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dapd-Feature über Baku: „Naiv, blind oder bezahlt“

Im Herbst 2010 hat die Nachrichtenagentur dapd einen dreiköpfigen Beirat berufen, der die journalistische Unabhängigkeit ihrer Berichterstattung schützen soll. Seitdem können sich Redakteure, wenn sie unzulässige Versuche der Einflussnahme wahrnehmen, direkt zum Beispiel an den ehemaligen ZDF-Intendant Dieter Stolte wenden.

Das hätte im Fall des auffallend regimefreundlichen dapd-Features über Aserbaidschan, das vor zehn Tagen erschien, eine schöne Ironie. Denn Dieter Stolte schützt nicht nur die Unabhängigkeit der Berichterstattung von dapd. Dieter Stolte sitzt auch im Beirat der PR-Firma Consultum Communications. Und Consultum Communications ist eine Agentur, die im Auftrag Aserbaidschans daran arbeitet, das Image des autoritär regierten Landes in Deutschland zu verbessern.

dapd sieht darin kein Problem. Sprecher Tobias Lobe schließt eine Einflussnahme Stoltes aus: „Professor Stolte steht seit Jahrzehnten für journalistische Unabhängigkeit und Integrität. Er beschäftigt sich nicht mit tagesaktuellen Fragestellungen der dapd.“

Lobe sieht auch keinen grundsätzlichen Interessenskonflikt darin, dass jemand, der die journalistische Unabhängigkeit sicherstellen soll, seinerseits im Beirat eines Unternehmens sitzt, das davon lebt, Medien in seinem Sinne zu beeinflussen: „Herr Prof. Stolte würde sich für Derartiges auch nicht missbrauchen lassen.“

In dem dapd-Feature wird ein autoritäres Regime zur demokratisch legitimierten Herrschaft eines allseits geschätzten, gütigen und großzügigen Präsidenten verklärt. Die Staatsgewalt, die durch willkürliche Entscheidungen, Verstöße gegen Menschenrechte und Übergriffe gegen Demonstranten und Kritiker von sich reden macht, tritt hier in Gestalt von gemütlichen Polizisten auf, die Tee trinken, weil nichts zu tun ist. Auf meine Frage, ob dieser Text den journalistischen Standards von dapd entspricht, antwortet Lobe nicht direkt. Stattdessen erklärt er unter anderem:

Journalistischer Standard einer objektiv und professionell arbeitenden Nachrichtenagentur ist, gewissenhaft zu informieren und nicht zu manipulieren. In diesem Fall handelte es sich um ein Reise-Feature, dass auch online im Reiseressort einer Zeitung verbreitet wurde. Das Autorenstück — verfasst von einem Korrespondenten, der viele Jahre für dpa gearbeitet hat — legt einen besonderen Schwerpunkt auf die dynamische Entwicklung des Landes als Magnet für Tourismus und die internationale Geschäftswelt. Es handelt sich um ein Stadtportrait und keine Analyse der politischen Verhältnisse. Es ist wohlgemerkt ein Artikel im Rahmen eines sehr umfangreichen Themenangebots der Aserbaidschan-Berichterstattung, die zahlreiche kritische Artikel umfasst. Wir regen an, die Frage nach journalistischen Standards auch anderen Agenturen zu stellen. Ein ähnliches Feature ist u.a. von Focus, Stern, Welt, FR online veröffentlicht worden. Nachzulesen z. B. unter www.stern.de/reise/baku-das-dubai-des-kaspischen-meeres-1812943.html. In diesem Beitrag eines Mitbewerbers werden Fragen nach Menschenrechten und Pressefreiheit auch nicht thematisiert, da ein anderer thematischer Fokus gesetzt wurde. Das kritisieren wir jedoch ausdrücklich nicht.

Der Unterschied zwischen dem erwähnten dpa-Stück und dem dapd-Stück ist allerdings, dass bei dpa die Politik ganz ausgeblendet ist. Bei dapd ist sie ein entscheidender Aspekt des Features — und das ganz im Sinne des Regimes.

Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, kommentiert den dapd-Beitrag über Aserbaidschan so:

Entweder hat hier ein Blinder geschrieben oder ein Dummkopf oder es war ein PR-Auftrag. Unglaublich wie man so an der Realität dieses Landes vorbei schreiben kann. Ich kenne Aserbaidschan aus vier Besuchen in den letzten zehn Jahren. Es gibt dort viel interessantes zu sehen und zu entdecken. Faszinierendes aus einer unruhigen und bewegten Geschichte, spannendes über den rasanten Zufluss an Ölgeld und abstossendes über die gewissenlose Durchsetzung von Macht– und Geldinteressen. Es ist ein buntes Bild mit heftigen Schattenseiten. Wer nur den Sonnenschein schildert muss sich gefallen lassen, naiv, blind oder bezahlt genannt zu werden.

Der Menschenrechtsbeauftragte ist beim Auswärtigen Amt angesiedelt. Das Außenministerium hat Ende vergangenen Jahres spektakulär entschieden, einen Großauftrag nicht mehr dpa, sondern der Konkurrenz von dapd zu erteilen. dpa wirft dapd unter anderem Preisdumping und Qualitätsmängel vor.

Nachtrag, 30. April. Markus Löning rudert zurück: Nach der Lektüre weiterer Berichte des Autors habe er sich bei ihm für den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung und seine „scharfe Wortwahl“ entschuldigt, schreibt er.

Baku wird erst durch dapd richtig schön

Einerseits ist es natürlich traurig, dass die Nachrichtenagenturen dpa und dapd zu ihrem anhaltenden Sandkastenduell nicht einmal eigene Förmchen mitbringen. Andererseits wäre es auch schade, wenn über die Qualität von dapd diskutiert würde, ohne deren Feature „Baku — Kaukasische Metropole zwischen Europa und Orient — Geschichte und Moderne dicht beieinander — ‚Kommt und schaut euch Baku an'“ zu würdigen.

Es ist ein Stück, das sich liest, als hätte es eine der PR-Agenturen Aserbaidschans selbst diktiert — als Kontrastprogramm zu all den unschönen Geschichten über zusammengeschlagene Journalisten, drangsalierte Regimegegner, verhaftete Demonstranten.

Um es vorweg zu sagen: Natürlich ist Aserbaidschan mehr als ein Ort, an dem Menschenrechte verletzt werden. Es ist ein faszinierendes Land voller Widersprüche, der vielleicht säkularste muslimische Staat der Welt, Baku eine glitzernde, staubige Metropole.

Im Baku-Werbeprospekt von dapd, verfasst von Jakob Lemke, liest sich das so:

Gut 20 Jahre nach der Befreiung von sowjetischer Fremdherrschaft öffnet sich Baku zunehmend wieder dem Westen und den Touristen. Am 26. Mai wird man sich als Gastgeber des diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) Tausenden von Besuchern und geschätzten 140 Millionen Fernsehzuschauern präsentieren. Um sich unabhängiger vom Öl- und Gasgeschäft zu machen, soll Tourismus entwickelt werden. Die internationale Geschäftswelt strömt bereits wieder ins Land.

So weit, so gut. Und jetzt geht’s los:

„Baku wird die schönste Stadt der Welt“, verspricht Staatspräsident Ilham Alijew regelmäßig. 2008 wurde er mit 88 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen im Amt bestätigt. Um viele Prestigeprojekte wie das ESC-Finale, das neue Teppichmuseum mit Goldornamenten im Dach oder den prunkvollen Boulevard am Kaspischen Meer kümmert sich die Präsidentenfamilie persönlich. Die Stadtbevölkerung scheint den Kurs zu bejahen. „Seit die Alijews regieren, geht es aufwärts“, hört der westliche Besucher in aller Regel auf die Frage, ob zur wirtschaftlichen Dynamik nicht auch mehr Demokratie passe.

Ein legitimer Herrscher, der seine Stadt schön und ihre Bewohner glücklich macht. Wer will so ein hübsches Bild schon zerkratzen durch die Information, dass die Präsidentschaftswahl von internationalen Beobachtern kritisiert wurde, weil zum Beispiel die Opposition kaum Möglichkeiten hatte, sich in den Medien oder der Öffentlichkeit darzustellen; dass Demonstrationen verboten waren, und dass alle größeren Oppositionsparteien die Wahl boykottierten.

Und klingt es nicht rührend, fast selbstlos, dass sich die Präsidentenfamilie sogar „persönlich“ um die aufregendsten Projekte „kümmert“? Die Feststellung an sich ist nicht falsch. Man könnte es, etwas treffender, vielleicht so formulieren, dass die Präsidentenfamilie das Land einfach behandelt, als würde es ihr gehören. Aserbaidschan ist eines der korruptesten Länder der Welt. Es ist reich (Öl), aber der Reichtum kommt vor allem einer kleinen Clique zugute. Bürgerrechtler sagen, dass die Präsidentenfamilie und ihre Freunde sich um das Land „kümmern“, wie es die Mafia tut.

Aber auch mit der kann man sich ja arrangieren, und warum soll man die Menschen in Baku mit so etwas Anstrengendem wie echter Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit zwangsbeglücken, wenn sie zufrieden sind, so wie es ist? Zum Beleg dafür zitiert dapd irgendjemanden, der nicht genannt wird, und behauptet, was er sagt, sei das, was der westliche Besucher „in aller Regel“ hört. Wenn ich Kunde bei einem Laden wäre, der seriöse Nachrichtenagentur sein will und eine solch windige Formulierung durchgehen lässt, würde ich mein Geld zurückverlangen.

Und wie geschickt vage das Zitat eingebaut ist:

„Seit die Alijews regieren, geht es aufwärts“, hört der westliche Besucher in aller Regel auf die Frage, ob zur wirtschaftlichen Dynamik nicht auch mehr Demokratie passe.

Es ist in dieser Formulierung nicht eindeutig, ob es laut (mutmaßlich von dapd erfundenem) Zitat wirtschaftlich aufwärts geht oder in Bezug auf die Demokratie. Nach Ansicht von Bürgerrechtlern und internationalen Beobachtern geht es mit der Demokratie in Aserbaidschan nicht aufwärts, nicht einmal ein bisschen. Es wird schlimmer.

Man würde das nicht ahnen, als dapd-Kunde oder -Leser.

Es folgen weitere Werbe-Sätze:

Wolkenkratzer entstehen in atemraubendem Tempo, an Bushaltestellen informieren moderne LCD-Bildschirme, Luxusboutiquen und Einkaufszentren locken — Baku zeigt sich reich. Wer sich auf das Stadtleben einlässt, erlebt eine selbstbewusste, zukunftsorientierte City.

Ich will nicht ausschließen, dass es das auch gibt. Mir haben Menschen, die sich auskennen oder dort leben, erzählt, dass sie eine Stadt erleben mit wenig Kulturleben und viel Materialismus — und dass die klugen Köpfe, die es können, das Land verlassen.

An den Plakatwänden prangt Werbung für Mobiltelefone und Modeketten, die alten Lada-Taxis haben mittlerweile Konkurrenz von violetten London-Taxis bekommen.

Ja. Oder wie es Peter-Philipp Schmitt in seiner Reportage in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb:

Seinen Job hat Saxib auch gleich verloren. Er war Taxifahrer, hatte einen Kredit aufgenommen und einen Lada gekauft. Vor einigen Wochen aber schaffte Baku Tausende Neuwagen an. Sie sehen aus wie die berühmten Londoner Cabs. Gleichzeitig erging ein Erlass, dass Autos bestimmter Marken wie Lada und Wagen, die vor 2006 gebaut wurden, nicht mehr auf Bakus Straßen als Taxis fahren dürfen. Baku soll modern und westlich sein, wenn die Europäer kommen. Doch die alten Taxifahrer, die keine Lizenz für das neue Zeitalter bekommen, sind arbeitslos geworden.

Aber zurück zu dapd, deren Bericht sich dem propagandistischen Tiefpunkt nähert:

Auf den Marmorplatten des Boulevards promenieren Familien und schwitzen Jogger, daneben locken Cafés. Natürlich patrouillieren auch Polizisten – aber meist haben sie Zeit für ein Schwätzchen oder eine Tasse Tee, denn Baku ist eine Hauptstadt mit gegen Null tendierender Kriminalitätsrate.

Tatsächlich scheint Baku eine Stadt zu sein, in der man relativ sicher ist, solange man nicht auf die absurde Idee kommt, sich politisch zu engagieren, demonstrieren zu wollen, für Bürgerrechte zu kämpfen. Dann aber kann man erleben, wie die freundlichen aserbaidschanischen Alois Dimpfelmosers doch kurz ihre Teetassen zur Seite stellen und mit massiven Mitteln dafür sorgen, dass sich die Präsidentenfamilie weiter ungestört um die Verschönerung der Stadt kümmern kann.

Geht weiter:

Das gilt auch für die ärmlicheren Vororte, wo sich Autos über Holperwege mühen und auf dem Markt Hammelköpfe angeboten werden. Konkrete Wünsche wie „eine neue Schule“ oder „der Spielplatz sollte renoviert werden“ verschweigt hier niemand — aber umsetzen sollen das ruhig „die Alijews“. Vor manchem baufälligen Haus parkt ein Mercedes, daneben stolzieren junge Frauen hochhackig durch ihr Viertel. Der auf Öl- und Gasproduktion beruhende neue Reichtum verteilt sich stetig, nirgendwo sind Bettler zu sehen.

Es gibt doch keine effektivere Armutsbekämpfung als das Entfernen von Bettlern von der Straße.

Der dapd-Text endet mit einem Mann, der in einer alten Karawanserei arbeitet:

Sulejmanzade ist überzeugt, dass „manche Kritik aus dem Ausland eigentlich wie Besserwisserei von Ortsfremden klingt“. Man habe nichts zu verstecken, sagt er. Mit Klischees ist Baku nicht beizukommen, diese Stadt will sich wieder selbst definieren.

Der dapd-Reporter Jakob Lemke hat sie nicht einmal explizit erwähnt, die Kritik an der fehlenden Rechtsstaatlichkeit Aserbaidschans, am Umgang des Landes mit seinen Bürgern, an der Korruption, an der Missachtung universaler Menschenrechte, an den unerklärlichen Toden von Regimekritikern im Polizeigewahrsam, aber sicherheitshalber diffamiert er sie trotzdem als „Kritik aus dem Ausland“, als Klischee.

Lemke betreibt übrigens für dapd auch ein Blog, in dem er über seine Erfahrungen in Aserbaidschan schreibt. Darin stehen Sätze wie „Angst vor Uniformierten ist in Aserbaidschan nicht notwendig“. Und: „Uns folgt auch kein Aufpasser, wie ich es in anderen ex-kommunistischen Ländern schon erlebt habe. (…) Und bei Treffen mit Personen, welche dem offiziellen politischen Kurs der Führung in Baku widersprechen, haben wir weder bei uns noch beim Gegenüber Angst gespürt.“

Es muss in einem anderen Baku gewesen sein als dem, das viele Kollegen und ich in den vergangenen Monaten besucht haben.

Nachtrag, 22:00 Uhr. „Der Westen“ hat den dapd-Artikel gelöscht.

Kontraste über Baku

Schade, dass noch die Werbung für James Bond dazwischenlag. Das wäre sonst gestern ein noch eindrucksvollerer Übergang gewesen zwischen „Unser Star für Baku“ und dem kleinen Beipackzettel für die Castingshow, den das Politmagazin „Kontraste“ im Anschluss produziert hat:
 

Dafür kann man den föderalen Wahnsinn der ARD lieben, dass er gelegentlich diese Form von Binnenpluralismus fördert. Ich mag mir das einbilden, aber die Schrifttafeln noch vor dem Vorspann und der Tonfall des Kürzestberichtes, der dann folgt, wirkten fast ein bisschen angepisst. So, als wären die Journalisten des RBB entschieden unglücklich darüber, in welchem Maße die Vorentscheidshow, die der NDR verantwortet, konsequent ausblendet, unter welch heiklen Bedingungen da in diesem Jahr der Musikwettbewerb stattfindet, für den man mit unbeirrbarer Routine einen deutschen Teilnehmer sucht.

Nun könnte man natürlich sagen, dass so Menschenrechtskram nicht in eine bunte Unterhaltungsshow gehört. Oder jedenfalls, dass die Leute das da nicht sehen wollen. Andererseits spricht gerade wenig dafür, dass die Leute das sehen wollen, womit die ARD und ProSieben anstelle irgendeiner Art von Substanz die Show aufblähem: die immer gleichen Blasen von den immer gleichen Nasen. Endlose Wiederholungen von Zusammenschnitten von Wiederholungen von Zusammenschnitten.

Nichts in dieser Show wird nur einmal oder von nur einem gesagt. Ein Mehltau von Bräsigkeit liegt über allem, und die erste halbe Stunde wirkt regelmäßig, als wollte man mit Gewalt jedem Zuschauer die Gelegenheit zum gründlichen Nachdenken geben, ob man nicht doch Besseres zu tun hat, als sich das anzusehen, die Bücher im Regal abwechselnd nach Farbe und Größe sortieren, zum Beispiel.

„Unser Star für Baku“ scheint die Pflicht zu haben, möglichst viel Sendezeit zu füllen, dabei aber nichts zu tun, an das man sich drei Sekunden nach der Austrahlung noch erinnern könnte. Tiefpunkt ist regelmäßig der Besuch bei dem Mann im Green Room, der die traurigste Aufgabe im deutschen Fernsehen hat: Gut gelaunt Werbung für die zombiehaften ARD-Popwellen zu machen, die die Show mit lustigen Aktionen im Internet begleiten.

Es ist nicht so, dass der Austragungsort gar nicht vorkommt in der Show: Wir sehen bunte Werbefilmchen von Baku und hören dazu die ursprünglich mal als Parodie gemeinte Stimme von dem Mann, der demnächst sein 750-jähriges Dienstjubiläum als Off-Sprecher bei allen Raab-Sendungen feiert. Interessanterweise heißt es dabei über die „Kristallhalle“, die gerade in Baku entsteht und in der das Finale Ende Mai stattfinden wird, dass sie „eigens“ für den Song Contest gebaut werde. Das widerspricht der offiziellen Propaganda-Version der European Broadcasting Union EBU, die den Grand-Prix veranstaltet. Seit es heftige Auseinandersetzungen um Zwangsräumungen von Häusern in der Nähe der Baustelle gibt, betont die EBU, dass der Bau der Halle und der Song Contest gar nichts unmittelbar miteinander zu tun hätten, um keine Verantwortung für Kollateralschäden übernehmen zu müssen.

Ich habe in Baku das Gefühl gehabt, dass sich die EBU in unangenehmer und unnötiger Weise zum Komplizen des Regimes macht, für das der Song Contest ein Mittel ist, sich Europa als ein modernes, weltoffenes Land zu zeigen, das es in entscheidender Hinsicht nicht ist. Die Unmöglichkeit oder Feigheit, im deutschen Vorentscheid das Thema Menschenrechte zumindest anzusprechen, macht auch keinen guten Eindruck.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hat — zum Unmut des ARD-Verantwortlichen — Briefe an alle Kandidaten und Jury-Mitglieder geschickt. Er fordert sie darin nicht zum Boykott auf, sondern bloß dazu, sich zu informieren und sich zu verhalten. Das Ergebnis? Die Jury-Frau Alina Süggeler wagte immerhin in der Umbaupause (!) der Harald-Schmidt-Show, die nur im Internet gezeigt wird, folgendes, äh, Statement:

Schmidt: Fährst Du dann auch nach Baku?
Süggeler: Ich glaube, eher nicht.
Schmidt: Warum?
Süggeler: Da bewegen wir uns jetzt auf dünnem Eis.
Schmidt: Politische Missstände?
Süggeler: Ja, ich find schon. Es ist schwierig, sich da zu positionieren. Und sich da auch wirklich richtig zu positionieren, ohne dass man jemandem Unrecht tut. Aber wenn ich nicht unbedingt vor Ort sein muss, dann lass ich das, glaube ich, aus.

Schon das ist zuviel verlangt? Dass wir uns informieren und, mit aller nötigen Zurückhaltung, eine Haltung zu einem Ereignis finden, an dem wir mitwirken? Eine Haltung, die man offen vertreten kann, was bei uns — anders als in Aserbaidschan — problemlos möglich ist?

Ich nehme mal zugunsten der Verantwortlichen von „Unser Star von Baku“ an, dass es nicht ähnliche Überlegungen waren, die sie dazu brachten, das Thema aus der Sendung fernzuhalten. Sondern nur der Glaube, dass die Zuschauer das nicht sehen wollten. Dabei hätte es vielleicht ein paar Leuten gefallen, für drei Minuten etwas zu sehen, in dem es um etwas geht, und nicht noch eine Floskel von Herrn Raab, nicht noch ein lustiger Blick hinter die Kulissen, nicht noch eine Erklärung, was eigentlich so ein Green Room ist.

Gut, man hätte dafür vielleicht einen anderen Sprecher finden müssen als den lustigen Mann mit der Kieksstimme von „TV Total“.