Schlagwort: ARD

Bild. Macht. Politik.

Spiegel Online

Der schönste und zugleich furchterregendste Satz fällt noch vor dem Vorspann. Edmund Stoiber formuliert ihn auf seine unnachahmliche Art: „Die ‚Bild‘-Zeitung ist schon ein Stück, wenn ich das mal so sagen darf, eine Art direkte Demokratie.“

Das würde der „Bild“ gefallen, das umreißt auch ihren unausgesprochenen Machtanspruch gut: Dass sie für das Volk spricht und in dieser Rolle direkten und massiven Einfluss auf die Politik ausüben darf. Stoibers Satz erklärt auch gut, warum die „Bild“ tatsächlich eine so große Macht hat: Nicht weil sie tatsächlich für das Volk spräche. Nicht einmal weil sie das Volk mit ihren Schlagzeilen und ihrer Parteilichkeit beeinflüsse. Sondern weil Politiker dem Blatt diese Macht zusprechen.

Im Juni wird die „Bild“-Zeitung sechzig Jahre alt. Zum Geburtstag hat die ARD ihr eine Dokumentation geschenkt. Sie läuft am kommenden Montag um 22.45 Uhr im Ersten und heißt etwas verquast: „Bild. Macht. Politik“.

Man könnte das Schlimmste erwarten: Das Verhältnis zwischen „Bild“ und der ARD ist zerrüttet. Im vergangenen Jahr arbeitete „Bild“ an einer großen Kampagne gegen die ARD, im Gegenzug rüstete sich die ARD, mit ähnlichen propagandistischen Mitteln zurückzuschießen.

Doch die Dokumentation von Christiane Meier und Sascha Adamek ist im besten Sinne unaufregt. Sie kommt ohne empörten Off-Kommentar aus, ordnet ihre Fundstücke nicht einer zentralen These unter, wahrt Distanz zu allen Beteiligten und setzt aus kleinen Steinen das Mosaik einer zutiefst widersprüchlichen Zeitung zusammen, die zugleich seriöses Leitmedium und skrupelloses Krawallblatt sein will und deren Wirken einem mindestens unheimlich sein sollte.

Die Dokumentation konzentriert sich fast ausschließlich auf die Rolle von „Bild“ im Politikbetrieb. Sie zeigt, wie sehr Politiker das Blatt fürchten – was für sich genommen natürlich für „Bild“ sprechen könnte: Eine Zeitung, die den Mächtigen unbequem ist, scheint ihrer journalistischen Aufgabe besonders gerecht zu werden.

Doch die Geschichten, die Politiker wie Claudia Roth und Gregor Gysi erzählen, sind keine Geschichten von kritischen Recherchen, sondern von Diffamierungen und Lügen. Man muss den stolzen Blick der Grünen-Chefin gesehen haben, wie sie die riesige Gegendarstellung zeigt, die sie 2005 durchgesetzt hat und von der die „Bild“ trotzdem versucht hat, mit einem Artikel über „Ekel-Kunst“ darüber abzulenken. „Das war der Sieg über die Unwahrheit“, sagt Roth und lässt keinen Zweifel daran, dass der schon psychologisch wichtig war.

„Bild“ hätte ihr, um diese Gegendarstellung zu verhindern, angeboten eine nette Homestory über sie zu bringen. Oder ein Exklusiv-Interview mit ihr. Auch andere berichten im Film von solchen „dreckigen Deals“, wie Claudia Roth das Angebot nennt. Der Bildhauer und „Bild“-Kritiker Peter Lenk sagt, er hätte ein ähnliches Angebot als Wiedergutmachung für eine Falschmeldung schon deshalb abgelehnt, weil ihm eine positive „Bild“-Geschichte „wie Scheiße am Bein“ hängen würde.

Solche Angebote zeigen, dass die „Bild“-Zeitung bereit ist, ihre Berichterstattung ganz anderen als journalistischen Erwägungen unterzuordnen. Und es gibt viele Indizien dafür. Der Film zählt die Interessenskonflikte nüchtern auf: Der Verzicht auf große kritische Schlagzeilen über den AWD-Gründer Carsten Maschmeyer und seine umstrittenen Methoden – Maschmeyer ist unter anderem ein großer Förderer der „Bild“-Aktion „Ein Herz für Kinder“. Die wohlwollende Berichterstattung über Michael Mronz, den Lebenspartner von Guido Westerwelle – Mronz ist Vorstandsmitglied der „Bild“-Hilfsorganisation.

Und umgekehrt die Frage, ob „Bild“ den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff deshalb plötzlich so nachhaltig und unnachgiebig angriff, weil er „vielleicht ein ‚Bild‘-Aussteiger“ war. Gregor Gysi sagt über Wulff: „Ich glaube, sein Fehler bestand darin, dass er die ‚Bild‘-Zeitung nicht mehr wollte, nachdem er vorher mit ihr gut zusammengearbeitet hat. Weil er dachte, dass er wirklich Bundespräsident ist – das heißt, dass er ganz oben steht und sich das leisten kann. Und die „Bild“-Zeitung wollte ihm beweisen, dass er sich irrt. In diesen Kampf sind wir hineingeraten.“

Es ist ein roter Faden, dass „Bild“ letztlich unter dem Mantel des Journalismus immer wieder in eigener Sache kämpft: Für einen Politiker wie Karl-Theodort zu Guttenberg zum Beispiel, der möglicherweise gezielt zum neuen Kanzler aufgebaut werden sollte. Der frühere „Bild“-Freund Hans-Olaf Henkel, der das erzählt und sich bitter über „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann und dessen Machtmissbrauch beklagt, wurde von dem Blatt kürzlich ohne ersichtlichen äußeren Anlass publizistisch vernichtet.

Es geht in diesem Film über die politische Macht von „Bild“ fast gar nicht um politische Inhalte, und das ist sehr treffend. Viel wichtiger als der Kampf um eine politische Ideologie scheint „Bild“ heute der Kampf um die Macht zu sein. Für Karl-Theodor zu Guttenberg sprach aus „Bild“-Sicht weniger ein konkretes politisches Programm des Politikers, als seine Popularität und die Nähe, die er ihr gewährte.

Den Eindruck, dass es um Inhalte irgendeiner Art am allerwenigsten geht, verstärken die Äußerungen von Kai Diekmann. Er versucht vor allem den Eindruck von Harmlosigkeit zu erzeugen und wirkt dabei gelegentlich wie ein niedliches Haustier. Einer ernsten Auseinandersetzung entzieht er sich, etwa wenn er auf die Frage nach der „Macht“ ausweicht: „Es geht auch nicht um Macht oder keine Macht, ich weiß auf jeden Fall, dass ich nicht der beliebteste Chefredakteur Deutschlands bin.“

Das treffende Fazit der ARD-Autoren lautet: „Ihre Millionenauflage macht ‚Bild‘ stark. Aber sie hat nur soviel Macht, wie Politiker ihr einräumen.“

Und damit könnte der Film eigentlich zuende sein, aber dann kommt noch ein Nachklapp. Es geht um die belgischen Kinder, die bei einem furchtbaren Busunglück in der Schweiz ums Leben gekommen sind und deren Gesichter „Bild“ auf der Titelseite gezeigt hat. Kai Diekmann erzählt mit seinem treuherzigen Gesicht von der „sehr würdevollen Darstellung“ und dass man natürlich über den Bürgermeister des Heimatortes die Genehmigung der Eltern gehabt hätte. Der Bürgermeister dementiert das schriftlich, seine Sprecherin vor der Kamera.

Es sind Szenen, die eigentlich vom Thema Politik wegführen, und die doch eine gute Aufforderung an den Zuschauer darstellen, sich an dieser Stelle und überhaupt zu fragen, ob er diesem Chefredakteur und seiner Zeitung trauen will.

Die 136 superlativsten Programmideen der Dritten

Es ist noch nicht so lange her, da musste man sich Sorgen machen um die Dritten Programme. Es schien, als wäre ihnen ein bisschen der Sinn und das Ziel verloren gegangen — jenseits der bunten Regionalberichte im Vorabendprogramm jedenfalls. Mit ernsten Themen und sperrigen Formaten ließen sich nicht die entscheidenden guten Quoten machen; Experimente bargen jedesmal die Gefahr, dass sie schiefgehen könnten; bald würde auch der letzte Ameisenbär im letzten Zoo beim Wiegen gefilmt worden sein, und besonders sensible Verantwortliche ahnten, dass sich nicht einmal mit „Tatort“-Wiederholungen allein auf Dauer ein Programm machen ließe, für das die Menschen Gebühren zahlen.

Zum Glück fand sich dann aber doch eine vielabendfüllende Aufgabe: Die Dritten Programme sortieren unsere Welt in Hitparaden.

Sie zerlegen sie in ihre Bestandteile, bereinigen sie von komplizierten Zusammenhängen und Kontexten, sortieren sie nach Beliebtheit und lassen sie von Leuten kommentieren, die nichts mit ihnen zu tun haben.

Es ist eine Aufgabe, die an Macher und Zuschauer eigentlich nur zwei Ansprüche stellt: Ausdauer und den Mut zur Anspruchslosigkeit. Und so füllen diese Listen-Formate, die aus dem Privatfernsehen eingeschleppt wurden, inzwischen die meisten Dritten Programme und sorgen dort für eine umfangreiche Versteppung. Im NDR, der früh auf dieses Format gesetzt hat, haben sie ihren Höhepunkt inzwischen offenbar überschritten. Aber der WDR, der wie kaum ein anderer öffentlich-rechtlicher Sender weiß, wie man seine Zuschauer unterfordert, hat für diese Monokultur inzwischen breite Schneisen in sein Programm gerodet.

Im WDR läuft allein in diesen Tagen: „99 Lieblingsorte in Nordrhein-Westfalen“, „Die 30 tollsten Haus- und Hoftiere“, „Die beliebtesten Bauernhöfe in Nordrhein-Westfalen“, „Die 40 beliebtesten Burgen und Schlösser in Nordrhein-Westfalen“, „Die 40 beliebtesten Ausflugsziele in Nordrhein-Westfalen“, „Die beliebtesten Liedermacher der Nordrhein-Westfalen“, „Die beliebtesten Schlagerduos der Nordrhein-Westfalen“ und „Die beliebtesten Schauspieler der Nordrhein-Westfalen“.

Aus diesem, äh, Anlass folgt eine — vermutlich unvollständige — Übersicht über die Hitlisten-Sendungen, die seit Anfang des vergangenen Jahres in der ARD gelaufen sind und, soweit ich es herausgefunden habe, die jeweiligen Erstplatzierten. (Wiederholungen im Tages- oder Nachtprogramm sind nicht aufgeführt.)

Das Erste
17.03.11 Die beliebtesten Volksschauspieler der Deutschen
09.06.11 Die beliebtesten Komiker der Deutschen
24.11.11 Die beliebtesten Showmaster der Deutschen
19.04.12 Die beliebtesten Komiker-Duos der Deutschen
NDR
02.01.11 Die schönsten Evergreens des Nordens „Dancing Queen“
04.03.11 Legendäre Interviews und Talks „Strunz ist wie eine Flasche leer, ich habe fertig!“
07.03.11 Was den Norden bewegte Grenzöffnung, 1989
19.04.11 Die schönsten Bauernhöfe Norddeutschlands Hof Neversfelde, SH
25.04.11 Die besten Witze des Nordens, Bauern-Witze
03.05.11 Die bewegendsten TV-Momente 1953 bis 2010 11. September 2001
17.05.11 Die beliebtesten Fernsehpaare Jan Fedder & Peter Heinrich Brix
03.06.11 Die beliebtesten Kultschlager „Dschinghis Khan“
05.06.11 Die schönsten Inseln Norddeutschlands Juist
13.06.11 Die besten Witze aus der DDR Ausgefallener Wunsch
07.08.11 Die größten Popsongs des Nordens „Nordisch by Nature“
01.01.12 Die erstaunlichsten Dörfer Norddeutschlands
15.01.12 Die schönsten Fernsehmomente
15.01.12 Die beliebtesten Kultschlager „Dschinghis Khan“
17.02.12 Die besten Comedy-Momente aus den Talkshows
25.03.12 Die schönsten Naturparadiese des Nordens
08.04.12 Die schönsten Inseln Norddeutschlands
WDR
04.01.11 Die 50 größten Bauwerke in Nordrhein-Westfalen Kölner Dom
12.01.11 Die beliebtesten Schlagerstars aus Nordrhein-Westfalen Wolfgang Petry
19.01.11 Die beliebtesten Quizmaster der Nordrhein-Westfalen Hans Rosenthal
26.01.11 Die beliebtesten TV-Reporter der Nordrhein-Westfalen Hanns Joachim Friedrichs
13.02.11 Die 50 beliebtesten Karnevalslieder der Nordrhein-Westfalen Viva Colonia
23.02.11 Die beliebtesten Karnevalsstars aus Nordrhein-Westfalen Colonia Duett
16.03.11 Die beliebtesten Ruhrpottlieder in Nordrhein-Westfalen „Bochum“
30.03.11 Die beliebtesten Ruhrpottgrößen aus Nordrhein-Westfalen Herbert Grönemeyer
24.04.11 Die 25 beliebtesten Quizmaster der Nordrhein-Westfalen Hans Rosenthal
25.04.11 Die 40 beliebtesten Ausflugsziele in Nordrhein-Westfalen Kölner Dom
13.06.11 Die 30 beliebtesten Urlaubsziele der Nordrhein-Westfalen Nordseeküste
15.06.11 Die beliebtesten TV-Paare der Nordrhein-Westfalen Evelyn Hamann und Loriot
22.06.11 Die beliebtesten Fußballvereine in Nordrhein-Westfalen Borussia Dortmund
23.06.11 Die 25 beliebtesten Schlagerstars der Nordrhein-Westfalen Udo Jürgens
29.06.11 Die beliebtesten Städte in Nordrhein-Westfalen Münster
13.07.11 Die größten Fernsehpannen der Nordrhein-Westfalen WC…T
27.07.11 Die beliebtesten TV-Ärzte der Nordrhein-Westfalen „Die Schwarzwaldklinik“
03.08.11 Die beliebtesten Mundarten der Nordrhein-Westfalen Ruhrdeutsch
17.08.11 Die beliebtesten TV-Sketche der Nordrhein-Westfalen Regenlied Rudis Tagesshow
24.08.11 Die beliebtesten Liedermacher der Nordrhein-Westfalen Reinhard Mey
31.08.11 Die beliebtesten Bauernhöfe in Nordrhein-Westfalen Vennhöfe
01.11.11 Die 25 beliebtesten Ruhrpott-Größen der Nordrhein-Westfalen Herbert Grönemeyer
01.11.11 Die beliebtesten Fernsehfamilien der Nordrhein-Westfalen Familie Tetzlaff / „Ein Herz und eine Seele“
02.11.11 Die beliebtesten Millowitsch-Theaterstücke der Nordrhein-Westfalen „Der Etappenhase“
13.11.11 Willy Millowitsch – seine besten Rollen „Willy, der Schlagerstar“
18.12.11 Die 50 beliebtesten Weihnachtslieder der Nordrhein-Westfalen „Stille Nacht, heilige Nacht“
20.12.11 Die beliebtesten TV-Gesichter 2011
01.01.12 Die beliebtesten Bauernhöfe der Nordrhein-Westfalen Vennhöfe
11.01.12 Die beliebtesten Hits der Neuen Deutschen Welle Nena: 99 Luftballons
18.01.12 Die beliebtesten Musicals der Nordrhein-Westfalen Starlight Express
25.01.12 Die ersten TV-Auftritte Ihrer Stars Hape Kerkeling
01.02.12

Die beliebtesten Karnevalslieder der Nordrhein-Westfalen Viva Colonia
08.02.12 Die beliebtesten Karnevalssitzungen der Nordrhein-Westfalen
11.02.12 Die jecksten Karnevalsbands aus Nordrhein-Westfalen
17.02.12 Die beliebtesten Karnevalsstars aus Nordrhein-Westfalen
18.02.12 Die beliebtesten Karnevalslieder der Nordrhein-Westfalen
22.02.12 Die beliebtesten Kabarettisten der Nordrhein-Westfalen Jürgen Becker
29.02.12 Die größten Bauwerke in Nordrhein-Westfalen Kölner Dom
07.03.12 Die beliebtesten Landschaften in Nordrhein-Westfalen Sauerland
14.03.12 Die beliebtesten Burgen und Schlösser in Nordrhein-Westfalen Schloss Nordkirchen
29.03.12 Die beliebtesten Tierparks in Nordrhein-Westfalen Kölner Zoo
04.04.12 Die beliebtesten Schauspieler der Nordrhein-Westfalen Heinz Rühmann
11.04.12 Die 40 beliebtesten Ausflugsziele in Nordrhein-Westfalen
18.04.12 Die beliebtesten Neue Deutsche Welle-Hits der Nordrhein-Westfalen
HR
01.01.11 Die beliebtesten Dialekte der Hessen
11.01.11 Hessens beliebteste Bauwerke Schloss Auerbach
11.01.11 Hessens schönste Feste Hessentag
22.02.11 Die schönsten Ausflugsziele der Hessen Geopark Bergstraße-Odenwald
23.02.11 Die beliebtesten Fastnachtslieder der Hessen
03.04.11 Hessens beliebteste Ausflugsziele Geopark Bergstraße-Odenwald
22.04.11 Die schönsten Kirchen in Hessen Limburger Dom
25.04.11 Die beliebtesten Komiker der Hessen Badesalz
22.06.11 Hessens beliebteste Sportler Timo Boll
27.06.11 Die schönsten Sportmomente der Hessen
06.07.11 Die beliebtesten Fußball-Lieder der Hessen
12.07.11 Die beliebtesten TV-Paare
13.07.11 Die beliebtesten Reiseziele der Hessen Ostseeküste
18.07.11 Die beliebtesten Fernsehfamilien
25.07.11 Unsere beliebtesten Hunde
10.08.11 Die ungewöhnlichsten Spektakel der Hessen
03.10.11 Die beliebtesten Volksschauspieler der Deutschen
11.12.11 Die Lieblingsgerichte der Hessen Grüne Soße mit Kartoffeln und Ei
14.12.11 Die größten Hessen
19.12.11 Die beliebtesten Weihnachtslieder der Hessen
20.12.11 Die schönsten Bauernhöfe der Hessen
26.12.11 Die schönsten Schlösser in Hessen
29.12.11 Die beliebtesten Klassiker des Kinderfernsehens Sendung mit der Maus
30.12.11 Die beliebtesten Komiker der Hessen
31.12.11 Die beliebtesten Stimmungslieder
04.01.12 Die beliebtesten Heimatfilme der Hessen
05.01.12 Die beliebtesten Dialekte der Hessen
05.01.12 Die unglaublichsten Orte der Hessen
09.01.12 Die beliebtesten Liebeslieder der Hessen
05.01.12 Die ungewöhnlichsten Spektakel der Hessen
11.01.12 Die beliebtesten Hausmittelchen der Hessen
08.02.12 Die besten Büttenreden der Hessen
16.02.12 Die beliebtesten Fastnachtslieder der Hessen
17.02.12 Die beliebtesten Stimmungslieder der Hessen
28.02.12 Die Lieblingsgerichte der Hessen
20.03.12 Die beliebtesten Schlösser in Hessen
06.04.12 Die beliebtesten Städte in Hessen
09.04.12 Die schönsten Landschaften in Hessen
RBB
12.01.11 Die 30 tollsten Erfindungen Fernseher
26.01.11 Die 30 größten Berliner Aufreger Mauerbau
23.02.11 Die 30 lustigsten Lieder
16.03.11 Die 30 erstaunlichsten Berliner Straßen Kurfürstendamm
23.03.11 Die 30 schönsten Brandenburger Bräuche Osterfeuer
13.04.11 Die 30 schönsten Brandenburger Bauwerke Schloss Sanssouci
20.04.11 Die 30 tollsten Haus- und Hoftiere Promenadenmischung
25.05.11 Die 30 beliebtesten Berliner Plätze Gendarmenmarkt
11.06.11 Die 30 legendärsten Fernsehshows Dalli Dalli
26.06.11 Die beliebtesten Kultschlager
06.07.11 Die 30 schrägsten Frisuren Atze Schröder
13.07.11 Die 30 beliebtesten Hobbys
03.08.11 30 x verschwundenes Berlin Stadtschloss Berlin
10.08.11 Die 30 schönsten Modesünden
05.10.11 Die 30 schönsten Brandenburger Ausflugsziele Spreewald-Dorf Lehde
12.10.11 Die 30 tollsten Schlagerstars der Siebziger Udo Jürgens
02.11.11 Die beliebtesten TV-Ärzte
09.11.11 Die 30 außergewöhnlichsten Berliner Brücken Die Oberbaumbrücke
03.12.11 Die 30 verrücktesten Sammelobjekte Miniaturklaviere
14.12.11 30 Gründe, Weihnachten zu lieben Weihnachten in der Familie
18.01.12 Die 30 schönsten Brandenburger Bräuche Osterfeuer
25.01.12 Die 30 größten Berliner Aufreger
01.02.12 Die 30 lustigsten Lieder I
08.02.12 Die 30 lustigsten Lieder II
15.02.12 Die 30 tollsten Tänze
26.02.12 Die 30 tollsten Schlagerstars der Siebziger XXL
29.02.12 Die 30 erstaunlichsten Berliner Straßen
10.03.12 30 x schönes Deutsch Berlinerisch
14.03.12 Die 30 schönsten Berliner Aussichtspunkte Fernsehturm
21.03.12 Die 30 schönsten Freizeit-Vergnügen
11.04.12 Die schönsten Brandenburger Landschaften
18.04.12 Die 30 außergewöhnlichsten Berliner Brücken Die Oberbaumbrücke
26.02.12 Die 30 tollsten Schlagerstars der Siebziger

 
(Keine Ahnung, ob es sich etwa bei „Die schönsten Ausflugsziele der Hessen“ und „Hessens beliebteste Ausflugsziele“ um dieselbe Sendung handelte. Beide liefen innerhalb von sechs Wochen in der Primetime und wurden in den folgenden Tagen insgesamt sieben mal wiederholt. Ich kann auch nicht sagen, ob sich der WDR für die Ballung von karnevalistischen Hitlisten in Genf eine Ausnahmegenehmigung von der Menschenrechtskonvention besorgt hat.)

Wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich beim Auflisten nicht Sorge hatte, verrückt zu werden, muss ich ihnen antworten: Nicht so sehr wie beim Ansehen der Sendungen.

Moderator am WDR-Fließband ist konsequenterweise Thomas Bug, der etwa gegen Ende des Countdowns der „beliebtesten Schauspieler der Nordrhein-Westfalen“ folgende Überleitung von Romy Schneider zu Heinz Rühmann auf Platz 1 schafft:

„Was für eine Frau. Ein-zigartig. Und wo die Eins hier quasi schon so mitschwingt, bleiben wir ein-fach Spitze auf der Besetzungsliste der beliebtesten Schauspieler.“

Die Sendung in der vergangenen Woche mit den „beliebtesten Tierparks in Nordrhein-Westfalen“ hatte er tatsächlich mit folgenden Worten begonnen:

Eigenlob stinkt, ich weiß, aber heut wird die Sendung wirklich tierisch gut.

Die ARD gehört nicht Frau Piel

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört der Gesellschaft.

Ich kann mir keinen amtierenden Intendanten von ARD und ZDF vorstellen, der diesen Satz so sagen, geschweige denn danach handeln würde. Formuliert hat ihn immerhin ein ehemaliger Intendant, der frühere NDR-Chef Jobst Plog. In einem Leserbrief an die „Funkkorrespondenz“ zu einem Artikel von Jakob Augstein schreibt er über die Kamikaze-Strategie der ARD-Vorsitzenden Monika Piel und seines Nachfolgers Lutz Marmor:

Kaum nachvollziehbar ist die Strategie der Rundfunkanstalten in der Auseinandersetzung mit den Verlagen. Das fängt damit an, dass sie Vergleichsverhandlungen ausgerechnet dann begonnen haben, als das Gericht zu erkennen gab, dass die Klage der Verleger abweisungsreif war. Problematischer: Die Rundfunkanstalten sind möglicherweise dabei, eine mühsam erkämpfte und vom Bundesverfassungsgericht gerade bestätigte Rechtsposition aufzugeben. (…)

Man ist auf Vermutungen angewiesen, weil die Gespräche mit den Verlegern seit langen Monaten vertraulich geführt werden. Das ist für die Verleger ein normales Verfahren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört indessen der Gesellschaft. Sollte er auf Rechtspositionen verzichten wollen, bedarf es einer öffentlichen und transparenten Diskussion mit dieser Gesellschaft, ehe vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Ich fürchte, dass Monika Piel, die fast vom ersten Tag ihrer leider immer noch andauernden Amtszeit als ARD-Vorsitzende gegen die Interessen der Gebührenzahler argumentiert hat, diesen Gedanken nicht nur nicht teilt, sondern für komplett irrwitzig hält.

Plog schreibt außerdem:

Erstaunlich, in welchem Umfang sich Journalisten der Printmedien mit der Verlagspolitik ihrer Geschäftsführungen und den dahinter stehenden vermeintlichen Interessen der Gesellschafter identifizieren und wie wenig Mut zur Pluralität vorhanden ist.

Ja.

Warum ARD und ZDF für ACTA kämpfen

ARD und ZDF gehören bekanntlich zu den Unterzeichnern eines Aufrufs an die Bundesregierung, das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA „ohne weitere Verzögerung wie bereits beschlossen zu unterzeichnen“.

Ich habe — ursprünglich für eine „Spiegel“-Geschichte, in der das dann aber keinen Platz fand — bei den Sendern nachgefragt, welche Konsequenzenes für sie hätte, wenn ACTA nicht unverzüglich und unverändert unterzeichnet würde.

Eva-Maria Michel, Vorsitzende der Juristischen Kommission der ARD und WDR-Justiziarin:

Schon die Überschrift der angesprochenen Pressemitteilung der „Deutschen Content Allianz“ (DCA) macht deutlich, dass ACTA lediglich der Anlass ist, um die Bundesregierung zu einer „konsistenten Positionierung zum Urheberrecht“ aufzufordern. Dementsprechend erschöpft sich der Aufruf nicht auf die von Ihnen durch wörtliches Zitat isolierte Passage, sondern das eigentliche Petitum an die Bundesregierung fängt danach erst an („[…] und mit größerem Nachdruck als bisher eine zukunftsorientierte Reform des Urheberrechts [.] in Angriff zu nehmen. Hierzu zählt auch eine Verbesserung der urheberrechtlichen Rahmenbedingungen für legale Angebote“).

Dementsprechend wird auch im Weiteren darauf hingewiesen, dass die von ACTA vorgesehenen Maßnahmen bereits dem deutschen Schutzniveau entsprechen, was auch die Bundesjustizministerin – jedenfalls bislang – so sah. Aus einer Unterzeichnung des Abkommens durch die Bundesrepublik ergäben sich dementsprechend auch keine unmittelbaren Konsequenzen für die Beteiligten der DCA.

Eine unterbleibende Unterzeichnung würde allerdings deutlich machen, dass der politische Wille, eine eigentlich zentral wichtige Urheberrechtsreform endlich anzupacken, entgegen früherer, anders lautender Aussagen (siehe z.B. Koalitionsvertrag) nicht (mehr?) da ist. Der Bundesregierung insofern „auf den Zahn zu fühlen“, das ist das eigentliche und unseres Erachtens berechtigte Anliegen dieser politisch gemeinten Intervention der DCA.

Alexander Stock, Unternehmenssprecher ZDF:

Das ZDF als Nutzer und Inhaber von Rechten braucht klare Regeln und Rechtssicherheit. Es bedarf einer Anpassung der urheberrechtlichen Rahmenbedingungen an die Nutzungen in der digitalen Welt im Rahmen der anstehenden Novellierungen des Urheberrechts auf europäischer Ebene, vor allem aber auch in der dringend notwendigen Fortschreibung des deutschen Urhebergesetzes (3. Korb). Diese müssen den berechtigten Schutz des geistigen Eigentums einerseits und dessen Sozialgebundenheit andererseits berücksichtigen.

Der rechtliche Rahmen muss eine technologieneutrale Ausgestaltung der Weitersendung unserer Angebote auf Drittplattformen, unabhängig von drahtgebundenen oder drahtlosen Technologien ermöglichen. Dazu brauchen wir effektive Mechanismen für die Rechteklärung in der digitalen Welt. So sollen für die Nutzer leicht zugängliche, legale Angebote gefördert werden, was gleichzeitig die beste Prävention gegen Piraterie ist.

Die Interessen von Nutzern und Rechteinhabern müssen dazu in einen fairen Ausgleich gebracht werden. Dementsprechend kommt es für das ZDF – das sowohl Rechteinhaber als auch Rechtenutzer ist – in der digitalen Welt auf folgendes an:

1. Faire Bedingungen, angemessene Vergütung und Anerkennung für die Arbeit von Künstlern und Urhebern, was auch einen hinreichenden Schutz des geistigen Eigentums voraussetzt.

2. Die Zugangsinteressen der Nutzer und damit das Gemeinwohl müssen geschützt werden. Die Offenheit des Internet ist eine wichtige Vorbedingung für Meinungsvielfalt, Pluralismus, kommunikative Chancengleichheit und damit für die Meinungsbildung. Das ZDF spricht sich deshalb für eine möglichst weitgehende Sicherung der Netzneutralität aus.

3. ACTA lässt zwar bewährte Schranken des Urheberrechts wie bspw. die Privatkopie oder das Zitatrecht unberührt, die Umsetzung sollte aber wie oben dargestellt von der Modernisierung des Urheberrechts zur Förderung legaler Angebote begleitet werden.

4. Für das ZDF sind Fernsehen und redaktionelle Telemedienangebote gerade in der digitalen Welt keine gewöhnlichen Wirtschaftsgüter. Es handelt sich vielmehr um Kulturgüter, die für Meinungsvielfalt und Kommunikation in unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind.

Vorauseilende Selbstverstümmelung

Es scheint, als hätten alle Proteste von Betroffenen und Experten nichts genützt: Wenn sich die Intendanten von ARD und ZDF am morgigen Dienstag mit Vertretern der Zeitungsverlage treffen, sind sie bereit, einen wesentlichen Teil der öffentlich-rechtlichen Online-Angebote aufzugeben — im Tausch gegen einen medienpolitischen Burgfrieden.

Seit Wochen arbeiten Spitzenvertreter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger BDZV an einer „gemeinsamen Erklärung“. Die Entwürfe sehen unter anderem eine Aufteilung des deutschen Online-Journalismus vor: ARD und ZDF sollen sich in ihren Internet-Auftritten auf Audio- und Videoinhalte konzentrieren. Im Gegenzug würden sich die Online-Ableger der Zeitungen im Wesentlichen auf Texte und Fotos beschränken.

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll gebildet werden, die exemplarisch Online-Angebote der Beteiligten durchgeht. Dabei sollen auch Kooperationsmöglichkeiten und gegenseitige Verlinkungen geprüft werden.

Sowohl die Redakteursausschüsse von ARD und ZDF als auch die Internetverantwortlichen der ARD in der Redaktionskonferenz Online (RKO) haben die Intendanten eindringlich vor den Folgen einer solchen „Erklärung“ gewarnt. Der Entwurf könne zu „weitreichenden negativen Auswirkungen und Eingriffen in den Bestand und die Entwicklungen der Telemedien der ARD“ führen, schrieb die RKO. „Für die aktuelle Berichterstattung jedes Onlineangebots sind Schlagzeilen, Kurztexte und Langfassungen im Verbund mit Fotos eine notwendige Grundlage, sowohl im Hinblick auf die Quellenlage, als auch auf das Nutzungsverhalten.“ Die „publizistische Relevanz“ der öffentlich-rechtlichen Online-Angebote würde geschwächt und damit die öffentlich-rechtlichen Sender insgesamt.

ARD-Sprecher taten das nach außen mit der Behauptung ab, die Kritiker protestierten auf der Grundlage einer „älteren Version“. Doch auch die aktuelle Fassung, die erst eine Woche alt ist, unterscheidet sich davon nicht grundsätzlich.

Die Federführung bei den Verhandlungen mit den Verlegern hat die WDR-Intendantin und amtierende ARD-Vorsitzende Monika Piel. Außer ihr sind die Intendanten Ulrich Wilhelm (BR) und Lutz Marmor (NDR) beteiligt — nicht aber der für Online in der ARD zuständige SWR-Intendant Peter Boudgoust.

Nach der internen und externen Kritik haben die ARD-Intendanten auf ihrer Sitzung am 6./7. Februar in Erfurt offenbar kontrovers über das Vorgehen beraten. Doch die Appeasement-Fraktion um Monika Piel konnte sich durchsetzen: Die Änderungen, die nachträglich am Entwurf vorgenommen wurden, sind eher kosmetischer Natur. So bleibt es dabei, dass eigenständige Texte in den Online-Angeboten von ARD und ZDF als Ausnahme festgeschrieben werden. Neu hinzugekommen ist in diesem Zusammenhang nur der Hinweis darauf, dass im Sinne eines barrierefreien Zugangs auch Texte erforderlich sein könnten. Umgekehrt sollen auch die Zeitungsangebote im Netz aus Gründen der Barrierefreiheit eigenständige Video- und Audio-Inhalte veröffentlichen dürfen.

Nichts von alldem ergibt Sinn.

Unklar ist schon einmal, warum ARD und ZDF überhaupt mit den Verlegern über ein solches Kompromisspapier verhandeln. Im Streit um die Tablet-Version von tagesschau.de, gegen die mehrere Verlage geklagt haben, hatte der Richter zwar angeregt, dass beide Seiten miteinander reden. Aber erstens geht es in den Gesprächen, die nun geführt werden, gar nicht um die „Tagesschau“-App, sondern ein viel fundamentaleres Abstecken der Grenzen öffentlich-rechtlicher Online-Angebote. Und zweitens spricht wenig dafür, dass die ARD diesen Rechtsstreit am Ende verloren und deshalb ein Interesse daran hätte, den Verlegerforderungen vorsorglich weit entgegen zu kommen.

Erklären lässt sich die als Kompromiss verkleidete Kapitulation von ARD und ZDF nur durch das unbedingte Bedürfnis einiger ihrer Vertreter, in den zu erwartenden Auseinandersetzungen um ihre zukünftige Legitimation Ruhe an dieser Front zu haben. Dafür steht der BR-Intendant Wilhelm, der erst vor gut einem Jahr aus der Bundesregierung in dieses Amt wechselte. Und dafür steht in ganz besonderem Maße Monika Piel.

Sie hatte bereits unmittelbar nach ihrem Amtsantritt als ARD-Vorsitzende mit der Bereitschaft zur öffentlich-rechtlichen Selbstaufgabe kokettiert und Sätze gesagt wie: „Wenn der Verlegerverband die Apps kostenpflichtig macht, dann werde ich mich auch vehement dafür einsetzten, dass unsere öffentlich-rechtlichen Apps kostenpflichtig sind.“

Auch die geplante „gemeinsame Erklärung“ muss man als Teil einer Appeasement-Taktik verstehen. In einer solchen Erklärung liege eine „medienpolitische Chance“, mit der „uns wichtige Spielräume erhalten werden könnten“, schrieb Piel vor drei Wochen in einer internen Mail. Darin interpretierte sie die Gespräche mit den Verlegern ausdrücklich auch vor dem Hintergrund der „Debatte um die Perspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Dualen Systems (Stichwort AG Beitragsstabilität)“. In der genannten AG, die von der sächsischen Staatskanzlei initiiert wurde, beraten die Bundesländer, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk eingeschränkt werden kann.

Piel will deshalb wenigstens Ruhe an der Front mit den Verlegern, die behaupten, die nicht kostenpflichtigen und texthaltigen Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verhinderten, dass sie im Internet Geld verdienen können. Piel spricht davon, dass Verleger und öffentlich-rechtlicher Rundfunk eine „Verantwortungsgemeinschaft“ bildeten.

Der Preis, den die Intendanten von ARD und ZDF bereit sind, für diesen Frieden zu zahlen, ist gewaltig. Fassungs- und verständnislos verfolgen viele, die in der ARD für Online-Angebote zuständig sind, wie dabei bisher selbstverständliche Positionen über Bord geworfen werfen.

Die Entwürfe der „gemeinsamen Erklärung“ sind geprägt von einer Vorstellung des Internets als einer Maschine, die einfach Radio und Fernsehen abspielt oder Zeitungsinhalte veröffentlicht. Der Gedanke eines eigenständigen Mediums, das all diese Formen miteinander verknüpft, ist den öffentlicih-rechtlichen Verhandlungsführern offensichtlich fremd.

Das deutet nicht nur auf eine grundsätzliche und ganz praktische Realitätsferne hin, sondern führt auch dazu, dass sich die „gemeinsame Erklärung“ implizit die Interpretationen der Verleger zu eigen macht. Die unterstellen nämlich, dass ein Internetangebot, das in relevantem Maße auf Texte setzt, „presseähnlich“ und deshalb den Öffentlich-Rechtlichen verboten sei. Dabei ist der Einsatz von Text als Mittel, um Nutzer schnell zu informieren, um Überblicke zu schaffen und multimediale Inhalte sinnvoll miteinander zu verknüpfen, schlicht das Wesen eines modernen Online-Journalismus — und nicht Ausdruck von Presseähnlichkeit.

Dadurch, dass die Intendanten von ARD und ZDF den Verlegern anbieten, auf eigenständige Textberichterstattung fast völlig zu verzichten, machen sie sich deren Anmaßung zu eigen, Online-Texte für „Presse“ zu halten.

In einer extremeren Form suggerieren die Verleger sogar, dass all das, was Zeitungen im Internet machen, automatisch „presseähnlich“ sei. Wenn etwa die „Tagesschau“-App, so die Argumentation, aussehe wie die „Welt“-App, dann könne sie nicht erlaubt sei. Selbst auf dieses Spiel lassen sich die Öffentlich-Rechtlichen in dem Entwurf der „gemeinsamen Erklärung“ noch ein: Die Online-Angebote von ARD und ZDF sollten so geordnet und gestaltet werden, heißt es darin, dass sie anders aussehen als die Online-Angebote der Zeitungen.

Die einen machen Online-Fernsehen, die anderen machen Online-Zeitungen: So einfach verläuft die Waffenstillstandslinie in der Welt der Intendanten. Das wäre an sich schon verrückt genug. Es wird noch verrückter dadurch, dass Piel und ZDF-Intendant Markus Schächter sich gerade erst in einer multipel verunglückten Presseerklärung der „Deutschen Content Allianz“ sogar namentlich zu den letzten Verteidigern der Medien-„Konvergenz“ erklärt haben.

Diese Art der Aufteilung des deutschen Online-Journalismus hat aber noch ein anderes Problem. Doch dass einem aus Gebühren finanzierten Angebot Grenzen gesetzt werden dürfen, wo auch immer sie liegen, steht außer Frage. Warum aber sollten sich privatwirtschaftlich finanzierte Medien einschränken müssen? Warum sollte eine regionale Tageszeitung im Internet nicht ein Webradio veranstalten und täglich drei, dreißig oder dreihundert Videos veröffentlichen, wenn sie das will und es sich rentiert?

Die Kompromiss-Simulation im Entwurf der „gemeinsamen Erklärung“ — wir verzichten auf Text, ihr auf Audio und Video — suggeriert eine grundsätzliche Symmetrie zwischen gebührenfinanzierten und kommerziellen Angeboten, die in keiner Weise besteht. Übrigens sitzen nur Vertreter von Zeitungsverlagen am Verhandlungstisch (Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner Korrektur: FAZ-Geschäftsführer Roland Gerschermann, WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus und BDZV-Präsident Helmut Heinen). Angebote wie „Spiegel Online“ mit starkem Video-Schwerpunkt wären also ohnehin nicht eingebunden.

Wenn die „gemeinsame Erklärung“ tatsächlich verabschiedet wird, sind zwei Szenarien denkbar. Entweder ARD und ZDF nehmen die Selbstverpflichtung sehr ernst. Dann würden sie massiv in die redaktionelle Arbeit ihrer Internet-Auftritte eingreifen müssen und ihren Online-Journalismus amputieren. Oder sie behandeln die — juristisch nicht bindende — Erklärung als reines Lippenbekenntnis, ein folgenloses Papier zur Ruhigstellung der Verleger. Dann würde der Konflikt in einigen Jahren umso heftiger aufbrechen, weil die Gegner von ARD und ZDF ihre Online-Auftritte nicht nur an umstrittenen Definitionen, sondern an den eigenen Selbstverpflichtungen messen könnten.

In jedem Fall wären ARD und ZDF geschwächt. Weshalb die Kritiker im Haus die zentrale Frage stellen: Warum bringt man sich überhaupt mit solchen Verhandlungen und einem solchen Papier in eine solche Situation?

Die Premiere aus der Zukunft der Vergangenheit

Deutsches Fernsehen ist komisch.

Am Donnerstag warb der NDR in einer Pressemitteilung für eine „Premiere“, die in der Sendung „Star Quiz“ mit Kai Pflaume am folgenden Samstag gefeiert werde: „Zum ersten Mal wird in der Sendung das gerade gedrehte Gewinnervideo von ‚Unser Star für Baku‘ in voller Länge zu sehen sein.“

Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, außer dass das „Star Quiz“ bereits am Montag aufgezeichnet worden war — zu einem Zeitpunkt also, als nicht nur das Video noch nicht fertig war, sondern noch nicht einmal feststand, wer welchen Titel darin singen würde.

Kai Pflaume musste also eine unspezifische Standard-Anmoderation sprechen, was ihm als unspezifischer Standard-Moderator nicht schwer fiel. Und so sah das aus:
 

Eine „Weltpremiere im Ersten“ war es dann auch nicht, weil das Video auf der „Unser Star für Baku“-Homepage bereits vorher zu sehen war.

Eigentlich hätte die ARD natürlich mit „Gottschalk live“ jetzt eine Live-Sendung, in der man solche Höhepunkte präsentieren könnte, jedenfalls wenn es einem nicht auf Zuschauer ankommt. Die Videos von Lena hatten übrigens im Morgenmagazin bzw. im Werbeblock vor der „Tagesschau“ Premiere.

(Die Ausstrahlung von „Bodyguard“, die in dem Ausschnitt oben etwas überraschend beworben wird, war die dritte Ausstrahlung des Filmes mit Whitney Houston in der ARD innerhalb von zehn Tagen. Deutsches Fernsehen ist komisch.)

Konvergenz, Konsistenz, Inkontinenz: Die „Deutsche Content Allianz“

In der „Deutschen Content Allianz“ haben sich die Dieter Gornys dieses Landes zusammengeschlossen. Sie versuchen, sich vor dem Ertrinken zu bewahren, indem sie sich gegenseitig umklammern und das Wasser beschimpfen.

Es fiele mir leichter, ihnen dabei zuzusehen, wenn nicht ARD und ZDF ohne Not zu ihnen ins lecke Boot gestiegen wären — zwei Institutionen, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Finanzierung durch das Volk in einer fundamental anderen Position sind, was die Herausforderung betrifft, sich in einer digitalen Welt professionelle kreative und journalistische Produktionen leisten zu können.

Insbesondere die WDR-Intendantin und amtierende ARD-Vorsitzende Monika Piel scheint sich aber zu einer Überlebensstrategie entschlossen zu haben, die auf dem Gedanken beruht, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nichts passieren kann, solange er sich nur eng genug an seine natürlichen Gegner kuschelt. Die Interessen der Gebührenzahler müssen demgegenüber im Zweifel zurückstehen. (Mehr dazu in den nächsten Tagen an dieser Stelle.)

Jedenfalls hat die „Deutsche Content Allianz“, die man vielleicht treffender als den Verband der urheberrechteverwertenden Industrie bezeichnen könnte, gestern die Bundesregierung dazu aufgefordert, das ACTA-Abkommen unverzüglich und unverändert zu unterzeichnen. Es sagt schon viel aus, dass die „Deutsche Content Allianz“ ACTA als ein „Abkommen zum Schutz vor Internetpiraterie“ bezeichnet – dass sich die „Piraterie“, mit der sich der Vertrag beschäftigt, keineswegs auf das Internet beschränkt, verschweigen die beteiligten Verbände im Sinne einer klareren Desinformation.

Inhaltlich ist zum Streit um ACTA an anderen Stellen reichlich gesagt worden; ich möchte hier vor allem die verräterische Sprache in diesem Dokument würdigen. Die ganze hilflose Traurigkeit offenbart schon die Überschrift: „Deutsche Content Allianz fordert Bundesregierung zur konsistenten Positionierung zum Urheberrecht auf“. Man muss sich das bildlich vorstellen, Monika Piel und Dieter Gorny auf einer Demonstration vor dem Kanzleramt, in den Händen identische Plakate mit der Aufschrift: „Mehr Konsistenz wagen!“ Die vage und harmlos klingende Forderung steht in Wahrheit für einen Wunsch, wie er radikaler kaum sein könnte: Urheber-, oder genauer: Verwertungsrechte sollen durchgesetzt werden ohne lästige Abwägung mit anderen Rechten, mit denen sie kollidieren. Mit irgendeiner „konsistenten Positionierung“ ist exakt diese Positionierung gemeint — konsistent in ihrer Absolutsetzung eines Interesses.

Die „Deutsche Content Allianz“ fordert weiter laut ihrer Pressemitteilung:

Es seien jetzt eindeutige Signale notwendig, die Reform anpacken und durchsetzen zu wollen, da sonst die Gefahr einer Kluft zwischen der deutschen Kreativwirtschaft und den Gruppen unserer Gesellschaft, die den Schutz des geistigen Eigentums als einen Angriff auf die Freiheit im Internet diskreditierten, bestehe.

Ignorieren wir einmal die Problematik des Begriffes vom „geistigen Eigentums“ an sich, der eine Vergleichbarkeit mit tatsächlichem Eigentum suggeriert, die von der Content-Lobby politisch gewollt, aber in vielerlei Hinsicht irreführend ist. Abgesehen davon also: Ist das nicht rührend? Die Rechtindustrie sorgt sich, dass sich da womöglich, vielleicht, wenn man nicht aufpasst, in Zukunft eine Kluft auftun könnte. Als wäre diese Kluft nicht längst ein gewaltiger Canyon. Als würde es helfen, wenn die Bundesregierung „eindeutige Signale“ geben würde, Reformen „anpacken“ zu wollen. Und als würde sich die Kluft dadurch verringern, dass der Gesetzgeber auf der einen Seite des Grabens ein Flatterband als Absperrung zieht.

Die „Deutsche Content Allianz“ diskreditiert berechtigte Sorgen um die Freiheit des Internets als Diskreditierung. Und dann beteuert sie:

Diese Freiheit sei ein hohes, unbestrittenes Gut, solange sie nicht als Rechtlosigkeit interpretiert werde.

Da hat vermutlich Freud zugeschlagen. Niemand – außer vielleicht die Musikindustrie in ihren feuchtesten Träumen – käme auf die Idee, Freiheit als Rechtlosigkeit zu interpretieren. Freiheit im Internet wäre ja in ihrer extremsten Interpretation gerade das Recht, alles zu tun, was man will. Die Autoren wollten wohl sagen, Freiheit sei gut, solange sie nicht als Gesetzeslosigkeit interpretiert werde. Nicht einmal das ist ihnen gelungen.

Nun wird die „Deutsche Content Allianz“ geradezu selbstkritisch:

Von der Kreativwirtschaft müsse offenbar in diesem Zusammenhang noch stärker als bisher vermittelt werden, dass sie mit dem für alle Kreativen und die Vermittler ihrer Werke existenziellen Schutz des geistigen Eigentums keineswegs Barrieren in der digitalen Internetwelt errichten wolle, sondern es zusammen mit zeitgemäßen Angeboten längst als unverzichtbare Zukunftssicherung begriffen hätte.

Hat jemand eine Idee, worauf sich das kleine „es“ beziehen könnte, das die „unverzichtbare Zukunftssicherung“ (wessen?) darstellt? Es, das „geistige Eigentum“? Es, das hier ungenannte Internet?

Die Content-Industrie braucht geistiges Eigentum zusammen mit zeitgemäßen Angeboten? Sie braucht das Internet zusammen mit zeitgemäßen Angeboten? Was?

Weiter im Text:

Gerade bei einer Generation, in der viele ohne jedes Unrechtsbewusstsein für „digitalen Diebstahl“ aus Schule und Elternhaus in die große Welt des Internets entlassen worden seien, verlange dies viel Aufklärung und vor allem Diskussionsbereitschaft, wie sie die vor knapp einem Jahr gegründete Deutsche Content Allianz bereits bei ihrer Gründung öffentlich angeboten hatte.

Ich weiß nicht, welche Generation die „Deutsche Content Allianz“ genau meint. Ich ahne aber, welche Generation da schreibt, wenn sie das Bild bemüht von Kindern, die „aus Schule und Elternhaus in die große Welt des Internets entlassen“ wird. Es ist ein vielfach perfides Bild: Es behauptet, dass die Kinder klauen wie die Raben. Es gibt Eltern und Lehrern die Schuld, dass die Kinder angeblich klauen wie die Raben. Und es stellt das Internet selbst als verkommenen Ort dar, in den die Kinder umziehen, nachdem sie die bürgerlichen Institutionen verlassen haben.

Der letzte Absatz ist mein Lieblingsabsatz:

Die Vertreter der Deutschen Content Allianz kritisieren, noch gelte für zu viele der Schutz des geistigen Eigentums und die Freiheit im Internet als unüberbrückbare Kluft. Das schlage sich auch in der praktischen Politik durch ein Auseinanderdriften von Medien- und Netzpolitik nieder. Politik, Medien und Gesellschaft seien gemeinsam aber einmal unter der Überschrift „Konvergenz“ angetreten. Auch wenn dies stets eine besondere Herausforderung dargestellt habe, dürfe man es nun nicht aus den Augen verlieren, argumentieren die Köpfe der Deutschen Content Allianz.

Politik, Medien und Gesellschaft sind gemeinsam einmal unter der Überschrift „Konvergenz“ angetreten. Das muss selbst in der Phrasenwelt eines Markus Schächter ein rekordverdächtig quatschiger Satz sein. Man wüsste so gerne, wo sie alle, wir alle, angetreten sind. Und wofür. Und wer die Überschrift gemacht hat. Und ob es auch eine Unterzeile gab. Und natürlich überhaupt, wer oder was da mit wem oder was konvergiert?

Unterdessen befindet sich übrigens Frau Piel in Verhandlungen mit den Zeitungsverlegern, den Online-Journalismus in Deutschland aufzuteilen: In Video und Audio, wofür die Öffentlich-Rechtlichen zuständig wären, und Texte, was die Verlage machen würden. –Frau Piel? Die Konvergenz hat angerufen für Sie. Sie möchte ihre Überschrift zurückhaben.

Immerhin stellen ARD, ZDF, Privatsender, Produzenten, Musikindustrie, Filmwirtschaft, Buchhändler und GEMA am Ende noch einmal gemeinsam fest, das sie „es“ nicht aus den Augen verlieren wollen. Was auch immer damit gemeint sein mag.

Diese Erklärung ist ein aufschlussreiches Dokument. Es macht anschaulich, in welchem Maße ein Verein, der behauptet, für die Existenz hochwertiger Inhalte zu stehen, nicht einmal in der Lage ist, selbst einen Inhalt zu formulieren, der verständlich, sprachlich richtig und inhaltlich korrekt ist. Die Presseerklärung ist mit all ihrem Sprachmüll und ihrer Gedankenlosigkeit ein Dokument der Hilflosigkeit. Aber ich fürchte, so niedlich es wirkt, wie ungelenk da die Branchengrößen mit Förmchen werfen, so hart ist in Wahrheit der Druck, den sie hinter den Kulissen auf die Politik ausüben. Die „Deutsche Content Allianz“ bezieht sich in ihrer Pressemitteilung sogar zustimmend auf einen Brief diverser Verbände an Abgeordnete des EU-Parlaments, der mit zutiefst antidemokratischer Haltung die Proteste gegen ACTA skandalisierte.

Das größte Ärgernis aber bleibt für mich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender bei alldem mitmischen. Von Sascha Lobo kommt der treffende Satz: „Inhalte nennt man in Deutschland immer dann ‚Content‘, wenn jemand damit Geld verdienen will.“ Was haben ARD und ZDF, deren Aufgabe es ist, von unseren Gebühren Programme für uns zu machen, in dieser „Content Allianz“ zu suchen?

Die SPD rettet ARD und ZDF

Es gibt sie noch, die großen politischen Würfe. Zwei SPD-Politiker haben die Lösung gefunden, wie es die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland schaffen können, endlich auch jüngere Menschen zu erreichen. In einem Gastbeitrag für die Samstagausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ verraten sie ihre Gewinner-Formel:

Das ZDF könnte (…) mit seinem digitalen Kanal ZDF Neo die Zielgruppe der 30- bis 49-Jährigen konsequenter ansprechen. Konsequenter bedeutet, einen Marktanteil von etwa fünf Prozent anzupeilen.

Warum ist darauf nicht eher jemand gekommen? Wieso gibt sich das ZDF bei ZDFneo mit Marktanteilen im Promillebereich zufrieden, wenn es doch fünf Prozent anpeilen könnte! Auch jüngere Zielgruppen wären plötzlich ganz leicht zu erreichen, wenn man nur Marktanteile anpeilt, die hoch genug sind. Und wundern Sie sich nicht, wenn die SPD in Zukunft bei Wahlen richtig abräumt: Die Partei wird einfach konsequent Ergebnisse von etwa 40 Prozent anpeilen.

Man könnte lachen über diesen Text, man kann ihn leicht vergessen oder ignorieren, aber er lässt sich auch als trauriges Symbol dafür lesen, was in Deutschland als Medienpolitik durchgeht. Die Autoren sind Martin Stadelmaier, der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, und Marc Jan Eumann, der Vorsitzende der SPD-Medienkommission. Beide sind Mitglied im ZDF-Fernsehrat.

Die „Süddeutsche“ hat über den Text geschrieben:

Warum weniger manchmal wirklich mehr ist: Wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk verändern muss

Kein Wunder, dass es sich um zwei Fragen handelt. Antworten enthält das Stück nicht.

Aber schon die Fragen, die sich Stadelmaier und Eumann stellen, sind toll.

1. Wie kann der öffentlich-rechtliche Auftrag im Netz so ausgestaltet werden, dass er Qualität und Überblick im Meer der Informationen bietet und regen Zuspruch findet?

2. Wie kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der auf der Basis solider Informationen über die wesentlichen Zusammenhänge in unserer Gesellschaft informiert und damit zur Demokratiebildung durch freie Meinungsbildung beiträgt, den Generationenabriss stoppen, der sich vor allem bei jungen Menschen vollzieht, die sich von ARD und ZDF abwenden?

3. Wie kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk zeitgemäße, den inhaltlichen und finanziellen Herausforderungen entsprechende Strukturen legen?

Die diversen Sprachunglücke in diesen Sätzen sind kein Zufall, sondern Ausdruck davon, dass hier jemand nicht klar denken kann oder wenigstens nicht klar reden will. Ein ausgestalteter Auftrag soll regen Zuspruch finden? Ein Rundfunk soll auf der Basis von Informationen informieren? Durch Meinungsbildung zur Demokratiebildung beitragen? Herausforderungen entsprechende Strukturen legen?

Auf keine der tatsächlichen Fragen, die man hinter diesen Worthaufen erahnen kann, findet der Text auch nur die Idee einer Antwort.

Stadelmaier und Eumann erwähnen kurz die Klage der Verleger gegen die „Tagesschau“-App und fügen hinzu:

Ein scheinbar geeintes Verlegerlager will im Netz Bezahlinhalte durchsetzen. Das ist, um nicht missverstanden zu werden, legitim. Das Vorgehen knüpft damit an die europaweite, kontroverse Diskussion um den Schutz der Urheberrechte beziehungsweise Leistungsschutzrechte an und hat sich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Angriffsziel ausgesucht. Es ist aber auch eine gravierende Verkennung der Interessenslage, insbesondere der Tages- und Wochenpresse, die auf ihre Art wie ARD und ZDF zu verlässlichen, orientierenden Informationen für unsere Gesellschaft beiträgt.

Ich weiß nicht, was die Urheber- und Leistungsschutzrechte mit dem Thema zu tun haben, aber was weiß man schon von Vorgehen, die sich Ziele aussuchen.

Irgendwie, sagen die SPD-Medienpolitiker dann, sollten die Verlage und die öffentlich-rechtlichen Anstalten gemeinsam „für attraktive Informationsangebote im Internet sorgen“.

Um gerade bei den unter 20-Jährigen die öffentlich-rechtliche Zugkraft im Netz zu steigern, wird es mehr Geld für Kreativität, neuer Angebote und Geschäftsmodelle bedürfen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es ausgerechnet Geld ist, das ARD und ZDF fehlt, aber vielleicht meinen Stadelmaier und Eumann ja eine Umverteilung der Ressourcen. Man weiß es nicht, denn sie schreiben nichts darüber. Auch nicht, was für „neue Angebote“ denn gebraucht werden und vor allem, wie man mit neuen „Geschäftsmodellen“ Jugendliche erreicht. Bis gerade dachte ich, dass das Geschäftsmodell der Öffentlich-Rechtlichen ist, Gebühren zu bekommen und dafür ein gutes Programm zu machen.

Für ARD und ZDF wird entscheidend sein, dass sie sich neue Prioritäten setzen und zugleich von Liebgewordenem trennen.

Was sehnte man sich nach einem Beispiel – oder besser zweien: eins für die neu zu setzenden Prioritäten und eins für das abzuschaffende Liebgewordene. Aber es kommt keines, und damit ist die Abhandlung der Frage 1 auch schon beendet, in der es eigentlich um den öffentlich-rechtlichen Auftrag im Netz ging.

Als Antwort auf Frage 2 referieren die SPD-Männer, dass Jugendliche und junge Erwachsene kaum Angebote von ARD und ZDF im Internet und im Fernsehen wahrnähmen, insbesondere keine Nachrichten. Sie fügen hinzu:

Der gebührenfinanzierte Rundfunk hat (…) die (…) gesetzliche Aufgabe, alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen anzusprechen, insbesondere mit seinen Hauptprogrammen. Dieses Ziel ist heute nicht mehr allein mit den Vollprogrammen zu erreichen, allerdings mit Spartenprogrammen im Marktanteilsbereich von weniger als einem Prozent auch nicht.

Aha: Das Ziel, Menschen mit dem Hauptprogramm anzusprechen, lässt sich heute nicht mehr allein mit dem Hauptprogramm erreichen.

Und: Das Ziel, alle Menschen anzusprechen, lässt sich nicht mit Programmen erreichen, die nur wenige Menschen gucken.

Nun folgt der eingangs zitierte Gedanke, dass ZDFneo doch einfach mehr jüngere Leute erreichen sollte, als es tut, und erstaunlicherweise sogar ein konkreter Vorschlag:

Die Länder sollten dazu einen Konstruktionsfehler der Beauftragung beseitigen, nämlich das Verbot, in den Spartenkanälen (zielgruppenadäquate) Nachrichten zu bringen.

Spätestens beim Wort „Beauftragung“ war ich mir dann sicher, dass sich der Text nicht an mich, geschweige denn einen interessierten fachfremden Zuschauer richtet.

Ich bin durchaus dafür, dass das ZDF auf ZDFneo Nachrichten für junge Leute senden darf — es wäre ein interessanter Versuch, einen öffentlich-rechtlichen Gegenentwurf zu den „RTL 2 News“ zu entwickeln. Aber dass das die Quoten des Senders in die Höhe katapultieren würde, halte ich selbst im besten Fall für unwahrscheinlich.

Zunächst sollten ARD und ZDF ihre Infokanäle aufgeben und Phoenix stärken, indem sie diesen Gemeinschaftskanal in seinen Aufgaben als Ereignis- und Informationskanal stärken.

Eine konkrete Idee, und keine schlechte! Leider lautet der nächste Satz:

Es bliebe dann auch mehr Raum für die beiden privaten Spartenangebote n-tv und N 24.

Die Mini-Kanäle ARD extra und ZDF info sind schuld am Rumpel- und Resteprogramm von n-tv und N24? Das ist schwer zu glauben. Vor allem aber könnte Phoenix genau dadurch, dass es vom Ereignis- zum umfassenden Informationskanal aufgewertet würde, erst recht eine relevante Größe erreichen.

Dann gibt es keinen vernünftigen Grund, sich neben den herausragenden Kultursendern Arte und 3sat kannibalisierende öffentlich-rechtliche Kulturkanäle zu leisten.

Das ist nicht ganz falsch und trifft den Kern überhaupt nicht. Auch arte und 3sat sind längst in einem Maße auf relative Massentauglichkeit optimiert, dass sie für die Experimente, die sich ZDF.kultur leistet, gar keinen Raum hätten. Anders gesagt: Das Problem ist nicht ZDF.kultur. Das Problem sind 3sat und arte.

Aber was red ich, Stadelmaier und Eumann sind im nächsten Satz längst ganz woanders:

Sehr wohl sollten ARD und ZDF allerdings an Silvester je ein Konzert von Mozart und Beethoven übertragen können, ohne dass ihnen daraus ein Nachteil entstünde.

Ich weiß nicht, ob das wegen des „je“ auf zwei oder auf vier Konzerte hinausläuft, aber vor allem: Hä?

Im vergangenen Jahr übertrug die ARD live das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker, das ZDF ebenso live aus der Dresdner Staatsoper ein Konzert der Staatskapelle Dresden. Ihnen wurde daraufhin Gebührenverschwendung vorgeworfen — allerdings, weil beide Sendungen zeitgleich liefern. Wenn den Öffentlich-Rechtlichen daraus „ein Nachteil“ entstand, dann wegen ihrer eigenen Beklopptheit bei der Programmierung (vgl. Parallel-Übertragung der englischen Prinzenhochzeit).

Der Bewusstseinsstrom von Stadlmaier und Eumann endet:

Ein so restrukturierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann sich mit den Interessen der Tages- und Wochenpresse idealerweise treffen. Beide Seiten könnten sich in der Frage eines anspruchsvollen Journalismus und eines insgesamt anspruchsvollen Medienangebots ergänzen und stärken.

Das „so“ im ersten Satz ist wirklich niedlich. Der Text hat exakt keine Ahnung davon, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk umstrukturiert werden müsste. ARD und ZDF sollen ihre Info- und Kultur-Kanäle schließen und stattdessen junge und noch jüngere Zuschauer erreichen; sie sollen Verwaltungskosten abbauen und vielleicht noch ein paar Orchester schließen. Plattitüden, Phrasen, Lächerlichkeiten.

Die Autoren sind, um es noch einmal zu sagen, die führenden Medienpolitiker der SPD. Martin Stadelmaier ist der vielleicht einflussreichste Strippenzieher auf diesem Gebiet. Und so ein Artikel kommt dabei heraus, wenn er sich mit seinem Kollegen Eumann sagt: Hey, lass uns mal in die „Süddeutsche“ schreiben, wie wir uns die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorstellen?

Man hat danach keine Fragen mehr.

Wie ARD und ZDF ihren Gebührenbedarf kleinrechnen

Die ARD behauptet, der zusätzliche Finanzbedarf, den sie für die kommenden vier Jahre angemeldet habe, entspreche einer jährlichen Steigerung um 1,1 Prozent. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel hat diese Zahl auch in diversen Interviews genannt. Das ZDF rechnet seinen zusätzlichen Bedarf öffentlich in eine jährliche Steigerung von 1,3 Prozent um. Beide Angaben sind falsch. In Wahrheit sind die Steigerungen deutlich höher.

Das wird jetzt ein bisschen kompliziert.

Es gibt mehrere Gründe, warum die Zahlen über die von ARD und ZDF bei der zuständigen Kommission KEF beantragten Mittel so schwer einzuordnen und so leicht zu skandalisieren sind. Der naheliegendste sind natürlich die schieren absoluten Größe der Zahlen, die Millionen- und Milliardenbeträge. Aber es kommt noch etwas hinzu: Die Gebührenperiode läuft über vier Jahre. Die bewilligten Etats steigen am Anfang sprunghaft an und bleiben dann konstant.

Die ARD zum Beispiel hat eine Bedarfssteigerung um insgesamt 900 Millionen Euro angemeldet. Das entspricht 225 Millionen Euro jährlich. Diese 225 Millionen Euro stellen eine Zunahme des Etats um 4,1 Prozent dar. Dem stehen dann aber drei Jahre ohne weiteres Wachstum gegenüber. Die 4,1 Prozent lassen sich deshalb nicht mit jährlichen Steigerungsraten wie etwa der Inflation vergleichen.

Es ist deshalb prinzipiell sinnvoll, diese Zahl auf eine jährliche Steigerungsquote umzurechnen, wie es ARD und ZDF tun. Mit der behaupteten jährlichen Anpassung von 1,1 Prozent der ARD ergäbe sich allerdings folgendes Bild:

Tatsächlich ist nach vier Jahren mit einer jährlichen Steigerung von 1,1 Prozent die neue beantragte Etathöhe erreicht. Nur hat die ARD diese Höhe ja auch schon für die Jahre zuvor beantragt. Anstatt der 900 Millionen, die sie angeblich insgesamt zusätzlich braucht, bekäme sie mit einer jährlichen Steigerungsrate von 1,1 Prozent in vier Jahren nur rund 614 Millionen zusätzlich.

Um auf 900 Millionen Mehreinnahmen zu kommen, müsste der Etat nicht vier Jahre lang um 1,1 Prozent, sondern um 1,6 Prozent steigen.

Das ZDF hat exakt denselben Rechenfehler gemacht. Es hat — nach neuesten Zahlen — einen Bedarf von 411 Millionen Euro angemeldet. (Die von der „Zeit“ behaupteten 435 Millionen sind falsch; die vom ZDF später bestätigten 428 Millionen inzwischen nach ZDF-Angaben überholt.)

Der Sender erklärt mir:

Dieser Finanzbedarf (411 Mio) würde bezogen auf die Beitragsperiode 2013-2016, bei dem angenommenen Beitragsaufkommen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 0,248 € bedeuten. Der aktuelle Anteil des ZDF an der Rundfunkgebühr beträgt 4,735 €. Setzt man die ermittelten 0,248 € in Relation dazu, entspricht dies einer Steigerung von 5,2 Prozent für den Zeitraum von vier Jahren. Verteilt man diese Steigerung gleichmäßig über die vier Jahre, ergibt sich mit Hilfe des geometrischen Mittelwerts eine jährliche Steigerung von 1,3 Prozent.

Nur verteilt sich die Steigerung eben nicht gleichmäßig über die vier Jahre, sondern wird sofort im ersten Jahr wirksam und bleibt dann konstant. In Wahrheit entspricht der angemeldete zusätzliche Bedarf des ZDF nach meinen Berechnungen einer jährlichen Steigerung um gut 2,0 Prozent.

Das ist immer noch eine Größenordnung, die vermutlich bestenfalls einen Inflationsausgleich darstellt. Insofern halte ich die Reaktionen auf diese Bedarfsanmeldung (die ohnehin von der KEF deutlich gekürzt werden wird) für unverändert abwegig und hysterisch. Ich hätte mich aber nicht auf die Zahlen verlassen dürfen, die ARD und ZDF angegeben haben. Sie erwecken einen falschen, zu niedrigen Eindruck von dem zusätzlichen Bedarf, den sie angemeldet haben.

[via Michael in den Kommentaren]

Das Gebührenwucherphantom

ARD und ZDF haben der zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) mitgeteilt, wieviel Geld sie in der nächsten Gebührenperiode mehr benötigen. Die Summen entsprechen nach Angaben der Sender einer jährlichen Steigerung von 1,1 bzw. 1,3 Prozent. (Nachtrag/Korrektur hier.) Das ist weniger als die aktuelle Inflationsrate von über 2 Prozent. Das nominale Wachstum, das ARD und ZDF beantragt haben, entspricht also einem realen Rückgang ihrer Etats.

Es ist schwer, darin einen Skandal zu sehen. Natürlich kann man der Meinung sein, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ohnehin schon über viel zu viel Geld verfügen und in Zukunft deutlich schrumpfen sollten. Aber man muss schon ideologisch verblendet sein und irreführend rechnen, um aus einem Wachstum unterhalb der Inflationsrate einen Beleg für Maßlosigkeit und Gier der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu machen.

Den Gegnern von ARD und ZDF in den Verlagsredaktionen, den Lobbyverbänden und der Politik ist das mit vereinten Kräften gelungen. Mit teils bloß reflexhafter, teils sicher bewusst einseitiger Berichterstattung haben sie die Bedarfsanmeldung in den vergangenen Tagen in grotesker Weise skandalisiert. Es ist ein Lehrstück darüber, wie man mit geschickter Propaganda den Verlauf einer Debatte fast vollständig bestimmen kann.

An ihrem Beginn steht ausnahmsweise nicht die „Bild“-Zeitung, sondern die „Zeit“. Sie hat exklusiv in Erfahrung gebracht, welchen Bedarf ARD und ZDF bei der KEF angemeldet hatte, und gibt die Kommentierung gleich in der Überschrift ihres Artikels vor: „Immer in die Vollen“.

„Maßlos“ sei die „Forderung“ von ARD und ZDF, suggeriert die Autorin Anna Marohn, noch bevor sie sie überhaupt genannt hat. Ihr Artikel beginnt so:

Wunschzettel, das lernen Kinder früh, sind ein diplomatischer Akt. Wer sich ein Pony wünscht, bekommt am Ende vielleicht einen Hasen oder einen Wellensittich. Wer es aber übertreibt und auch noch zehn Puppen oder zehn Roller haben will, der zieht sich den Unmut der Eltern zu. So viel zur Theorie der Wunschzettel.

Ironisch spricht sie später angesichts der Zahlen, die sich über vier Jahre auf insgesamt 1,47 Milliarden Euro zusätzlich belaufen, von der „neuen Bescheidenheit“, nennt sie eine „üppige Forderung“.

Weil die „Zeit“ ihre Informationen samt wilder Spekulationen über eine Erhöhung der Rundfunkgebühren vorab an die Agenturen gegeben hat, stehen ihre Zahlen und Interpretationen am Donnerstag auch in anderen Zeitungen. Die „Bild“-Zeitung lässt sie durch irreführende Vergleiche von Zahlen, die sich auf ein einzelnes Jahr und auf vier Jahre beziehen, noch maßloser erscheinen, und brüllt: „Gebühren-Irrsinn“. Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichten unter der Überschrift: „Sender halten Hand auf“.

Jürgen Doetz, dessen Beruf es ist, im Auftrag der Privatsender gegen ARD und ZDF zu wettern, nutzt seine Chance. Die Agenturen zitieren ihn: „Diese Zahlen zeugen von einem völligen Realitätsverlust der gebührenfinanzierten Anstalten und im Besonderen beim ZDF.“ Es handle sich um einen „Affront gegenüber den Gebührenzahlern“ sowie „eine Ohrfeige für die Politiker“.

Angesichts der historisch niedrigen Forderungen von ARD und ZDF könnte man seine Lautstärke hysterisch und die propagandistische Absicht durchschaubar finden. Doch im durch „Zeit“ und „Bild“ vorgegebenen Kontext wirkt Doetz‘ Gebrüll genau umgekehrt: Sie lässt die Beteuerungen von ARD und ZDF unwahrscheinlich wirken, die beantragten Steigerungsraten seien historisch niedrig.

Es ist die Stunde von Leuten wie Wolfgang Börnsen, dem medienpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der alliteriert, die Anträge von ARD und ZDF seien „unangebracht, unpassend und unangemessen“. Und natürlich meldet sich auch sein FDP-Kollege Burkhardt Müller-Sönksen mit üblichen Rülpsern zu Wort. Von einer „dreisten Selbstbedienungsmentalität der Intendanten“ spricht er und von einem „Generalangriff auf das duale System“.

Der Tonfall ist ansteckend.

Das „Hamburger Abendblatt“ aus dem Verlag Axel Springer ist ganz außer sich und kommentiert unter der Überschrift „Paralleluniversum ARD und ZDF. Die Gebührenforderung der öffentlichen Sender ist absurd“:

Irgendwo da draußen in den Funkhäusern an der Rothenbaumchaussee, auf dem Mainzer Lerchenberg, am Kölner Appellhofplatz oder am Münchner Rundfunkplatz müssen Menschen leben, die mit einer seltenen Gabe gesegnet sind: Sie bekommen von dem, was um sie herum geschieht, nichts mit. Rein gar nichts.

Sie wissen nicht, dass wir in einer schweren Finanzkrise stecken, deren Ende nicht abzusehen ist. Ihnen ist unbekannt, dass deshalb überall kräftig gespart werden muss. Und davon, dass die Unternehmen ihrer Branche, die sich nicht durch Gebühren finanzieren, auch ganz ohne Finanzkrise schwere Zeiten durchmachen, weil sich viele Mediennutzer und Werbetreibende ins Internet verabschieden, haben sie auch noch nie gehört.

Auch der Rest des Kommentars von Kai-Hinrich Renner ist pure Empörung und verirrt sich am Ende noch in der Behauptung, die Forderungen von ARD und ZDF seien „absurd“, weil sie aufgrund der Haushaltsabgabe ab 2013 eh mehr Geld kriegten. Das ist schlicht falsch, denn selbst wenn es so wäre, müssten sie den Betrag, der ihren angemeldeten und genehmigten Bedarf übersteigt, später wieder abgeben bzw. verrechnen.

Der Medienredakteur des Berliner „Tagesspiegel“, Joachim Huber, schnappt nach Luft: „Das Letzte“ hat er seinen Kommentar überschrieben, in dem er keucht: „Demut sieht anders aus, das erfüllt den Tatbestand der Nötigung.“

Die „Berliner Zeitung“ berichtet unter der Überschrift „schiefergelegt“ und bemüht im Text das falsche Bild von der „Schieflage im Dualen Rundfunksystem“. Es beruht auf der von der Privatsenderlobby kultivierten Annahme, Private und Öffentlich-Rechtliche sollten ungefähr gleich stark sein. Dabei ist die Architektur des Dualen Systems eine ganz andere. Sie ist darauf ausgelegt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer stark sein soll, auch wenn die privaten — aus welchen Gründen auch immer — schwach sind. Dieses System kann man natürlich für falsch halten und verändern wollen. Aber dann muss man das auch sagen anstatt so zu tun, als gefährde ein Inflationsausgleich für ARD und ZDF die Logik des vorhandenen Systems.

Noch einmal: Natürlich hat jeder, zumal in einem Kommentar, das Recht, die Etatsteigerungswünsche von ARD und ZDF zu hoch zu finden. Die Debatte wird aber geführt auf der Grundlage der Behauptung, die Anmeldungen bedeuteten eine massive Zunahme der Etats, was falsch ist. Hilfreich ist dabei natürlich, die Steigerungen nicht in Prozenten, sondern den zweifellos eindrucksvollen absoluten Zahlen auszudrücken, und das auch noch über den Zeitraum von vier Jahren.

Man denke sich versuchsweise die Meldung, dass die „Bild“-Zeitung ihren Verkaufspreis von 60 auf 70 Cent erhöht hat, in dieser Form: Wir würden darüber diskutieren, dass „Bild“ ihre Vertriebsumsätze um 90 Millionen Euro jährlich, um 360 Millionen in vier Jahren steigert.

Überhaupt fällt auf, wie sehr etwas, das in ungefähr jedem anderen Lebensbereich, bei Preisen und Löhnen, selbstverständlich ist, nämlich Inflation bzw. ihr Ausgleich, in Bezug auf ARD und ZDF automatisch anrüchig und Ausweis von „Selbstbedienungsmentalität“ und „Realitätsverlust“ sein soll.

Wie dramatisch sind die Rundfunkgebühren tatsächlich gestiegen? Natürlich ist es etwas grundsätzlich anderes, ob ein privates Medium, das ich kaufen oder es lassen kann, seinen Preis erhöht oder eine Gebühr erhöht wird, die ich unabhängig vom eigenen Medienkonsum zahlen muss. Dennoch ist ein Vergleich der Preisentwicklung erhellend:

Der Preis einer „Bild“-Zeitung hat sich in den vergangenen elf Jahren verdoppelt; ein „Spiegel“ kostet 60 Prozent mehr; die Rundfunkgebühren stiegen um 27 Prozent. Ein Monat ARD, ZDF und Deutschlandradio mit all ihren Fernseh-, Radio- und Internetangeboten kostet heute nicht mehr als ein Monat „Bild“-Zeitung. Von der grundsätzlichen Frage nach der Legitimität der „Zwangsgebühren“ abgesehen: Das klingt im Vergleich nicht nach einem überteuerten Angebot.

Dass die Debatte darüber, welche Gebühren für ARD und ZDF angemessen sind, eine solche Schieflage hat und eine Steigerung unterhalb der Inflationsrate als Wucher dargestellt wird, liegt aber nicht nur an der Bereitschaft der Zeitungsredaktionen, sich ganz in den Dienst des billigen Populismus oder des Kampfes ihrer Verlage gegen ARD und ZDF zu stellen. Es liegt auch an der Unfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender zu Transparenz und Kommunikation.

Sie erwischt die Diskussion zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt: mitten im Ratifizierungsprozess des neuen Rundfunkstaatsvertrages, der die neue Haushaltsabgabe einführen soll. Es ist vermutlich kein Wunder, dass die Zahlen ausgerechnet jetzt lanciert wurden. Dabei stehen sie seit Monaten fest. Warum haben ARD und ZDF sie nicht selbst öffentlich gemacht? Sie hätten nicht nur im gewissen Rahmen selbst bestimmen können, wann sie sie lancieren. Sie hätten auch eine viel größere Chance gehabt, die Dramaturgie der Diskussion zu beeinflussen und von Anfang an ihre eigenen Argumente in die Öffentlichkeit zu bringen.

Die ARD brauchte fast 24 Stunden, bis sie auf die Vorabmeldung der „Zeit“ mit einem Statement der Vorsitzenden Monika Piel reagierte. Zunächst hatte sie sich sogar geweigert, die Zahlen zu bestätigen, und somit auch bewusst darauf verzichtet, sie zu erklären und einzuordnen.

ARD und ZDF können die Hoffnung getrost fahren lassen, dass private Medien unvoreingenommen über sie und die Rundfunkgebühren berichten. Ihre einzige Chance ist es, die Gebührenzahler selbst zu überzeugen. Dazu müssten sie lernen, transparenter zu werden. Das wäre nicht nur strategisch geschickt. Es wäre auch Ausdruck einer Tatsache, die ARD und ZDF gern vergessen: dass sie nicht sich selbst dienen, sondern uns.