Vor drei Wochen veröffentlichte der österreichische Privatsender ATV auf seiner Facebook-Seite einen Spendenaufruf. Er bat darum, Dinge wie Hygieneartikel, Handtücher und Windeln bei der Caritas in Wien abzugeben, damit Flüchtlinge damit versorgt werden können.
Wir sammeln fleißig für Flüchtlinge. Hilf‘ auch du mit und bring Dinge, die du nicht mehr benötigst, andere aber…
Posted by ATV on Dienstag, 14. Juli 2015
Als Reaktion gab es viele wütende Proteste und Kommentare wie diese:
Wäre besser ihr sammelt/ spendet zuerst für Österreicher die Hilfe brauchen!
Einen feuchten furtz könnt ihr haben meinetwegen!!!! Wir müssen schauen wie wir allein zurecht kommen weil uns keiner hilft und denen alles in Arsch stecken? Ihr spinnt doch alle!
Ich spenden für die Österreicher aber nicht für die Asylanten!
Es ist nicht meine Aufgabe etwas für das Bildungssystem, Öffis, Obdachtlose etc zu tun. Dafür bezahle ich die Regierungsverbrecher. Es ist auch nicht die Aufgabe von ATV für Flüchtlinge zu sammeln, denn die Aufgabe von ATV ist es OBJEKTIV Bericht zu erstatten, doch das wird leider schon lange nicht mehr wahr genommen.
Wenns a Seife ham brauchen sie kein Duschgel ,können sich mit der Seife waschen oder was für ein Theater da gemacht wird ,lächerlich!
Schenkt Ihnen doch Autos auch noch und gebt jeden noch 10000euro als start kapital wir Österreicher zahlen das gerne
Der Sender selbst äußerte sich dann „erschrocken“ darüber, „welche Reaktionen ein paar Windeln, Zahnbürsten und Duschgel auslösen können“. Andere Medien machen in diesen Tagen ähnliche erschreckende Erfahrungen, wie ihre Beiträge über Flüchtlinge wütende fremdenfeindliche Kommentatoren anziehen.
Nun ist so ein fremdenfeindlicher Mob aber letztlich ja auch nur eine große Zahl von potentiellen Lesern. Mit der richtigen Ansprache kann man deren Zorn in etwas Produktives verwandeln: Klicks.
Und wenn es darum geht, aus Scheiße Klicks zu machen, macht „Focus Online“ so schnell keiner was vor.
Im konkreten Fall nahm das gestern folgende Form an:
Der verlinkte Artikel selbst ist einfach ein Hintergrundstück der Nachrichtenagentur dpa, eine sachliche Darstellung der Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Aber mit der entsprechenden Anmoderation auf Facebook — „Unglaublich: DAS bekommt jeder Flüchtling monatlich!“ — erhält so ein Stück natürlich einen ganz anderen Schwung. Geteilt wurde es unter anderem mit Sätzen wie:
KEINE BARGELDLEISTUNG, NUR SACHLEISTUNGEN !!! WOZU BRAUCHEN DIE BARGELD? TABAK, NUTEN UND ALKOHOL GEHÖREN NICHT ZUM LEBENSUNTERHALT !!!
Und die beliebtesten Kommentare lesen sich zum Beispiel so:
Wieso Bargeld. Eintopf und gebrauchte Sachen. Fertig. Die eigenen leute bekommen noch nicht mal das.
Bargeld ist vollkommen überflüssig…ne Dose Eierravioli und gebrauchte Sachen reichen vollkommen aus..
Asylanten haben es besser in Deutschland als manch deutsche..echt traurig
Wusste gar nicht, dass iPhone und die neuesten Markenklamotten als Existenzminimum gelten. So laufen nämlich die Gelderschleicher hier bei uns rum.
Ob die „Focus Online“-Redaktion auch „erschrocken“ ist über die Reaktionen, ist nicht bekannt. In der Diskussion meldet sie sich nicht zu Wort; antwortet auch nicht auf die – immerhin auch von vielen mit „gefällt mir“ markierte – Frage der „taz“-Journalistin Helke Ellersiek:
Ist das jetzt „unglaublich“ weil es unglaublich wenig ist oder weil man so mehr Klicks (von Rechtspopulisten) bekommt?
Sie nennt es „rassistisches Clickbaiting“.
Nachdem gestern Nacht Kritik an dem Eintrag laut wurde, wurde heute die Anmoderation immerhin stillschweigend geändert:
Vermutlich waren da aber eh kaum mehr Klicks zu holen.