„Das Gästebuch von Alice Schwarzer soll eine Plattform zur freien Diskussion in einem offenen und freundlichem Klima sein.“
Das Gästebuch von Alice Schwarzer ist implodiert. Vor ein paar Tagen standen dort noch über 385 Einträge. Nun sind es noch 135. Verschwunden sind rund 250 Kommentare von Leserinnen und Lesern aus den vergangenen fünf Wochen. Nicht alle. Bewahrt blieb zum Glück zum Beispiel die Anfrage von Prof. Dr. Konrad Schüttauf, ob Frau Schwarzer nicht an seinem Oberseminar „Geschlechterverhältnis in der Philosophie“ im Herbst in Bonn teilnehmen möchte. Aber von der Diskussion, die um diesen Eintrag herum tobte, der Debatte um Alice Schwarzers Werbung für die „Bild“-Zeitung, davon gibt es keine Spur mehr.
Der freundliche Schulterklopfer…
„als ich ihr plakat für bild sah, habe ich mich gefreut, dass sie bei den ‚ehrlichen bedeutis‘ dabei sind“
…ist ebenso verschwunden wie der anomye Wütende…
„Glauben Sie wirklich, Gandhi hätte sich für soetwas hergegeben, nur, damit beispielsweise ein Inder in dieser Reihe auftaucht? Schmutzig!“
…der Metaphorische…
„Diese Werbeaktion hat mitunter ganz offensichtlich die Aufgabe allen Bild-Kritikern ins Gesicht zu spucken. Sie spucken jetzt mit (und gegen den Wind)“
…ebenso wie der Enttäuschte…
„Frau Schwarzer, ich kann nicht glauben, dass Sie Werbung für die BILD-Zeitung machen. Es ist unbegreiflich und traurig.“
…die Moralische…
„Wenn ich lese ‚Das Honorar geht direkt an drei Projekte, die muslimischen Mädchen in Not helfen‘, dann hoffe ich, dass einige dieser Mädchen den Stolz haben, Ihre Unterstützung zurückzuweisen.“
…und der Begeisterte:
„Gerade bei Bild, gerade bei diesem Publikum, gerade dort, wo man Gegner vermutet, müssen Sie doch Überzeugungsarbeit leisten! Wer nur Freundschaftspiele bestreitet und bei Heimspielen punktet, kommt nicht in die erste Liga.“
Die kritischen, empörten und enttäuschten Stimmen waren deutlich in der Mehrheit, und gelegentlich meldete sich die Redaktion, von der alle Kommentare erst freigegeben werden müssen, und wies darauf hin, dass man auch „sehr harsche Kritik“ veröffentliche, aber eine Grenze ziehe bei „persönlicher Diffamierung oder Verleumdung“.
Aber Frau Schwarzer hatte wohl keine Lust mehr, das zu lesen. Oder kein Interesse mehr, dass andere das lesen können. Sie hat jeden Hinweis auf die „Bild“-Werbe-Debatte in ihrem Gästebuch wortlos gelöscht.
Auf meine Bitte um eine Erklärung antwortete mir Angelika Mallmann, Chefin vom Dienst von „Emma“:
Lieber Stefan Niggemeier,
wie schön, dass Sie die Seite von Alice Schwarzer mit einer solchen Aufmerksamkeit verfolgen! Sie fragen, warum die Kommentare zur Bild-Werbung nicht mehr drin sind. Ganz einfach: weil sie passé sind. Das Ereignis hat vom 10. bis 16. Juli stattgefunden — die Kommentare dazu waren bis zum 10. August auf der Homepage von Alice Schwarzer, also einen Monat lang.
Nun kommen neue Themen. Wir freuen uns schon auf Ihre Anfragen dazu.
Lustig.
Und bevor jetzt jemand „Zensur!“ schreit: Natürlich hat Alice Schwarzer das Recht dazu, mit ihrer Homepage zu machen, was sie will. Sie kann sich sorgsam exakt das Gästebuch zusammenklöppeln, das sie gerne hätte. Und sie kann so tun, als hätte ihre Werbeaktion keine Kritik hervorgerufen, sondern nur zu einem einzigen, positiven Zeitungsbericht geführt, den sie natürlich nach wie vor auf ihrer Homepage dokumentiert.
Männer dürften sowas ja auch, hat sie laut „Süddeutscher Zeitung“ über ihre „Bild“-Werbung gesagt. Nur die Frauen müssten immer moralisch wie „Jeanne d’Arc rumlaufen“.