Schlagwort: Berliner Journalisten

Böcke in die Gartenbaujurys!

Der Verein Berliner Journalisten im Deutschen Journalistenverband hat die Nominierten für seinen Preis „Der lange Atem“ bekannt gegeben. Er soll Journalisten würdigen, die sich „mit Mut, Sorgfalt und Beharrlichkeit über lange Zeit hinweg einem gesellschaftlich relevanten Thema gewidmet und es engagiert in die Öffentlichkeit getragen haben“.

Bei der Besetzung der Jury scheint Originalität ein Kriterium gewesen zu sein:

Stephan-Andreas Casdorff (Tagesspiegel), Josef Depenbrock (Berliner Zeitung), Dagmar Engel (Deutsche Welle TV), Hans-Ulrich Jörges (Stern), Christoph Keese (Axel-Springer-Verlag), Bascha Mika (taz), Dr. Hansjürgen Rosenbauer (Medienrat Berlin-Brandenburg, ehem. ORB), Dr. Torsten Rossmann (N24 / Sat.1), Andreas Wertz (Inforadio rbb).

(Oder direkt und humorlos gefragt: Ist es wirklich zuviel verlangt, Menschen, die wie Herr Depenbrock handeln, nicht in solche Jurys einzuladen? Schon als kleines Zeichen der Solidarität mit den Journalisten, die unter ihm arbeiten müssen (oder bald nicht mehr)? Und wie schafft man es, in dieser Juryrunde zusammen zu sitzen und zu hören, was Herr Depenbrock zum Thema „Qualitätsjournalismus“ und „langer Atem“ zu sagen hat, ohne sich wegzuwerfen vor Lachen oder ihm ein Glas Wasser über die Hose zu kippen?)

Sind immer die anderen

Irgendwann Anfang 2006 ist etwas schiefgegangen bei der Programmierung des Blogs der Medienzeitschrift „Berliner Journalisten“: Man konnte keine Kommentare mehr abgeben. Man hätte sich dafür einloggen müssen, aber es gab keine Möglichkeit, sich zu registrieren, um die Daten einzugeben, mit denen man sich hätte einloggen können.

Zwei Jahre lang bloggten die „Berliner Journalisten“ vor sich hin und merkten nicht, dass etwas fehlte: Feedback. Die einzigen, denen es gelang, Kommentare abzugeben, waren der Administrator des Blogs selbst und die Spam-Bots, die gelegentlich Hinweise auf die attraktiven Möglichkeiten der Potenzsteigerung hinließen.

Die „Berliner Journalisten“ reagierten nicht, als Ronnie Grob auf medienlese.com über sie (oder genauer: einen blöden Fehler ihrer Chefredakteurin) berichtete und darauf hinwies, dass es ihm leider nicht gelungen sei, einen Kommentar zu hinterlassen. Und als eine Kollegin sich wegen einer strittigen Sache beschwerte, schrieb die Chefredakteurin vor ein paar Tagen auch noch den schönen Satz ins Blog: Warum die Kritikerin „nicht einfach von der Kommentarfunktion Gebrauch gemacht hat, werden wir wohl nie erfahren“.

Aber jetzt haben die „Berliner Journalisten“ etwas gemerkt. Und sie haben sogar reagiert. Und so bloggt Chefredakteurin Sabine Pamperrien heute:

Unser Webmaster hat heute schon mal die Kommentarfunktion überarbeitet. Da gab es wohl einige interessierte Leser, die nicht verstanden haben, wie sie in der bisherigen Ausstattungsvariante zu Login-Daten kommen können.

Mit den beiden Möglichkeiten konfrontiert, dass entweder bei ihr ein Fehler passiert ist oder alle anderen Idioten sind, fiel Frau Pamperrien die Entscheidung offenbar leicht.

Ronnie Grob hat übrigens heute Mittag um 13:12 Uhr im „Berliner Journalisten“-Blog einen Testkommentar abgegeben. Er ist bislang nicht erschienen, sondern scheint noch in der Moderationsschleife zu hängen. Jede Wette: Das ist ganz allein seine Schuld.

Senait Mehari und „Extreme Activity“

(Warnung: Selbstreferenzialität galore!)

Vor einem knappen Jahr schrieb ich hier darüber, wie das NDR-Medienmagazin „Zapp“ für einen Beitrag Leute suchte, die sich über den Grimme-Preis für „Extreme Activity“ empörten. Weil ich mit Empörung nicht dienen konnte, schied ich als Interviewpartner aus; mindestens einem Kollegen ging es ebenso. Ich fügte damals hinzu:

Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich halte das nicht für einen Skandal. Ich finde es nur ein kleines, anschauliches Beispiel dafür, wie Journalisten arbeiten.

Das war nicht als Floskel gemeint, hat aber Kollegen nicht davon abgehalten, mich trotzdem misszuverstehen.

Denn die kleine Anekdote zieht gerade Kreise — in einem Zusammenhang, der nicht ferner sein könnte von der ProSieben-Kindergeburtstagsshow. Es geht um den Fall von Senait Mehari und die Frage, ob ihre Lebensgeschichte, die sie als Buch veröffentlicht hat und die gerade verfilmt wurde, glaubwürdig ist. „Zapp“ hat dazu eine klare Meinung: Sie ist nicht glaubwürdig. Anderen Medien macht das Magazin heftige Vorwürfe, weil sie Meharis Version ungeprüft kolportiert hätten.

In einem langen Artikel in der „Berliner Zeitung“ griff Abini Zöllner am 27. Februar 2008 „Zapp“ für seine Berichte in dieser Sache scharf an. Und als Schein-Beleg dafür, dass das Medienmagazin nicht nur in diesem Fall unsauber arbeite, taucht in dem Artikel plötzlich mein Anekdote auf — natürlich ohne den Satz, dass ich das Vorgehen nicht für einen Skandal halte und in merkwürdigem Zusammenhang mit dem Netzwerk Recherche, das mit „Extreme Activity“ wahrlich nichts zu tun hat.

Noch am selben Tag änderte ein anonymer Nutzer den Wikipedia-Eintrag zu „Zapp“ und fügte u.a. hinzu:

„Zapp“ wird vorgeworfen Medienkampagnen tendenziös anzufachen und Bestandteil eines undurchsichtigen Netzwerks zu sein. Der Bildblogger Stefan Niggemeier berichtet, wie „Zapp“ bei Interviews manipuliert (…)

Auch das Redaktionsblog der Medienzeitschrift „Berliner Journalisten“ griff den Artikel der „Berliner Zeitung“ auf und legte noch eine Schippe Schärfe nach: „Zapp“ sei „zumindest streckenweise — verkommen, und das ist furchtbar“ schrieb ein anonym bleibender Autor. Und offenbar als Beleg für diese These gab es einige Links zu „Fünden [sic] anderer Watchdogs“, darunter den zu meinem genannten Eintrag.

Um es deutlich zu sagen: Ich kann nicht beurteilen, wer in der eigentlichen Frage nach der Echtheit von Senait Meharis Schilderungen Recht hat. Ich möchte mir auch kein Urteil erlauben, welche Seite journalistisch fahrlässig gehandelt hat, dafür ist die Materie zu komplex, sind die Widersprüche zu groß. Ich finde es sehr positiv, dass „Zapp“ auf seiner Internetseite im Wortlaut Stellungnahmen anderer Medien dokumentiert — auch diejenigen aus dem eigenen Haus, die „Zapp“ kritisieren [pdf]. Das ist bewundernswert transparent, bedeutet aber natürlich noch nicht, dass „Zapp“ in der Sache recht hat.

All das kann ich also nicht beurteilen. Ich tauge aber nicht als Zeuge für „Manipulationen“ durch „Zapp“ und für die „Verkommenheit“ von „Zapp“ und sehe darin eine mutwillige Verdrehung meiner Aussagen.

PS: Vergangenen Freitag wiederholte das Blog des „Berliner Journalisten“-Magazins die Vorwürfe gegen „Zapp“. Die Chefredakteurin Sabine Pamperrien schrieb darin die folgenden lustigen Sätze:

Warum [die „Zapp“-Redakteurin Julia] Salden nicht einfach von der Kommentarfunktion Gebrauch gemacht hat, werden wir wohl nie erfahren.

Das finden Sie nicht lustig? Dann versuchen Sie mal, einen Kommentar im „Berliner Journalisten“-Blog abzugeben. Mir ist es nicht gelungen; seit knapp zwei Jahren offenbar auch niemandem sonst. Vielleicht ist Internet einfach nicht so die Spezialität von Frau Pamperrien.