Wer übrigens fehlt im Blendle-Kiosk: die „Bild“-Zeitung.
Gut, das spricht eher für Blendle, ist aber erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Axel Springer gemeinsam mit der „New York Times“ drei Millionen Euro in das Start-Up investiert hat und dafür 23 Prozent der Anteile hält. Die Blendle-Gründer hatten im vergangenen Jahr, als Springer und „New York Times“ einstiegen, betont, die Verlage erhielten dafür keinerlei Vorzugsbehandlung, und so scheint es auch zu sein.
„Bild“ hatte nämlich, so erzählen es die Blendle-Leute, Sonderregelungen gefordert, um auf der Plattform präsent zu sein. Zum einen störte sich das Blatt an der Möglichkeit, Zeitungsausgaben kostenlos im verkleinerten Original-Layout durchblättern zu können. Weil bei „Bild“ die Fotos wichtiger seien als der Text, hätte man auf diese Weise schon umsonst das Wesentliche einer „Bild“-Ausgabe erfassen können. Blendle hätte die Fotos unscharf machen sollen.
Außerdem hat „Bild“ ein Problem mit der leserfreundlichen Blendle-Funktion, dass man für einen Artikel, den man innerhalb von zehn Sekunden nach dem Öffnen wieder schließt, nicht zahlen muss. Zehn Sekunden, so soll „Bild“ argumentiert haben, könnten schon reichen, um die meisten „Bild“-Geschichten zu lesen. Das hätte also bei dem deutschen Boulevardblatt auch abgestellt werden müssen.
Die Blendle-Leute lehnten die Sonderwünsche ab, und so ist „Bild“ – im Gegensatz zu „Bild am Sonntag“, wo die Texte länger sind oder die Chefredaktion entspannter und experimentierfreudiger – nicht auf Blendle vertreten. Zugegeben: „Bild“ kann vermutlich ebenso gut auf Blendle verzichten wie Blendle auf „Bild“.
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Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer, kam gestern trotzdem zur Blendle-Launch-Party in Berlin. (Er war, so erzählte es Mit-Gründer Alexander Klöpping, auch der einzige Verleger, der das Team je in ihren Büros in Utrecht besucht hat.) Er hielt eine kurze Ansprache und erzählte dabei einen Löwen-Witz:
Sie kennen vielleicht die Erfahrung des berühmten Geigers, der eine Exkursion in Zentralafrika macht und sich plötzlich von einer Herde Löwen umringt sieht und merkt, er hat keine Chance wegzulaufen. Die Sache ist wirklich gefährlich für ihn. Also, sagte er, ich tue das, was ich immer am besten konnte, ich spiele einfach Geige. Also, er holt seine Geige aus der Kiste, spielt Mozart-Sonaten und in der Tat, die Löwen sind total überwältigt, gruppieren sich in einem Kreis um ihn herum und hören andächtig diesen Mozartsonaten zu. Also, er spielt immer weiter und weiter und besser und besser. Und irgendwann nach einer Stunde kommt von außen ein anderer Löwe rein gerannt, springt über die anderen Löwen drüber in die Mitte, zerfleischt den Geiger in wenigen Sekunden. Daraufhin sagt ein Löwe zum anderen Löwen, ich wusste doch, sobald der Taubstumme kommt, ist das Konzert hier vorbei.
Ich war ungefähr der einzige, der an dieser Stelle laut gelacht hat, aber auch eher aus Überraschung über die Pointe.
Seitdem frage ich mich: Was wollte uns der Verlagschef, Musikwissenschaftler und Germanist Dr. Mathias Döpfner mit dieser Fabel sagen? Behinderte machen immer die Stimmung kaputt?
Döpfner selbst hat direkt im Anschluss folgende Interpretationshilfe gegeben:
Das heißt, es ist eben wichtig, dass das, was wir tun, nicht nur uns gefällt, sondern dass es auch denjenigen gefällt, für die wir es machen.
Das klingt ein bisschen wie der endlos zitierte Privatfernsehenleitsatz von Helmut Thoma, wonach der Wurm dem Fisch schmecken müsse und nicht dem Angler, nur dass der bei Döpfner lauten würde, dass der Wurm nicht nur dem Angler schmecken müsse, sondern auch dem Fisch, was ein bisschen eklig klingt. Vor allem aber ist in seiner Geschichte ja der Geiger der Wurm. Quasi.
Vielleicht ist es auch so gemeint, dass der Geiger der Journalismus ist, der gerade kurz davor ist, gefressen zu werden, aber um sein Leben spielt und so die, die es zu schätzen wissen, wenigstens noch eine Weile glücklich macht, bis der Google-Löwe kommt und ihn am Ende doch noch frisst. Steckt da irgendeine Mahnung, eine Lehre drin, etwas, das der Geiger tun könnte, um nicht gefressen zu werden, oder die Löwen? Ha, ich hab’s: Die anderen Löwen, also das Publikum, denen doch das Geigenspiel, also der Journalismus, gefällt, die können nicht einfach nur genießen, sondern müssen auch bezahlen, damit der Geiger sich ein schnelles Auto kaufen kann, um vor dem taubstummen Löwen zu fliehen!
Oder, ganz anders, die Theorie von Lukas: Die Löwen sind in Wirklichkeit sehr schlechte Geiger-Zähler und kommen nicht mal bis Eins. Der Taubstumme aber kann viel besser zählen (weil er ja mit seinen Pfoten kommuniziert, an denen vier … Finger sind), deswegen ist er schnell gelangweilt und will lieber was essen. Behinderung als Supermacht!
Oder hat jemand eine noch bessere Erklärung?