Schlagwort: Crowdfunding

Uuuuuh, Cartoons für Erwachsene… Der (vorerst) gescheiterte Versuch, „Nichtlustig“ ins Fernsehen zu bringen

Er ist einer der erfolgreichsten Cartoonisten Deutschlands. Über eineinhalb Millionen „Nichtlustig“-Bücher, hunderttausende Kalender und andere Ableger hat Joscha Sauer in den vergangenen zehn Jahren verkauft. Fast 700.000 Menschen sind Fans von „Nichtlustig“ auf Facebook. 183.000 Euro kamen zusammen, als Sauer vor drei Jahren mit einem Crowdfunding Geld sammelte, um eine erste Folge einer Trickfilmserie mit seinen Dinosauriern, Lemmingen und Yetis, mit dem in der Wand wohnenden Herrn Riebmann und dem mit einem Pudel lebenden Tod produzieren zu können.

Aber die Fernsehserie gibt es immer noch nicht. Denn das deutsche Fernsehen hat kein Interesse daran. Sauers Geschäftspartnerin Britta Schewe hat nach eigenen Worten in den vergangenen Jahren alle abgeklappert: ZDF, ProSiebenSat.1, RTL interactive, Tele 5, RTL 2, Turner… Wenn es überhaupt eine Antwort gab, dann eine Absage.

Deshalb versucht es Joscha Sauer nun wieder mit einem Crowdfunding. Mindestens 110.000 Euro sollen zusammenkommen. Je mehr es werden, umso mehr Folgen können produziert werden.


Joscha Sauer.

War das Crowdfunding vor drei Jahren auch schon eine Notlösung, weil sich kein Fernsehsender fand, der „Nichtlustig – die Serie“ finanzieren wollte?

Joscha Sauer: Im Grunde ja. Ich kann mich an einen Kontakt bei ProSiebenSat.1 erinnern, auf den ich viel gesetzt hatte, und war verwundert, wie schleppend das voran ging. Dann kam irgendwann auch die Absage, mit dem Argument, dass wegen der Wirtschaftskrise die Werbeeinnahmen fehlten und die Sender sagten: Wir haben kein Geld mehr, um Experimente zu machen und neue Sachen zu finanzieren. Ich weiß bis heute nicht, inwieweit das stimmt oder nur ein vorgeschobenes Argument war, sich nicht weiter mit diesen seltsamen kleinen Zeichentrickfilmen zu beschäftigen.

Aber die kurzen Clips, die ich damals produziert habe, wären auch sehr verbesserungswürdig gewesen. Ich hätte eher verstanden, wenn die Absage gelautet hätte: „Daran musst du arbeiten.“ Aber das Argument kam nie.


Die im ersten Crowdfunding finanzierte Folge.

Das Crowdfunding hat dann ganz fantastisch funktioniert. Wir haben die erste Folge fertiggemacht und versucht, sie Sendern zu zeigen, um eine weitere Finanzierung zu bekommen. Natürlich hat auch das Ding Kinderkrankheiten – ich habe gemerkt, dass das Konzept eher für ein kürzeres Format passt, nicht für zwanzig Minuten. Wenn ich danach mit Sendern gesprochen habe, kam aber nie der Ansatz: Okay, lass uns daran arbeiten und das gemeinsam entwickeln, dass es passt.

Es gab grundsätzlich kein Interesse?

Joscha Sauer: Nein. Ich dachte, dass die Sender beeindruckt sind, dass ich ohne Hilfe zehntausend Leute mobilisiere, für eine erste Folge Geld auszugeben. Dass das zeigt, dass es da einen Bedarf gibt. Ich habe das Gefühl, Fernsehleute leben in so einer Blase: Alles, was nicht im Fernsehen erfolgreich ist, ist auch irgendwie egal. Dann war das Geld relativ schnell aufgebraucht, und das Team hat sich wieder zerstreut. Danach hat Britta, die ich lange kenne, sich darum gekümmert, auf Basis ihrer Kontakte zu versuchen, „Nichtlustig“ als Trickfilm an den Sender zu bringen.


Britta Schewe, Joscha Sauer im Skype-Interview.

Mit welchem Erfolg?

Britta Schewe: Ich beschäftige mich seit über zehn Jahren mit dem Vertrieb von Inhalten, im Netz und im Fernsehen. Ich habe mit jedem Sender in Deutschland wegen „Nichtlustig“ Kontakt aufgenommen. Man stößt dabei auf eine vorgefestigte Meinung: „Animation in Deutschland für Erwachsene? Uuuuuh, davon lassen wir besser die Finger.“ Einmal hat mich jemand vom ZDF mitten im Satz unterbrochen und gesagt: „Nee, wenn’s um Erwachsene geht, das machen wir gar nicht.“ Da kannst du erzählen, dass die „Nichtlustig“-Zielgruppe bei Jugendlichen losgeht und auch generationenübergreifend funktioniert – egal. Da wird nicht jedes Thema einzeln bewertet – wieviele Bücher sind verkauft worden, wie lange gibt es eine Merchandising-Linie, wieviele Fans verfolgen das Thema in Sozialen Netzwerken – alles, was man aus einer kaufmännischen Sicht beachten und bewerten würde. Soweit kommt es gar nicht. Die sagen: Erwachsene? Nee, lass mal.

Das heißt, ihr seid in den Verhandlungen gar erst nicht so weit gekommen, dass die andere Seite sagen konnte: Das ist uns zu teuer?

Britta Schewe: Es ging nie um den Preis. Das wäre auch nicht das große Problem gewesen. Natürlich hast du immer Geldverhandlungen. Aber das kommt ja erst in einem Prozess. Wir sind aber überhaupt nicht in diesen Prozess reingekommen. Wir waren froh, wenn uns überhaupt jemand geantwortet hat – und ich kenne in so ziemlich jedem Sender jemand persönlich. Das finde ich am Kritikwürdigsten an all dem: Man hat keine Chance, für den Animationsbereich kreativ an Businessmodellen zu arbeiten, weil du gar erst nicht so weit kommst.

Joscha Sauer: Ich hab das Gefühl, dass das deutsche Fernsehen generell nicht besonders innovations- und experimentierfreudig ist. Es fehlt der Mut, Dinge zu entwickeln, die noch nicht perfekt sind, in die man Zeit und Geld stecken muss, um dann aber auch etwas zu haben, was wirklich originell ist. Ich kann nicht sagen, ob das eine deutsche Mentalitätsfrage ist, ob das mit der bürokratischen öffentlich-rechtlichen Senderstruktur zu tun hat…

Und es gab auch nie Antworten wie: Okay, für ein Zehn-Minuten-Format haben wir nicht wirklich den Sendeplatz, aber lass uns doch mal gucken, ob wir das nicht als Fünf-Minuten-Clips in eine andere Sendung integrieren?

Britta Schewe: Nada, nüscht. Wir sind wirklich gegen Wände gerannt. Eine Antwort lautete: „Der Humor ist nicht schräg genug für uns.“

Joscha Sauer: Ich habe seit Jahren immer die Furcht, dass das Konzept nicht zugänglich genug ist. Weil es ja nicht als Pitch fürs Fernsehen konzipiert ist, sondern sich entwickelt hat mit diesen vielen seltsamen Figuren. Ich dachte immer, vielleicht ist es zu schräg, deshalb kann ich nicht bei den Leuten landen. Und dann kommt diese Mail…

Habt ihr mit den Leuten vom geplanten Jugendprogramm von ARD und ZDF gesprochen?

Britta Schewe: Ja, bei denen schlummern auch einige bislang unbeantwortete E-Mails von uns im Postfach.

Und Netflix?

Britta Schewe: Die tun in den USA viel, produzieren lokal aber nur sehr ausgewählt und nehmen den Produzenten dann in der Regel alle Rechte ab. Man muss man sich sehr genau überlegen, ob man das will. Aber wenn wir das wollen würden: Wir haben „Nichtlustig“ Netflix-Leuten in Amsterdam gezeigt, die wollten das ansehen und weiterreichen. Seitdem habe ich auch auf mehrere Nachfragen nichts mehr von den Kollegen gehört.

Joscha Sauer: Das Gute ist: Unternehmen wie Netflix müssen kreativ interessante Sachen machen, die sie von der Konkurrenz abheben. Also genau das Gegenteil von dem, was Fernsehen oft versucht: Möglichst nicht auffallen. Deswegen sehe ich da schon eine Chance – aber auch da ist es schwierig, an die richtigen Entscheider zu geraten.

Trotzdem habt ihr zwei weitere Folgen produziert. Wie ging das?

Joscha Sauer: Wir haben uns um Filmförderung beworben. Voraussetzung für diese spezielle Förderung war, einen Fernsehsender als Partner zu haben. Wir haben zusätzlich Universal als DVD-Vertrieb gewonnen. Die bringen vor Ostern eine DVD heraus, auf der die ersten Folgen sind plus alle existierenden Sachen aus dem Netz, inklusive Behind-the-scenes-Material, so dass wir auf circa eine Stunde Laufzeit kommen.

Britta Schewe: Und als Fernsehsender kommt joiz ins Spiel. Vor eineinhalb Jahren, als wir die Förderung beantragt haben – da war ich noch nicht Geschäftsführerin von joiz – habe ich das der damaligen Geschäftsführung vorgeschlagen. Die haben gesagt: Super Sache, aber wir haben nicht viel Geld. Wir brauchten allerdings einfach einen Fernsehsender, der mit an Bord ist – und die Zielgruppe passt auch super. Die Förderung, die wir beim Medienboard Berlin-Brandenburg beantragt und bekommen haben, ist eine TV-Pilot-Förderung. Eine andere Förderung, die serielle Formate unterstützt, gibt es aber auch nicht. Überhaupt gibt es für Animationsproduzenten bundesweit nur eine Handvoll Förderungen, die in Betracht kommen. Und die wiederum haben ganz strikte Regularien.

Wenn sich jetzt im Nachhinein ein anderer Sender fände, müsste der aber damit leben, dass joiz die Rechte hat?

Britta Schewe: Wenn ein TV-Sender sagen würde: Wir investieren eine Million, dann würde joiz sagen, wir geben ein paar Rechte zurück.

Das Crowdfunding ist also für weitere Folgen, zusätzlich zu den beiden neuen?

Joscha Sauer: Ja. Die, die wir haben, sind finanziert – mit eigenem Geld und Geld vom Medienboard Berlin-Brandenburg.

Britta Schewe: Der anarchistische Gedanke ist, dass sich nicht leugnen lässt, dass es ein Interesse an dieser Serie gibt. Die einzigen, die das nicht hören wollen, sind die Leute in der Industrie. Wenn das Crowdfunding gut funktioniert, werden eventuell andere Marktteilnehmer, die uns dazu befähigen würden, sehr viel mehr zu machen, vielleicht irgendwann auf den Trichter kommen, den ein oder anderen Euro zu investieren.

Joscha Sauer: Ich bin da inzwischen sehr viel skeptischer, muss ich sagen. Und bin gleichzeitig natürlich auch immer skeptisch, ob auch ein Crowdfunding ein zweites Mal wieder so gut funktioniert. Ein Crowdfunding ist ja auch heikel, weil man sich nackig machen muss. Man kriegt zwar viel Zuspruch von Leuten, das ist toll, aber man muss diese ganzen Prozesse, mit denen man in so einem kreativen Projekt hadert, öffentlich austragen. Man macht sich sehr angreifbar, weil ich plötzlich nicht intern mit einer Instanz darüber diskutieren muss, ob etwas nicht billiger geht, sondern mit zehntausend Leuten. Das ist schon auch sehr zermürbend.

Was kostet eine Folge „Nichtlustig“, so wie ihr sie jetzt produziert?

Joscha Sauer: Momentan liegt unser Budget bei 110.000 Euro pro Folge auf Kickstarter – abzüglich Fremdkosten landen wir bei circa 80.000 Euro Produktionskosten. Da müssen wir aber schon jeden Cent einzeln umdrehen, Kompromisse eingehen, die wir am liebsten nicht eingehen würden, und ich sitze jeden Abend bis Mitternacht an den verschiedensten Sachen herum. Es ist eigentlich zu wenig.

Britta Schewe: Wir reden von einer qualitativ sehr hochwertigen Art zu animieren. Man sieht sich immer mit dem Argument konfrontiert, dass Animation so teuer sein soll – Heidi Klum ist teurer!

Joscha Sauer: Es gibt im Animationsbereich entweder diese bombastischen Sachen, große Filme von Pixar und Disney, oder YouTube-Animationen, die extrem kostensparend sind. Da kommen einige Leute wunderbar mit klar: Mein Freund Ralph Ruthe macht auf diese Weise fantastische Videos. Aber es ist eben eine sehr eingeschränkte Art, an Animationen ranzugehen. Das gibt es: Sehr teure Projekte, vor allem aus Amerika, und Dinge, die überhaupt nichts kosten. Dazwischen gibt es leider fast nichts.

Was wäre dein „Nichtlustig“-Serientraum? Eine dreizehnteilige Serie aus Zehnminütern?

Joscha Sauer: Ich will mir nicht irgendwelche Luftschlösser bauen und dann enttäuscht werden. Ich kann mir natürlich wunderbar eine komplette Serie vorstellen, habe genug Material und ein Konzept, das das trägt. Aber ich versteife mich nicht darauf, dass es auf jeden Fall 12 oder 13 Folgen sein müssen. Das wäre auch utopisch, weil ich im Moment nur Crowdfunding als Finanzierung sehe. Auf nichts anderes kann ich zählen. Je nachdem, wie viel da zusammen kommt, weiß ich Ende des Jahres, wieviel Geld ich habe, damit das Team nicht wieder auseinandergeht, und ob es für ein oder zwei oder mehr Folgen reicht. Der Wunsch ist auf jeden Fall, eine Staffel zu machen – ein, zwei Folgen fühlen sich ja nicht nach „Serie“ an. Die Leute sollten sich für einen Zehner die Staffel kaufen können und sich dann schön ein, zwei Abende vor den Fernseher lümmeln und die komplette Serie „Nichtlustig“ angucken. Das wäre mein Wunsch: eine Serie zu schaffen.

Britta Schewe: Und dann natürlich Kino-Film und das Game, ist klar (lacht).

Joscha Sauer: Ich muss aber sagen: Früher war ich sehr viel mehr besessen von der Idee, eine Fernsehserie zu machen. Inzwischen denke ich: Nee, wir machen eine Serie, und es ist mir egal, wo sie die Leute erreicht, Hauptsache, ich kann die Mitarbeiter, die daran beteiligt sind, angemessen bezahlen.

[Offenlegung: Ich habe die beiden Crowdfundings unterstützt.]

Ein „Woodstock des gezeichneten Witzes“: Das 1. Cartoon-Lese-Festival der Welt sucht Unterstützer

Die Herren Elias Hauck (links) und Dominik Bauer, bekannt als „Hauck & Bauer“ unter anderem aus „Titanic“, „SPAM“, „Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung“ und diesem Blog hier, wollen ein Cartoon-Lese-Festival veranstalten, das angeblich erste Cartoon-Lese-Festival der Welt. Es soll „ein Woodstock des gezeichneten Witzes“ werden. Es gibt schon einen Ort und einen Termin und Zusagen von zweieinhalb Dutzend lustigen Menschen (Joscha Sauer, Ralf König, Til Mette u.v.a.m.). Es fehlt nur: das Geld.

Heute haben die beiden deshalb ein Crowdfunding gestartet. Das Ziel: 30.000 Euro.

Wer ist auf die Idee gekommen, Cartoons vorzulesen? Ist das was Neues? Was soll das?

Hauck: Die erste Cartoonlesung, die ich erlebt habe, war ca. 2001 im Kaffee Burger in Berlin, mit OL und Rattelschneck.

Bauer: Mein erstes Mal war auch mit Rattelschneck! Er hat damals noch einen richtigen Dia-Vortrag gehalten, bei dem ca. jedes fünfte Dia auf dem Kopf stand. Sehr charmant.

Hauck: Uns selbst hat sehr viel später der damalige „Titanic“-Chefredakteur Leo Fischer überredet, doch mal als Gäste bei einer „Titanic“-Lesung aufzutreteten und ein paar Cartoons zu präsentieren.

Bauer: Das kam dann so gut an, dass wir einfach weitermachen mussten. Inzwischen sind viele Kollegen mit Lesungen unterwegs. Das ist immer für alle eine große Freude – auch für die Cartoonisten selbst, die ja sonst eher selten dabei sind, wenn jemand über ihre Zeichnungen lacht.

Ist das Schöne an Cartoons nicht eigentlich, dass ich dazu meinen eigenen Stimmen im Kopf lauschen kann und nicht denen der Zeichner?

Bauer: Ja, wer seine eigenen Stimmen am liebsten hört, sollte da nicht hingehen. Aber das gilt ja für alle Autorenlesungen.

Würdet ihr womöglich eigentlich alle lieber Zeichentrickfilme machen?

Hauck: Oh nein! Zeichentrickfilme sind Arbeit für Leute, die gerne mal fleißig sind. Wir haben ja für „Anke hat Zeit“ ein paar kurze Filme zusammen mit Anke Engelke gemacht, das war ein Knochenjob. Ich erinnere mich noch an den Juli letzen Jahres, an dem ich mittags ein heißes Kneipp-Bad nehmen musste, zur Entspannung.

Sind nicht Cartoonisten eigentlich so öffentlichkeitsscheue Gestalten, die am liebsten vor ihrem Zeichen-, äh, -pult sitzen und am wenigsten gerne auf einer Bühne stehen?

Hauck: Die muss es natürlich auch geben. Da fällt mir aber erstmal nur der Walter Moers ein.

Bauer: Natürlich zieht es nicht jeden auf die Bühne, einige Kollegen mussten wir daher gar nicht erst fragen. Aber die Künstler, die mitmachen, machen gerne mit. Piero Masztalerz hat um seine Cartoons herum ein richtiges Stand-Up-Programm entwickelt. Und jemand wie Til Mette braucht einfach dringend mal eine Bühne. Die Shows werden auf jeden Fall so unterschiedlich wie die Künstler.

Wie haben die Kollegen reagiert, als ihr sie gefragt habt?

Hauck: Die Schnapsidee-Toleranzgrenze ist in unserer Branche sehr hoch.

Gab es Absagen?

Hauck: Von unseren ersten 20 Anfragen gab es 18 Zusagen, das war natürlich sehr ermutigend. Und spätestens als Joscha Sauer zusagte, wussten wir, das könnte was werden.

Bauer: Ingesamt gab es eine Handvoll Absagen. Sehr bedauert haben wir die von Miriam Wurster und Bettina Bexte, die aber versprochen haben, bei einer Neuauflage dabei zu sein. Was hiermit dokumentiert wäre.

Warum ist mein Lieblingscartoonist [hier Name einfügen] nicht dabei?

Bauer: Der kann an dem Wochenende leider nicht. Er hofft aber auch ausdrücklich auf eine Neuauflage.

Gibt es in der Witzbildzeichnerszene (oder bei deren Fans) womöglich Unverträglichkeiten, unterschiedliche Schulen, die gar nicht kompatibel sind?

Bauer: Unterschiedliche Schulen ja, aber man pflegt keine Künstlerfeindschaften in der Branche. Ich hab mal gehört, dass zwei Kollegen nicht zusammen in einem Auto fahren wollten. Das ist aber auch schon die krasseste Geschichte, die ich kenne.

Was ist überhaupt ein Cartoon, im Gegensatz, zum Beispiel, zu einem Comic oder einer Karikatur?

Hauck: Ein Cartoon ist ein Einbildwitz. Ein Comic besteht aus mindestens zwei Bildern. Faustregel: Ein Cartoonist ist ein Comiczeichner, nur tausendmal fauler.

Bauer: Eine Karikatur ist ein Sarg, auf dem DEMOKRATIE steht.

Hauck: Und zur Verwirrung: Beim Deutschen Karikaturenpreis in Dresden werden jedes Jahr ausschließlich Cartoons prämiert.

Warum ist ein Hurzlmeier 50 Prozent teurer als ein Beck?

Hauck: Weil er in München lebt.

Bauer: Bei den Orginalzeichnungen haben wir es den Künstlern überlassen, die Prämienhöhe anzugeben. Wobei man als Sammler da in jedem Fall ein gutes Geschäft macht.

Hauck: Ein Schnäppchen ist auch das Händeschütteln mit Martin Sonneborn für 150 Euro. Dafür nimmt er im EU-Parlament sicher ein Vielfaches.

Ursprünglich hattet ihr das ja ohne Crowdfunding vor. Warum hat das nicht geklappt?

Bauer: Erstaunlicherweise hatte auf Seiten der Unternehmen, die wir angefragt haben, niemand auf unser Festival gewartet. Und für Kulturförderungen hätten wir unser Konzept ein bis zwei Jahre im Voraus einreichen müssen.

Warum ist so eine Veranstaltung so teuer?

Hauck: Es gibt über 30 Künstlerhonorare, Moderationshonorare, Übernachtungen, Saalmiete, Technik, Produktionsleitung, ein Programmheft … und wie uns wohlmeinende Leute versichern, noch viele kleine Überraschungskosten.

Muss ich, wenn ich Euch im Crowdfunding unterstütze, dann auch noch Eintritt zahlen?

Bauer: Du kannst Dir als Prämie auch Tickets fürs Festival auswählen.

Wer hat Euch überhaupt auf die Idee mit dem Crowdfunding gebracht? Ist das nicht total out?

Bauer: Ach ja, richtig, wir haben uns heute noch gar nicht bei Dir bedankt, Stefan. Danke, Stefan!

Werdet ihr 24 Stunden dabei sein? (Also, wach.)

Hauck: Unbedingt! Ich werde auch die 24 Stunden vor der Veranstaltung schon wachbleiben, als Übung.

Bauer: Ich werde ein bisschen mit Drogen experimentieren.

Gibt es ein Rahmenprogramm? Ist da dann alles voller Büchertische und Merchandisingstände?

Hauck: Im besten Falle ja. Im Foyer oder im ersten Stock ist jedenfalls genug Platz für eine Mini-Cartoon-Messe. Und, du wirst lachen, einige Verlage haben auch schon Interesse angemeldet.

Haha! Habt ihr schon verteilt, wer die Schichten von vier Uhr bis acht Uhr machen darf?

Bauer: Nein, das ist noch nicht festgelegt. Aber Hannes Richert, der frischgebackene Fil-Nachfolger bei der „Zitty“, hat sich schon um den 6-Uhr-Termin beworben.

Seid ihr sicher, dass es sowas nicht schon woanders auf der Welt gibt?

Beide: Wer sollte denn auf so eine bescheuerte Idee kommen?

(Offenlegung, falls das nicht deutlich geworden sein sollte: Ich bin den beiden freundschaftlich verbunden, bzw.: Fan.)

Was „Krautreporter“ mit „True Detective“ zu tun hat

Diese grandiose neue amerikanische Fernsehserie, über die alle reden, „True Detective“. Was würden Sie schätzen, wie viele Zuschauer die in den USA hatte?

Im Schnitt keine zweieinhalb Millionen pro Folge. Damit wäre sie selbst im viel kleineren Deutschland spätestens nach der zweiten Folge als peinlicher Flop abgesetzt worden.

Zum Glück ist „True Detective“ aber eine HBO-Serie. HBO finanziert sich über Abonnements. Und die Logik ist eine andere als bei Sendern, die sich über Werbung finanzieren. Es geht nicht so sehr darum, die Zahl der Zuschauern zu maximieren. Es geht darum, die Zufriedenheit der Zuschauer zu maximieren. Programme zu machen, über die die Menschen reden, die ihnen etwas wert sind.

Dieser Unterschied ist fundamental. Dass „True Detective“ so gut ist, liegt auch daran, dass die Serie keine zehn Millionen Zuschauer erreichen muss und es auch nicht versucht hat, mit all den Zugeständnissen und Kompromissen an den Massengeschmack, die damit verbunden wären. Viele deutsche Serien sind so enttäuschend, weil sie nicht dafür gemacht sind, eine begrenzte Zahl von Menschen möglichst glücklich zu machen, sondern von möglichst vielen Menschen irgendwie halbwegs okay gefunden zu werden.

Okay, wenn ich jetzt als nächstes sagen würde, dass wir das „True Detective“ des deutschen Online-Journalismus machen wollen, wäre das nicht nur anmaßend und größenwahnsinnig, sondern auch bekloppt. Was wir aber machen wollen: die Logik der Finanzierung von Online-Journalismus ändern. Und ich glaube, dass die Unterschiede ähnlich fundamental wären wie bei Fernsehserien.

Deutsche Online-Medien finanzieren sich zum größten Teil über Werbung. Wer mehr Klicks generiert, verdient mehr. Weil Online-Werbung billig ist, müssen Online-Medien ganz besonders viele Klicks generieren. Es müssen möglichst viele Artikel publiziert werden, die geklickt werden. Jeder einzelne Artikel muss möglichst häufig geklickt werden. Innerhalb des Artikels muss es möglichst viele Anreize geben, nochmal irgendwo hinzuklicken.

Wohin das bestenfalls führt, sieht man bei „Spiegel Online“. Es ist ein Medium, in dem ununterbrochen Aufregung herrscht. Es gibt dauernd einen Grund, irgendetwas anzuklicken, denn ununterbrochen passiert etwas in der Welt, das meine Aufmerksamkeit fordert. Am besten kommt man in spätestens einer Stunde wieder, denn dann ist sicher schon wieder etwas neues Aufregendes passiert, und wenn nicht, hat „Spiegel Online“ einen weiteren Artikel zu dem alten Aufregenden veröffentlicht.

Ich meine das mit dem „bestenfalls“ im vorigen Absatz durchaus ernst, denn unter der Maxime, möglichst viele Klicks zu generieren, macht „Spiegel Online“ seinen Job gut. Dort arbeiten gute Kollegen, die recherchieren und vernünftige journalistische Regeln befolgen und nicht alles tun würden für einen schnellen Klick.

Deren Auftrag aber natürlich trotzdem ist: Möglichst viele Klicks zu generieren.

Das ist in der ökonomischen Logik dieser Medien völlig zwingend, konsequent und richtig. Und obwohl ich als Leser immer wieder einer dieser Klicks bin, ist das gar nicht unbedingt in meinem Interesse.

Dass, zum Beispiel, „Spiegel Online“ am Abend des 8. Januar einen bizarren Leer-Text mit blöden Fragen zum Coming-Out von Thomas Hitzlsperger veröffentlichte, lässt sich am besten damit erklären, dass zu diesem Zeitpunkt eigentlich alles schon gesagt worden war, und zwar viele Male, aber die Artikel immer noch so gut geklickt wurden, dass ein weiterer Artikel weitere Klicks versprach, zur Not dann eben ohne Inhalt.

Wie viele sinnlose Aufgeregtheiten wird ein Medium produzieren, das von jeder sinnlosen Aufgeregtheit profitiert, die es produziert? All diese Atemlosigkeit, die „Spiegel Online“ ausstrahlt, fühlt sich für mich immer häufiger nach einem Medium an, das kurz vor einem Burn-Out steht. Oder bei mir als Leser einen auslöst. Und es ist ja nicht nur „Spiegel Online“.

Wild winkend, hüpfend, johlend kämpfen im Netz Artikel um meine Aufmerksamkeit, betteln darum, geklickt zu werden. Im Zweifel gewinnt eine übergeigte Überschrift, die durch den Inhalt des Artikels kaum gedeckt wird. Im Zweifel gewinnt die besonders steile These, die besonders überdrehte Pointierung, die besonders skandalisierende Interpretation.

Natürlich tue ich mit dieser Pauschalisierung Kollegen und Medien Unrecht, natürlich gibt es viele, die verantwortungsvoll berichten und wissen, dass es einem seriösen Medium, das einen Ruf zu verlieren hat, schaden würde, alles der Klickmaximierung unterzuordnen. Bei süddeutsche.de, zum Beispiel, hat man sich von früheren Auswüchsen deutlich sichtbar verabschiedet.

Es ist aber nicht so leicht, angesichts der knappen Kassen und der ökonomischen Logik, bewusst auf einen möglichen Klick zu verzichten. Wenn sich ein Medium entscheidet, einen albernen Hype um irgendein Boulevardthema nicht mitzumachen, auf den gerade alle anspringen, verzichtet es im Zweifel auf bares Geld.

„Krautreporter“ ist ein Versuch, aus dieser Logik auszubrechen. Wir wollen ein Online-Magazin machen, das sich nicht über Werbung finanziert, sondern ausschließlich über unsere Leser. Sie ermöglichen es uns, nicht auf den billigen nächsten Klick schielen zu müssen. Wir bieten ihnen dafür einen im besten Sinne ausgeruhten Online-Journalismus, der ihnen etwas wert ist. Der aufregend ist, nicht aufgeregt.

Das ist der Traum. Und der Plan. Und jetzt probieren wir das mal.

Wir brauchen dafür 15.000 Menschen, die 60 Euro geben. Das reicht für ein Jahr, entspricht also 5 Euro im Monat.

Wir haben vier Wochen Zeit, diese Menschen zu gewinnen. Wenn wir es schaffen, gibt es ab Herbst Krautreporter. Wenn nicht, nicht.

Es hängt also von Ihnen ab.

Mehr über Krautreporter, die Idee, die Beteiligten und das Crowdfunding erfahren Sie hier.