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So wird „Unser Song für Malmö“


Alle Fotos: NDR

Die ARD hat komische Ideen. Sie veranstaltet heute Abend einen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest und hat viele Zutaten, die einen unterhaltungswilligen und nicht zwingend auf guter Musik bestehenden Zuschauer gefallen können: eine strenge blonde Frau in Glitzersteinbluse, die sich in eine lebende Diskokugel verwandelt; drei Priester, die gemeinsam mit einer klassischen Sängerin einen Vorgeschmack auf die Knödelvorhölle geben; barfüßige Bayernbuam in Lederhose, die den Saal wegblasen.

Aber bis dieses Spektakel anfängt, lässt sie erst einmal Loreen auftreten mit ihrem letztjährigen Siegertitel „Euphoria“ – okay, kann man machen, ist auch ganz hilfreich, um dann den späteren plumpen Versuch von Cascada, unter dem Namen „Glorious“ den erfolgreichen Song einfach nochmal in plattgestampfter Form in den Wettbewerb zu schmuggeln, besser würdigen zu können.

Dann folgt ein Auftritt von Lena Meyer-Landrut, die den Wettbewerb, um den es hier geht, offenbar mal gewonnen hat. Sie singt einfach noch einmal ihren inzwischen drei Jahre alten Hit „Satellite“, was man ja nicht oft genug machen… naja, obwohl.

Und dann kommt, um auch die letzten Zuschauer dazu zu bringen, mal zur Fernbedienung zu greifen und nachzuschauen, was auf den anderen Kanälen läuft, noch eine längere Erklärung, was das eigentlich ist, dieser „Eurovision Song Contest“, was Udo Jürgens damit zu tun hat, wie dieser Song „Satellite“ nochmal klingt, wo Malmö liegt und wie die Halle aussieht, in der der Wettbewerb in drei Monaten stattfinden wird.

Aber dann, schätzungsweise um kurz nach halb neun, gefühlt eher gegen 22:40 Uhr, geht es los, und was folgt, ist eine abwechslungsreiche Show, bunt und bekloppt, aber auch erstaunlich erwachsen, musikalisch zeitgemäß und mit vielen Kandidaten, für die man sich als deutsche Vertreter beim Eurovision Song Contest nicht schämen müsste.

Einen Hype oder eine heftige Aufmerksamkeitswelle des Boulevards gibt es in diesem Jahr nicht, aber das spricht paradoxerweise gar nicht gegen die Veranstaltung. Es ist eher Folge davon, dass die ARD darauf verzichtet hat, sich von der Musikindustrie einen Rudolf Moshammer oder Zlatko Trpkovski in die Show schicken zu lassen, sondern eher tatsächlich interessante Nachwuchstalente. Die Frage ist natürlich, wieviele Leute eine Show einschalten, die sich so vergleichsweise unauffällig ankündigt.

Für die meisten Künstler ist es eine sehr ernst gemeinte Chance, sich einmal zur Prime-Time einem größeren Publikum mit ihrer Musik bekannt machen zu können. Aus den Vorstellungsfilmen vor ihren Auftritten kann man manchmal die Verspanntheit erahnen, die aus dem Bemühen entsteht, diese Chance bloß zu nutzen.

Die österreichische Soul-Sängerin Saint Lu schafft es, sich in den eineinhalb Minuten um sämtliche noch nicht gehabten Sympathien zu reden, was aber nicht sehr schadet, weil ihr affektierter Auftritt mit überaus durchdringendem Gesang kurz darauf zumindest bei mir einen ähnlichen Effekt hatte.

Die Söhne Mannheims haben einen Film gedreht, der so breitwandig und breitbeinig daher kommt, dass mein Ironiedetektor im Gehirn die ganze Zeit aufgeregt flackerte, bis zuletzt aber zu keinem eindeutigen Ergebnis kam, was zu einem leicht hysterischen Kichern führte.

Der Elektropopper Ben Ivory immerhin lässt in seinem Selbstportrait keine Frage, dass er Formulierungen wie „Selbst ein einziges Lied kann Mauern einreißen“ bierernst meint. Offenbar ist auch die Botschaft seines Songs „We are the righteous ones“ exakt so gemeint: Wir sind die Rechtschaffenen. Puh. Aber tolle Lasershow dann.

Die leicht folkpoppige Nummer „Little Sister“ von Mobilée war im Vorfeld einer meiner Favoriten, aber es spricht wenig dafür, dass die Sängerin ausgerechnet in der Finalsendung dann mal die passende Tonart findet und in ihr bleibt.

Mein persönlicher Favorit ist, auch zu meiner eigenen Überraschung, „Heart on the Line“ von Blitzkids mvt. geworden, eine Großraumdiskonummer, die in der Halle mit entsprechendem Wumms fantastisch kommt, sich aber vermutlich über den Fernseher nur überträgt, wenn man die Lautstärke voll aufdreht. Die Künstlerattitüde der Gruppe ist vielleicht ein bisschen angestrengt, aber ihr Auftritt ist großes Kino.

Betty Dittrich singt einen Sechziger-Jahre-Schlager, der so eingängig ist, dass man ihn schon nach drei Sekunden mitsingen kann und dafür drei Tage nicht mehr aus den Ohren bekommt. Ihr „Lalala“ ist von größter Banalität, aber diese Schlichtheit kommt mit soviel Charme und guter Laune daher, dass ich mir vorstellen kann, dass das ganz vorne landet.

Cascada und die Söhne Mannheims müssen wohl schon aufgrund ihrer großen Zahl von Fans — leider — als Mitfavoriten gelten. Und dann sind da noch LaBrassBanda, nach deren Auftritt in der Generalprobe Grand-Prix-Superexperte Lukas Heinser sowie Imre Grimm, der Lena-Sonderbeauftragte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, spontan einen Sieg vorhersagten. (Ich hab dagegen gehalten, was beide lachend als Bestätigung nahmen, richtig zu liegen.)

Jedenfalls, LaBrassBanda. Das wäre wunderbar, diese Musik-Verrückten ins internationale Finale zu schicken, ich wäre prinzipiell dafür, und die Arena in Hannover wird ganz sicher brennen nach ihrem Auftritt. Ich werde nur leider mit ihrem nervigen Song überhaupt nicht warm.

Mia Diekow singt ein Lieblingslied, das von Frank Ramon geschrieben worden sein könnte (und ich meine das nicht im Positiven). Sie trägt es in einer Choreographie vor, die von Ralph Siegel stammen könnte. Das will man auch nicht.

Und „Change“ von Finn Martin könnte ein ganz okayer Popsong sein, würde er nicht von diesem Grinsepeter vorgetragen, dessen Haare allein mir eine faire Bewertung schon unmöglich machen.

Über Nica & Joe möchte ich bitte nicht reden, weil ich mich dazu wieder an den Auftritt erinnern müsste, und bei den Priestern & Mojca Erdmann ist meine größte Sorge, dass es irgendwelche Rammstein- oder gar Unheilig-Fans in größerer Zahl geben könnte, die dafür stimmen.

Ich habe keine Ahnung, wer gewinnt, lege mich aber jetzt einfach mal fest:

1. Betty Dittrich
2. Cascada
3. Söhne Mannheims
4. LaBrassBanda
5. Finn Martin
6. Blitzkids mvt.
7. Mobilée
8. Saint Lu
9. Die Priester & Mojca Erdmann
10. Mia Diekow
11. Nica & Joe
12. Ben Ivory

Der eigentliche Gewinner des Abends wird aber mal wieder Anke Engelke sein. Der größte Teil der medialen Aufmerksamkeit im Vorfeld galt ihr, der Moderatorin, und die Show wird zeigen: völlig zurecht. Sie hat sich mit einer solchen Lust, Leidenschaft und Leichtigkeit durch die Generalprobe moderiert, dass sie sich hinterher hoffentlich vor Show-Angeboten nicht retten kann, die sie nicht ablehnen kann.

Also, wenn ich nicht in der Halle säße: Ich würd’s einschalten. Und das wirklich nicht nur aus Gründen der Konträrfaszination.

  • Unser Song für Malmö, gleich, 20.15 Uhr, ARD.

(Ich werde versuchen, aus der Halle zu twittern: @niggi)

Warum Anke Engelke keine Shows mehr moderieren will — und es jetzt doch macht

Anke Engelke moderiert in diesem Jahr den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest. Am Montag hatte ich die Gelegenheit, ihr telefonisch ins Gewissen zu reden.

Stimmt es, dass du total überredet werden musstest, den Vorentscheid zu moderieren?

Anke Engelke: Ja, das stimmt.

Warum?

Ich fand den Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf so schön, schöner geht es nicht. Als mir im Jahr danach der Vorsitz der deutschen Jury angeboten wurde, dachte ich sofort: „Logo, das wollte ich immer schon mal machen!“ Das ist doch eigentlich das perfekte Doppelpack. Da hätte man gut sagen können: Das war so schön, das reicht jetzt. Andererseits habe ich sehr ernst genommen, dass da ein paar Leute waren, die gesagt haben, sie wünschen sich so sehr, dass ich das mache.

Es heißt, dass du grundsätzlich ungern Fernsehshows moderieren willst.

Ich hasse das.

Warum?

Ich hasse das, weil ich das nicht kann. Hallo? Können wir mal kurz über „Anke Late Night“ sprechen?

Das ist doch überhaupt nicht vergleichbar. Wenn du heute eine Fernsehshow moderierst, sagen hinterher alle: War das fantastisch! Und wenn du’s nicht machst, sagen alle: Kann die das bitte wieder machen!

Aber ich hab’s doch gemacht. Ich habe es 78 mal gemacht. Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Seit einigen Jahren mache ich nur noch Sachen, die ich wirklich will und die ich selber mag. Es muss live sein, das ist schon mal eine wichtige Bedingung. Nehmen wir mal die Berlinale-Eröffnung, die ich jetzt wieder moderiere. Guckt scheinbar kein Mensch, da fühle ich mich sehr sicher, internationales Publikum, ich darf auf englisch moderieren und Witze machen. Kosslick ist ein Spitzenentertainer, er ist unberechenbar und der braucht mich ein bisschen als Stütze, weil ich den Ablauf kenne. Den European Film Award moderiere ich, der ist auch durchgeschrieben, aber auch da kann alles schiefgehen und ich muss mein Zeug können und spontan reagieren. Ich habe bei der letzten Berlinale mit Jury-Mitglied Jake Gyllenhaal gesprochen, der hat vorher nur gesagt: „Ich habe keinen Bock auf ein Interview. Stell mir ne Frage, deren Antwort fünf ist.“ Dann mach ich das, das war super. Aber wie oft hast du das, dass da einer ist, bei dem du denkst: Der versteht mich, und ich versteh den, und der will nicht groß reden, aber der hat Bock auf Spaß — machen wir jetzt einfach mal.

Aber das heißt, wenn wir jetzt einen Aufruf machen: Wir brauchen das richtige große Fernsehshow-Format für Frau Engelke, das live ist, eventuell auf englisch und du darfst dir noch drei bis sieben Sachen wünschen, dann würde da noch was gehen mit der Moderatorenkarriere?

Machen wir uns nichts vor: Das war eigentlich die Prämisse bei der Late-Night. Da hat mein Produzent Jörg Grabosch vorher auch gesagt: Anke, was willst du? Aber dann kamen halt von außen immer mehr Einwände: Nee, das wollen die Leute nicht, Quote, Achtung, nehmt bitte nicht soviel Musik, nicht soviel Talk, und wenn der Vater von Michael Jackson kommt, darfst du ihn das und das aber nicht fragen.

Aber das ist ja hundert Jahre her mit dieser komischen Late-Night-Show und überhaupt nicht vergleichbar! Reden wir lieber über den Vorentscheid. Was hast du da für ein Gefühl? Geht es nach dem Hype um Lena und dem Ende der Casting-Euphorie nun wieder in die Mühen der Ebene?

Ich sehe das als große Möglichkeit und als Abenteuer. Das ist wie Reset, von Null. Ich finde das richtig. Ich bin kein Stratege, ich kenn mich mit Show – wie bereits erwähnt – nicht aus. Aber ich finde es ganz richtig, jetzt das Casting-Prinzip zu verlassen. Ich hatte erst ein bisschen Angst, dass dadurch, dass die Plattenfirmen da mitentschieden haben, es zu sehr aufs rein Kommerzielle fokussiert ist. Aber die Mischung ist ganz gut gelungen. Ich habe den Eindruck bei den Kandidaten, dass da auf Musik geachtet wurde und darauf, verschiedene Genres zu haben. Es sind zwei oder drei Songs dabei, wo ich glaube, da hat sich jemand überlegt: Was ist ein Eurovision-Song? Es sind Songs dabei, die sagen: Nee, kein Bock, das machen wir ganz anders. Und es sind Songs dabei, die einfach für sich selbst stehen. Das finde ich als Mischung gut.

Hast du etwas Besonderes geplant für die Show?

Nein, das möchte ich nicht. Der Fokus soll auf den Kandidaten liegen. Und Lena und Loreen sind da, das finde ich total sexy.

Du machst nur die Ansagerin.

Ja. Ich habe Lust auszuprobieren, ob man eine anspruchsvolle Show machen kann, die keine Angst vor Entertainment hat. Ich bin auch gespannt, ob es funktioniert, dass es diese Drittelaufteilung in der Abstimmung gibt zwischen Jury, Fernsehpublikum und Radiohörern. Ich weiß für mich persönlich noch nicht genau, wie ich diese Aufteilung finde. Mal sehen.

Und du hast jetzt, nachdem du dich lange geziert hast, die Moderation für zehn Jahre zugesagt.

Neee, ich muss doch erstmal gucken, ob mir das gefällt!

„Unser Song für Malmö“, 14. Februar, 20.15 Uhr, Das Erste.

„We are people with sand and we draw the sand“

Ich habe mich ja vergangene Woche neu in Anke Engelke verliebt. Und auf YouTube ist vor ein paar Tagen ein Video aufgetaucht, das einen Grund dafür zeigt.

Es sind Aufnahmen vom Ende der Generalprobe fürs Finale des Eurovision Song Contest. In der (zufälligen) Punktevergabe hatte der sandige Beitrag aus der Ukraine gewonnen. In der Probe übernahm Frau Engelke nun kurzerhand den Part, den Siegertitel noch einmal vorzutragen:

[Nachtrag, 23. Mai: Der NDR hat das Video anscheinend löschen lassen.]

Übrigens hatte die ARD dann glücklicherweise doch nicht die komplette Berichterstattung über den Grand-Prix an das Vertretungspersonal am Brainpool-Fließband ausgelagert. Versteckt am späten Sonntagabend im NDR-Fernsehen lief eine angenehm klassische Reportage.

Anders als die Leute, die für das schlimme Vorabgetöse verantwortlich waren und offenbar verzweifelt versucht hatten, irgendetwas aus dem Grand Prix zu machen, hatten die Filmemacher Andreas Ammer und Anke Hunold gemerkt, dass die Veranstaltung ein solches Übermaß an Stoff hergibt, dass es genügt, dabei zu sein, zuzusehen, mitzugehen, nachzufragen. Hier gibt es (für Duslog-Gucker) ein Wiedersehen mit Florian Wieder, der Estin, dem Finnen und natürlich Lena. Die Episode mit dem estnischen Silhouettenkrempel auf der Bühne wird in schöner Ausführlichkeit erzählt (und weitere wunderbar alberne Momente mit Anke gibt es auch):

Endlich: BILDblog-Spot als Kauf-DVD!

Für Millionen BILDblog-Fans geht ein Traum in Erfüllung: Der Kult-Spot aus dem Internet und aus der Fernsehwerbung längst halb abgewickelter Sender ist ab sofort als DVD im gut sortierten Fachhandel käuflich zu erwerben.

Die Doppel-DVD mit dem ungekürzten BILDblog-Werbespot „Jede Lüge zählt“ mit Anke Engelke und Christoph Maria Herbst (Buch: Chris Geletneky, Regie: Tobi Baumann) kostet im Online-Handel nur 17,95 Euro. Als Bonus-Material enthält sie die komplette vierte Staffel der beliebten Sat.1-Sketch-Comedy „Ladykracher“.

Das Cover scheint aber kurz vor der Veröffentlichung leider noch geändert worden zu sein:

[Alternativcoverentwurf: Alexander Svensson]

Anke Engelke

Sie wird uns enttäuschen. Auch Anke Engelkes Late-Night-Show wird Deutschland nicht retten. Aber vielleicht ein paar Fernsehabende.

„Was dürfen wir erwarten von der Show, Frau Engelke?“

„Ich werde Sie unterhalten.“

„Mehr nicht?“

„Ich finde das eine ganze Menge!“

Wie süß. Ja, nein, Frau Engelke, das reicht natürlich nicht. Es ist ein bißchen schwierig, in all den Veröffentlichungen vor dem Start von „Anke Late Night“, den Kommentaren und Essays, Warnungen und Ratschlägen den Überblick zu behalten, aber eines erwarten sie alle: Bedeutung. „Sie soll so witzig sein wie Harald Schmidt und zugleich so bedeutsam werden“, hat die Zeitschrift „Cicero“, jener neue selbsterklärte Hort der elitären Debatte, formuliert. (Und natürlich hinzugefügt, daß ihr das nicht gelingen wird, denn für Schmidts Strategie sei sie weder gebildet noch geistreich genug.) Das „Amt des Hofnarren“ sei seit Schmidts Abschied verwaist, jenes „unersetzliche Regulativ zum tauben Ernst der politischen Klasse“. Grundgütiger: Mit Deutschland geht es bergab, und nun ist auch noch ein unersetzliches Regulativ-Amt verwaist, und die einzige Kandidatin für die Nachfolge ist offensichtlich ungeeignet.

Der Kölner Medienprofi Lutz Hachmeister hat gesagt, „Engelke ist keine Leitfigur für Halb-Intellektuelle“, was zweifellos stimmt, von der Nachrichtenagentur dpa aber als Kritik an der Wahl der Entertainerin interpretiert und von Kollegen gleich abgeschrieben wurde. Wenn es etwas gibt, das wir wirklich ganz besonders dringend brauchen in diesem Land, ist es ja eine Leitfigur für Halb-Intellektuelle.

Sat.1 darf sich über die verquaste Debatte nicht beklagen: Der Sender beteiligt sich munter am Spiel und belastet die Show mit Gewicht. „Anke Late Night“ werde das Forum, in dem Angela Merkel ihre Kanzlerkandidatur bekanntgeben könnte, träumte der frisch gekürte Geschäftsführer Roger Schawinski. Seine Sprecherin beharrt auf Nachfrage darauf: Nein, es reiche eben nicht, viermal die Woche am späten Abend eine Sendung zu machen, die so unterhaltsam sei, wie es Engelkes Sketchshow „Ladykracher“ war. „Anke Late Night“ müsse – gerade in der ersten Zeit – Schlagzeilen machen, brisant sein, Agenturmeldungen produzieren.

Jawohl: Bedeutung haben.

Da ist es kein Wunder, daß am vergangenen Freitag zwei Stunden lang die Journalisten, denen Anke Engelke im Zehn-Minuten-Takt Telefoninterviews gibt, alle die gleichen Fragen stellen (bis auf den einen, der fragt, was sie gerade anhat): Ist sie nervös? Wie kommt sie mit dem Druck klar? Sind die Erwartungen nicht zu hoch, die Fußstapfen zu groß? Anke Engelke wird nicht müde, falsch: sie wird müde, zu wiederholen, sie sei überhaupt nicht nervös, wirklich nicht, sie spüre diesen Druck nicht, das sei nicht ihr Druck, sie freue sich einfach auf die Sendung. Politik? Bedeutung? Hallo? – „Es soll eine unterhaltsame Stunde werden.“

Seit Wochen planen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich, was für eine Sendung sie machen würden, wenn sie schon eine Sendung machen würden, auf dem Papier und am Telefon, weil die Engelke noch in Griechenland war, um mit Dietl einen Film zu drehen. Vergangene Woche haben sie dann drei Sendungen produziert, zur Probe, aber mit Publikum und prominenten Gästen, wie eine richtige Sendung, in den Studios der Firma Brainpool in Köln-Mühlheim, nicht weit von dem Ort, an dem auch Sie-wissen-schon-wer jeden Tag Sie-wissen-schon-was aufgenommen hat. Und was herrscht da? Atemlose Spannung? Fiebrige Ruhe? Nervöse Hektik? Nichts von alledem. Ausgerechnet dieser Ort, an dem diese wichtige Sendung entsteht, scheint der einzige zu sein in Deutschland, wo sich die Menschen nachts nicht schlaflos im Bett wälzen und grübeln: Ob das was wird?

Bei der dritten Probesendung sitzen Dutzende Fotografen und die gesamte Medienjournalistenmeute im Publikum, der Senderchef ist da und der Unterhaltungschef, aber das Gefühl, einem Event beizuwohnen, verliert sich, sobald man den Blick auf die eigentlichen Macher richtet. Wenn hier Geschichte geschrieben würde, müßte sich das anders anfühlen. Ja, Gott, das hat es noch nie gegeben, weltweit nicht, daß eine Frau eine Late-Night-Show moderiert, aber erstens kann „die Anke“ das, und zweitens ist das ja nicht die erste Late-Night-Show, die wir hier auf die Beine stellen (die Geschichte reicht zurück bis zur selig vergessenen „RTL Nachtshow“ mit Thomas Koschwitz vor zehn Jahren).

Das fast kuschelige Wohlgefühl hier ist der denkbar größte Gegensatz zu der Hysterie draußen, und interessanterweise trifft das auf den Inhalt der Show genauso zu. Zunächst einmal ist man überhaupt verblüfft, festzustellen, daß es sich nur um eine Fernsehsendung handelt und nicht die Weltrevolution und daß es sich bei der Moderatorin nicht um eine obskure Frau Engelke handelt, die gerade vom Himmel gefallen oder aus einem Offenen Kanal gekrabbelt ist und deshalb den Lesern in Dutzenden Portraits erst mal vorgestellt werden mußte, sondern tatsächlich um jene Frau Engelke, die einst im Kinderprogramm neben einem Hund und einem Vorstadtrocker als altkluges dickliches Mädchen (unangenehm) auffiel und auch in den 25 Jahren darauf dem ein oder anderen Zuschauer schon begegnet sein könnte.

Sie hat eine klassische Late-Night-Show-Dekoration mit einer Skyline, die von Klinkern und Stahlträgern eingerahmt wird. Sie hat eine klassische Late-Night-Show-Band (mit ihrem Lebensgefährten als Bandleader und persönlichem Beistand, der aber, wie sie sagt, wenn es erst mal gut läuft, gegen einen richtigen Musiker ausgetauscht wird). Und sie hat einen nicht ganz so klassischen Schreibtisch, stylisch, „funky“, wie ihr Produzent sagt, geschwungen in weiß und orange, ein bißchen, als wäre er von Apple, und daneben ein hellgraues Sofa, das flauschig aussieht, aber nicht sehr gemütlich.

Sie tritt auf als Anke Engelke, was ganz schön ist im Vergleich zu Harald Schmidt, der erst als David Letterman auftrat und später als „Harald Schmidt“, sagt „Hallo zu Hause“ und muß sich dann leider als erstes in ein altes Korsett zwängen, das ihr nicht paßt, das zwickt und kratzt: Die obligatorische Stand-up-Nummer, mit naheliegenden Einzeilern zu dem, was heute so passiert ist, auch Politischem. Sat.1-Chef Schawinski ist darauf besonders stolz, schwärmt von der wichtigen „Tagesaktualität“ und hat das Wort „Bedeutung“ schon wieder groß auf der Stirn stehen, dabei kann man diesen Teil, zumindest in den ersten Wochen, bis sie eine eigene Haltung gefunden haben wird, getrost verpassen.

Einige Einspielfilme gibt es, mal mit Puppen, mal mit den Schwarz-Weiß-Frauen aus „Ladykracher“, mal mit mittellustigen Straßenumfragen, mal mit Engelke, die sich in Charlotte Roche verwandelt und dann Charlotte Roche interviewt, was so gut ist, daß es nicht nur für Charlotte Roche beunruhigend wirkt.

Aber das eigentliche Gefühl, daß diese Show eine werden könnte, auf die man sich freut, entwickelt sich, wenn man Anke Engelke im Talk sieht. Außer dem Talent, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, hat sie das Talent, mit Menschen zu reden. Sie ist aufmerksam, achtet auf Stimmungen, reagiert spontan auf das Publikum, läßt Situationen eskalieren und in ungeahnte Richtungen entwickeln und holt sie mit einem Witz, einem Themenwechsel oder auch einer Pause vom Abgrund zurück. Das Geheimnis dieser Gespräche ist es, gerade nicht bedeutungsvoll sein zu wollen. „Sabine Christiansen“ ist bedeutungsvoll, „Beckmann“ ist ein Bedeutungsvampir, der alles Gewichtige aus seinen Gästen heraussaugt, bei Johannes B. Kerner strotzen sogar die Präpositionen in den Sätzen, mit denen er seine Gäste vorstellt, vor Relevanz. Und was will Anke Engelke? Scheinbar fast nichts. Die Leute sollen sich wohl fühlen, nicht nervös sein. „Das Unverstellte will ich sehen. Es gibt in jeder Minute drei, vier Momente, die spontan sind und schön.“

Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn etwa habe in der Pilotsendung nichts „bekanntgegeben“, sagt Engelke. „Die war am Anfang total verkrampft; dann haben wir erst mal ein paar Erdbeeren zusammen gegessen.“ Danach haben sie über ihre „Ex“-Männer gesprochen, den Wolfgang Clement und den Johannes Rau, und die Höhn hat erzählt, daß der Clement schon mal mit Aktenordnern geworfen hat.

Der Hockeyspieler Florian Kunz ist in einer Pilotsendung zu Gast, ein Mann, der nicht vor Witz sprüht, ein Thema, das keinen besonderen aktuellen Anlaß hat, ein Sport, den Frau Engelke zeitweise mit Eishockey verwechselt und auch danach noch vom „Puck“ spricht. Es ist, so gesehen, das bedeutungsloseste Gespräch der Welt, aber zuzusehen, wie sie ihn nach der „albernen“ Laufposition befragt, nach Rückenschmerzen und daß er dann ja wohl gut staubsaugen könne, und er allmählich auftaut und davon erzählt, daß er frisch gewonnene Pokale mit ins Bett nimmt, ist angenehm – weil man das Gefühl hat, daß das Gespräch offen ist, ohne Fragenkärtchen, die abgearbeitet werden, ohne Zwang, nachher was an die Agenturen geben zu können. (Roger Schawinski hat den Reiz leider nicht verstanden und hinterher erklärt, unter echten Bedingungen hätte man so einen Gast natürlich nur eingeladen, wenn er gerade die Goldmedaille gewonnen hätte.)

Wenn alles gutgeht, könnte „Anke Late Night“ diese kleinen Momente des Fernsehglücks zaubern, wie man sie gelegentlich bei ihren Kolleginnen Barbara Schöneberger, Christine Westermann oder Charlotte Roche und auch bei Wigald Boning erlebt. Momente, in denen es scheinbar um nichts geht, die aber auch kein sinnloses Geblubber sind, weil der Zuschauer für einen Augenblick das Gefühl bekommt, nicht einem Ritual beizuwohnen, sondern Menschen zuzusehen, zwischen denen etwas passiert. Die sich öffnen und selbst nicht wissen, wohin sich das entwickelt. Wenn dann wirklich die Merkel vorbeikäme, wüßte man zwar hinterher wahrscheinlich immer noch nicht, ob sie Kanzlerkandidatin wird, hätte aber vielleicht ein Gefühl dafür bekommen, ob sie Humor hat und wie sie reagiert, wenn ihr ihre eigene Parodie gegenübersteht.

Vielleicht sehnen sich ja die Zuschauer nach solchen Augenblicken: nach so was wie Ehrlichkeit oder auch nur Unberechenbarkeit in einem Fernsehprogramm, das so vollständig erstarrt ist, daß man selbst bei Live-Sendungen die Texte mitsprechen kann. Aber um dieses Bedürfnis befriedigen zu können, muß eine Sendung leise sein, fast unscheinbar und kuschelig wie „Blondes Gift“ oder „Zimmer frei“. „Anke Late Night“ könnte uns womöglich viermal die Woche für eine Stunde mit dem Fernsehen versöhnen. Aber dafür müßte die große Show klein sein dürfen.

Daß man sie läßt, ist kaum zu erwarten.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Und hat sich doch an nichts gewöhnt

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Anke Engelke könnte heute für „Ladykracher“ den „Emmy“ gewinnen, aber trotz ihres Erfolgs ist sie erstaunlich dünnhäutig geblieben.

Wenn man Anke Engelke begleitet, ist das erste, das man lernt, daß es so etwas wie Routinetermine nicht gibt. Ein paar Minuten fürs Jugendradio, mit kaum mehr Inhalt, als daß sie da war: Was soll da schiefgehen? Nun, was das letzte Mal schiefging, war dies: Moderatorin und Interviewte waren so unterschiedlicher Meinung, was eine „witzige“ Idee mit einer „spontanen“ Anke wäre, daß das Gespräch nur in einer um alle Varianten des akustischen Sich-an-den-Haaren-Ziehens gekürzten Rumpfform ausgestrahlt werden konnte. Diesmal fragt ein Kollege: „Welche Figur aus ‚Ladykracher‘ ist dir am liebsten?“ Und Anke Engelke antwortet: „Natürlich habe ich keine Lieblingsfigur, klar. Aber das wäre eine langweilige Antwort, deshalb denke ich mir immer, wenn ich das gefragt werde, einfach eine aus. Dir also antworte ich heute …“

Was für eine Zicke. Es müßte ein Traum sein, jemanden wie Anke Engelke als Gast im Studio zu haben. Jemanden, der lustig ist, jung und lange selbst Radio gemacht hat, damals bei SWF 3. Häufiger ist es ein Albtraum. Weil sie weiß, wie es geht, hat sie genaue Vorstellungen, was geht, und nicht immer den Gleichmut, den anderen das durchgehen zu lassen, was nicht geht. Einer unbedarften jungen Boulevard-Häppchen-Sammlerin, die sie bei einer Veranstaltung anspricht, ohne sich vorzustellen, flötet sie entgegen: „Ich habe Ihren Namen nicht verstanden?“ Und fügt dann fies hinzu: „Ach Sie — ich habe schon viel von Ihnen gehört.“ Das ist erstaunlich viel Gefühlswallung (und sie kann sich über solche Situationen noch Tage später in Rage reden) für eine, die so lange im Geschäft ist und doch längst einen Weg gefunden haben müßte, auch dessen lästige Seiten zu ertragen. Anke Engelke ist dünnhäutig. Gerade weil sie so professionell ist, weil die lustige Frau ihren Job so ernst nimmt, sich in Sachen reinhängt, ärgert sie sich maßlos, wenn andere in ihren Augen weniger professionell sind.

Beim Deutschen Fernsehpreis, für den sie mit zwei Sendungen nominiert war, ist sie extra zweimal über den roten Teppich gelaufen: Einmal mit Olli Dittrich von „Blind Date“, einmal mit dem Ensemble von „Ladykracher“. Hat die Kolleginnen in den Arm genommen, immer wieder die strahlende Komödiantinnen-Pose eingenommen, für den Fotografen-Pulk auf dieser Seite, jaaaa!, für den Fotografen-Pulk auf der anderen Seite, jaaaa!, endlos. Das Bild stand dann zwar in den Zeitungen, aber den Redakteuren war entgangen, mit wem sie da posierte. „Anke Engelke kam allein“, schrieben sie, „hatte sich aber ein paar Freundinnen mitgebracht.“ Klasse.

Nur: Darf man sich als erfolgreicher Star noch über so was aufregen?

„Ich fühlte mich so gezerrt von den Fotografen“, sagt Anke Engelke, „wie ein Tier, das gezähmt werden sollte. Das war so entwürdigend. Wenn Günther Jauch vorbeigekommen wäre, das wäre meine Chance gewesen, durchzuatmen. Dann wären sie alle mit einem Schritt weg gewesen. Das wäre aber auch das Tragische gewesen: Ich hätte gemerkt, daß ich denen eigentlich völlig egal bin.“ Vielleicht macht diese Empfindsamkeit gegenüber Offensichtlichem einen Teil ihrer Beliebtheit aus. Aber es klingt sehr, sehr anstrengend.

Man muß dabeigewesen sein, bei einer dieser Veranstaltungen, wo ein Dutzend Journalisten mit einem Promi in einem Konferenzraum sitzen. Vorher wird die neue Serie gezeigt, dann sagt der Pressesprecher, jetzt sei Gelegenheit, Fragen zu stellen — nur nichts Privates, das sei tabu. Die meisten Journalisten interessieren sich nicht fürs Fernsehen. Sie wollen wissen, ob die Ehe der Prominenten wirklich kaputt ist, was sie an diesem jungen Komiker findet, wer sich nun um das Kind kümmert. Sie finden immer neue Varianten, scheinbar beruflich zu fragen („Findet Herr Ruf die Serie toll?“), ernten nur Schweigen und fragen immer weiter. Wer würde aus einer solchen Veranstaltung nicht herausgehen und sie alle verfluchen, pauschal und ungerecht, das ganze elende Pack?

Sie macht nicht mehr diese Presserunden. Notfalls, wenn eine Sendung PR braucht, gibt es Telefongespräche. Jeder zehn Minuten, nichts Privates, bitte, danke. Wer sie auf Fakten anspricht, die er aus alten Interviews kennt, läuft Gefahr, als Antwort zu bekommen: „Ach, das hab‘ ich doch nur so dahingesagt, das war nicht ernst gemeint.“ Das ist vielleicht ein naheliegender Reflex auf eine Medienwelt, die von ihren Protagonisten dauernd Kommentare verlangt, und doch wirkt es wie eine Verletzung der Spielregeln. Als die Journalisten vor zwei Jahren in ihrem Privatleben wühlten, auch ganz konkret in ihrer Mülltonne, hat sie Harald Schmidt gefragt. Der sagte: „Erzähl den Leuten nicht, was du zum Frühstück ißt, sondern behaupte irgendwas.“ Er selbst sage fröhlich, er trinke Orangensaft, obwohl er Orangensaft hasse. „Ich hab‘ gesagt: ‚Das kannst du doch nicht machen!‘ Und er: ‚Du mußt das machen.‘ Er hat mich richtig gewarnt: ‚Du bist viel zu ehrlich.'“ Hat er recht? Sie macht ein nachdenkliches Mmmh. Es gibt Hunderte Interviews mit Anke Engelke, aber man hat immer weniger das Gefühl, darin etwas von einer „echten“ Anke zu finden. Sagt sie den Leuten nur noch, was sie hören wollen? „Ja. Das ist nicht zynisch gemeint. Aber bestimmt bediene ich das. Ich kann ja nicht erwarten, daß die Leute mich freitags sehen und mögen und sich samstags nicht dafür interessieren sollen, was für Kleider ich einkaufe.“

Würde man eine Aufnahme vom Verlauf ihrer Karriere machen, hörte sie sich übersteuert an; als hätte jemand den Regler zu weit aufgedreht, so daß alle Höhen und Tiefen gleich in den roten Bereich ragen. Sie war nicht einfach ein frisches Talent in der „Wochenshow“, sie wurde zum Superstar geschrieben. Heute stellt sie selbst die Frage, für die sie Journalisten früher gehaßt hat, ob der Erfolg nicht vor allem daran lag, daß sie eine Frau ist und es so wenig Frauen gab, die Comedy machten. Ihre „Ricky“ jedenfalls, sagt sie, sei so gut nicht gewesen, die Aufregung zu rechtfertigen. Der Hype war ihre Chance und ein Fluch, als den Boulevardblättern ihre Privatgeschichten nicht gefielen und die wunderbare Serie „Anke“ über eine depressive Talkshow-Moderatorin beim Publikum durchfiel und sie weiter grell malten, nur in den anderen Farben.

„Zum Glück“, sagt sie, „habe ich immer, wenn ich etwas gemacht habe, was sehr im Fokus stand, etwas zum Ausgleich gehabt.“ Anfangs, neben der „Wochenshow“, das Radio: „Das war mir ganz wichtig: Daß ich etwas mache, was sich der Öffentlichkeit ein bißchen entzieht.“ Heute übernimmt auch „Blind Date“ diese Funktion, die Improvisation mit Olli Dittrich, bei der nichts vorgegeben ist, außer der Situation: Weihnachten zeigt das ZDF die dritte Ausgabe, eine Begegnung zweier Fremder im steckengebliebenen Fahrstuhl. Man hört ihr an, daß ihr „Blind Date“ nicht nur am Herzen liegt, weil es ein seltenes, spannendes, tolles Experiment ist. Sondern auch, weil es eine Sendung in der Nische ist, so klein, daß es sich für Leute, die ihr Übles wollen, nicht lohnt, sie kaputtzumachen.

Es ist nicht so, als würde sie sich die ganze Zeit beklagen. Man hat nur das Gefühl, sie würde mehr über die Dinge nachdenken, als ihr guttut. Andererseits hat ihre Karriere gerade eine sehr angenehme Reiseflughöhe eingenommen. „Ich spüre, anders als früher, keinen Druck“, sagt sie. „Heute ist die Situation entspannt, und ich bin es auch.“ „Ladykracher“ ist ein anhaltender Erfolg; selbst gewagte Sketche, etwa auf Kosten von Kindern, werden ihr nicht übelgenommen, obwohl die „Bild“-Zeitung, wenn ihr langweilig wäre, leicht einen Strick daraus drehen könnte: Wie kann sie so was tun, als Mutter? „Ich bin ein Glückskind“, sagt sie. „Ich weiß nicht, ob man das allen Kolleginnen so verzeihen würde.“

Heute sitzt sie in New York bei der Verleihung des Fernsehpreises Emmy, für den sie mit „Ladykracher“ nominiert ist. Seit sie die anderen Kandidaten gesehen hat, ist sie überzeugt, daß sie ihn nicht gewinnen wird. Auf die heikle Journalistenfrage, was sie als nächstes macht, kann sie lässig antworten: Wir drehen wieder „Ladykracher“. Sie überlegt sich, ob sie nicht Theater spielen soll, jetzt, da sich die Anfragen nicht mehr nur auf Boulevardtheater oder schlichte Komödien beschränken.

Und natürlich geht sie am 7. Dezember wieder zu „Wetten daß“, weil sie für ihre Weihnachtsshow „Danke Anke“ werben darf. Und weil es „schon toll“ sei, da auf dem Sofa zu sitzen — sie sagt das, als sei sie ein Mädchen, das eingeladen wurde, obwohl es eigentlich nicht dazugehört. Dabei hat sie sich letztes Mal so geärgert, daß sie am Ende nur noch Staffage war und Paul McCartney die Gitarre angeben durfte. Ihr Schimpfen darüber sei im Gegensatz zu so vielen Interviews sehr echt gewesen, sagt sie: „Dann verkauf‘ ich das ein bißchen humoresk, aber eigentlich war das ganz schön intim. Ich war da richtig gekränkt. Dabei finde ich das doof, das will ich nicht sein, schon gar nicht öffentlich. Aber da konnte ich nicht an mich halten.“

Der Witz ist, daß das keiner gemerkt hat.