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Ersatzlektüri2

Vorgestern Abend war dieser BILDblog-Eintrag der meistgeklickte Link bei turi2. Das ist eine feine Sache, denn turi2 ist ein Internetangebot, das nach Angaben von turi2 „werktäglich von 4.000 – 5.000 Medienmachern besucht“ wird (genau genommen von Medienmachenlassern, denn turi2 sagt, es handele sich bei diesen Menschen um „Vorstände, Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteure, Programmchefs, Online-Chefs, Marketingleiter“).

Zweimal täglich produziert turi2 Linklisten mit Nachrichten zu Medienthemen. Rund 50 Links stecken da jeweils drin. Und keiner davon wurde von den tausenden turi2-Lesern am Mittwochabend so häufig geklickt wie derjenige, der zu BILDblog führte.

Und wie oft wurde er geklickt? 43 mal.

Und am nächsten Tag: 42 mal.

Die Leute lesen turi2 also nicht, um auf diese Weise interessante Artikel zu finden; sie lesen turi2, um die interessanten Artikel nicht zu lesen. Sie vertrauen darauf, dass turi2 die Inhalte der verlinkten Artikel zuverlässig so treffend auf den Punkt bringt, dass sie auf die Lektüre der Quelle verzichten können. Kein Wunder also, dass turi2 vor allem von Leuten gelesen wird, die nicht auf die Links klicken. Denn wer auf die Links klickt, hat dieses Vertrauen in turi2 eher nicht mehr lange.

[Disclosure: Ich habe vor vielen Jahren für Peter Turi gearbeitet und würde es nicht wieder tun.]

Lasse zahln

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch ein gelungener Internetauftritt ist Ihre Visitenkarte.

Das klingt schwer nach der Sprache, die die Autoren von Spam-Mails für deutsch halten. Aber der Brief, der so beginnt und BILDblog vor drei Wochen erreicht hat, kommt nicht aus Nigeria oder Russland, sondern aus Berlin, von der hiesigen Bezirksdirektion der GEMA. Und er geht weiter:

Aus diesem Grunde haben Sie sich sicherlich dafür entschieden, Ihre Internetseite mit Trailern, die geschütztes Musikrepertoire enthalten (z.B. „Lasse redn“ K+T: Farin Urlaub), auszustatten.

Ja, sicherlich. Die niedliche und womöglich sogar nett gemeinte Formulierung ist wohl eine Art GEMA-Euphemismus für „Sie haben unsere Musik geklaut“. In den nächsten Absätzen wird das Schreiben dann aber angenehm konkret:

Bitte beachten Sie aber, dass diese Nutzung von Musik ein urheberrechtlich relevanter Vorgang ist, für den Sie die notwendigen Nutzungsrechte erwerben und eine Vergütung entrichten müssen. Die GEMA als Verwertungsgesellschaft der Urheberrechte der Musikurheber räumt Ihnen die Rechte ein und erhebt im Namen der Musikurheber die Vergütung.

Die einfachste und kostengünstigste Art die Rechte zu erlangen, ist der Abschluss eines Lizenzvertrages.

Bitte senden Sie uns beiligenden Fragebogen innerhalb der nächsten 14 Tage ausgefüllt zurück, damit wir Ihnen ein entsprechendes Angebot unterbreiten können.

Im beiligenden Fragebogen kann man dann tatsächlich auch gleich die verwendeten Titel eintragen („Potpourris bitte mit ‚P‘, Werkfragmente bitte mit ‚F‘ kennzeichnen“).

Womöglich hat die GEMA übersehen, dass es weniger dekorative als journalistische Gründe waren, die uns auf die Idee brachten, in diesen Eintrag über die Antenne-Bayern-Version des Songs „Lasse redn“ von den Ärzten folgenden 30-sekündigen Ausschnitt der Antenne-Bayern-Version des Songs „Lasse redn“ von den Ärzten einzubauen:

[Ausschnitt entfernt]

Wir teilen dies also der GEMA mit und fragen, ob ein solcher Gebrauch von Ausschnitten urheberrechtlich geschützter Werke nicht durch das Zitatrecht gedeckt und daher frei sei.

Und die GEMA sieht das in ihrem nächsten Schreiben sogar ein. Also, fast:

Unsere Juristen halten — in gebotener Kürze zusammengefasst — die Zugänglichmachung des Werks auf bildblog.de für durch den § 50 UrhG. privilegiert und daher lizenzfrei durchführbar.

Dies gelte jedoch nicht zeitlich unbegrenzt, sondern nur, solange die Aktualität des Tagesereignisses gegeben ist. Bei Hörfunk, Fernsehen und Tageszeitungen ende diese in der Regel eine Woche nach dem Ereignis. Ähnliches darf wohl für digitale Zeitungsportale und Webblogs [sic] angenommen werden.

Sobald die Aktualität nach Ablauf der oben genannten Zeitspanne entfällt, müsste der Beitrag daher entweder gelöscht oder die Rechte für die Werknutzung bei der GEMA lizensiert werden.

Auf Nachfrage macht uns die GEMA sogar ein konkretes Angebot: Für 7 Euro im Monat könnten wir den Antenne-Bayern-Remix von „Lasse redn“ weiterhin in gebotener Kürze, aber legal dokumentieren.

Wir haben trotzdem der Einfachheit halber den Ausschnitt gelöscht und geben die 7 Euro lieber für billiges Viagra aus.

Damals, als BILDblog noch gut war

Manchmal finde ich es dann doch schade, dass es auf BILDblog keine Kommentare gibt. Oder wenigstens eine Leserbriefseite. Heute erreichte uns zu diesem Beitrag eine Mail von Dennis E. mit der Betreffzeile „Enttäuschung am frühen Morgen / vorläufiger Abschiedsbrief“ und diesem Anfang:

Tja,

guten Morgen und herzlichen Glückwunsch. Seitdem bei BILDblog „Clarissa“ und „Lupo“ das Ruder übernommen haben, hat das Blog gelitten wie kein zweites in der deutschen Blogszene.

Wie „Bild“ Ausländerfeindlichkeit fördert

Das Gute an Blogs wie „Politically Incorrect“ ist, dass sie Prozesse, die früher weitgehend im Privaten stattfanden, an Stammtischen und in Diskussionen am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis, mit einem Mal sichtbar machen. Nun kann man gelegentlich zusehen, wie die latente, oft subtile Fremdenfeindlichkeit der „Bild“-Zeitung Wirkung zeigt. Wie sie neuen Treibstoff für alte Ressentiments liefert, Irrglauben mit Missverständnissen und Viertelwahrheiten erhärtet.

Da ist der Prozess gegen einen ausländischen Mann, der zum wiederholten Mal ohne (deutschen) Führerschein gefahren ist und zuletzt einen Motorradfahrer übersah und tödlich verletzte (siehe BILDblog). Der Fall an sich ist schrecklich und empörend genug: Dass da jemand ist, der sich nachhaltig nicht davon abhalten lässt, mit dem Auto zu fahren, obwohl er das nicht darf. Und doch ist das Unglück offenbar auch schlicht ein Unglück: Der Fahrer ist anscheinend nicht zu schnell gefahren, sondern mit 6 km/h abgebogen. Auf Prozessdeutsch ist vom „Augenblicksversagen“ die Rede. Der Motorradfahrer, der ihm entgegenkam, war ein bisschen zu schnell unterwegs — vielleicht hätte er den Unfall vermeiden können, wenn er sich an Tempo 50 gehalten hätte, man weiß es nicht. Das Gericht folgte in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten.

Man kann das empörend wenig finden, selbst wenn es im Rahmen des Üblichen liegen sollte, und dass die Angehörigen des Opfers außer sich sind vor Trauer, Wut und Zorn über dieses Urteil, verstehe ich gut. Man kann sich auch als Boulevardzeitung ganz auf ihre Seite stellen und das Urteil skandalisieren. Aber darum geht es nicht.

Es geht darum, dass sich die „Bild“-Zeitung in ihrer Berichterstattung mit keinem der Details, die mit dem Unfall zu tun haben, beschäftigt. Stattdessen beschäftigt sich „Bild“-Redakteur Damian Imöhl ausführlich mit der Nationalität des Fahrers. Er erwähnt nicht nebenbei, dass der Fahrer aus dem Irak kommt. Er stellt es demonstrativ an den Anfang seiner Artikel zum Thema. An den Anfang jedes seiner bisher drei Artikel zum Thema. Die Art, wie „Bild“ beschreibt, dass der Autofahrer kein Asyl, aber von den Behörden eine „Duldung“ bekommen habe, skandalisiert schon diese Form der formalen Aussetzung einer Abschiebung an sich. Im Grunde, suggeriert „Bild“, lebt der Fahrer illegal bei uns.

Er ist für „Bild“ ein durch und durch schlechter Mensch, was stimmen mag, aber das Schlechtsein ist in „Bild“ kaum trennbar mit seiner Nationalität verbunden. (Und ähnlich wie „Bild“ kürzlich titelte: „Tod durch BVG-Streik“, könnte die Überschrift diesmal lauten: „Tod durch Asylrecht“.)

Und dann ist da das Gericht. „Bild“ sieht in Bewährungsstrafen grundsätzlich keine Strafen; eine Verurteilung auf Bewährung ist wie ein Freispruch. In diesem Fall schreibt „Bild“, der Richter habe den Fahrer „laufen lassen“. Weil die „Bild“-Zeitung ihren Lesern sämtliche Hinweise für die sachlichen Erwägungen, die hinter diesem Urteil stehen, vorenthält und fälschlicherweise noch behauptet, der Fahrer sei „gerast“, ist es ein Leichtes für die Leser, als Erklärung für das unerklärliche Urteil das zu nehmen, worüber „Bild“ ausführlich schreibt: die Nationalität des Fahrers.

Von dort ist es ein kleiner Schritt zu dem Gedanken: Unser Land ist voller illegaler Ausländer, die unsere Kinder totfahren, und die Gerichte kuschen vor ihnen, soweit ist es schon gekommen.

Das steht nicht explizit in diesen „Bild“-Zeitungs-Artikeln, aber durch ihr geschicktes Weglassen, Verdrehen und Hinzufügen kann sich der mutmaßlich erhebliche Teil der Bevölkerung, der diesen Gedanken nicht für völlig abwegig hält, in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt sehen.

In welchem Maße das tatsächlich geschieht, ausgelöst von der „Bild“-Version der Ereignisse und unter ausdrücklichem Bezug sie, lässt sich zum Beispiel an den Kommentaren auf Shortnews ablesen. Oder, in der drastischsten Form, auf „Politically Incorrect“. Das Fazit der anonymen Autoren aus dem „Bild“-Artikel steht dort gleich im ersten Satz:

Die Ungleichbehandlung von Menschen vor deutschen Gerichten nach ihrer Herkunft nimmt immer dreistere Formen an.

Entsprechend durch die vermeintlichen Fakten angespornt, toben sich in Hunderten Kommentaren dann in großer Zahl die sich nicht für Rassisten haltenden Rassisten aus:

Als Moslem hat man halt die Lizenz zum töten. (…)

Ich verstehe und akzeptiere die Entscheidung jeden Bürgers der sich entscheidet selbst für Gerechtigkeit zu sorgen. (…)

Wäre ich die Mutter/der Vater des Opfers, bedürfte es keiner Gerichtsverhandlung.

Über deutsche Schicksen, die auf die „Liebesschwüre“ nur geduldeter Moslems reinfallen, verliere ich hier lieber kein Wort…würde gegen die Regeln des Anstands verstoßen. (…)

Und: wenn ich schon den Namen Hassan, Mohamed, Hussein und wie sie alle heißen höre, dann bekomme ich eine Hasskappe! (…)

Schade das der Täter auf dem Foto nicht zu erkennen ist. (…)

Bürgerwehren bilden!
Femegerichte abhalten und solche dreckigen Kanacken wenn sie von RichterIn “Almuth Gut-Gnädig” laufengelassen werden ihnen durch eine bewaffnete Bürgermiliz die angemessene Strafe zukommen lassen (…)

Gibt es Bilder des Richters?
Ich möchte die Fresse eines solchen „Richters „sehen.

Solche Abschaum-Belohner……. wo werden die groß?
Direkt von der Gosse in den Gerichtssaal?
Diese Fresse sollte jeden Laternenpfahl zieren! So richten deuschlands Richter. (…)

Ist doch klar, dass man ihn sofort laufen ließ. Er mußte doch dringend zu seiner deutschen Schlampe, weil die wohl noch nicht schwanger ist.

(Kleine, repräsentative Auswahl)

Vermutlich würden viele der Deutschen, die dort und anderswo gegen Ausländer hetzten und verschiedene mögliche Reaktionen bis hin zur Lynchjustiz abwägen, auch ohne die „Bild“-Zeitung Material finden, mit dem sie glauben, ihre Ausländerfeindlichkeit legitimieren zu können. Aber dieser konkrete Fall taugte dazu nur dadurch, dass die „Bild“-Zeitung aus der Geschichte eine Ausländergeschichte gemacht und entscheidende Tatsachen verschwiegen oder verdreht hat — und fahrlässig das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat beschädigt.

Es spricht leider nichts dafür, dass „Bild“ das versehentlich tut.

Wir sind Gutedel!

Und als der Vorhang aufging, stand da eine Big-Band vor einem überlebensgroßen BILDblog-Logo, gebildet aus 3500 leeren Weinflaschen, Gesamtgewicht knapp 2 Tonnen.

Es war wie ein Traum.

Ich hatte, zugegeben, vorher noch nicht einmal davon gehört, dass es eine traditionsreiche Weinsorte namens Gutedel gibt. Und ich hätte das Markgräflerland auch nicht mit Sicherheit richtig in der südwestlichsten Ecke Deutschlands platziert, in Baden, zwischen Rheinebene und Schwarzwald. Aber dann kam im Januar der Brief von der Markgräfler Gutedelgesellschaft, dass wir ihren Preis gewonnen hätten. Schon die bunte Mischung aus Preisträgern war bemerkenswert, die Ausschreibung („Menschen, deren Eigensinn öffentlich und im besten Sinne kreativ wirksam wird“) klang nach einer begehrenswerten Auszeichnung — und dann war da noch das kluge Motto: „Guter Wein, in Maßen genossen, schadet auch in größeren Mengen nicht“.

Ich hatte gedacht, dass das ein schönes Wochenende wird, aber auf das, was Christoph und mich erwartete, war ich nicht vorbereitet. Nicht auf diesen Aufwand, nicht auf so viel Aufmerksamkeit und Interesse, nicht auf solche unkomplizierte, unaufdringliche, herzliche Gastfreundschaft. 500 Menschen waren ins Stadthaus von Neuenburg am Rhein gekommen, um zu feiern und den ersten Gutedel vom Müllheimer Reggenhag 2007 zu trinken, der ein sehr guter Jahrgang sein soll. Christoph Wirtz hielt eine Laudatio, die so pointiert und pointenreich war, so schonungslos und böse und gut gelaunt, wie ich sie selten gehört habe und sicher noch nie auf etwas, an dem ich beteiligt war. (Leider weigert er sich bislang hartnäckig, sie rauszugeben, aber das kriegen wir noch hin.)

Anstatt das 225-Liter-Fass, das den Preis darstellt, anzuzapfen, wie es Tradition ist, zog der Stifter Hermann Dörflinger beherzt einen Gutedel aus dem Flaschenlogo, um mit uns anzustoßen. Der Kabarettist Mathias Deutschmann, einer der Gründer der Gutedelgesellschaft, ätzte noch ein wenig, und es gab Markgräfler Suppenfleisch mit Bouillonkartoffeln und frischem Meerrettich — wie die „Badische Zeitung“ heute schreibt, „eines der ehrlichsten badischen Gerichte“, quasi als Gegensatz zur „Bild“-Zeitung.

Das aufrichtige Essen kam vom „Taberna“ in Müllheim, einem modernen Restaurant mit italienischer Küche, das wie ein Fremdkörper in der sonst (zumindest von außen) piefig wirkenden Gaststättenlandschaft in Richtung Schwarzwald wirkt. Dorthin ging es nach dem offiziellen Teil auch zum Weiterfeiern, -trinken und -essen. Die Stimmung, die dort herrschte, scheint einigermaßen typisch zu sein — oder wie der „Gault Millau“ formuliert: „Das Taberna betreibt auch einen Weinhandel, wovon seine mitunter recht trinkfeste Klientel umfassend profitiert.“ Bis halb sieben Uhr morgens sollen die letzten durchgehalten haben.

Zum Glück aber bekommt man ja vom Gutedel keinen Kopf (was, wenn ich mich recht entsinne, irgendwie mit der unfassbar niedrigen Restsüße des Weines (0,4 g/l) zusammenhängen soll, vielleicht ist mir beim Versuch, die Behauptung mit dem ausbleibenden Kater einer angemessen schweren Belastungsprobe zu unterziehen, die ein oder andere Erinnerung durcheinandergeraten — leider mir unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt ist aber, wie mir ein älterer Mann am Waschbecken in der Herrentoilette des Stadthauses eindringlich die Regel mit auf den Weg gab: „Es gibt Badische und Unsymbadische“). Allerdings gab es am Abend darauf auf Einladung von Hermann Dörflinger noch einen Vergleichstest, wie der Organismus darauf reagiert, über viele Stunden viele verschiedene gute Weine von ihm durcheinander zu trinken — nicht so gut. Wir saßen in einem kleinen Häuschen zusammen, das die Dörflingers inmitten ihrer Weinberge haben und von dem aus man wunderbare Sonnenuntergänge über den Vogesen sehen können soll (im Dunkeln sieht man vor allem das neue Gewerbegebiet Müllheim-West, was der Stimmung und Gemütlichkeit keinen Abbruch tat).

Diesmal hatte Torsten Jauch vom „Taberna“ unter anderem junge Ziege mitgebracht, die man hier „Gitzi“ nennt — und einen sensationellen Schokoladenpudding. (Das „Taberna“ hat übrigens eine Homepage, bei der sich ein Großteil der Fotos auch hervorragend als Bildschirmschoner oder -hintergrund eignet. Keine Ahnung, ob man vom Angucken schon zunimmt, ich halte das aber für wahrscheinlich.)

Für mich war diese Preisverleihung die wunderbarste überhaupt (und das nicht nur, weil man den Preis trinken kann). Ich bin eigentlich jemand, der lieber mit 4 Leuten feiert als mit 40 oder 400 — aber in der Form, in die Markgräfler die Geselligkeit pflegen, kann ich mich sehr für sie begeistern. Das Wochenende wird ein toller Motivationsschub sein — sobald der Restalkohol nicht mehr das Formulieren und Buchstabieren erschwert.

Wehret den Anfängen!

Pressesprecher bei Springer ist vermutlich auch kein Traumjob. Die meiste Zeit verbringt man damit, auf Presseanfragen zu antworten, dass man zu laufenden Verfahren / Personalspekulationen / Interna / diesem Thema grundsätzlich nicht Stellung nehme.

So gesehen war „Bild“-Sprecher Tobias Fröhlich sicher froh, dass er gestern endlich einmal etwas Originelles sagen durfte:

„‚Bildblog‘ handelt wie ein Abmahnverein und instrumentalisiert den Presserat für eigene kommerzielle Interessen“, sagte Verlagssprecher Tobias Fröhlich am 19. Februar dem epd. (…)

Fröhlich erklärte, es gehe dem Verlag nicht um die Anzahl der bisher von „Bildblog“ eingereichten Beschwerden, sondern „um das Prinzip“. Durch das Aufkommen von Blogs sei eine ganz neue mediale Situation entstanden. Man müsse hier auch den Anfängen wehren, bevor sich Nachahmer fänden, die den Presserat missbräuchlich in Anspruch nähmen.

Heise-Leser klicken mehr

Damit hätte ich auch nicht gerechnet, dass der BILDblog-Server mal an einem verkehrsarmen Samstag wegen Überlastung in die Knie gehen würde.


Andererseits ist die Überschrift der „Heise“-Meldung, die den plötzlichen Andrang mutmaßlich auslöste, zwar nicht treffend, aber zweifellos besonders aufmerksamkeitsstark:

(In Wahrheit versucht „Bild“, wie der „Spiegel“ heute vorab gemeldet hat, nur zu verhindern, dass der Presserat sich mit Beschwerden von BILDblog befasst. Mehr dazu natürlich auf BILDblog.de.)

2007.

Silvester ist nicht mein Tag. Ich werde im besten Fall sentimental, im schlimmsten Fall depressiv und in jedem Fall genervt von den ganzen Ritualen, die mit diesem, äh, Fest verbunden sind. (Besonders schön war vor vielen, vielen Jahren, als wir in einer Jugendherberge irgendwo in Irland waren und gegen Mitternacht die Deutschen kollektiv vor die Tür liefen, was ein bisschen abwegig war, weil es in Irland kein Feuerwerk gibt, und also etwas bedröppelt und mit dem merkwürdigen Gefühl unverrichteter Dinge wieder ins Haus gingen.)

Aber vielleicht taugt Silvester dann doch ganz gut dazu, mich zu bedanken. Für die Aufmerksamkeit vor allem. Ich bin mir sehr bewusst, dass das ein Geschenk ist: dass Leute sich dafür interessieren, was ich schreibe, und Anteil nehmen an dem, was ich mache. Danke für die Mithilfe, die Kommentare, die Kritik (und die Preise!).

Was BILDblog angeht, war 2007 ein erstaunliches Jahr. Anke Engelke, Christoph Maria Herbst, Chris Geletneky, Tobi Baumann und Ralf Günther haben uns einen Fernsehspot geschenkt. Charlotte Roche hat uns eine Lesung geschenkt, und Fettes Brot die Party danach. Max Goldt und Friedrich Küppersbusch, Jürgen Trittin und Knut, Miriam Meckel, Bastian Pastewka und viele andere haben uns Gastbeiträge geschenkt. Und unsere Leser hören nicht auf, uns sachdienliche Hinweise, Treue und Sympathie zu schenken. Wenn mir das jemand vor ein paar Jahren vorausgesagt hätte, ich hätte es nicht geglaubt. Danke!

Das wird kein vollständiger Jahresrückblick hier. Und wenn ich jetzt noch anfange, mich bei denen zu entschuldigen, denen ich unrecht getan und die ich vernachlässigt habe, wird’s vollends peinlich. Ich sag ja: Silvester ist nicht mein Tag.

(PS: Ein paar poetischere, klügere, kryptischere und in ihrer Möchtegernabgeklärtheit traurigere Gedanken zum Thema Jahreswechsel hat Herr Argh! aufgeschrieben.)

Tod durch Schenkel- und Schulterklopfen

Christian Jakubetz, Journalist, Berater und Dozent unter anderem an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München, hat sich anlässlich unserer Lesung ebenfalls mit der Frage beschäftigt, wie es das BILDblog verändert, wenn wir plötzlich „auf der Showbühne“ stehen — nur kommt er zu dramatisch pessimistischeren Antworten als ich.

Jakubetz vergleicht unsere Entwicklung mit der von Bastian Sick, dem supererfolgreichen Sprachkritiker von „Spiegel Online“:

Aus dem Zwiebelfisch ist eine mittelständische Firma geworden und statt netter Sprachkritik macht Sick heute Linguistik-Entertainment. Apostrophen für die Masse, die sich schenkelklopfend amüsiert und nach zwei Stunden wieder raus an die frische Luft darf mit dem Gefühl: Wir stehen auf der richtigen Seite. Der guten Seite.

Der Vergleich ist interessant und Jakubetz‘ Analyse lesenswert, aber ungefähr in der Mitte ist er so in Fahrt, dass es ihn aus der Kurve schleudert:

Bildblog ist eine perfekt geölte Unterhaltungsmaschine geworden, die den Leuten gibt, was sie wollen: Entertainment.

Eine handelsübliche Unterhaltungsmaschine tat’s nicht, sie musste auch noch perfekt geölt sein? Das sind so Formulierungen, bei denen ich stutze, und in diesem Fall auch deshalb, weil ich weiß, wie wenig bei uns geölt ist, egal von welcher Art Schmiermittel wir reden.

Jakubetz meint jedenfalls, dass das Entertainment die Aufklärung konterkariert. Dass der Abend Anlass zu solchen Fragen gibt, finde ich auch. Aber schließen sich Aufklärung und Unterhaltung aus? Je mehr mir als Journalist ein Thema am Herzen liegt, je wichtiger ich es finde, dass viele Leute einen Artikel lesen, desto mehr Mühe gebe ich mir, ihn unterhaltsam aufzuschreiben, gerade damit er möglichst viele Leute erreicht. Oder, in einer ganz anderen Liga argumentiert: Die „Daily Show“ von Jon Stewart ist sicher sowohl die witzigste als auch die aufklärerischste Nachrichtensendung in den USA.

Um nicht missverstanden zu werden: BILDblog will informieren, und das, wenn es geht, auf unterhaltsame Weise. Nicht unterhalten, und das, wenn es geht, mit ein bisschen Informationen. Ja, bei so einer Lesung verschieben sich die Gewichte vielleicht etwas. Aber, Himmel, da machen wir nach dreieinhalb Jahren zum ersten Mal so etwas wie eine Party und laufen Gefahr, mit Disney World verwechselt zu werden?

Was mich wirklich erschüttert an Jakubetz‘ Text, ist dieser Satz:

Und so, wie wegen Sick kein einziger grammatikalischer Dumpfbeutel weniger unterwegs ist, hat nicht ein einziges Exemplar der verloren gegangenen Bild-Auflage mit Bildblog zu tun.

Sagt Jakubetz das auch seinen Journalistenschülern? Etwa: Glaubt nicht, dass ihr mit euren Artikeln irgendetwas ändern werdet? Es wird kein einziges Gramm CO2 weniger ausgestoßen, nur weil Artikel über die globale Erwärmung erscheinen? Es wird niemand zum Wechselwähler, nur weil ihr über die Abgründe einer Partei berichtet habt? Was immer ihr schreibt, wird nie jemanden klüger machen, die Augen öffnen, zum Nachdenken anregen, sondern immer nur die erreichen, die es vorher schon wussten?

Am Ende meint Jakubetz, wir würden wie „Bild“ und unsere Leser seien schon wie „Bild“-Leser (irgendwie auch wegen der zunehmenden Vermarktung und Entertainmentisierung), und findet hier in den Kommentaren „serviles Gutmenschentum“. Ich glaube, er verkennt gerade das Besondere an der Beziehung zwischen BILDblog und den BILDblog-Lesern. Wir haben erst angefangen, BILDblog-T-Shirts anzubieten, als Leute uns gefragt haben, warum es die eigentlich nicht gibt. Ein Konto haben wir eingerichtet, nachdem Leser uns gefragt haben, ob sie uns eventuell Geld spenden können. Servil sind sie nicht, sie geben uns ordentlich Kontra, wenn wir etwas machen, das ihnen nicht gefällt. Aber viele sind treu und sowas wie Fans, sie versorgen uns mit sachdienlichen Hinweisen und weisen uns auf unsere Fehler hin, und wenn es einen Fragebogen auszufüllen gibt, tun sie das in unfassbarer Zahl.

Mag sein, dass sie auch das Gefühl genießen (oder von mir aus auch nur die Illusion), gemeinsam auf der „richtigen Seite“ zu stehen. Aber sie tun das in einer Welt, die nicht von BILDblog-Lesern, sondern von „Bild“-Lesern dominiert wird. Und sie sind mir allemal lieber als die vielen, denen die Frage, ob sie auf der „richtigen Seite“ stehen, einfach vollständig egal ist.