeder dieser Bußgeldbescheide ist ein kleines Wunder, denn er ist das Ergebnis eines bürokratischen Kraftaktes: Die zuständige Landesmedienanstalt stellt einen Verstoß fest, gibt dem Sender Gelegenheit zur Stellungnahme, wertet sie und gibt den Fall an die Prüfgruppe der ZAK, die ihn an die eigentliche Kommission aus den 14 Direktoren der Medienanstalten weiterleitet, die über den Bußgeldbescheid entscheidet, dessen Ausstellung dann wieder der zuständigen Medienanstalt obliegt. Gegen den Bescheid kann der Sender Beschwerde einlegen, womit sich wiederum die Medienanstalt beschäftigt und dann erneut die ZAK.

Am Ende, wenn die Sender das Bußgeld nicht akzeptieren, geht es vor Gericht. Und weil das dauert und die Sender bislang gegen jede Beanstandung Beschwerde eingelegt haben, ist nach Auskunft von Dürr bislang kein Cent tatsächlich bezahlt worden. Gegen verschiedene Pflichten, die Spiele transparent und fair zu veranstalten, wehrt sich 9Live zudem mit einer Klage und bestreitet die Rechtmäßigkeit der Satzung insgesamt. In einzelnen Punkten gab ihm das Verwaltungsgericht München im vergangenen Jahr Recht, beide Seiten sind in Revision gegangen.

Trotz des langen, schwierigen Prozesses meint Dürr, dass die Satzung und die Bußgelder Wirkung gezeigt hätten. Neben den drohenden Kosten schmerze die Sender vor allem, dass die ZAK ihre Beanstandungen konsequent öffentlich macht. „Es ist immer noch nicht alles Gold, und wir lehnen uns nicht zurück, aber es hat sich einiges getan. Ein Großteil der Beanstandungen ist abgestellt worden.“ Tatsächlich warnt 9Live zum Beispiel regelmäßig, dass die Zuschauer auf ihr „Telefonverhalten“ achten sollen. Es läuft sogar immer wieder der Hinweis durchs Bild, dass die Chance, durchgestellt zu werden, nicht von der Zahl der angeblich offenen „Telefonleitungen“ abhänge – diesen Eindruck haben die Produzenten sonst immer gerne erweckt.

Auch Marc Doehler meint, es gebe „definitiv Fortschritte“. Er verfolgt mit anderen Verrückten seit Jahren die Call-TV-Programme und protokolliert den Ablauf in einem Forum (citv.nl). Es sind ausführliche und erschütternde Dokumente der Täuschungen und Lügen, die wohl einen wesentlichen Beitrag geleistet haben, die schlimmsten Auswüchse abzustellen. Viel weniger Regelverstöße entdeckt Doehler heute im Programm, auch weil nur noch eine Handvoll einfacher Spiele immer wieder wiederholt werde. Teilweise würden die Zuschauer zwar mit ausgeklügelten Tricks noch in die Irre geführt. Aber wer auf die idiotischen Aussagen der Moderatorinnen hereinfalle, die die Aufgabe, eine deutsche Stadt mit A an zweiter Stelle zu finden, als „ziemlich schwer“ bezeichnen, sei schon selbst schuld. Warum er trotzdem noch guckt? „Der Unterhaltungsfaktor ist immer noch groß“, gibt Doehler zu. „Und ehe ich mir ‚Frauentausch‘ ansehe…“

9Live möchte sich zu alldem nicht äußern, weil man „derzeit konstruktive Gespräche mit der ZAK“ führe. Deren Sprecher Dürr bestätigt, dass geredet wird: „Da ist Bewegung drin.“ Im September werde die ZAK eine Bilanz der Gewinnspielsatzung vorlegen, womöglich gäbe es bis dahin auch eine Absprache mit 9Live, die die endlosen Verfahren unnötig mache. Das Ziel beider Seiten sei dasselbe: dass weniger Bußgelder verhängt werden müssen.

Eine andere Auseinandersetzung mit Call-TV-Veranstaltern eskaliert dagegen gerade: Es geht um die Firmen Mass Response und Primavera, die mit besonders dubiosen Methoden unter anderem im Schweizer Fernsehen auffielen. Zu den Unregelmäßigkeiten, die von Beobachtern wie Doehler und der Seite fernsehkritik.tv dokumentiert wurden, gehört, dass Umschläge mit den Lösungen in der Live-Sendung plötzlich verschwanden und an anderer Stelle wieder auftauchten, was den Verdacht von Manipulationen nährte. Die Firmen bestreiten dies und gehen juristisch gegen die Kritiker vor. Einiges deutet darauf hin, dass es in den anstehenden Prozessen endlich nicht mehr um Formalien geht oder sich die Firmen mit einem Verwirrspiel um die Verantwortlichkeiten herausreden können, sondern sich die Gerichte in der Sache mit den Betrugsvorwürfen auseinandersetzen werden. [Nachtrag, 26. September: Bislang sind gerichtliche Verfahren, die von Primavera gegen diese Vorwürfe eingeleitet hat, zu Gunsten der Call-TV-Firma ausgegangen oder noch nicht rechtskräftig beendet.] Als Zeugen sind auch viele Producer und Moderatoren benannt, die die unwahrscheinlich klingenden Erklärungen der Produktionsfirmen plausibel machen sollen.

Der Countdown läuft.

Betrug: 9Live entlässt Mitarbeiter

Im vergangenen November ist es bei 9Live zu einem massiven Betrugsvorfall gekommen. Nach meinen Informationen haben zwei Mitarbeiter versucht, einen Anrufer um seinen Gewinn zu bringen, indem sie die richtigen Antworten nachträglich manipuliert haben. 9Live hat sich von beiden getrennt, will sich aber nicht zu dem Fall äußern.

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18. November 2008, kurz nach Mitternacht. Auf 9Live läuft „Quizzo“. Es moderiert Max Schradin, der in dieser Nacht noch aufgekratzter und irrer wirkt als sonst. Er spielt ein Spiel, das er als „absolute Weltpremiere“ ankündigt: Erstmals sind 16 Begriffe gesucht, die auf „-licht“ enden.

Am Anfang ist es, wie immer, leicht: „BLAULICHT“, „BLITZLICHT“, „BREMSLICHT“, „ROTLICHT“ werden erraten.

Dann erhöht 9Live die Gewinnsumme. Ein Anrufer, der einen der verbliebenen Begriffe hinter den Abdeckungen errät, kann zehn-, zwanzig-, dreißigtausend Euro bekommen. Schradin ermuntert die Zuschauer, leichte Begriffe zu nennen. Als jemand „Seitenlicht“ sagt, erwidert er:

„Denken Sie sich mal bitte keine Begriffe aus. Seitenlicht. Was ist denn ein Seitenlicht, Leute? Klassische Begriffe! (…) Leute, denken Sie sich hier ja nichts aus. Sie kennen die Begriffe, die hier auch abgeklebt sind!“

Das ist natürlich nicht wahr. Die Begriffe, die 9Live später auflöst, lauten:

STACHELICHT, BÜCHSENLICHT, AUERLICHT, NACHSCHUSSPFLICHT, AUSGLEICHUNGSPFLICHT, SCHWINDLICHT, WIDERSTANDSPFLICHT, CHRONISTENPFLICHT, REPRÄSENTATIONSPFLICHT, ANDIENUNGSPFLICHT, LABORLICHT, NACHTHIMMELLICHT.

(Alle Linkversuche von mir.)

Erstaunlich, dass kein einziger davon erraten wird.

Mit der Irreführung der Zuschauer und vermutlich auch der Auswahl der Begriffe verstößt der Sender gegen die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten, aber das ist Betrugsalltag bei 9Live.

Dabei bleibt es aber in dieser Nacht nicht.

Gegen 0.30 Uhr kommt ein Anrufer namens Nils durch. Er sagt „STEARINLICHT“. Er hat eine der hohen „Gewinnleitungen“ getroffen, die zu dieser Zeit sogar doppelt zählen, hinzu kommt noch der Inhalt einer „Wanne“ mit Geldscheinen — insgesamt vermutlich über 20.000 Euro. Max Schradin bietet ihm bis zu 4000 Euro, wenn er auf seinen Begriff verzichtet. Nils lehnt ab und geht auf Risiko, doch der Begriff wird als falsch gegeben.

Ob er zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht auf der Tafel steht, wird für die Zuschauer nicht nachzuvollziehen sein. Denn eine Stunde später reißt Max Schradin den Bogen mit den noch abgeklebten Lösungen von der Wand und schiebt ihn mit dem Fuß aus dem Bild. Erst kurz vor zwei Uhr morgens später ist er wieder zu sehen: als Schradin auf dem Boden auf ihm herumrutscht, um die Lösungen aufzudecken.


Doch der Bogen soll in der Zwischenzeit manipuliert worden sein. Der Producer der Sendung und der Executive Producer der 9Live-Abendformate, die in dieser Nacht Dienst hatten, sollen nach Angaben eines Insiders die halbe Stunde, in der er nicht zu sehen war, dazu genutzt haben, den Begriff „STEARINLICHT“ auf dem Papierbogen gegen einen anderen auszutauschen. Der Anrufer Nils sei von ihnen um seinen hohen Gewinn geprellt worden.

Im Nachhinein sollen Mitarbeiter den Betrug der Geschäftsleitung gemeldet haben. Nachdem der Justiziar des Senders, Michael Müller, die Sache recherchiert habe, sei den beiden Producern gekündigt worden; Moderator Schradin soll eine Abmahnung bekommen haben.

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Vor zwei Wochen veröffentlichte 9Live-Geschäftsführer Ralf Bartoleit auf der Homepage seines Senders einen Brief „In eigener Sache“ an die „Zuschauerinnen und Zuschauer“. Neben dem üblichen Unsinn („Wie Sie wissen, stand und steht 9Live für Fairness, Transparenz und Chancengleichheit“) schrieb er:

[Es hat] Ende vergangenen Jahres einen Fall gegeben, bei dem es zu einem gravierenden Fehlverhalten gekommen ist. Von den beiden dafür verantwortlichen Mitarbeitern hat sich 9Live unverzüglich getrennt. Wir bedauern diesen Vorfall gegenüber unseren Zuschauern außerordentlich. Gleichwohl zeigt dies aber, dass wir unser Versprechen Ihnen gegenüber, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ernst nehmen. Für die Zuschauer ist durch den Vorfall kein Schaden entstanden. Er zeigt aber auch, dass unsere internen Kontrollmechanismen funktionieren.

Die „Transparenz“ von 9Live geht nicht soweit, den Zuschauern mitzuteilen, worin das „gravierende Fehlverhalten“ genau bestand. Auf meine Anfrage, ob es sich dabei um den oben beschriebenen Vorfall handelt, ob man mir erklären könne, warum sich der Moderator offenbar so bereitwillig an der Manipulation beteiligte, ob Max Schradin die richtigen Antworten wusste, ob 9Live auch gegen ihn Schritte eingeleitet hat und ob dem Anrufer der volle Betrag, den er gewonnen hätte, ausgezahlt wurde, erklärte der Sender nur, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

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Ich weiß nicht, ob es sich bei dem Betrugsfall um einen außerordentlichen Einzelfall handelte oder ob das Außerordentliche nur war, dass das Handeln des Producers intern auffiel und von der Studiocrew nicht gedeckt wurde. Eine Motivation für das Handeln des Producers könnte sein, dass er budgetverantwortlich ist, das heißt, es muss mit einem vorgegebenen Budget eine bestimmte Zahl an Anrufen generieren. Gerät seine Kalkulation dadurch aus den Fugen, dass ein Zuschauer einen teuren, eigentlich unmöglich zu erratenden Begriff errät, hat er ein Problem.

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Gibt 9Live sich die Kugel?

Ich habe für die heutige Ausgabe der „taz“ über die neuen Gewinnspielregeln geschrieben, die vermutlich vom kommenden Frühjahr an die Rechtsgrundlage für die teuren Anrufspiele von 9Live, DSF, Tele 5 und die anderen bilden werden. Einige ursprünglich im Entwurf vorgesehene Punkte, die tatsächlich für Transparenz hätten sorgen und Spielsüchtige schützen können, konnten die Privatsender zwar verhindern. Aber die neue Satzung, das neue Aufsichtsgremium der Landesmedienanstalten („ZAK“) und die Tatsache, dass Verstöße erstmals eine Ordnungswidrigkeit sind und mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden können, werden das Leben für 9Live & Co. erheblich erschweren. (Mehr dazu auf taz.de.)

9Live-Geschäftsführer Ralf Bartoleit hat im E-Mail-Interview auf die Verschärfung der Bedingungen mit süßlichen Nebelkerzen reagiert:

Ist 9Live mit dem jetzt vorliegenden Entwurf zufrieden?

Nun, der vorliegende Entwurf ist noch nicht abschließend in Kraft getreten. Zunächst müssen die Gremien der einzelnen Landesmedienanstalt das Papier prüfen und absegnen. Was unser Programm angeht, sehen wir für uns keine grundlegenden Änderungen. Seit Jahren verpflichten wir uns freiwillig einem strengen Regelwerk und gehen bereits heute mit gezielten Verbraucherhinweisen über die Forderungen der Landesmedienanstalten hinaus.

Halten Sie diese Regeln für praktikabel?

Grundsätzlich ist es doch so: Durch klare Regeln schafft man Transparenz und damit Vertrauen. Deshalb war und ist 9Live auch ein Treiber und Befürworter in dieser Sache. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob die deutlich gestiegene Zahl der Hinweispflichten einem Live-Programm zuträglich ist. Aber ein klares Règlement stellt auch einen fairen Wettbewerb sicher, von dem auch der Zuschauer profitiert. Wir setzen uns seit jeher dafür ein, das Geschäftsmodell langfristig und nachhaltig abzusichern.

Die jetzige Fassung ist gegenüber einem früheren Entwurf weniger streng — weggefallen ist zum Beispiel die Pflicht, die Zahl der Teilnehmer an einem Spiel ins laufende Programm einzublenden und eine Obergrenze für die Teilnahme pro Tag. Ist das im Sinne von 9Live?

Wir nehmen die Verantwortung gegenüber unseren Zuschauern ernst. So weisen wir zum Beispiel im laufenden Programm stets darauf hin, dass die Zuschauer ihr Anrufverhalten kontrollieren sollen.

Was wird 9Live am Programm und der konkreten Gestaltung der Spiele ändern müssen, um den neuen Regeln gerecht zu werden?

Wie bereits erwähnt, ist der vorliegende Entwurf noch nicht in Kraft. 9Live praktizierte aber bereits vor der neuen Gewinnspielsatzung die meisten der angekündigten Maßnahmen. Beispielsweise stellte 9Live schon immer sicher, dass für jeden Teilnehmer zu jeder Zeit des Spiels eine Chance besteht, ausgewählt zu werden und zu gewinnen. Die Teilnahme an den Gewinnspielen kostet seit jeher 50 Cent und Grundbedingung für eine Spielteilnahme bei Call-In Sendungen ist ein Mindestalter von 18 Jahren.

Besonders offensichtlich ist der Versuch der Irreführung bei Bartholeits letztem Satz: Denn zu der Begrenzung der Kosten und dem Ausschluss Jugendlicher ist 9Live auch schon „seit jeher“ gezwungen. Das hat mit den „angekündigten Maßnahmen“ nichts zu tun.

Unterdessen versucht auch der einschlägig bekannte 9Live-Moderator Max Schradin, den Kritikern „den Segel aus dem Wind“ zu nehmen. Die unermüdlichen Protokollanten von „Call-in-TV“ haben seine Aussagen mit dem Sendealltag von 9Live kontrastiert — das Video ist auch eine schöne Übersetzung dafür, was Ralf Bartholeit mit „Transparenz“ und „Vertrauen“ meinen muss:

(Über das merkwürdige Verhalten der „schwarzen Kugeln“ bei 9Live gibt es auch eine eigene ausführliche Video-Dokumentation. Mag sein, dass es sich nur um eine abwegige Verschwörungstheorie handelt. Aber warum sollte 9Live nicht auf diese Weise seine Ausgaben zu senken und die Ziehung zu manipulieren versuchen?)

Volksverdummungsversuch gescheitert

Würde ich in einer der Esoterik-Redaktionen des Landes arbeiten, also zum Beispiel bei „Bild“, ProSieben oder N24, müsste ich nun natürlich grübeln, welcher „Fluch“ wohl gestern auf meinem Festplattenrekorder lag und verhinderte, dass er die Show „Uri Geller live: Ufos und Aliens“ aufnahm. (Daran, dass die Festplatte voll war, wird es ja nicht gelegen haben.)

Ich habe immerhin für ein paar Minuten reingeschaltet und festgestellt, dass ich mir das nicht angucken kann. Die dort zur Schau gestellte Dummheit und Lust am Versuch der Verdummung anderer übersteigt selbst meinen Masochismus und meine in vielen Stunden 9Live-Konsum eigentlich gestählte Leidensfähigkeit.

Aber der Peer hat es für „Spiegel Online“ durchgehalten:

Ein „Ufo-Forscher“ durfte erklären, woran man erkennt, dass ein Ufo-Video echt ist (wenn die Untertasse hinter Bäumen vorbeifliegt, weil das so schwer zu manipulieren ist). Autor Erich von Däniken („umstritten aber erfolgreich“) schilderte seine Theorie der Prä-Astronautik und dass die Menschen früher Sex mit Aliens hatten, weil sie sonst keine Pyramiden hätten bauen können. Und die überzeugte Ufo-Befürworterin Nina Hagen durfte ein Interview mit einem Herrn aus dem Untertassen-Absturzort Roswell beisteuern, der von sich behauptet, halb Mensch und halb Alien zu sein (Pyramiden hat er allerdings noch keine gebaut).

Und Thomas Lückerath vom Medienmagazin DWDL hat sich schön in Rage geschrieben:

Um mit Vorsatz und Anlauf auch gleich bleibend weitere Marken des Programms zu schädigen, hat man „Galileo“-Moderator Daniel Aminati in diesem pseudo-wissenschaftlichen Umfeld seine Glaubwürdigkeit demontieren lassen. Aminati stand während der Sendung – so hieß es zumindest – in einem Kontrollraum des wiederum tatsächlich existierenden Radio-Teleskop nahe der Stadt Evpatoria in der Ukraine – und durfte immer wieder betonend wie spannend und unheimlich alles sei. Extra eingespielte Ton- und Bildprobleme legten allerdings beinahe den Verdacht nahe, dass sich Aminati mit ein paar schlechten, Wissenschaftler darstellenden Schauspielern im Nachbarstudio aufhielt. (…)

Wer in der Öffentlichkeit kegelt, muss sich gefallen lassen, wenn andere die Punkte zählen. Deshalb muss die Kritikfähigkeit der Verantwortlichen und Beteiligten einigen Fragen standhalten. Herr Steiner, Herr Brock, wie kann man so etwas produzieren? Herr Proff, wie kann man so etwas über den Sender gehen lassen? Herr Gödde (Foto), wie kann man so etwas moderieren? Ob von diesen Herren irgendjemand den Anstand besitzt, sich von dieser Sendung zu distanzieren? Oder etwa die Dreistigkeit dies noch als Qualitätsfernsehen zu verteidigen?

Ich hatte gestern Abend einen ähnlichen Gedanken: Dass es bei diesen Privatsendern nicht einmal mehr jemanden gibt, den man mit den Fragen an diese Sendung konfrontieren könnte, wie man es vor ein paar Jahren noch ganz selbstverständlich für eine Medienseite getan hätte. Ich weiß gar nicht, ob ProSieben zum Beispiel überhaupt noch einen Chefredakteur hat. Und wenn es ihn gibt, bin ich sicher, dass er nichts sagen würde, was irgendwie von Belang und nicht nur erwartbares PR-Geschwätz wäre. Die Herren Steiner und Brock, die Lückerath anspricht, sind die Chefs der Produktionsfirma Constantin Entertainment. Die produzieren alles! Herr Gödde moderiert bei ProSieben sonst das Boulevardmagazin „taff“ und hat schon den „Next Uri Geller“-Unsinn präsentiert. Der moderiert alles!

Dass kaum eine ernsthafte Debatte über das perfide Sat.1-Sozialschmarotzerformat „Gnadenlos gerecht“ geführt wurde, lag auch daran, dass jedes ernst zu nehmendes Gegenüber fehlt: Mit wem bei dem Sender oder der Produktionsfirma würde man sich darüber auseinandersetzen können? Wollen?

Es gibt unter den Verantwortlichen bei den deutschen Privatsendern vielleicht noch eine Handvoll Leute, die die Frage überhaupt verstehen würden, wie man so etwas wie den Uri-Geller-Quatsch senden kann, und mit denen man ein Gespräch darüber führen könnte, wo die Unterhaltung aufhört und die gefährliche Volksverdummung anfängt. Die anderen machen halt, was sie machen, was gibt es da zu reden?

Aber die gute Nachricht des Abends lautet: Die Leute sind nicht halb so blöd wie ProSieben glaubt. Die Quoten waren außerunterirdisch. Auch in der jüngeren Zielgruppe sahen fast viermal soviele Menschen „Die Chroniken von Narnia“, die im Vergleich zur Geller-Show wie eine realistische Dokumentation wirkten.

Nachruf aufs Abzockfernsehen verfrüht

Die Sache ist nicht so aufregend wie sie scheint, oder genauer: wie sie die „Süddeutsche“ scheinen lassen will. Die Zeitung hatte am Wochenende in einem Artikel den Eindruck erweckt, dass das Geschäft mit teuren Gewinnspielen im Fernsehen, wie es 9Live, das DSF und andere betreiben, schon sehr bald von den Landesmedienanstalten „drastisch“ eingeschränkt werde.

Aber die meisten Auflagen, die Klaus Ott in seinem Artikel beschreibt, gelten für die Call-TV-Anbieter heute schon. Und ihre konkrete Umwandlung in eine Satzung, die die Grundlage bildet, um Verstöße auch mit Bußgeldern ahnden zu können, ist noch nicht halb so weit, wie er suggeriert.

„Die Landesmedienanstalten, die das Privatfernsehen beaufsichtigen, haben eine zwölfseitige Satzung für Gewinnspiele ausgearbeitet, die strenge Vorschriften enthält“, schreibt die SZ. Die nordrhein-westfälische Landesmedienanstalt LfM erklärt dagegen, weder gebe es bislang eine Satzung, noch einen Entwurf. Und den Vorentwurf, auf den sich die SZ beziehe, würden noch nicht einmal alle Landesmedienanstalten kennen.

Die SZ schreibt, in Zukunft dürfe ein Anruf bei einer Call-TV-Sendung nicht mehr als 50 Cent kosten; Anreize zum wiederholten Mitspielen und das Aufbauen nicht vorhandenen Zeitdrucks seien unzulässig. Offenbar ist der SZ nicht bewusst, dass all das längst gilt [pdf] und nur nicht mit Bußgeldern gehandet werden kann, weil ein entsprechender Passus im Rundfunkstaatsvertrag fehlt. Das holt der zehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag [pdf] nach, der am 1. September 2008 in Kraft tritt.

In der neuen Fassung des Staatsvertrags, der bereits im vergangenen Jahr von den Ländern ratifiziert wurde, gibt es einen § 8 a, in dem es heißt:

Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele sind zulässig. Sie unterliegen dem Gebot der Transparenz und des Teilnehmerschutzes. Sie dürfen nicht irreführen und den Interessen der Teilnehmer nicht schaden. Insbesondere ist im Programm über die Kosten der Teilnahme, die Teilnahmeberechtigung, die Spielgestaltung sowie über die Auflösung der gestellten Aufgabe zu informieren. Die Belange des Jugendschutzes sind zu wahren. Für die Teilnahme darf nur ein Entgelt bis zu 0,50 Euro verlangt werden (…).

Eine Satzung soll diese allgemeinen Vorgaben um konkrete Richtlinien und Vorgaben ergänzen, was genau als Ordnungswidrigkeit gilt. Doch wie der Text lauten werde, steht noch längst nicht fest — mit Sicherheit anders als der jetzige Vorentwurf, sagt Peter Widlok, Sprecher der LfM, der „substanziellere“ Änderungen gegenüber den heute geltenden Gewinnspielregeln erwartet.

Unklar ist auch, ob diese Satzung überhaupt rechtzeitig zum Inkrafttreten des neuen Rundfunkstaatsvertrages fertig wird; das ist sogar eher unwahrscheinlich. Zu dem aufwändigen Abstimmungsverfahren gehört nämlich nicht nur, dass die Gremien jeder einzelnen der 14 Landesmedienanstalten der Satzung zustimmen müssen; auch die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender müssen vorher angehört werden. Bislang gibt es nach den Worten Widloks noch nicht einmal einen Termin für diese Anhörungen.

Es ist noch ein weiter Weg, bis die Anrufsender in Deutschland tatsächlich dazu gezwungen werden, ihre Spiele fair und transparent zu veranstalten. Wenn überhaupt.

9Live zieht Konsequenzen aus 31. Juni

9Live-Sprecherin Sylke Zeidler erklärt in den Kommentaren zu diesem Vorfall:

9Live entschuldigt sich in aller Form für diesen peinlichen und in keiner Weise akzeptablen Fehler. Der Anrufer hat selbstverständlich erneut eine Chance bekommen und wird aus Kulanzgründen darüber hinaus eine Entschädigung erhalten. Außerdem gibt es personelle Konsequenzen. Das falsche Datum beruht auf einen ärgerlichen Fehler in der Produktion des Kalenders. Bedauerlicherweise scheint nicht allen – auch in unserer Redaktion – bekannt zu sein, dass der 31. Juni nicht existiert.

Mit freundlichen Grüßen
Sylke Zeidler
9Live-Sprecherin

Das Geschäftsmodell von 9Live (3)

Am 1. Juni hätte eine Anruferin bei 9live den Jackpot gewinnen können. Einzige Voraussetzung: Ihr Geburtstag hätte mit dem Datum übereinstimmen müssen, das als nächstes auf einem großen, von 9live präparierten Abreißkalender erschien. Kleines Problem: Bei dem Datum handelte es sich um den 31. Juni.

Nachdem das Forum call-in-tv.net den Fall öffentlich gemacht hatte, bekam die Anruferin ein paar Tage später immerhin eine zweite Chance.

Heute früh kam das „Geburtstagsjackpot“-Spiel wieder zum Einsatz, im von 9live produzierten „Filmquiz“ auf Kabel 1. Und mit diesem Geburtstag hätte der Anrufer gewonnen:

Nachtrag, 10. Juli. Kabel 1 bzw. 9Live haben dem Kandidaten eine zweite Chance gegeben — nicht ohne die Tatsachen zu verdrehen.

[via call-in-tv.net]