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Geht sterben (6)

Wenn Sie bitte einmal kurz diesen BILDblog-Eintrag lesen würden.

Die Medien, die da allesamt auf einen Witzbold hereingefallen sind, der den Wikipedia-Eintrag des neuen Wirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg in einem kleinen Detail verändert hat, sind übrigens im Zweifelsfall dieselben, die Ihnen morgen wieder erzählen, dass wir deshalb auch in Zukunft nicht auf Zeitungen und etablierte Medien verzichten können, weil in ihnen im Gegensatz zum bösen Internet verlässliche, überprüfte Informationen stehen.

Beeindruckend ist aber auch, wie sich ein einmal ins System eingepflanzter Fehler selbst bestätigt: Erst übernimmt ihn „Spiegel Online“ von Wikipedia; dann ist „Spiegel Online“ für Wikipedia die Quelle, die seine Richtigkeit bezeugt. (Und natürlich funktioniert das auch mit gravierenderen, folgenreicheren Manipulationen als dieser.)

Für den Tiefpunkt der Geschichte sorgt diesmal das Online-Portal der im Abbruch befindlichen „WAZ“-Gruppe, DerWesten. Dort ist jemandem eingefallen, was man aus einem Mann mit so vielen Vornamen natürlich machen muss: eine Klickstrecke.











Da erkennt man doch gleich die Qualität einer Autorenzeitung.

Wie die „WAZ“ ohne dpa auskommt

Auf die Nachrichtenagentur dpa könne man super verzichten, hat Ulrich Reitz, Chefredakteur der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, gesagt. Im Sparwahn hat er dafür gesorgt, dass die „WAZ“ und ihre Schwesterblätter sowie der Online-Ableger DerWesten dpa gekündigt haben. Im Zweifelsfall könne man dpa-Informationen ja einfach irgendwo anders im Netz abschreiben, deutete Reitz relativ unverhohlen an und fügte hinzu: „Vielleicht ist das ein Stück weit die neue Welt.“

Wie das konkret geht, kann man an diesem Abend bei der Nachricht sehen, dass das Kaufhaus Hertie 19 Filialen schließen will. dpa meldete das um 18.10 Uhr und nannte wenige Minuten später bereits die betroffenen Städte, von denen die meisten im Einzugsbereich der „WAZ“ liegen.

Wer den Fehler machte, sich darüber bei DerWesten informieren zu wollen, fand dort aber zunächst nur eine dürre Meldung ohne Details, die die französische Nachrichtenagentur AFP um 18.39 Uhr herausgegeben hatte. Um 19.27 Uhr schob AFP eine längere Fassung nach, die aber immer noch nicht die für Lokal- und Regionalmedien entscheidende Information enthielt, um welche Städte es geht.

DerWesten veröffentlichte nun um kurz vor acht einen Artikel, der wie folgt beginnt:

Die Essener Warenhauskette Hertie will 19 ihrer 73 Filialen in Deutschland schließen. Zudem sollen Stellen in der Unternehmenszentrale in Essen gestrichen werden, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Insgesamt seien etwa 520 Arbeitsplätze betroffen. In NRW sollen nach Medienberichten folgende Filialen aufgegeben werden: Bocholt, Duisburg-Walsum, Erkrath, Eschweiler, Essen-Altenessen, Essen-Borbeck, Herdecke, Herne, Köln-Chorweiler, Lünen, Marl und Mettmann. Die Filialen sollten geschlossen werden, sobald mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich erreicht worden sei, sagte ein Unternehmenssprecher. Nach Angaben des Unternehmens befinden sich zwölf der 19 von der Schließung betroffenen Kaufhäuser in Nordrhein-Westfalen. Die Mitarbeiter und die Belegschaftsvertreter wurden am Dienstag informiert. (...)

Es handelt sich wörtlich um die AFP-Meldung — mit Ausnahme des von mir markierten zweiten Absatzes. Der fehlt bei AFP; DerWesten hat ihn eingefügt. „Nach Medienberichten“ ist dabei die Formulierung, die verbrämen soll, dass man diesen Teil bei dpa geklaut hat, beziehungsweise bei anderen Medien, die dpa für ihre Meldungen noch bezahlen.

So einfach funktioniert das neue Sparmodell von Ulrich Reitz. Er nennt es „Qualitätsjournalismus“.

PS: Mit der dpa-Kündigung hat DerWesten auch nachträglich sein Archiv kastriert. Eine Suche nach „dpa“ fördert hunderte, wenn nicht Tausende Artikel zutage, die nachträglich gelöscht wurden: Fast jeder Klick führt auf eine Seite, die es nicht mehr gibt.

Die Blogger von DerWesten wurden derweil aufgefordert, „umgehend alle dpa-Photos und alle dpa-Texte“ aus ihren Texten zu entfernen. Vermutlich würde es allerdings im Zweifelsfall reichen, die Quelle zu verschleiern. So genau nimmt’s der Herr Reitz da ja nicht.

Nachtrag, 0:35 Uhr. DerWesten-Chefin Katharina Borchert weist den Vorwurf des Contentklaus in den Kommentaren zurück.

Nachtrag, 28. Januar. Daniel Bouhs hat das grundsätzliche Problem der dpa-Kündigung in der „Frankfurter Rundschau“ beschrieben.

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Ich habe sie gefunden. Die Lösung, wie man die Menschen im Internet unbesorgt ihre Meinung sagen lassen kann, sogar zu kontroversen Themen, ohne Angst vor abmahnfreudigen Unternehmen oder Hamburger Landgerichten haben zu müssen.

Entdeckt habe ich sie beim Westen, dem Online-Ableger der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“.


Ja. Und in einer Bildergalerie zeigt die „WAZ“ dann, wie die Leser ihre Meinung sagen:

Hm? Nein, was sie sagen, steht da nicht.

Also, wenn Sie zu diesem Thema oder diesem Eintrag Ihre Meinung sagen wollen: Schicken Sie einfach ein Bild, das Sie beim Kommentieren zeigt, an [email protected].