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Dreist und dumm: die neue Bildersuche von Google

Zugegeben: Ich hatte nicht damit gerechnet. Ich hatte nicht gedacht, dass die neue Bildersuche von Google tatsächlich genau so funktionieren würde, wie es in der Ankündigung und den ersten aufgeregten Berichten klang. Ich hatte Google vielleicht die Dreistigkeit zugetraut, aber nicht die Dummheit.

Bislang führte ein Klick auf eines der kleinen Vorschaubilder in der Übersicht immer auf die Seite, auf der das Original zu sehen war. Jetzt führt er zu einer Anzeige des Bildes innerhalb der Suche. Der Nutzer muss also die Ergebnisseite gar nicht mehr verlassen, um sich die Bilder in voller Größe anzeigen zu lassen.

Bisher:

Neu:

Man kann mit der Tastatur einfach durch die gefundenen Bilder blättern, ohne Google verlassen zu müssen. Das ist zweifellos sehr praktisch. Google hat die Bildersuche für die Nutzer und für Google optimiert. Die Interessen der Urheber und Rechteinhaber spielten dabei erkennbar keine Rolle.

Wenn Google behauptet, dass die Änderung auch den Seitenbetreibern zugute kommt, ist das offenkundiger Unsinn. Google verweist darauf, dass nun gleich vier Links vom Suchergebnis zur Quellseite führen. In Tests habe sich zudem gezeigt, dass mehr Leute vom Ergebniss zur Quelle klicken. „Wir können erkennen, dass durch das neue Design bei einer typischen Suche durchschnittlich ein höherer Click-Through-Wert erzielt wird als früher“, sagt Google-Sprecher Kay Oberbeck.

Was er dabei ignoriert: Bislang war es in vielen Fällen gar nicht nötig, zur Quelle durchzuklicken, die Seite wurde ohnehin angezeigt, mit all den Informationen oder Anzeigen, die sie im Original umgeben. „Durchklicken“ bedeutet bei der alten Bildersuche bloß, die Seite aus dem Rahmen zu befreien, neben dem rechts noch die Google-Informationen angezeigt wurden. Bei der neuen Bildersuche bedeutet „Durchklicken“, die Originalseite überhaupt zum ersten Mal zu sehen bekommen. Diese beiden Werte miteinander zu vergleichen, ist sinnlos und dient bloß der Propaganda.

Dass Fotografen nach ersten Auswertungen feststellen, dass ihre Seiten von der neuen Bildersuche wesentlich weniger Besucher bekommen, ist absolut plausibel.

Genau genommen kopiert Google übrigens die Bilder nicht, es bindet sie nur von der fremden Seite ein. Auf dieselbe Weise liegt das folgende, mutmaßlich urheberrechtlich geschützte Bild zum Beispiel nicht auf meinem Server, sondern ist einfach nur von der Quelle eingebunden:

Das ist technisch ein Klacks, aber aus guten Gründen verpönt und ändert nach meinem Verständnis auch nichts bei der Beurteilung der Frage, ob das Vorgehen von Google legal und legitim ist.

Der Bundesgerichtshof hat 2010 die alte Bildersuche für rechtmäßig erklärt, musste dafür aber auch schon einige Verrenkungen vornehmen. Die neue Form, die die vollständige Anzeige urheberrechtlich geschützter Werke ermöglicht, hat keinen entsprechenden Schutz verdient.

Vorige Woche wurde noch spekuliert, dass die Bildersuche in Deutschland aufgrund der Rechtslage und der öffentlichen Debatte anders aussehen könnte. Doch über Google.com ist sie längst auch aus Deutschland und auf deutsch in der urheberfeindlichen Form zugänglich.

Mit der Diskussion um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger hat der Streit um die Google-Bildersuche eigentlich nichts zu tun, denn beim Leistungsschutzrecht geht es ja gerade nicht um die Anzeige ganzer Werke, sondern kleiner und kleinster Ausschnitte daraus. Aber in einem wichtigen Punkt gibt es natürlich doch einen Zusammenhang: Google verhält sich hier in exakt der rücksichtslosen und dreisten Weise, die die Verleger und andere Kritiker dem Konzern sonst (nicht immer zu recht) vorwerfen. Und hier passt sogar die vom Oberverlagslobbyisten Christoph Keese sonst gerne falsch verwendete Metapher vom Lichtschalter: Seiten können nur entscheiden, ob ihre Fotos in der Bildersuche auch im Original angezeigt werden — oder gar nicht.

Diese neue Bildersuche zu einem Zeitpunkt zu starten, zu dem Google so unter kritischer Beobachtung steht, zeugt von einem außerordentlichen Maß an Dummheit.