Schlagwort: Dietrich von Klaeden

Informationsfreiheit, die sie meinen: Der Klaeden-Bruder und das Leistungsschutzrecht

Andererseits

… ist der enge Kontakt zu Wirtschaftsminister Philipp Rösler für den Springer-Verlag fast ein Umweg, wenn es um Verbindungen in die Regierung geht.

Praktischerweise ist der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckart von Klaeden, nämlich der Bruder des politischen Lobbyisten der Axel Springer AG, Dietrich von Klaeden. Selten war die Funktionbezeichnung „Leiter Regierungsbeziehungen“ so treffend wie bei Dietrich von Klaeden.

Dietrich von Klaeden war in den vergangenen Jahren wesentlich damit beschäftigt, ein Gesetz herbeizulobbyieren, das die deutschen Verlage unter Führung Springers von der Politik forderten: das Leistungsschutzrecht. Das Bundeskanzleramt soll zuletzt besonders beflissen gewesen sein, diese Forderung, die es auch in den Koalitionsvertrag geschafft hat, zu erfüllen. Und im Bundeskanzleramt saß Eckart von Klaeden.

Sascha Lobo formulierte deshalb im vergangenen Sommer als eine entscheidende Frage:

War Eckart von Klaeden bei der Erstellung des Leistungsschutzgesetzes beteiligt? Wenn ja, wie? Und vor allem — warum? Und welche Qualität hatte (und hat) der Informationsaustausch zwischen den beiden Brüdern?

Andre Meister von Netzpolitik.org nahm sie auf und stellte einen entsprechenden Antrag auf Aktenauskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Die Bundesregierung lehnte das ab — unter anderem mit der putzigen Begründung, dass womöglich „durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde“.

Man könnte das sehr frei übersetzen mit: Wenn wir zu früh potentielle zweifelhafte Umstände öffentlich machten, unter denen ein Gesetz zustande kommt, riskierten wir womöglich, dass es gar nicht zustande käme.

Zwischendurch stellte die Bundestagsfraktion der Linken in der Sache eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. In der Antwort hieß es, Eckart von Klaeden sei „in Angelegenheiten des geplanten Leistungsschutzrechts für Presseverlage mit keinen Aufgaben betraut“. Was bei genauer Betrachtung die eigentlich gestellte Frage, ob er damit „befasst“ war, ebenso offen lässt wie die Frage, ob er in den Kabinettssitzungen seinen Einfluss geltend gemacht hat.

Nun ist das Leistungsschutzrecht für Verlage beschlossen und vom Bundespräsidenten unterzeichnet. Es wird am 1. August in Kraft treten. Der Hinweis auf das noch laufende Gesetzgebungsverfahren kann also einer Veröffentlichung etwa der Kabinettsprotokolle nicht mehr entgegen stehen. Müsste die Regierung nicht wenigstens jetzt die Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz von damals beantworten?

Der grüne Bundestagsabgeordnete und Netzpolitiker Konstantin von Notz hat diese Frage der Bundesregierung gestellt. Konkret: Hält sie an ihrem abschlägigen Bescheid der Anfrage von damals fest?

Die Antwort ist so verblüffend wie zwingend: aber natürlich. Denn zum damaligen Zeitpunkt seien die Ablehnung und ihre Begründung ja zutreffend gewesen. Wenn jemand wissen wolle, ob die Bundesregierung nun die gewünschte Auskunft geben werde, da zumindest einer der damaligen Gründe weggefallen ist, müsse er dafür einen neuen Auskunftsantrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellen.

(Übersetzungsversuch von mir; Originalantwort hier.)

Immerhin: Solche weiteren Anträge sind inzwischen gestellt worden. Sie werden laut Bundeskanzleramt noch geprüft.

Springer und der Minister: Wo „Regierungsbeziehung“ ein schmutziges Wort ist (2)

Was hatte der Cheflobbyist der Axel Springer AG in einer Delegation von Philipp Rösler zu suchen, die eigentlich Start-Up-Unternehmen vorbehalten war?

Das habe ich vor einigen Tagen erst mich und dann das Bundeswirtschaftsministerium gefragt, das sich allerdings erstaunlich schwer tat, mir zu sagen, in welcher Funktion Dietrich von Klaeden mit ins Silicon Valley reisen durfte.

Allerdings hatten die Mitreisenden eine hilfreiche „Delegationsbroschüre“ bekommen (links), und in der war auch Dr. Dietrich von Klaeden von der Axel Springer AG aufgeführt — einsortiert mit Journalisten unter anderem von dpa, N24, NDR und Bild.de als „Vertreter der Presse und Medien“.


Nun arbeitet Dietrich von Klaeden allerdings schon lange nicht mehr als Journalist, sondern nennt sich „Leiter Regierungsbeziehungen“ bei Springer. Und die Frage ist: Wenn er als Journalist bei der Reise akkreditiert war, für welches Medium berichtete er?

Die Antwort, die mir das Bundeswirtschaftsministerium gab, ist überraschend. Sie lautet: für gar keins.

Herr Dr. von Klaeden war als Wirtschaftsvertreter Teilnehmer der Delegationsreise von Minister Dr. Rösler in den USA. Seine Nennung in der Journalisten-Liste ist einem Büroversehen unsererseits geschuldet.

Fast wörtlich dieselbe Antwort erhielt ich von Dietrich von Klaeden, nur dass seine Version noch klarstellt, dass es sich bei dem „Büro“ um das des Ministeriums handelt.

Aha, soso, ein Versehen also — das offenbar auch während der Reise nicht aufgeklärt wurde.

Vor allem aber sind wir nun wieder bei der Ausgangsfrage: Was macht ein Lobbyist der Axel Springer AG als Wirtschaftsvertreter im Programm und in der Maschine der Bundesregierung, die ausdrücklich nicht Leute wie ihn, sondern Inhaber und Geschäftsführer von Start-Ups ansprach? Und warum taucht das Unternehmen Axel Springer, für das Klaeden arbeitet, dann nicht in der Liste der 53 mitreisenden Unternehmen auf, die mir das Ministerium vergangene Woche geschickt hatte? Sollte es sich dabei womöglich auch um ein „Versehen“ handeln?

Oder ist für Angestellte regierungsnaher Medienunternehmen und Duz-Freunde des Ministers auf Wunsch immer ein Platz in der Regierungsmaschine frei?

Immerhin hat Klaeden auf meine Frage nach dem Foto geantwortet, das er von sich mit dem Minister getwittert hat: Hält er das für einen angemessenen Umgang zwischen einem Minister und einem Lobbyisten?

Unser Umgang mit Politikern ist geprägt durch professionellen Abstand. Das Foto erweckt einen falschen Eindruck. Es ist in einer Reihe von Fotos mehrerer Teilnehmer mit dem Minister beim Frühsport entstanden. Anders als Sie in Ihrem Blog vermuten, symbolisiert es nicht mein Verhältnis zu Minister Rösler.

Das Ministerium Röslers hat dieselbe Frage ignoriert.

Springer und der Minister: Wo „Regierungsbeziehung“ ein schmutziges Wort ist

Wenn man sich „Leiter Regierungsbeziehungen“ nennt, dann ist so ein getwittertes Foto schon ein schöner Arbeitsbeleg:

Absender und rechts im Bild ist Dietrich von Klaeden, der Mann, der bei der Axel Springer AG in der Abteilung Public Affairs dafür zuständig ist, die Kontakte zur Politik zu pflegen. Und das links, seine Trophäe, ist der Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Philipp Rösler (FDP).

Das Foto ist von derselben Dienstreise Röslers, auf der auch die Bilder entstanden, wie der Minister dem „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann um den Hals fiel. Diekmann war zu Studienzwecken ein Dreivierteljahr vor Ort, aber was machte Klaeden in Kalifornien?

Die Antwort ist einfach: Er gehörte zur offiziellen Delegation Röslers.

Das ist erstaunlich. Rösler hatte als Begleitung für die mehrtägige Reise nach San Francisco und Washington „ca. 40 Unternehmensvertreter sogenannter Startup-Unternehmen aus dem Bereich IT und Internet“ gesucht. Die Ausschreibung hatte im Detail formuliert, was unter einem „Startup“ zu verstehen sei — die Axel Springer AG fällt trotz allen Geredes von der angeblich gerade dort herrschenden Gründerzeitstimmung eher nicht darunter. Gefragt waren ausdrücklich Mitreisende von Vorstands-, Geschäftsführer- und Inhaberebene, also niemand aus der dritten Reihe wie Klaeden.

Wie kam der Springer-Mann dann in die Delegation und damit auch in den Genuss eines Sitzes in der Regierungsmaschine? Die Plätze waren eigentlich heiß begehrt. Die Seite deutsche-startups.de berichtete im Vorfeld, die Reise sei „quasi überbucht“ und zitierte Florian Nöll vom Bundesverband Deutsche Startups (BVDS): „Wir gehen aktuell davon aus, dass auf jeden Platz mehr als fünf Bewerber kommen. Das wird eine sehr schwere Entscheidung für das Ministerium.“ Der BVDS organisierte sogar eigens eine eigene Parallelreise, um den Bedarf teilweise zu decken.

Aber für Dietrich von Klaeden, den Regierungsbeauftragten der Axel Springer AG, der als Lobbyist unter anderem viele Male bei der Bundesregierung vorstellig geworden war, um für ein Leistungsschutzrecht für die Verlage zu werben, fand sich ein Platz in der offiziellen Delegation. Warum?

Das Bundeswirtschaftsministerium [BMWi] schreibt mir auf Anfrage:

Der Minister wurde auf seiner Reise von einer Delegation aus deutschen Unternehmen, Pressevertretern, Vertretern des BMWi sowie Abgeordneten, unter anderem auch von Herrn Dietrich von Klaeden, begleitet.

Das ist sicher nur unglücklich formuliert, denn Dietrich von Klaeden ist — anders als sein Bruder Eckart, der Staatsminister im Bundeskanzleramt — kein Abgeordneter. (Außer von Springer, natürlich.) Die Unschärfe ist an dieser Stelle besonders betrüblich, weil meine Frage an das Ministerium ausdrücklich gelautet hatte: „In welcher Funktion war Dietrich von Klaeden von der Axel Springer AG [in der Delegation] mit dabei?“

Immerhin hat mir das Ministerium eine Liste der Unternehmen geschickt, die „zusammen mit dem Minister als Teil der Delegation in die USA gereist sind“. Da stand die Axel Springer AG nicht drauf. Bleibt also noch die Möglichkeit, dass Klaeden als „Pressevertreter“ mitgereist ist, womit aber üblicherweise Berichterstatter gemeint sind und nicht Lobbyisten der Presse. Dass Klaeden sich selbst auf Twitter als „Lawyer and Journalist“ bezeichnet, kann im Ernst nicht mehr sein als eine romantisierte Anspielung auf seine Zeit bei der ARD Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre.

Vielleicht muss man die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums so verstehen: Rösler nahm in seiner Delegation Unternehmer mit, Pressevertreter, Ministeriumsleute, Abgeordnete — sowie Dietrich von Klaeden in seiner Funktion als Freund des Hauses und Lobbyist der Axel Springer AG, mit der sich der Minister auf Innigste verbunden fühlt.

Mehr von mir über Springers Digital-Inszenierungsstrategie und wie ihr — nicht nur — Jakob Augstein auf den Leim geht, steht in der FAS — und jetzt auch frei auf faz.net.

Im Internet ist jeder Freiwild für „Bild“

Die Kollegen von Radio Eins hatten heute morgen Nikolaus Blome im Gespräch, den stellvertretenden „Bild“-Chefredakteur. Sie sprachen ihn auf die Berichterstattung über den gewaltsamen Tod einer jungen Frau in Berlin an. „Bild“ hatte den Fall versehentlich mit dem Foto einer ganz anderen jungen Frau illustriert. Dieses Foto hatte „Bild“ einfach aus deren Blog genommen.

Blome sagte, dass sei ein „Missgriff“ gewesen, aber er halte das nicht für das grundsätzliche „Funktionsprinzip“ von „Bild“. Das Gespräch ging so weiter:

Moderator: Unabhängig davon, dass es die falsche Person war: Ist es denn gut, dann einfach Fotos von irgendwelchen Internetseiten runterzuziehen? Statt zu versuchen, sich die von Angehörigen zu besorgen?

Blome: Na gut, dann hätten Sie uns vorgeworfen, wir würden irgendwelche Witwen schütteln, wie es früher hieß. Da sind wir in einer sehr grundsätzlichen Frage. Wenn Leute, Menschen — viele, viele Menschen offenkundig — ihr ganzes Privatleben im Internet ausbreiten, und das ist nun mal frei zugänglich, dann sind solche Folgen leider mit einzupreisen. Das heißt, dann müssen sich Menschen auch bewusst sein, dass sie sich öffentlich gemacht haben. Und das kann dann auch dazu führen, dass Zeitungen von diesen öffentlich zugänglichen Recherchefeldern, also zum Beispiel Facebook, also zum Beispiel Internet insgesamt, Gebrauch machen.

So ist das bei der Axel-Springer-AG. Der Konzern möchte kleinste Schnipsel, die er produzieren lässt, im Internet durch ein eigenes Recht schützen lassen, während sein wichtigstes Blatt Persönlichkeits- und Urheberrechte im selben Medium konsequent ignoriert.

(Man kann sich allerdings, wenn „Bild“ vom Internet entsprechend „Gebrauch gemacht“ hat, persönlich bei Dietrich von Klaeden von der Axel-Springer-AG beschweren, der sich dann nicht darum kümmert.)