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Schöne Blogs (6): Ken Levine

Die amerikanische Komikerin Roseanne hatte kürzlich einen schlimmen Brech-Durchfall, der in der Zeitschrift „New York“ gelandet ist. Sie rechnet darin mit vielen Leuten ab, die ihr bei der Arbeit in die Quere gekommen sind. Am Anfang könnte man kurz denken, es sei ein nachdenkliches, selbstkritisches Stück darüber, was Erfolg aus Menschen wie ihr und Charlie Sheen machen kann. Aber dann prahlt sie damit, die erste und letzte feministische Arbeiter-Sitcom im Fernsehen geschrieben zu haben, und begleicht Jahrzehnte alte offene Rechnungen.

Das ist erhellend und traurig, wenn man — wie ich — großen Respekt vor der ihrer tatsächlich revolutionären Serie „Roseanne“ hat. Aber es ist ein guter Anlass, das Blog von Ken Levine vorzustellen.

Ken Levine ist ein 61-jähriger amerikanischer Fernsehautor, der unter anderem für „Cheers“, „Frasier“, und „Die Simpsons“ gearbeitet hat. In seinem Blog plaudert er aus dem Nähkästchen, beantwortet Leserfragen, gibt Berufstipps für Möchtegern-Comedy-Autoren und diskutiert, warum etwas lustig ist.

Und er nahm Roseannes Stilisierung zum Opfer auseinander und erzählte, wie sie mit den Mitarbeitern umgegangen sei, als sie endlich das Sagen hatte. Ein Autor schaltete, nachdem er gekündigt hat, eine Anzeige in der Fachpresse und schrieb:

„My wife and I have decided to share a vacation in the peace and quiet of Beirut.“

Als es danach ein endloses Kommen und Gehen gab und Roseanne keine Lust hatte, die Namen der wechselnden Leute zu lernen, habe sie sie bei Durchlaufproben Zahlen um den Hals tragen lassen. Levines bitteres Fazit:

She takes comfort in being such a champion for integrity, dignity, and women’s rights. Sure wish I had a picture of her women writers during runthrough wearing numbers around their necks.

Gestern bloggte Levine dann über „Two And A Half Men“, lachte darüber, dass Hugh Grant angeblich die Rolle von Charlie Sheen abgelehnt habe, weil so eine wöchentliche Serie womöglich zuviel Arbeit sei, und erklärte, warum das sehr abwegig ist.

Eigentlich lohnt sich der Blogeintrag schon für seine Kurzzusammenfassung von „Two And A Half Men“:

(…) to me it’s just a half-hour barrage of penis jokes with the occasional masturbation joke thrown in to break things up.

Blinde sorgen sich um Zukunft der Farbe

Auf Einladung des Deutschlandfunks diskutierte heute abend ein so genanntes „Medienquartett“ die Frage: „Verändern Leserreporter und Blogger den Journalismus?“ Es ist eine Sendung, die sich aufzuheben lohnt [mp3]. Schon um in ein paar Jahren, falls „der Journalismus“ tot aufgefunden werden sollte, belegen zu können, dass es sich nicht um Mord handelte, sondern um Selbstmord.

Das Gespräch begann (leicht gekürzt) so:

Moderator: Tissy Bruns vom „Tagesspiegel“ in Berlin, gibt es bei Ihnen auch Bürgerjournalismus?

Bruns: Es gibt ihn in Form von Teilnahme an Blogs. Es gibt in der Online-Abteilung des „Tagesspiegel“ Blogs, an denen sich natürlich nicht nur Redakteure beteiligen können.

Moderator: Warum? Haben die Journalisten nicht genügend zusammengebracht an interessanten Stoffen?

Bruns: Naja, das ist ja der Teil, der online läuft, also nicht in der gedruckten Zeitung selber erscheint.

Man muss Frau Bruns dankbar sein, dass sie einem gleich am Anfang eines solchen Gesprächs keine Illusionen lässt, dass sie für das Thema qualifiziert sein könnte. Offenkundig kennt sie die „Tagesspiegel“-Blogs nicht. Sie weiß nicht, dass sämtliche „Tagesspiegel“-Blogs von professionellen Journalisten geschrieben werden, überwiegend von „Tagesspiegel“-Redakteuren. Es gibt keinen Bürgerjournalismus in der „Online-Abteilung“ des „Tagesspiegel“.

Und zur Ahnungslosigkeit kommt Arroganz. Die gedruckte Zeitung ist das, worauf es ankommt. Online kann man natürlich allen möglichen Unsinn ausprobieren, scheint sie zu sagen, solange wir einen Damm haben, der unsere „gedruckte Zeitung“ vor irgendwelchen Ausflüssen schützt.

Moderator: Gibt es bei Ihnen denn auch Blogs zum Thema Doping beispielsweise?

Bruns: Ich hab jetzt heute leider nicht danach geguckt. (…) Ich würde mal auf Verdacht sagen: Ja. Weil die Erfahrung ist, immer wenn Themen dieser Art hochkommen in der Öffentlichkeit, also zum Beispiel Berliner Themen über Kindesmisshandlung, über die Frage, ob McDonald’s in Kreuzberg das erste Geschäft aufmachen darf, dann ist die [unverständlich] aus unserem Leser-Publikum besonders hoch. Insofern sag ich ungeschützt mal, es wird auch beim Doping-Thema besonders hoch sein.

Leider hat Frau Bruns nicht nur heute nicht danach geguckt, sondern auch gestern nicht, sonst hätte sie natürlich den Blog-Eintrag zum Thema gesehen. Insofern sag ich ungeschützt mal, Frau Bruns hat die „Tagesspiegel“-Blogs in ihrem ganzen Leben noch nicht besucht. Muss sie natürlich auch nicht, sie schreibt ja für die „gedruckte Zeitung“, und Blogs sind ja nur online. Und was die Erregung des Leser-Publikums mit der Frage zu tun hat, ob es einen entsprechenden Blog-Eintrag zum Thema gibt, bleibt völlig offen, es sei denn, man verwechselt „Blogs“ mit „Leser-Foren“ (die es aber beim „Tagesspiegel“ auch nicht gibt), mit Bürgerjournalismus (den es aber beim „Tagesspiegel“ auch nicht gibt) oder mit Kommentaren unter Artikeln (na also).

Als nächstes wurde Manfred Bissinger, Ex-Chefredakteur der Zeitschriften „Konkret“, „Natur“ und „Merian“, gefragt, ob die von ihm herausgebene und gegründete frühere Zeitung „Die Woche“ heute bei Blogs ganz vorne dabei wäre.

Bissinger: Damals [zu Lebzeiten der „Woche“] gab es das Internet auch schon und Internetauftritte, natürlich hat die „Woche“ auch da mitreagiert, aber wir haben keine Blogs gemacht, wir waren eigentlich mit unseren Leserbriefen zufrieden, das hat uns gereicht, und die Zeitung war nicht so auf Exhibitionismus angelegt wie Leserreporter, die auf Exhibitionismus angelegt sind.

Gut, Herr Bissinger hat offenbar gedacht, was Frau Bruns kann, kann ich schon lange, und sich noch schneller und noch weiter ins Aus geschossen. Leserreporter sind auf Exhibitionismus angelegt? Vielleicht meint er Voyeurismus, und hätte so pauschal trotzdem Unrecht. Wirklich entlarvend ist aber die Formulierung, „das hat uns gereicht“. Den „Woche“-Machern hat es es gereicht, ein paar Leserbriefe abzudrucken. Ob es den „Woche“-Lesern reichte? Who cares?

Bissinger: Bei der Schwierigkeit, in der sich Printmedien befinden, glaube ich nicht, dass es eine Lösung ist, dass man über Leserreporter oder Blogs versucht, da rauszukommen, weil: Das beschädigt die Glaubwürdigkeit noch mehr, die so Produkte haben. Und ich glaube, dass nur Kundenprodukte überleben können, wenn sie eine hohe Glaubwürdigkeit haben und wenn das Publikum das Gefühl hat, da bekomme ich etwas vorgesetzt, das nachgedacht, recherchiert, genau erörtert ist und da wird nicht nicht so was hingerotzt. Und Blogs sind ja eine Aneinanderreihung von persönlichen Befindlichkeiten von Leuten, die eigentlich für den Journalismus oder für die Öffentlichkeit keine wirkliche Bedeutung haben.

Da dies ein Blog ist, könnte ich nun natürlich ganz beleidigt sein. Aber ich sage das mal ganz ungeschützt: Herr Bissinger kennt dieses Blog so wenig wie irgendein anderes. Bissinger hat weder nachgedacht, noch recherchiert, noch etwas genau erörtert. Er hat, vermutlich aus persönlicher Befindlichkeit, irgendwelchen Unsinn in die Öffentlichkeit gerotzt. Und trotzdem wären die meisten Blogger, die ich kenne, beleidigt, wenn man sie mit Manfred Bissinger vergliche.

Ich habe danach ausgemacht. Ich habe es nicht mehr ertragen zuzuhören, wie Leute meines Berufsstandes, die sich für klug, professionell und vor allem sehr überlegen halten, ihre Ahnungslosigkeit und Untauglichkeit öffentlich so stolz zur Schau stellen.

Nachtrag, 29. Mai: Tissy Bruns antwortet auf meine Kritk.

Ende des Kongress-Hypes?

Ende des Blogger-Hypes?

Fragt die Fachzeitschrift werben&verkaufen (w&v) in ihrer aktuellen Ausgabe. Der zugehörige Artikel beantwortet die Frage mit einem klaren Ja, lässt aber leider offen, ob das bedeutet, dass damit nun die Phase des richtigen, post-hypesken Bloggens beginnt, oder sich das Thema einfach insgesamt erledigt hat.

Das Beste aber ist der Vorspann:

Mit der Forschung zu und in neuen Medien befasste sich der Kongress General Online Research. Fazit: Blogs, das Mitmach-Web und Co. bleiben weiter ein Rätsel

Um das Problem mal von der Grammatik her aufzuziehen: Da fehlt ein Dativ-Objekt im letzten Satz.

Wiederholungstäter II

Jede Wette: Noch in zehn Jahren werden sich Journalisten in vermeintlich wichtigen Tageszeitungen über die Bedeutungslosigkeit der deutschen Blogosphäre mokieren und darauf hinweisen, dass man es „schon mit 450 Zugriffen im Monat“ in die Top100 schaffe.

Nach der „Frankfurter Rundschau“ verbreitet nun auch die „Süddeutsche Zeitung“ bzw. jetzt.de diese Mär, und auf Nachfrage antwortet der Autor süffisant:

Zum besseren Verständnis:

Die Information, dass man mit „450 Zugriffen schon in die Top100 kommt“ ist dem Buch „Weblogs“ von Jan Schmidt entnommen (2006), einer der ersten wissenschaftlichen Studien (kein Marketing-Pamphlet oder Selbstauskunft von Blog-Betreibern) in Deutschland über die von uns allen doch so sehr geschätzte Blogosphäre.

Erfahrungsgemäß kann es sich jetzt nur noch um Wochen handeln, bis der Autor merkt, dass zwar die Zahl stimmt, aber die Zeiteinheit nicht: Er hat Monate mit Tagen verwechselt.

Aber dann hat bestimmt längst der nächste Kollege die falsche Zahl abgeschrieben.

(via Sherpa)