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Christoph Keese erklärt, warum das Leistungsschutzrecht vielleicht auch Überschriften umfasst


Abbildung: Werbe-Broschüre der Verlegerverbände VDZ und BDZV

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger beschäftigt wieder einmal den Deutschen Bundestag. Morgen berät der Rechtsausschuss über einen Gesetzesentwurf von der Linken und den Grünen, der die Aufhebung des Gesetzes vorsieht. Die bereits vorliegenden Stellungnahmen von Sachverständigen kommen zu vernichtenden Urteilen über das Leistungsschutzrecht. Trotzdem werden Union und SPD wohl gegen seine Abschaffung stimmen. (Nachtrag, 20 Uhr: Von den nun insgesamt sechs Stellungnahmen fallen zwei weniger kritisch bzw. abwartend/positiv aus.)

Die Anhörung morgen ist vielleicht kein schlechter Zeitpunkt, um ein Gespräch zu veröffentlichen, das ich bereits im vergangenen November mit Christoph Keese, Executive Vice President bei Axel Springer und der wohl wichtigste Kämpfer für das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, geführt habe. Er hatte am 9. November 2014 in einem langen Blogeintrag behauptet, das Gesetz sei nicht gescheitert, „ganz im Gegenteil“. Er warf mir einen „desinformativen Medienjournalismus“ vor und überraschte unter anderem mit der Aussage, womöglich falle auch die Anzeige von Überschriften durch Suchmaschinen schon unter das Leistungsschutzrecht (und bedürfe also einer Genehmigung durch die Verlage). Zuvor hatten Politik und Verlage immer behauptet, Überschriften blieben selbstverständlich frei.

Auf meine Bitte, mir diesen Widerspruch zu erklären, lud mich Keese damals zu einem Treffen im Journalistenclub des Verlages ein. Am 11. November vormittags erklärte er mir unter anderem, warum Überschriften womöglich doch unter das Leistungsschutzrecht fallen – und warum das kein Widerspruch ist zu dem, was die Verlage die ganze Zeit beteuert hatten. Ich dokumentiere diesen Teil des Gesprächs im Folgenden nur marginal gekürzt und geglättet.

Keese begann mit einer genauen Analyse des Gesetzestextes:

Keese: Artikel 87f, Absatz 1, Satz 1. „Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen“, sprich: im Internet zu verbreiten, „es sei denn, es handelt sich“ – und das ist die Formulierung, die mehr oder weniger einen Tag vor der Verabschiedung im Bundestag auf Anregung der FDP-Fraktion noch hineingekommen ist, „es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.“

Jetzt ist natürlich die Frage: Was sind „Kleinste Textausschnitte“? Ich bin kein Jurist, aber die Juristen, die sich mit dem Thema befassen, sagen, das ist wahrscheinlich der einzige Superlativ in einem deutschen Gesetz. Kommt natürlich sofort die Frage: Was ist ein kleiner Textausschnitt? Und wenn klar wäre, was ein kleiner Textausschnitt ist, stellt sich sofort die Frage, was wäre denn noch kleiner als klein, also der kleinste Textausschnitt. Das ist die Gesetzesformulierung.

Die Richter haben auszulegen, was das jetzt bedeutet. Wie die das auslegen werden, weiß keiner. (…) Ein Richter wird sich nach dem Willen des Gesetzgebers erkundigen, und dieser Wille des Gesetzgebers manifestiert sich vor allen Dingen in der amtlichen Begründung, die dem Gesetz angefügt ist. Und dem, was die verabschiedenden Koalitionsparteien in ihren Reden im Bundestag gesagt haben.

Der einschlägige Text in der amtlichen Begründung lautet: „Die Empfehlung soll sicherstellen, dass Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Suchergebnisse kurz bezeichnen können, ohne gegen Rechte der Rechteinhaber zu verstoßen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Blick auf das Leistungsschutzrecht für Tonträgerhersteller (Urteil ‚Metall auf Metall‘ vom 20.11.2008, Az. I ZR 112/06) soll hier gerade keine Anwendung finden. Einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ – und jetzt kommt’s: „wie Schlagzeilen“, also Überschriften, wobei Überschrift und Schlagzeile schon gar nicht mehr unbedingt das gleiche ist, und jetzt kommt ein Einschub, „zum Beispiel ‚Bayern schlägt Schalke‘, fallen nicht unter das Schutzgut des Leistungsschutzrechtes.“ Das steht hier. Das steht hier als Beispiel. Und da steht: „Bayern schlägt Schalke.“ Da steht nicht: „Bayern schlägt Schalke nach spannendem Elfmeter-Schießen.“ Oder „mit Flanke“.

„Die freie, knappe aber zweckdienliche Beschreibung des verlinkten Inhalts ist gewährleistet.“ Dieser Satz steht im Anschluss an diesen „Bayern schlägt Schalke“-Satz. Jetzt kann man das sicherlich so auslegen, dass man sagt: Frei, knapp und zweckdienlich ist „Bayern schlägt Schalke“. Aber „in spannendem Elfmeterschießen“ ist dann schon nicht mehr knapp, sondern schon länger als knapp.

Niggemeier: Der interessante Punkt ist aber doch, dass Sie, also Sie selbst, das anders interpretiert haben. Sie haben am 1. März 2013, nach der Verabschiedung, die Rede von Günther Krings [dem stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag] dokumentiert. Haben das ausdrücklich gekennzeichnet als: Das ist der „Wille des Gesetzgebers“, und haben das selbst zusammengefasst mit den Worten: „Überschriften sollen aus guten Gründen frei bleiben“.

Keese: Damit rekurriere ich auf diese Formulierung, dieses Beispiel, was Überschriften hier sind. Der spricht von Schlagzeilen. Schlagzeilen, zum Beispiel „Bayern schlägt Schalke“.

Das heißt, sie meinen mit „Überschriften“ gar nicht „Überschriften“, sondern Sie meinen…

Keese: … im Sinne des Gesetzes.

Das haben Sie nicht gesagt. Ich kann ihnen auch noch viel Beispiele bringen. Im Februar vorher haben Sie schon gesagt: „Sicherlich hätte auch niemand etwas dagegen, wenn Überschriften frei blieben. Das war noch vor der Formulierung des Gesetzes, im Februar 2013. Mein Eindruck ist, vorsichtig formuliert: Sie haben Ihre Interpretation jetzt geändert.

Keese: Nee. Ich versuche zu unterscheiden zwischen unserer Parteienposition und einer neutralen Position, die ich auch immer der Übung wegen einnehmen kann. Was ich in meinem neuen Blogbeitrag gesagt habe, ist: Dass das strittig ist.

Aber bislang war es nicht strittig. Wer hat es bislang so interpretiert wie Sie jetzt?

Keese: Aber ich frage Sie umgekehrt: Was ist eine Überschrift?

Die Überschrift ist das, was der Verlag zur Überschrift macht. Der Verlag sagt: Dies ist unsere Überschrift. Google entscheidet das ja nicht selbst, sondern übernimmt das, was der Verlag entsprechend per HTML als Überschrift des Artikels definiert.

Keese: Ja und nein: Google liest Überschriften nur bis zu ungefähr 60 Anschlägen aus. Deswegen hat sich das zum Industriestandard entwickelt.

Aber die Entscheidung, was ist eine Überschrift, trifft ja der Verlag.

Keese: Ja. Aber nur mal angenommen, die Verlage würden sich, nur als Gedankenspiel, dafür entschieden haben, dass Überschriften 3000 Zeichen lang sind. Dann kann ja nicht die technische Definition des Feldes Überschrift maßgeblich sein für den Richter bei der Auslegung, was eine Überschrift ist.

Naja, es ist ja nicht nur eine technische Definition, sondern die Entscheidung des Verlegers, zu sagen: Wir wollen, dass die Überschrift aus welchen Gründen auch immer so lang ist.

Keese: Ich möchte meinen neuen Blog-Beitrag nicht so verstanden wissen, dass ich jetzt der einen Interpretation das Wort rede. Ich möchte eigentlich nur klarmachen, wie das prozessuale Vorgehen ist. Und klarmachen, dass keine der beiden Seiten weiß, wie am Ende ein Richter eine „Überschrift“ definiert. Das kann sorum und sorum ausgehen. Was uns nur im Verfahren mit dem Kartellamt verwundert hat: Das Kartellamt hat Google ziemlich deutlich indiziert, dass es unter der Nutzungsschwelle des Leistungsschutzrechtes wegtauchen kann, wenn es sich auf die Überschrift kapriziert [also nur die Überschrift anzeigt]. Und ist davon ausgegangen, dass es klipp und klar wäre, was eine Überschrift ist. Aber das ist nicht ausgeurteilt.

Aber das Interessante ist doch, dass genau Sie – sowohl Sie persönlich als auch die Verbände – genau diesen Eindruck im Vorfeld ganz massiv erweckt haben. Die Formulierung in der Informationsbroschüre von [den Verlegerverbänden] VDZ und BDZV heißt: „Es ist wichtig, die Position der Verlage im Detail zu verstehen: (…) Überschriften können frei verwendet werden.“

Keese: Überschriften im Sinne des Gesetzes.

Es gab das Gesetz aber noch gar nicht. Und da steht auch nicht „im Sinne des Gesetzes“.

Keese: Stimmt, die Broschüre war vorher, am 26. Januar habe ich den Text der Broschüre gebloggt. Das heißt, das war sechs Wochen vor der Verabschiedung [des Gesetzes]. Da allerdings kannten wir die Formulierung mit den „kleinsten Teilen“ noch nicht. Mit anderen Worten: Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, wie die Formulierung des Textes sein würde. Gemeint habe ich dann nach Verabschiedung des Textes aber immer: das, was im Gesetz steht, und das weiß ich auch nicht, wie das ausgelegt wird.

Im ganzen Vorfeld war das aber überhaupt nicht strittig. Gerade um die Besorgnis in der Fachöffentlichkeit zu beruhigen, haben die Verleger gesagt: Wir wollen gar nicht Überschriften da einbeziehen. Das heißt, wenn das Gericht sich den Kontext, den Willen des Gesetzgebers anguckt, unter anderem auch die Aussagen von Herrn Krings, findet man überall Beispiele dafür, dass die Verlage und auch die Politik gesagt haben: Nein, Überschriften meinen wir damit nicht. Und jetzt kommen Sie damit an und sagen: Hm, das ist eigentlich unerklärlich, dass das Kartellamt plötzlich so tut, als sei das schon klar, dass Überschriften frei sind. Also, Sie selber haben mit für den Eindruck gesorgt, dass das klar ist.

Keese: Gut, aber das war, wie gesagt, in der politischen Diskussion vor der Verabschiedung des Gesetzes. Ich überlege vielleicht, ob ich das Wort korrigieren sollte in meinem Blogeintrag und das Wort „strittig“ ersetzen sollte und sagen: Es ist nicht „ausgeurteilt“. Das Kartellamt ist in der Ausleuchtung des rechtlichen Raumes davon ausgegangen, dass es klar wie Kloßbrühe wäre.

Was ich leicht zu erklären finde.

Keese: Warum?

Weil, wie gesagt, in der ganzen Diskussion und Dokumentation der Absicht der Politik und der Verlage, das klar schien.

Keese: Ja. Aber die vorausgegangene Diskussion spielt in der Auslegung des Gesetzes dann eine weniger große Rolle als der Gesetzestext und die amtliche Begründung, die beigefügt ist. Deswegen: Dieses Verfahren braucht einfach Raum und Ruhe.

Zeitungsverleger instrumentalisieren „Charlie Hebdo“-Anschlag für Kampf gegen Pegida

Diese Karikatur wird morgen als Teil einer Aktion des Zeitungsverlegerverbandes in vielen Zeitungen erscheinen:


Karikatur: Klaus Stuttmann; Quelle: BDZV

Ich halte sie für infam.

Der Vorwurf, der darin steckt, ist perfide und falsch. Er ist perfide, weil er Menschen, die friedlich demonstrieren, mit einem Verbrechen in Verbindung bringt, das sie nicht befürworten, nicht gutheißen und das nicht in ihrem Namen begangen worden ist. Und er ist falsch, weil die Zeitschrift „Charlie Hebdo“ aus Sicht der Pegida-Leute genau das Gegenteil dessen ist, was sie als „Lügenpresse“ beschimpfen.

Vielleicht sollte ich vorwegschicken: Ich habe keinerlei Sympathien für Pegida und die Ressentiments ihrer Anhänger. Ich halte, bei aller Kritik, die ich an Medien habe, die pauschale Verurteilung für falsch und den Begriff „Lügenpresse“ für inakzeptabel. (Und den Vorwurf von dieser Seite schon deshalb für grotesk, weil Blätter wie die „Bild“ den Pegida-Leuten in den vergangenen Jahren zuverlässig Treibstoff für ihre Paranoia geliefert haben.)

Aber.

Es ist idiotisch, so zu tun, als müssten sich die Pegida-Leute, die sich gerade über die Morde an den Karikaturisten von „Charlie Hebdo“ empören, dafür schrecklich verbiegen, weil sie doch eigentlich auch gegen die freie Presse seien, wie die islamistischen Attentäter. Denn aus Pegida-Sicht haben die „Charlie Hebdo“-Mitarbeiter dadurch, dass sie sich trauten, den Islam zu kritisieren — im grausamsten Sinne des Wortes: ohne Rücksicht auf Verluste — , genau das getan, was sie in den deutschen Medien vermissen und was einen erheblichen Teil des „Lügenpresse“-Vorwurfs ausmacht.

In dieser Sicht ist „Charlie Hebdo“ das Gegenteil von „Lügenpresse“; seine Mitarbeiter zahlten für ihren Mut, anders als die „Lügenpresse“ die Wahrheit zu sagen, mit dem Leben. Was nicht nur die Wut auf die Täter (und die Religion, auf die sie sich berufen) steigert, sondern auch auf die „Lügenpresse“.

Das ist nicht meine Sicht. Ich mache mir diese Argumentation auch nicht zu eigen. Aber sie hat eine innere Logik.

Äußerlich krankt die Logik natürlich daran, dass man „Charlie Hebdo“ dafür als ein islamkritisches Blatt wahrnehmen muss und nicht als ein Blatt, das sich an allen Religionen abarbeitete, an den Fanatikern, an den Mächtigen, an den Idioten — und nicht zuletzt an den Islamophoben und den Ausländerfeinden wie Marine Le Pen. „Charlie Hebdo“ ist ein Blatt, das den Pegida-Leuten nicht gefallen dürfte. Aber dadurch, dass es offenkundig einem islamistischen Attentat zum Opfer fiel, ist es leicht, sein Wesen fälschlicherweise auf die Verspottung des Islam zu reduzieren.

Es ist schon richtig: Man muss „Charlie Hebdo“ vor der nachträglichen Vereinnahmung durch Islamophobiker bewahren. Und man muss verhindern, dass die Morde der Terroristen in Paris von den Pegida-Leuten für ihre Agitation gegen Ausländer und Moslems instrumentalisiert werden.

Aber die Parallele, die die Karikatur zwischen den Worten der Pegida-Anhänger und den Taten des islamistischen Terroristen zieht, ist falsch. Und ihre Wirkung ist verheerend. Wiederum aus Sicht dieser Leute formuliert: Die deutsche „Lügenpresse“ ist nicht nur zu feige, die Wahrheit zu sagen. Sie erklärt sich nach den Attentaten sogar für solidarisch, wenn nicht identisch mit denen, die dafür nicht zu feige waren. Und erklärt stattdessen ihre Kritiker zu Komplizen der Täter.

Die Presse bestätigt aus Pegida-Sicht so, auf kaum zu übertreffende Weise, den Vorwurf von der „Lügenpresse“.

Und es kommt noch besser. Einer der Vorwürfe, die gegen die Medien erhoben werden, ist der der „Gleichschaltung“ — oder weniger problematisch formuliert: dass es in ihnen an Meinungsvielfalt mangele. Und die Zeitungen bringen nun, als Antwort darauf, gemeinsam in großer Zahl dieselbe infame Karikatur, für alle bereitgestellt vom Zeitungsverlegerverband BDZV? Und das ist klug?

Die Gemeinschaftsaktion besteht nicht nur aus der Zeichnung. Dazu gehört ein Text von Helmut Heinen, dem BDZV-Präsidenten. Er kommt daher wie einer von vielen Appellen, die man in diesen Tagen hören kann, die Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen. Aber er nutzt die Tragödie von Paris in, wie ich finde, schamloser Weise, Eigen-PR für Zeitungen zu machen. Vermutlich ist es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass er die Morde nicht dafür nutzt, noch einmal an die Bedeutung des Leistungsschutzrechtes zu erinnern oder die Unverschämtheit zu betonen, dass der Mindestlohn auch für so etwas immanent Kostbares und Edles gelten soll wie das Austragen von Zeitungen.

Es ist ein Dokument der Selbstgerechtigkeit. Heinen klopft sich und den seinen auf die Schulter:

In herausragender Solidarität berichten freie Medien weltweit seit Tagen über dieses unmenschliche Verbrechen (…)

Herausragende Solidarität, was soll das sein? Inwiefern ist das eine journalistische Qualität? Und: Solidarität mit wem oder was? Vielleicht am Ende: mit sich selbst?

Die Medien und gerade auch die Zeitungen tragen durch Kommentare und Hintergrundberichte zur Reflexion über unsere zivilen Standards bei.

Gerade auch die Zeitungen!

Sie sind, mit allen Fehlern und Schwächen, mit ihren Stärken und Vorzügen, eine Errungenschaft unserer Demokratie, die wir stets aufs Neue verteidigen müssen. Das zeigt nicht nur der Anschlag auf „Charlie Hebdo“. Das zeigen auch Nazi-Schmierereien an den Wänden deutscher Verlagshäuser oder das dumpfe Verunglimpfen der „Lügenpresse“ durch die Pegida-Anhänger.

Ja, auch ich sehe in dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ einen Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit insgesamt. Aber ich hätte davor zurückgeschreckt, von dem blutigen Gemetzel in Paris unmittelbar einen Bogen zu schlagen zu „Schmierereien“ und „Verunglimpfungen“, so lästig sie auch sein mögen. Ich glaube auch, dass es richtig ist, den Rufen von der „Lügenpresse“ etwas entgegenzusetzen, aber sie sind, so unerträglich sie sein mögen und so eindeutig ihr politischer Hintergrund ist, nicht dasselbe wie ein Mordanschlag. Einen anderen Eindruck zu erwecken, ist töricht und kontraproduktiv.

Es klingt, als würde Heinen das in diesen Tagen inflationär benutzte Bekenntnis „Je Suis Charlie“ nicht als Zeichen der Solidarität zu verstehen, sondern als wehleidiges: Ja, uns wird auch Unrecht getan, durch diese bösen Rufe auf Demonstrationen und das alles.

Die Zeitungsverleger instrumentalisieren das Attentat von Paris für ihren Kampf gegen Pegida. Ich möchte mich davon distanzieren.

[Offenlegung: Ich schreibe regelmäßig für die FAZ.]

Nachtrag, 23:45 Uhr. Der „Zollern-Alb-Kurier“ hat seinen Artikel mit der Karikatur gelöscht.

Korrektur, 10. Januar. Die „Welt“ hat sich nicht an der Aktion beteiligt, sondern Heinens Kommentar nur in einem kurzen Auszug dokumentiert.

Übrigens hat der BDZV noch eine Alternativ-Karikatur angeboten. Einige Blätter, wie die „Rhein-Zeitung“, haben diese statt der oben gezeigten abgedruckt.

Nachtrag, 11. Januar. Sehr lesenswert zum Thema:

Nachtrag, 12. Januar. Der Deutsche Journalisten-Verband DJV distanziert sich von der BDZV-Kampagne.

Wenn Sie uns das Leistungsschutzrecht so lange zurücklegen könnten…?

Ich bin mir nicht so sicher wie viele andere, dass die Sache mit dem Leistungsschutzrecht schon gelaufen ist und die vorläufige Einwilligung fast aller Verlage, bei Google News gelistet zu bleiben, einer Kapitulation gleich kommt. Für „Zeit Online“ habe ich versucht, das zu erklären.

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Es ist aber für die Verlage fraglos ein gigantisches PR-Debakel.

Jahrelang lobbyieren sie für ein solches Gesetz, und nun ist es da und sie wissen noch nichts damit anzufangen. „Das LSR wird schnell, unbürokratisch und leistungsstark von den Verlagen umgesetzt werden“, hatte der Zeitschriftenverlegerverband VDZ im Januar angekündigt. Auf Nachfrage von ix, ob es nun soweit sei und was damit überhaupt gemeint sei, tat der Verband, was ihm naturgemäß am leichtesten fällt: Er stellte sich tot.

Der Hauptgeschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes BDZV, Dietmar Wolff, war in den vergangenen Tagen dagegen auskunftsfreudig. Er sagte am Telefon in Bezug auf die vorläufige Einwilligung der Verlage, dass Google News kostenlos Snippets von ihren Texten anzeigen darf, den bemerkenswerten Satz, dass damit für die Übergangszeit doch beiden gedient sei: Google habe weiterhin die Inhalte, und die Verlage den Traffic.

Als beschriebe dieses Profitieren beider Seiten nicht ohnehin das Verhältnis zwischen Suchmaschinen und Inhalte-Produzenten — und den Grund, warum ein Leistungsschutzrecht so aberwitzig erscheint.

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Viele Verlage haben ihre Google-News-Einwilligungserklärung mit einer Zusatzerklärung relativiert. Sie stammt von der Kanzlei Raue, die die Verlegerverbände juristisch bei diesem Thema berät. VDZ und BDZV hatten ihren Mitgliedern in einem Rundbrief diese Variante als eine Möglichkeit vorgeschlagen. Die Erklärung lautet wörtlich:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben im Zuge des zum 1. August 2013 in Kraft tretenden Leistungsschutzrechtes ein Opt-In-Verfahren für die Anzeige von Presseerzeugnissen in Google News eingeführt. Dafür stellen Sie im Internet ein vorformuliertes Formular bereit.

In dem Formular erklären Sie, dass die von Google betriebenen Dienste in Übereinstimmung mit dem neuen Leistungsschutzrecht stehen. Ferner stellen Sie Presseverlage vor die Wahl, der Anzeige Ihrer Presseerzeugnisse in Google News entweder zu widersprechen oder in die unentgeltliche Nutzung einzuwilligen. Hierzu möchten wir klarstellen:

Unser Haus befindet sich derzeit in Vorbereitungen zur langfristigen Wahrnehmung der Leistungsschutzrechte an unseren Presseerzeugnissen. Die technischen Voraussetzungen für eine Lizenzierung liegen noch nicht vor. Auch muss abgewartet werden, ob es in naher Zukunft die Möglichkeit geben wird, die Leistungsschutzrechte in eine Verwertungsgesellschaft einzubringen und kollektiv wahrnehmen zu lassen. Die Abgabe der Einwilligung durch unsere Verlag erfolgt vor diesem Hintergrund in dem Verständnis der jederzeitigen Widerrufbarkeit nur vorläufig.

Eine Anerkennung Ihrer Position, wonach Ihre Dienste in Übereinstimmung mit dem Leistungsschutzrecht stünden, ist mit unserer Einwilligung nicht verbunden. Wir behalten uns vielmehr — auch mit Rücksicht auf andere Aggregatoren — vor, unsere Leistungsschutzrechte zukünftig zu anderen als den von Ihnen vorgegebenen Konditionen wahrzunehmen.

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Trotz der Nähe der Kanzlei Raue und Verlegerverbänden distanzierte sich BDZV-Hauptgeschäftsführer Wolff von einem Aufsatz, den zwei Raue-Anwälte zum Leistungsschutzrecht veröffentlich haben. Der BDZV habe diesen Text nicht in Auftrag gegeben.

In dem Aufsatz, der in der Ausgabe 3/2013 von „AfP Zeitschrift für Medien– und Kommunikationsrecht“ erschienen ist, deuten die Anwälte Robert Heine und Felix Stang das neue Gesetz extrem verlegerfreundlich. Sie erklären (wie berichtet), warum von möglichen Erlösen fast nichts an die Urheber abgegeben werden muss, obwohl die Verleger ein solches „faires“ Teilen immer versprochen gestellt hatten.

In demselben Aufsatz kommen die verlegernahen Autoren auch zu einer verblüffend einfachen Antwort, wieviel Zeichen so ein „Snippet“, also ein angezeigter Textschnipsel in Suchergebnissen oder Aggregatoren, denn haben darf, um nicht genehmigungspflichtig zu sein. Die Antwort: null.

Sie verweisen auf den im Gesetz genannten Superlativ, es seien „kleinste Textausschnitte“ erlaubt, und folgern:

Die Privilegierung umfasst also nur Textausschnitte, die nicht kleiner sein könnten, um den von der Privilegierung umfassten Zweck, die Beschreibung des verlinkten Inhalts, noch zu erreichen.

Der angezeigte Text müsse zudem den verlinkten Inhalt beschreiben. Deshalb sei die übliche Praxis von Suchmaschinen, beispielsweise die dem gesuchten Begriff vorangehenden und folgenden fünf Wörter anzuzeigen, ohne Einwilligung des jeweiligen Verlages unzulässig.

Die Funktion der möglichst kurzen Bezeichnung eines Presseartikels bzw. der Benennung seines Inhalts übernehmen (…) nicht ganze Sätze eines Artikels, sondern regelmäßig die Überschrift, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Unterzeile oder einer Oberzeile.

Das ist nach Ansicht der Anwälte der Kanzlei, die sonst die Verleger bei diesem Thema berät, also das, was Suchmaschinen ab heute nur noch ohne Lizenz anzeigen dürfen: Überschriften.

Auch wenn der BDZV sich das Papier nicht zu eigen machen wollte, kann man davon ausgehen, dass diese Argumente schon einmal als Munition für die zu erwartenden rechtlichen Auseinandersetzungen platziert wurden.

Was steht den Urhebern vom Leistungsschutzrecht zu? Ungefähr nichts.

Von dem Geld, das die Presseverlage durch ihr neues Leistungsschutzrecht einnehmen, müssen sie den Urhebern praktisch nichts abgeben. Zu diesem Ergebnis kommen zwei verlegernahe Rechtsanwälte in einem Fach-Aufsatz.

Bevor das Gesetz verabschiedet wurde, hatten die Verlage den gegenteiligen Eindruck erweckt. Auch Journalisten würden unmittelbar davon profitieren, wenn Suchmaschinenbetreiber und Aggregatoren für die Verwendung kleiner Textschnipsel zahlen müssen. In einer vermeintlichen Informationsbroschüre, die die Verlegerverbände VDZ und BDZV vor der Abstimmung an alle Bundestagsabgeordneten verschickten, hieß es:

Journalisten sollen laut Gesetzentwurf sogar an den möglichen Erlösen des neuen Rechts beteiligt werden; die Verlage haben dies selbst vorgeschlagen.

Tatsächlich lacht aus dem Gesetz freundlich winkend ein Absatz, in dem es heißt:

§ 87h
Beteiligungsanspruch des Urhebers

Der Urheber ist an einer Vergütung angemessen zu beteiligen.

Aber was heißt schon „angemessen“?

Die Rechtsanwälte Robert Heine und Felix Stang kommen in ihrem „Beitrag zur Klärung ausgewählter Rechtsfragen“ des neuen Leistungsschutzsrechts für Presseverleger („AfP Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht“, 3/2013, S. 177ff.) zu einem verblüffenden Ergebnis: Wenn es um kurze, etwa von Suchmaschinen angezeigte Textschnipsel geht, sogenannte Snippets, haben die Urheber keinen Anspruch auf eine Beteiligung an der Vergütung. Sie schreiben:

Grundlage des Beteiligungsanspruchs ist die Verwertung eines Werkes. Auch der Beteiligungsanspruch des Urhebers scheidet demnach aus, wenn nicht sein Werk, sondern nur ein urheberrechtlich nicht relevanter Teil davon genutzt wird, der die Anforderungen an die Schöpfungshöhe nach § 2 Abs. 2 UrhG nicht erfüllt. Erhält ein Presseverleger also lediglich eine Vergütung für die Nutzung von Snippets, die aufgrund ihrer Kürze keinen Werkcharakter haben, scheidet ein Anspruch der Urheber der Presseartikel auf Beteiligung aus.

Anders sei die Lage nur bei der Übernahme kompletter Artikel. Dann hätten die Urheber zwar einen Anspruch darauf, an der Verlegervergütung beteiligt zu werden. Aber der ihnen zustehende Anteil sei sehr überschaubar.

Eine Aufteilung der Erlöse im Verhältnis 50:50, wie sie etwa bei Tonträgern Praxis ist, sei vom neuen Presseleistungsschutzrecht „nicht gefordert“, weil Journalisten im Vergleich zu den ausübenden Künstlern auf Tonträgern viel mehr eigene Verwertungsrechte hätten. Die Ansprüche der Journalisten lägen auch „weit unterhalb“ der „gemeinsamen Vergütungsregeln“, die zwei Journalistengewerkschaften mit den Verlegern vereinbart haben.

Also noch einmal: Die Urheber haben laut Heine und Stang keinen Anspruch, an möglichen Einnahmen beteiligt zu werden, die Verlage zukünftig von Aggregatoren und Suchmaschinen durch die Übernahme von Snippets erzielen. Und der ihnen zustehende Anteil aus der Lizenzierung kompletter Artikel sei minimal.

Heine und Stang sind Rechtsanwälte in der Kanzlei Raue LLP in Berlin. Die Kanzlei Raue LLP berät die Verlegerverbände VDZ und BDZV bei urheberrechtlichen Fragen.

Verlage: Google-Snippets nach neuem Leistungsschutzrecht ohne Lizenz unzulässig

Nach Ansicht des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sind die Suchergebnisse, wie sie Google und Google News derzeit anzeigen, nach dem neuen Leistungsschutzrecht ohne Genehmigung nicht mehr zulässig. Der Verband widerspricht damit dem in der öffentlichen Diskussion entstandenen Eindruck, die Suchmaschine sei von dem Gesetz in der Form, wie es jetzt beschlossen wurde, gar nicht mehr betroffen.

Die Koalition hatte den Gesetzestext in letzter Minute an vermeintlich entscheidender Stelle geändert. Während es vorher ausdrücklich hieß, dass auch kleinste Textbestandteile nicht ohne Genehmigung angezeigt werden dürften, sollen laut der heute im Bundestag verabschiedeten Variante „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ zulässig sein. Eine genaue Textlänge wurde nicht angegeben. In der Öffentlichkeit war aber der Eindruck entstanden, dass damit genau die Vorschau-Schnipsel („Snippets“) gemeint waren, wie sie Google und andere Suchmaschinen und Aggregatoren anzeigen, die damit genehmigungsfrei blieben. Aus der „Lex Google“ sei eine „Lex Garnichts“ geworden, hieß es wörtlich in der FAZ und sinngemäß an vielen Stellen.

Auf meine Nachfrage widerspricht der BDZV dieser Interpretation:

Der Wille des Gesetzgebers, wie er auch heute in der Bundestagsdebatte ausgedrückt wurde, ist unverkennbar darauf gerichtet, kleinste Textausschnitte wie zum Beispiel Überschriften und einzelne Wörter, nicht vom Leistungsschutzrecht erfassen zu lassen; die längenmäßig darüber hinaus gehenden Auszüge jedoch schon. Die Äußerungen der Koalitionsvertreter in der Bundestagsdebatte dazu waren heute unmissverständlich. Die Google-Suchergebnisse gehen über die nicht erfassten Längen hinaus.

Meine Frage, ob der BDZV die Art und Länge, in der Google und Google News gegenwärtig Snippets mit Inhalten von Verlagsseiten anzeigen, nach dem neuen Gesetz für zulässig hält, beantwortete der Verlegerverband explizit mit: „Nein.“

Für die Verleger ist das Leistungsschutzrecht im Gegensatz zur Ansicht vieler Kommentatoren und Experten insofern also keineswegs kastriert oder entkernt. Es ist weiterhin eine Grundlage, auf der sich zum Beispiel von Google Lizenzgebühren für die Anzeige von Ergebnissen wie in der gegenwärtigen Form verlangen ließen.

Dann reden wir mal über „Zensur“

Die Präsidenten der deutschen Verlegerverbände haben einen gemeinsamen Brief an die Bundestagsabgeordneten geschickt. Sie beklagen sich darin über die angeblich „irreführenden Aussagen und unbegründeten Behauptungen“, mit denen der Suchmaschinenanbieter Google Stimmung gegen das Leistungsschutzrecht macht. Sie schreiben:

Jeder sollte wissen, Google ist noch zu viel mehr im Stande – ohne sich wie die deutsche Presse der Wahrheit verpflichtet zu fühlen.

Die zweite Hälfte dieses Satzes ist erstaunlich. Die erste aber auch. Was wollen Hubert Burda und Helmut Heinen mit diesem Geraune andeuten? Wovor sollen wir Angst und Panik haben?

Der Text, der gleichzeitig beklagt, dass Google „perfide mit Angst und Panik arbeite“, lässt das bezeichnenderweise offen. Aber einen Hinweis, was gemeint sein könnte, liefert heute das „Handelsblatt“. Es schreibt:

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte wegen der Onlinekampagne von Google indirekt zum Boykott des Suchmaschinenbetreibers aufgerufen: „Es gibt noch andere Suchanbieter als Google“, sagte sie dem Handelsblatt.

Google hat offenbar darauf auf seine Weise reagiert. Auffällig war, dass gestern über Stunden die aktuelle Debatte über das Leistungsschutzrecht und den Boykottaufruf gegen Google der Justizministerin über eine Google-Suche nicht zu finden war. Bei Yahoo hingegen gab es bei gleichen Stichworten sofort Treffer zur aktuellen Debatte. Manch einer im Justizministerium sprach darum gestern von „Zensur“.

Darin steckt ein ungeheurer Vorwurf: Google soll Nachrichten, die dem Unternehmen nicht genehm sind, verschwinden lassen. Das wäre in höchstem Maße alarmierend. Falls das „Handelsblatt“ diesen Verdacht belegen können sollte, wäre es erstaunlich, ihn nur eher unauffällig am Ende eines Textes zu bringen, der die unscheinbare Überschrift „RTL fordert klares Bekenntnis zum Urheberrecht“ trägt.

Ein Google-Sprecher wies die „Handelsblatt“-Behauptung auf meine Anfrage zurück: „Ein solcher Vorwurf ist durch nichts begründet und absurd.“

Aber dann reden wir doch mal über „Zensur“. Oder genauer: über das Verschwindenlassen missliebiger Informationen.

Am Dienstagnachmittag hat der geschäftsführende Direktor des Max-Planck-Institutes für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht eine Pressemitteilung verschickt. Sein Institut, die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) sowie mehrere weitere Wissenschaftler üben in einer Stellungnahme vernichtende Kritik an dem Gesetzentwurf, der heute Nacht in erster Lesung im Bundestag beraten werden soll.

Die führenden deutschen Zeitungen haben ihren Lesern die Existenz dieser Kritik namhafter Fachleute an dem geplanten Gesetz bis heute verschwiegen.

Es ist unwahrscheinlich, dass sie ihnen nicht bekannt ist. Die Nachrichtenagentur dpa hat erstmals gestern Vormittag in einer Meldung darüber berichtet („Wissenschaftler: Leistungsschutzrecht ’nicht durchdacht'“). In mindestens vier weiteren dpa-Meldungen ist die Stellungnahme erwähnt.

Trotzdem steht kein Wort davon in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in der „Süddeutschen Zeitung“, in der „Welt“, im „Handelsblatt“ — alles Blätter, deren Verlage für ein Leistungsschutzrecht kämpfen und deren Redakteure gestern und heute teilweise wuchtigst Google für seine vermeintliche Desinformation kritisiert haben.

Es scheint nicht nur eine Platzfrage gewesen zu sein. Auch auf den Online-Seiten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Welt“ ist nichts von der Kritik zu lesen. (Nachtrag: Ausnahme sind die automatischen Newsticker, die automatisch alle dpa-Meldungen übernehmen.) Immerhin bildet das „Handelsblatt“ hier eine überraschende positive Ausnahme; auch „Spiegel Online“ hat über die Kritik berichtet.

Aber in den überregionalen Zeitungen ist es, als gäbe es diese Stellungnahme gar nicht. Als wäre die missliebige Information „zensiert“ worden.

Das ist kein Einzelfall.

Als vor gut zwei Jahren in einem außergewöhnlichen Schritt 24 Wirtschaftsverbände unter Federführung des Bundesverbandes der Industrie (BDI) eine „gemeinsame Erklärung“ herausgaben, in der sie ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger „vollständig“ ablehnten, berichteten darüber weder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ noch die „Süddeutsche Zeitung“ noch die „Welt“.

Die Leser der FAZ erfuhren von der Existenz dieser Kritik nur indirekt zwei Monate später. In einem Interview wies der Verlegerpräsident Hubert Burda die Vorwürfe des BDI zurück — Vorwürfe, über die die FAZ nie berichtet hatte.

So ist das: Was den großen renommierten deutschen Zeitungen bei ihrem Kampf für ein Leistungsschutzrecht im Weg steht, findet in den großen renommierten deutschen Zeitungen im Zweifel nicht statt. Eine unabhängige, von Eigen-Interessen unbeeinflusste Berichterstattung kann man von ihnen nachweislich nicht erwarten. Manch einer irgendwo könnte da schon von „Zensur“ sprechen.

PS: Ich habe heute beim Zeitungsverlegerverband BDZV nachgefragt, wie man denn die furchteinflößende Äußerung zu verstehen hat, dass Google „noch zu viel mehr im Stande“ ist als die aktuelle Kampagne. Die Antwort:

Google hat in Deutschland unbestritten eine marktbeherrschende Stellung. Das versetzt das Unternehmen in die Lage, diese Kampagne im eigenen wirtschaftlichen Interesse massenwirksam zu fahren. Zugleich zeigt Google damit das Instrumentarium vor, das nötig ist, jede wie auch immer geartete Kampagne mit höchster Aufmerksamkeitswirkung durch den digitalen Flaschenhals zu lancieren.
 
Man kann das, sehr geehrter Herr Niggemeier, völlig in Ordnung finden, man kann das, wie die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, aufgrund der Vormachtstellung der Suchmaschine im Internet aber auch für einseitig und deshalb bedenklich halten. Unser Ziel ist es, eine ernsthafte Debatte anzustoßen und die von Google gesetzten Bedingungen nicht einfach nach dem Prinzip „Friss Vogel oder stirb“ zu akzeptieren.

Ein Kartell nutzt seine Macht: Wie die Verlage für das Leistungsschutzrecht kämpfen

Es ist kein Spaß, sich mit dem Kartell aller großen Häuser anzulegen. Wer will Springer, Burda, „Süddeutsche“, „FAZ“, DuMont und die „WAZ“-Gruppe gegen sich haben? Natürlich sagen Mathias Döpfner, Frank Schirrmacher oder Hubert Burda ihren Redakteuren nicht, was sie schreiben sollen. Das wissen die schon von allein.

(Jakob Augstein)

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Morgen Demnächst will das Bundeskabinett über ein Presse-Leistungsschutzrecht entscheiden. Wenn man den Verlagen glaubt — wozu kein Anlass besteht — geht es um nichts weniger als um Leben und Tod der freien Presse in Deutschland.

Seit gut dreieinhalb Jahren kämpfen die Verlage öffentlich für ein solches Recht, mit dem die geschäftliche Nutzung ihrer frei zugänglichen Inhalte im Internet lizenzpflichtig gemacht werden soll. Ursprünglich sollte schon das Lesen von Online-Medien auf geschäftlichen Computern Geld kosten; inzwischen ist nur noch eine Lex Google übrig geblieben, die Suchmaschinen dafür zahlen lassen will, dass sie kurze Anrisse aus Verlagstexten zeigen, um Nutzer zu deren Seiten zu leiten.

Es sieht im Moment nicht so aus, als ob die Geschichte, wie die Verlage die Bundesregierung dazu brachten, ihre Rechte und potentiell ihre Einnahmen durch ein neues Gesetz deutlich auszuweiten, am Ende aus Verlagssicht eine Erfolgsgeschichte sein wird. Sie ist trotzdem ein Lehrstück: Dafür, wie die führenden deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ein politisches Klima herstellten, in dem ein solches Gesetz notwendig erschien, und wie sie ihre publizistische Macht dazu benutzten, ihre politische Lobbyarbeit zu unterstützen. (mehr …)

Leistungsschutzrecht: Eine Frage der Ehre?

Zurückrudern ist noch nicht olympisch, aber Christoph Keese übt schon mal in der Disziplin Einer ohne Steuermann. Der Außenminister der Axel-Springer-AG behauptet in seinem privat betriebenen Dienst-Blog jetzt nicht mehr, dass das geplante Presse-Leistungsschutzrecht unproblematisch sei, sondern nur noch, dass es nicht unbedingt problematisch sein müsse, wenn die Rechteinhaber verantwortungsvoll damit umgingen.

Am vergangenen Freitag hatte er noch geschrieben: „In Wahrheit müssen Blogger das Leistungsschutzrecht nicht fürchten (…).“ Heute schreibt er unter der Überschrift: „Keine Abmahnwellen, faire Preise! Wie das Leistungsschutzrecht genutzt werden sollte“ — was implizit wohl bedeutet, dass solche Abmahnwellen theoretisch sehr wohl denkbar wären.

Keeses neuer Text ist ein Appell:

Das Leistungsscutzrecht (sic) für Presseverlage sollte von Verlagen und Bloggern verantwortungsvoll genutzt werden. Dazu gehört, dass die Rechte schnell und unkompliziert geklärt werden können, dass harmlose Nutzer weder kriminalisiert noch mit Abmahnwellen überzogen werden und dass es attraktive Preise gibt. (…)

Harmlose Blogger, die hin und wieder Texte von Verlagen übernehmen, dabei manchmal die Grenzen des Zitierens überschreiten und nebenbei ein bisschen Werbung auf ihren Seiten verkaufen – diese Kreativen sollten völlig angstfrei mit den Leistungen der Verlage umgehen können. (…)

Wer keine Lust hat, eine Flatrate abzuschließen, aber trotzdem weiter kopiert, wird nicht mit Abmahnwellen überzogen, sondern bekommt ab und zu neue Vertragsangebote. Er ist ein potentieller Kunde und sollte nett behandelt werden. Überhaupt sollte das Leistungsschutzrecht nicht mit Abmahnwellen durchgesetzt werden. (…)

Tweets und Links, auch Linksammlungen, beleben das Netz. Man sollte nicht den Leuten nachsteigen, die dieses Leben ins Netz bringen.

Man sollte nicht, sagt Keese, aber er bestreitet nicht, dass man es mithilfe des neuen Leistungsschutzrechtes könnte.

Der Text ist nicht nur ein unterschwelliges Eingeständnis, wie weitreichend und potentiell zerstörerisch die Folgen einer Monopolisierung der Sprache ist, wie sie der Entwurf vorsieht, der auch kleinste Teile eines Presseerzeugnisses schützt. Er erfordert von den Lesern und Betroffenen auch, den Verlagen Maß, guten Willen und Verlässlichkeit zuzutrauen.

Dazu besteht kein Anlass.

Nicht nur wegen Fällen wie dem des Regisseurs Rudolf Thome, dem der „Tagesspiegel“ nachstieg, weil er ohne Genehmigung zwei alte Kritiken über Filme von ihm auf seine Website gestellt hatte. Fast tausend Euro kostete ihn die Abmahnung der Zeitung, für die er früher selbst geschrieben hat.

Sondern zum Beispiel auch wegen der Sache mit den Gemeinsamen Vergütungsregeln. Laut Urheberrecht hat ein Urheber einen Anspruch auf „angemessene Vergütung“. Um die zu bestimmen, gibt es im Gesetz seit 2002 das Mittel der „gemeinsamen Vergütungsregeln“, auf die sich etwa Journalisten- und Verlegerverbände einigen müssen.

Acht Jahre haben danach die Verhandlungen gedauert, bis beide Seiten sich endlich auf einen zweifelhaften Kompromiss mit Mindesthonoraren für Freie Zeitungs-Journalisten geeinigt haben. 2010 traten sie in Kraft. Doch laut dem Verband Freischreiber (bei dem ich Mitglied bin) hält sich die Mehrzahl der Verleger einfach nicht daran.

Freie Journalisten, die auf die Einhaltung der Regeln pochen, bekommen nicht selten keine neuen Aufträge mehr. Der Gang vor Gericht ist für den Einzelnen nur machbar, wenn er dem Auftraggeber ohnehin den Rücken kehren will — eine Verbandsklage zur Durchsetzung der Regeln ist nicht vorgesehen.

Ein Verlegerverband wies seine Mitglieder 2010 darauf hin, dass die Gemeinsamen Vergütungsregeln „nicht zwingend von den Verlagen angewendet werden [müssen]. Die Vergütungsregeln nicht anzuwenden, kann nicht sanktioniert werden.“ Und weiter:

Die Gemeinsamen Vergütungsregeln besitzen nicht die „Qualität“ eines Tarifvertrages. Zeitungsverlage können ihre hauptberuflich freien Journalisten nach der Honorartabelle bezahlen und gelangen dann in den „Genuss“, dass diese Vergütung für journalistische Tätigkeit als angemessen im Sinne des Urheberrechtsgesetzes gilt.

So kann man das also formulieren: Viele Zeitungsverlage verzichten auf die Möglichkeit, in den Genuss zu kommen, ihre freien Journalisten angemessen zu bezahlen.

Auch die Nutzungsverträge und Geschäftsbedingungen, die die Verlage den Urhebern diktieren, verstoßen vielfach gegen geltendes Recht.

Der „Journalist“, das Verbandsorgan des DJV, berichtete im vergangenen November:

Rund ein Dutzend Verfahren führen der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalisten-Union (dju) in ver.di unter Führung des DJV derzeit. Die Verlage kassieren dabei eine Niederlage nach der anderen, geben aber oftmals nicht auf, sondern ziehen vor die nächsthöhere Instanz. Würde Realität, was Verleger durchsetzen wollen, wäre das das Ende des Urheberrechts, wie wir es hierzulande kennen.

Die Schuldigen sind die vermeintlich renommiertesten Verlage der Republik. Sie kassieren für ihr Vorgehen Urteile, in denen Sätze stehen wie: „Dass von zwingendem Recht nicht abgewichen werden darf, bedarf eigentlich keiner Erwähnung.“ Es wirkt wie ein fast flächendeckender, systematischer Versuch des Rechtsbruchs.

Ironischerweise sagen Verlage wie Springer, sie müssten die Urheber (rechtswidrig) enteignen, weil es ja kein Leistungsschutzrecht gibt. Auch Christoph Keese nennt als Argument für das Leistungsschutzrecht für Verlage, dass man dann den Urhebern nicht mehr so viele Rechte wegnehmen müsste — eine Argumentation, die auf die Logik hinausläuft: Gebt uns ein neues Recht, damit wir das Recht nicht mehr brechen müssen.

Im Entwurf für das neue Leistungsschutzrecht steht übrigens der Satz: „Der Urheber ist an einer Vergütung angemessen zu beteiligen.“ Was das Wort „angemessen“ für Verleger bedeutet, wissen viele freie Journalisten.

Und damit zurück zu Christoph Keese und seinem doppelten Appell: An seine Kollegen in den Verlagen, maßvoll zu sein, und an die Betroffenen, von einem maßvollen Vorgehen der Verlage auszugehen.

Wenn das Leistungsschutzrecht nur ungefährlich ist, solange die deutschen Verlage sich gutwillig, vernünftig, zurückhaltend und maßvoll verhalten, muss man dieses Gesetz fürchten.

Das Leistungsschutzrecht: Selten war es so tot wie heute

„Wir versprechen uns keine großen Einnahmen von diesem Leistungsschutzrecht. Das ist jetzt auch gar nicht unser Ziel. Uns geht es dabei darum: Das ist unser geistiges Eigentum und unser Anspruch. Und wir wollen einfach gerne vorher gefragt werden. Und wichtig ist auch, dass große Martkteilnehmer wie Guggel nicht einseitig den Preis auf null festsetzen. Das wäre so, als wenn ich selber in den Supermarkt gehen würde und würde mir da was rausholen. Da ist ja auch keine Schranke vor dem Supermarkt. Da kann ich ja auch reingehen einfach. Da ist auch nicht alles ausgezeichnet, das vergisst die Verkäuferin ab und zu mal. Und trotzdem würde ich nie auf die Idee kommen, mir die Spreewaldgurken umsonst rauszunehmen. Sondern ich würde dann hingehen und fragen: ‚Was kosten die, bitte?‘, und dann würde ich das bezahlen.“

Dietrich von Klaeden, Leiter Regierungsbeziehungen der Axel Springer AG, 12. April 2011.

Es geht den Verlagen also, wenn man Dietrich von Klaeden glauben darf, wozu natürlich kein Anlass besteht, bei ihrem Leistungsschutzrecht gar nicht wirklich ums Geld. Es geht ihnen ums Prinzip und darum, ihren hinkenden Vergleichen die Holzbeine zu versilbern. Bloß deshalb kämpfen sie seit Jahren mit größter Verbissenheit um ein neues Gesetz.

Wenn das stimmte, wäre noch viel weniger einsichtig, warum der Deutsche Bundestag ein Gesetz verabschieden sollte, das dafür selbstverständliche, natürliche und legitime Formen, Informationen und Inhalte im Netz zu teilen, beschränkt. Das Rechtsunsicherheit schafft und eine Flut von Abmahnungen provozieren könnte. Das Sprache monopolisiert.

Eigentlich müssten die deutschen Zeitungs- und Zeitungsverlage besoffen sein vor Glück. „Wie Weihnachten“ müsste das für „manche von ihnen“ sein, schrieb Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“, dass das Bundesjustizministerium in dieser Woche endlich einen Entwurf für ihr Leistungsschutzrecht vorgelegt hat.

Ich wette, die meisten von ihnen haben stattdessen fiese Kopfschmerzen, und nicht von einem Kater. Ich mag mich irren, aber mir kommt es so vor, als sei die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Leistungsschutzrecht kommt, paradoxerweise selten so gering gewesen wie heute, da ein Textvorschlag vorliegt. Das ist das Schlimmste, das diesem Gesetz passieren konnte, dass seine Folgen endlich konkret greifbar werden. Nun ist die Unmöglichkeit und Untauglichkeit eines solchen Gesetzes unübersehbar. Und der Widerstand dagegen entsprechend breit und entschlossen.

Es gibt, ähnlich wie in der Debatte um ACTA, hysterische Übertreibungen bei den Gegnern. Ein Leistungsschutzrecht, wie es die Bundesregierung jetzt diskutiert, verbietet es nicht, Auszüge aus Online-Medien zu verwenden. Das Zitatrecht, das es erlaubt, solche Ausschnitte als Teil eines eigenen Beitrages zu verwenden, bleibt unangetastet.

Deshalb behauptet Axel-Springer-Außenminister Christoph Keese, normale Blogger müssten das Leistungsschutzrecht nicht fürchten. Er unterschlägt, dass ein großer Teil der Arten, wie im Internet auf interessante Inhalte verwiesen wird, gar nicht durch das Zitatrecht geschützt ist. Tweets zum Beispiel, die nur die Überschrift eines Beitrags und den Link dorthin enthalten. Links auf Facebook, die automatisch Überschrift und Beginn des verlinkten Textes bekommen. Und Listen, wie sie zum Beispiel Felix Schwenzel gerne veröffentlicht, die mit je einem Link und einem kurzen Textausschnitt, nicht immer aber einem zusätzlichen Kommentar, auf lesenswerte Artikel verweisen.

Diese Nutzungen sind nicht durch das Zitatrecht gedeckt, weil die eigene Auseinandersetzung mit dem Zitierten fehlt. Sie sind aber nach geltendem Gesetz erlaubt, solange die Textmenge unterhalb der urheberrechtlichen Schöpfungshöhe liegt.

Der Jurist Till Kreutzer nennt auf iRights.info Beispiele für solche Nutzungen. Zum Beispiel ein Tweet wie dieser, der die Überschrift eines verlinkten Beitrages nennt:

@zeitonline: „Schwarz-Gelb einigt sich auf Leistungsschutzrecht“ http://bit.ly/KtSSrf #lsr

Oder ein Blogeintrag wie dieser:

Habe gerade gesehen, dass Konrad Lischka auf Spiegel Online über das Leistungsschutzrecht (http://bit.ly/OHvhB8) berichtet. Er folgert: „Die Regierungskoalition hat es in den drei Jahren Debatte nicht geschafft, die Unklarheiten bei dem Vorhaben auch nur zu benennen. In dem Protokoll des Koalitionsausschusses vom Sonntag fehlt jeder Hinweis auf neue Ideen, wie ein Leistungsschutzrecht aussehen könnte, das die Zitatfreiheit im Netz sichert und innovative Netzangebote fördert.“

Wenn derjenige, der hier twittert oder bloggt, das in irgendeiner Weise gewerblich tut — und die Grenzen dafür sind in dem Entwurf extrem weit gesteckt — käme er in Zukunft mit dem neuen Leistungsschutzrecht der Verleger in Konflikt. Er müsste eine Lizenz erwerben oder könnte abgemahnt werden.

Sobald das Zitatrecht nicht greift, sind schon winzigste Bestandteile der Artikel durch das Leistungsschutzrecht geschützt. Womöglich reicht es schon, einen Link zu setzen, wenn in diesem Link der Wortlaut der Überschrift enthalten ist, wie es inzwischen meistens üblich ist, etwa so:

http://irights.info/?q=content/referentenentwurf-zum-leistungsschutzrecht-eine-erste-ausfuhrliche-analyse

Es mag schon sein, dass die Verlage diese Art der Nutzung gar nicht einschränken wollten. Es mag sein, dass das nur die Kollateralschäden des Versuchs sind, von den beneidenswerten Einnahmen der Suchmaschinenbetreiber zu profitieren. Auch die dürfen bislang ihren Nutzern Links und kurze Ausrisse („Snippets“) aus den gefundenen Seiten und Nachrichtenartikeln anzeigen, obwohl das nicht durch das Zitatrecht gedeckt ist. In Zukunft sollen sie dafür zahlen. Doch beim Versuch, Google zu treffen, werden auch alle anderen getroffen, die auf Inhalte im Internet mit kurzen Ausschnitten verweisen.

Am Ende wird es am meisten die Verlage selbst treffen. Das zeigt sich nicht nur an den (Über-)Reaktionen im Netz, wenn Blogger erklären, nicht mehr auf Verlagsinhalte verlinken zu wollen. Die Erkenntnis teilt sogar das „Handelsblatt“:

„Die Verleger stellen sich selbst ein Bein“, kommentiert dort Stephan Dörner. Er kommt zu dem Schluss:

Das Leistungsschutzrecht wird damit nicht für Eindeutigkeit, sondern für jede Menge Streit sorgen. Froh können darüber eigentlich nur die sein, die vom Streit anderer gut leben: die Anwälte.

Wenn selbst die Redaktion des „Handelsblatts“, die beim Urheberrecht sonst eher mit der Toleranz und dem Pragmatismus eines Taliban argumentiert, zum Gegner des Leistungsschutzrechtes in der diskutierten Form wird, würde ich mir als Verlagslobbyist ernste Sorgen machen. (Andererseit twittert der ehemalige „Handelsblatt“-Redakteur Thomas Knüwer, dass Obertaliban und Chefredakteur Gabor Steingart nicht im Haus gewesen sei.)

Auch andere gehen auf Distanz. „Spiegel Online“ beendet einen Artikel über das Leistungsschutzrecht mit der Versicherung:

Sie können auch in Zukunft mit Überschrift und Textanriss auf SPIEGEL ONLINE verlinken.

Frank Schirrmacher, einer der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, schließt sich dem auf Twitter auf Nachfrage ausdrücklich an. Außerdem verlinkt er mit den Worten „Constanze Kurz hat alles vorausgesehen“ auf einen „FAZ“-Artikel, in dem die Informatikerin und Publizistin sich — bestenfalls halb satirisch — ausmalt, wie düster die Zukunft für Verlage werden könnte, „wenn Suchmaschinenbetreiber journalistische Leistungen künftig angemessen vergüten müssen“. (Darin wird mein eingangs zitierter Springer-Freund Dietrich von Klaeden übrigens 2014 Kulturstaatsminister.)

Unter ihrem Text steht der Satz: „In der Auseinandersetzung um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, in der diese Zeitung Partei ist, vertritt [Constanze Kurz] als Kolumnistin eine andere Meinung als die der Verlage, auch unseres Verlags.“

Von der Einheit „der Verlage“, die diese Distanzierung suggeriert, scheint nicht mehr viel übrig zu sein. Vor drei Jahren hatten in einer beunruhigenden Allianz „führende Verlage“ von Bauer bis Spiegel und „Zeit“ eine „Hamburger Erklärung“ unterzeichnet, in der sie eine Verschärfung des Urheberrechts und indirekt ein Leistungsschutzrecht forderten. In der Erkärung, die innerhalb weniger Wochen danach angeblich allein eine dreistellige Zahl deutschsprachiger Verlage unterzeichnete, heißt es unter anderem: „Ungenehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums muss verboten bleiben.“

Der jetzt bekannt gewordene Entwurf des Leistungsschutzrechtes zeigt, dass mit „ungenehmigter Nutzung“ schon das bloße Twittern einer Zeitungsüberschrift gemeint sein kann und mit „muss verboten bleiben“ „muss verboten werden“.

Nun könnte man annehmen, dass die Verleger aus dem Debakel um ACTA gelernt haben und sich um eine offene Debatte bemühen, in der sie den tatsächlich Betroffenen und den unnötig Verunsicherten erklären, warum die geplanten Beschränkungen ihrer Meinung nach notwendig und unproblematisch sind. Man könnte sogar annehmen, dass die Verlage als Kommunikationsunternehmen dazu besonders gut in der Lage wären.

Man läge doppelt falsch.

Die Verbände von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern, BDZV und VDZ, gaben nur eine dürre gemeinsame Erklärung heraus, die sich liest, als seien ihre Sprecher mit Waffengewalt dazu gezwungen worden, sie zu formulieren, und hätten den Zugang zum Presseverteiler nur im Tausch gegen mehrere Konjunktive herausgerückt.

Die Erklärung lautet:

BDZV und VDZ begrüßen die Vorlage des Bundesjustizministeriums zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Der Entwurf bringe den im digitalen Zeitalter notwendigen Schutz der gemeinsamen Leistung von Verlegern und Journalisten voran, auch wenn er nicht alle Erwartungen der Verleger erfülle. 

Außerdem verwehren wir uns natürlich gegen den Vorwurf, dass das LSR die Kommunikations- und Meinungsvielfalt einschränken würde.

Die Verlegerverbände betonten, dass durch das Leistungsschutzrecht keinerlei Einschränkung für die Kommunikations- und Meinungsfreiheit entstehe.

Mehr muss dazu offenbar nicht gesagt werden — obwohl sich eine eindrucksvolle Zahl von Juristen, Experten und Kommentatoren gegenteilig äußert. Womöglich glauben die Verleger auch, dass ihre Zugänge zu den Regierungsparteien gut genug sind, um darauf vertrauen zu können, dass der Entwurf Gesetz wird, und meinen deshalb, darauf verzichten zu können, die Öffentlichkeit zu überzeugen.

Ich hielte das für eine mutige Annahme, nicht zuletzt weil sie unter engagierten Internetbewohnern die Wahrnehmung der Verlage als zu bekämpfende Gegner verstärkt.

Zwei aktuelle Tweets von Dietrich von Klaeden bieten einen kleinen, aber womöglich aufschlussreichen Einblick, wie diese Springer-Leute, die den Kampf für das Leistungsschutzrecht anführen, ticken:

So twittert niemand, der entspannt und an einer offenen Auseinandersetzung interessiert ist.

Christoph Keese ist anscheinend der einzige, der sich ins Kommunikationsgetümmel stürzt und sich sogar aus seinem Blog (in dem er angeblich ausschließlich privat und in seiner Freizeit bloggt) in fremde Kommentarspalten traut.

Aber auch ihn bringt der jetzt bekannt gewordene Entwurf in Argumentationsschwierigkeiten. Am Freitag noch hatte er sich im Wesentlichen zufrieden gezeigt, viele Details gelobt und behauptet, der Gesetzestext würde „faire rechtliche Ausgangsbedingungen“ schaffen und für Blogger ausschließlich Vorteile haben.

Inzwischen ist er mit versprochenen Erläuterungen weit im Verzug und kündigt an, nicht alle Antworten „abschließend und verbindlich“ geben zu können. Denn: „Ich bin weder der Gesetzgeber noch der Richter. Dies gilt auch für die Axel Springer AG.“

Auf Twitter hat er eingeräumt, dass zum Beispiel schon eine bloße „Mehr zum Thema“-Liste mit verlinkten Überschriften unter einem Artikel für jeden nicht völligen Freizeitblogger gebührenpflichtig würde. „Rechteinhaber werden das aber wohl extrem billig anbieten“, fügte er hinzu.

Als sei das Problem die Höhe des Preises. Und nicht eine Konstruktion, in der man diejenigen, deren Beiträge man mit einer Überschrift und einem Link bewirbt, vorher um Erlaubnis fragen und eine Lizenz erwerben muss.

Wie die Verleger glauben können, dass es ihnen nützen wird und nicht schaden, Hinweise auf ihre Artikel zu erschweren, ist eines der zentralen Rätsel dieser ganzen Angelegenheit und Ausweis des Irrsinns, in den sich die Branche in ihrem Überlebenskampf geflüchtet hat.

Zeitungen, die Kiwis der Medienwelt

Als ich vor ein paar Jahren in Neuseeland war, wollte ich natürlich unbedingt Kiwis sehen. Wir fuhren in einen kleinen Zoo in der Nähe von Mount Bruce. Die Kassierein empfing uns mit der schlechten Nachricht, dass einer der beiden Bewohner die heftigen Regenfälle der Vortage nicht überlebt hatte. Anscheinend können Kiwis nicht nur nicht fliegen, sondern auch nicht schwimmen.

Kiwis sind zauberhafte Tiere. Aber wir wurden das Gefühl nicht los, dass die Natur uns etwas mitteilen wollte.

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Die deutschen Zeitungsverleger haben schon wieder jemanden gefunden, der Mitschuld an ihrem Niedergang ist. Diesmal ist es die Sendergruppe ProSiebenSat.1, weil sie in Zukunft die Möglichkeit anbieten will, in ihren Programmen regional begrenzt Werbung zu schalten.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BDZV schlägt Alarm: „Dies würde zu schweren Einbrüchen in den ohnehin hart umkämpften regionalen Werbemärkten führen“, zitiert eine Sprecherin des BDZV in einer Pressemitteilung des BDZV einen Sprecher des BDZV.

Das ist unwahrscheinlich. Warum sollten Unternehmen weniger regional werben, wenn es einen neuen Anbieter regionaler Werbung gibt? Was ist aus der Binsenweisheit geworden, dass Konkurrenz das Geschäft belebt? Was der BDZV vermutlich meint: Das Engagement von ProSiebenSat.1 könnte zu Einbrüchen bei den Erlösen seiner Mitglieder führen.

Alles, was die Einnahmen von Zeitungsverlagen schmälert, ist aber zum Glück in Deutschland verboten — oder sollte es jedenfalls sein. Der BDZV räumt zwar ein, dass es im Rundfunkstaatsvertrag kein entsprechendes Verbot gibt. Das liege aber nur daran, weil man bisher nicht dachte, dass eine solche Regionalisierung technisch überhaupt möglich sei. Die Pläne von ProSiebenSat.1 seien dennoch „rechtswidrig“, denn:

Bereits 1986 habe das Bundesverfassungsgericht — damals im Zusammenhang mit dem niedersächsischen Landesmediengesetz — entschieden, dass regional/lokal ausgespielte Werbung nationaler Fernsehsender den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Presse gefährden würde.

Hat es das?

In seinem sogenannten Vierten Rundfunkurteil befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob das niedersächsische Landesrundfunkgesetz mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sei. Es ist eines der Urteile, die das Duale System mit unterschiedlichen Anforderungen an öffentlich-rechtliche und private Sender definierten.

In dem damals zu prüfenden niedersächsischen Rundfunkgesetz gab es eine Passage, die Rundfunkanbietern lokale Werbung untersagte. In Paragraph 26, Absatz 5 heißt es:

Werbung, die nicht im gesamten Verbreitungsgebiet eines zugelassenen Programms nach § 22 verbreitet wird, ist nicht zulässig. Solange das Programm nicht von mehr als 2,5 Millionen Einwohnern in Niedersachsen empfangen werden kann, ist nur eine Werbung zulässig, die Tatsachen, Ereignisse und Angebote mit mindestens landesweitem Bezug zum Gegenstand hat.

Mit dieser Beschränkung sollte die örtliche und regionale Presse vor Konkurrenz auf dem lokalen Werbemarkt geschützt werden. Das, stellte das Bundesverfassungsgericht fest, sei nicht zu beanstanden.

Anders als der BDVZ suggeriert, stellte das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht fest, dass eine solche oder ähnliche Regelung Pflicht oder Notwendigkeit sei. Anders als der BDZV suggeriert, traute sich das Gericht 1986 aus naheliegenden Gründen kein Urteil zu, welche Wirkung werbefinanzierter privater Rundfunk insgesamt auf die Presse haben würde:

Nicht abschließend beurteilen lassen sich die Rückwirkungen einer Werbefinanzierung privaten Rundfunks auf die Presse, insbesondere die Frage, ob der Presse oder zumindest zahlreichen Presseunternehmen hierdurch existenzwichtige Finanzquellen entzogen werden. (…)

Eine derartige Beeinträchtigung würde voraussetzen, daß das Gesamtvolumen der Werbung sich nicht mehr nennenswert steigert, daß ein wesentlicher Teil dieses Volumens von der Presse abgezogen wird und dem Rundfunk zufließt und daß damit die Rentabilitätsgrenze der Presseunternehmen unterschritten wird. Ob diese Voraussetzungen eintreten werden, ist ungewiß. (…)

Was die Auswirkungen auf die Presseunternehmen betrifft, geht die Monopolkommission davon aus, daß die Erhaltung der Printmedien als solche nicht gefährdet sei; doch dürften sie die Werbeeinnahmen der Presseverlage erheblich vermindern. (…)

Über diese und ähnliche Einschätzungen hinausgehende Aussagen erscheinen in der gegenwärtigen Phase, in der Werbung im privaten Rundfunk noch keine nennenswerte Rolle spielt, nicht möglich.

Ich kann nicht ganz ausschließen, dass es juristische Interpretationen dieses Urteils gibt, die über meine Lesart des Offenkundigen hinausgehen. Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass die eine überzeugende Rechtsgrundlage dafür darstellen könnten, mehr als 25 Jahre später in einer vollständig anderen Wettbewerbssituation die deutschen Tageszeitungen vor einem neuen Konkurrenten zu schützen.

Überhaupt: dieses endlose Gejammer!

  • Regionale Werbung auf ProSieben bedroht die Existenz der Zeitungen!
  • Das schlechte Wetter bedroht die Existenz der Zeitungen!
  • Der 29. Februar bedroht die Existenz der Zeitungen!
  • Die Bundesregierung muss das Nicht-Kaufen von Zeitungen verbieten!

Ich bin ein großer Anhänger der Tageszeitung (oder wenigstens ihrer Idee). Aber wenn es wirklich so sein sollte, wie das Geschrei der Verlegerlobby nahelegt, dass die Tageszeitung nur dadurch überleben kann, dass man sie unter Artenschutz stellt und in Reservaten hält, die jeden Morgen gründlich von allen Keimen, Futterkonkurrenten und Parasiten gereinigt werden, mit hohen Schutzmauern und drei Fütterungen täglich — dann ist ihre Zeit vielleicht einfach vorbei.