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ZDF räumt ein: Bei „Deutschlands Beste“ wurde gezielt manipuliert

Es ist alles noch viel schlimmer.

Es gab nicht nur irgendwelche methodischen Probleme bei den Prominenten-Sortier-Shows „Deutschlands Beste“, die das ZDF vorige Woche gezeigt hat, nicht nur ein Kommunikationschaos und Pannen. Es gab laut ZDF gezielte Manipulationen. Diejenigen Prominenten, die zu Gast in den Sendungen waren, wurden demnach künstlich auf bessere Positionen gesetzt, als es den Umfrageergebnissen entsprach.

Franz Beckenbauer wurde von der Redaktion nicht nur zur „Lichtgestalt des deutschen Fußballs“ verklärt, sondern von Platz 31 auf Platz 9 verschoben. ZDF-Nachrichtenmann Claus Kleber (in der Sendung) kletterte von Platz 39 auf Platz 28, dafür wurde der RTL-Nachrichtenmann Peter Kloeppel (nicht in der Sendung) entsprechend nach unten durchgereicht.

Ursula von der Leyen musste ihren eigentlich vierten Platz räumen für Hannelore Kraft, die zu Gast in der Sendung war und eigentlich Fünfte war. Michael „Bully“ Herbig kletterte von 42 auf 36. Die Gäste hätten von alldem nichts erfahren.

ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler sagte in einer Pressemitteilung:

„Die Veränderungen am Ergebnis der Forsa-Umfragen sind ein grober Verstoß gegen die Programmrichtlinien des ZDF. Das ist nicht zu rechtfertigen und schadet der Glaubwürdigkeit des ZDF. Daher werden auch arbeitsrechtliche Konsequenzen geprüft. Wir werden dem Fernsehrat außerdem spezifische Regeln für Voting-Shows vorlegen. Ein zentraler Bestandteil wird die Transparenz der Ergebnisse und der Befragungsmethode sein. Ich entschuldige mich bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern, bei allen, die an den Abstimmungen teilgenommen haben, wie auch bei den betroffenen Prominenten.“

Claus Kleber twittert:

Männer:

Name Forsa ZDF
Helmut Schmidt 1 1
Hans-Dietrich Genscher 2 2
Richard von Weizsäcker 3 3
Günther Jauch (Gast) 4 4
Joachim Gauck 5 5
Wolfgang Schäuble 6 11
Helmut Kohl 7 7
Papst Benedikt XVI 8 8
Michael Schumacher 9 10
Frank-Walter Steinmeier 10 6
Hape Kerkeling 11 12
Günter Grass 12 13
Mario Adorf 13 14
Sebastian Vettel 14 15
Jogi Löw 15 16
Uwe Seeler 16 17
Armin Müller-Stahl 17 18
Ulrich Wickert 18 19
Thomas Gottschalk 19 20
Peter Maffay 20 21
Dirk Nowitzki 21 22
Gerhard Schröder 22 23
Frank Elstner 23 24
Thomas Südhof 24 25
Hellmuth Karasek 25 26
Gregor Gysi 26 27
Peter Kloeppel 27 39
Jürgen Klopp 28 29
Sigmar Gabriel 29 30
Herbert Grönemeyer 30 31
Franz Beckenbauer (Gast) 31 9
Manuel Neuer 32 32
Sepp Maier 33 33
Götz George 34 34
Christoph Waltz 35 35
Jan Hofer 36 42
Joschka Fischer 37 37
David Garrett 38 38
Claus Kleber (Gast) 39 28
James Last 40 40
Oliver Welke 41 41
Michael „Bully“ Herbig (Gast) 42 36
Reinhard Mey 43 43
Jan Josef Liefers 44 44
Peer Steinbrück 45 45
Philipp Lahm 46 46
Roland Emmerich 47 47
Siegfried Lenz 48 48
Hubert Burda 49 49
Horst Seehofer 50 50

Frauen:

Name Forsa ZDF
Angela Merkel 1 1
Steffi Graf 2 2
Magdalena Neuner 3 3
Ursula von der Leyen 4 6
Hannelore Kraft (Gast) 5 4
Silvia Neid 6 7
Barbara Schöneberger 7 8
Senta Berger 8 9
Hildegard Hamm-Brücher 9 10
Helene Fischer 10 5
Rita Süssmuth 11 11
Iris Berben 12 12
Nena 13 13
Margot Käßmann 14 14
Maria Höfl-Riesch 15 15
Rosi Mittermaier (Gast) 16 16
Marietta Slomka 17 17
Anke Engelke 18 18
Nadine Angerer 19 19
Friede Springer 20 20
Maria Furtwängler 21 21
Anne Will 22 22
Christiane Nüsslein-Volhard 23 23
Anne-Sophie Mutter 24 24
Katarina Witt (Gast) 25 25
Andrea Henkel 26 26
Elke Heidenreich 27 27
Birgit Prinz 28 28
Andrea Berg 29 29
Ruth-Maria Kubitschek (Gast) 30 30
Dagmar Berghoff 31 31
Maybrit Illner 32 32
Ina Müller 33 33
Hannelore Elsner 34 34
Renate Künast 35 35
Claudia Roth 36 36
Sandra Maischberger 37 37
Caren Miosga 38 38
Cornelia Funke 39 39
Kati Wilhelm 40 40
Uschi Glas 41 41
Anni Friesinger-Postma 42 42
Heide Simonis 43 43
Annette Frier 44 44
Katrin Müller-Hohenstein 45 45
Sahra Wagenknecht 46 46
Claudia Pechstein 47 47
Martina Hill 48 48
Franziska van Almsick 49 49
Jutta Speidel 50 50

Die Schein-Abstimmungen des ZDF für „Deutschlands Beste“

Fast vier Seiten hatte die Programmzeitschrift „Hörzu“ Anfang Mai freigeräumt, um für die von ihr „präsentierte“ neue ZDF-Ranking-Show „Deutschlands Beste“ zu werben. Sie traf den Moderator und „sympathischen Hamburger“ Johannes B. Kerner zum Interview. Vor allem aber listete sie vollständig die je 100 Frauen und Männer auf, die zur Wahl als „beste“ lebende Deutsche standen, und versprach:

„Wer gewinnt, bestimmen Sie, liebe Leserinnen und Leser.“

Bis zu zehn Kandidaten, die sie am meisten beeindruckten, konnten die Leser angeben, pro Geschlecht maximal fünf. Die Favoriten sollten sie auf eine frankierte Postkarte schreiben und an die „Hörzu“ schicken: „Entscheiden Sie mit, wer ganz vorn dabei ist!“


Einsendeschluss war der 23. Mai 2014.

Es hätte aber keinen Unterschied gemacht, wenn die „Hörzu“-Leser ihre Postkarten erst eine Woche später abgeschickt oder statt in den Briefkasten in den Mülleimer geworfen hätten. Ihre Stimmen hatten keinerlei Einfluss auf das Ergebnis. Zu dem Zeitpunkt, als die „Hörzu“ zur Wahl aufrief, standen die Top 50 längst fest. Das Umfrageinstitut Forsa hatte sie zwischen 24. und 28. April in einer Umfrage für das ZDF ermittelt.

Aber man musste kein „Hörzu“-Leser sein, um mit seiner Stimme das Ergebnis der Wahl nicht zu beeinflussen. Das ZDF selbst rief auch zu einer großen „Online-Abstimmung“ auf und gab in einer Pressemitteilung bekannt:

Bis Sonntag, 1. Juni, können die Zuschauer unter http://www.deutschlandsbeste.zdf.de für ihre Favoriten abstimmen.

Auch diese Ergebnisse hatten keinerlei Einfluss auf das Ranking. Im Nachhinein stellt der Sender das Online-Voting nun auch nicht mehr als Abstimmung dar, sondern als „sendungsbegleitendes Angebot mit Gewinnspiel, in das auch die Stimmen der Hörzu-Leser Eingang fanden“, wie ein Sprecher auf Anfrage erläuterte. Und weiter:

„Da es sich nicht mit dem Ergebnis der Forsa-Erhebungen zu einem gemeinsamen repräsentativen Ergebnis vereinen ließ, wurde es nicht für das Ranking verwendet.“

In den Fernsehshows selbst hatte Johannes B. Kerner noch behauptet, die Reihenfolge sei von Forsa und „im Internet“ ermittelt worden. (Allerdings mit dem schönen Zusatz: „Insofern kann man das schon ’n bisschen ernst nehmen.“)


Foto: ZDF

Auf Twitter behauptete das ZDF noch während der Ausstrahlung, dass „die Netzgemeinde“ abgestimmt hätte: „Die Abstimmung wurde sehr lange auf Twitter, FB [Facebook] und Co beworben.“ Auf Nachfrage erhielten Twitterer immer wieder die Antwort, Grundlage des Rankings sei eine Online-Abstimmung gewesen.

Was für eine sympathische Aktion: Ein öffentlich-rechtlicher Sender generiert Aufmerksamkeit für seine Prominenten-Sortier-Show, indem er seinen Zuschauern und den Lesern einer großen Programmzeitschrift fälschlicherweise vorgaukelt, sie könnten die Reihenfolge mitbestimmen.

Interessant ist auch, wie die Liste der je 100 Namen, aus denen die Top-50-Rankings gewählt wurde, zustande kam. Das ZDF stellt es so dar: In einem ersten Durchgang seien Anfang April 1016 Menschen von Forsa Omninet per Online-Umfrage befragt worden. Sie durften offen jeden Namen nennen. Mit den 100 meistgenannten Namen wurde dann die zweite Forsa-Umfrage (mit 2000 Befragten) durchgeführt, um zu einer Reihenfolge der 50 „Besten“ zu kommen.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie bei diesem Verfahren Namen wie Christiane Nüsslein-Volhard (Nobelpreisträgerin für Medizin 1995) oder Thomas Südhof (Nobelpreisträger für Medizin 2013) auf die Liste gekommen sein sollen. Sie sollen so bekannt sein, dass sie unter den 100 meistgenannten Namen — wohlgemerkt: ohne dass es eine Vorgabe gegeben hätte — landeten? Christiane Nüsslein-Volhard?

Viel wahrscheinlicher finde ich es, dass die Redaktion des ZDF oder der Produktionsfirma Riverside diese Namen mit auf die Liste der angeblichen Top-100 gesetzt hat, damit auch Wissenschaftler die Reihe der Sportler, Politiker und Unterhaltungskünstler bereichern.

Bei einem Sender, der die Zuschauer zur Teilnahme an einer Wahl aufruft, deren Ergebnis längst feststeht, würde mich das auch nicht mehr wundern.

  • Ebenfalls zum Thema:
    Boris Rosenkranz empört sich im „Zapp“-Blog, wie das ZDF seine Zuschauer „verarscht“ hat, und berichtet, dass die „Hörzu“ immer noch davon ausgehe, dass ihre Leser irgendetwas mitbestimmen konnten.

 

Nachtrag, 8. Juli, 16:05 Uhr. Es ist alles noch schlimmer bzw. ganz anders schlimm. Das ZDF erklärt:

„Deutschlands Beste!“ hatte sich in zwei Sendungen vorgenommen, die beliebtesten deutschen Frauen und Männer zu ermitteln. Dazu gab es drei Umfragen, um die Besten-Liste zu erstellen: eine repräsentative Forsa-Befragung, ein Online-Voting sowie einen „Hörzu“-Leseraufruf.

Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass das Online-Voting durch Fan-Gruppen stark beeinflusst worden war. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Redaktion dazu entschieden, sich auf die repräsentative Forsa-Umfrage zu stützen. Wie sich heute bei einer internen Nachprüfung herausstellte, wurden dennoch Ergebnisse des Zuschauer-Votings mit den Ergebnissen der Forsa-Umfrage vermischt.

ZDF-Showchef Oliver Fuchs: „Dieses Vorgehen war methodisch unsauber und somit falsch. Dafür entschuldige ich mich bei unseren Zuschauern, den Teilnehmern der Sendung und bei allen, die abgestimmt haben. Künftig wird das ZDF bei ‚Deutschlands Beste!‘ auf Internet-Votings verzichten und ausschließlich auf repräsentative Umfragen setzen.“

 

Nachtrag, 17:15 Uhr. Nun gibt es auch eine offizielle Stellungnahme der „Hörzu“. Gunther Fessen, Unternehmenssprecher der Mediengruppe Funke:

Die aktuellen Entwicklungen um die Sendung „Deutschlands Beste“ haben uns überrascht: Das „Hörzu“-Team hat selbst erst aus den Medien erfahren, dass die Stimmen ihrer Leser nicht in das endgültige Voting-Ergebnisse eingeflossen sind. Dies hat das ZDF uns gegenüber mittlerweile auch bestätigt. Wir empfinden dieses Vorgehen als höchst befremdlich. Aktuell stimmen wir intern das weitere Vorgehen ab und prüfen eventuelle rechtliche Schritte.