Schlagwort: Diese Drombuschs

Robert Stromberger

Diese schmalen Lippen, der leidende Blick, die Frage: „Ist das fair?“, dieser ganze fleischgewordene Vorwurf namens Vera Drombusch – das ist die prägende Erfahrung einer Fernsehgeneration. Am schlimmsten war es, wenn sie auch noch Recht hatte. Wenn man bei allem Widerwillen gegen ihre Wehleidigkeit und ihr demonstratives Sich-Aufopfern zugeben musste, dass das wirklich nicht fair war, was sie ertragen musste, und man es womöglich verdient hatte, auch als Zuschauer, sich zur Strafe für das Sympathisieren mit den Falschen eine mehrminütige Moralpredigt von ihr anzuhören.

Aber zum Glück hatte Vera Drombusch nicht immer Recht, und je länger „Diese Drombuschs“ liefen, desto deutlicher wurde, dass ihr Unglück auch ein selbstgesuchtes Unglück war, und ganz am Schluss befreite ihr Schöpfer Robert Stromberger sie sogar und ließ sie, ganz ohne Verantwortung, Onkel Ludwisch nach Mauritius folgen.

Stromberger war der Meister der Familienserie. Niemand schaffte es wie er, die alltäglichen Konflike zu zeigen, die sich aus aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und zeitlosen menschlichen Verhaltensweisen ergaben. Seine Familien in den „Unverbesserlichen“ (mit Inge Meysel, ab 1965) und den „Drombuschs“ (mit Witta Pohl, ab 1983) verhandelten unterhaltsam Möglichkeiten des Zusammenlebens zwischen den notwendigen Kompromissen und den ebenso notwendigen Ausbrüchen – manchmal mit zu Dialogen geronnenen ethischen Diskursen, aber immer mit einem großen Gespür für Dramaturgie und Situationen und einer ungemein genauen Kenntnis, wie Menschen sind und was sie sich und einander vormachen. Bei Stromberger ging es nicht um Konflikte von Gut und Böse. Es reichte, dass alle es „gut meinten“ oder sich das zumindest selbst einredeten, um das Zusammenleben unerträglich zu machen. Er schaffte es, die Auseinandersetzungen aus der Sicht aller Beteiligten zu schildern – im Selbstmorddrama „Tod eines Schülers“ (1981) erzählte sogar jede Folge dasselbe Geschehen aus anderer Perspektive.

Stromberger ist am Samstag vergangener Woche im Alter von 78 Jahren in Darmstadt gestorben, seiner Heimatstadt und der seiner Figuren. Er hat die Generation geprägt, die in Deutschland am meisten durch das Fernsehen geprägt wurde. Wenn man wissen will, wie es war in der Bundesrepublik, das Leben und das Fernsehen, muss man sich nur seine Serien anschauen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung