Es war der Versuch, bei einem Sender wie RTL so etwas wie Anstand zu beweisen. Er ist umfassend gescheitert.
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Es geht, zugegebenermaßen, scheinbar um nicht viel: den „Deutschen Comedypreis“ bloß, eine Auszeichnung, die Jahr für Jahr in Erinnerung ruft, wie klein die fernsehaffine Humorindustrie in Deutschland ist. (Mario Barth wurde sieben Jahre in Folge ausgezeichnet; Olaf Schubert war in diesem Jahr in einer bezeichnenden Doppelfunktion als Vorsitzender der Jury und Gewinner in der Kategorie „bester Komiker“ beteiligt — das Personal ist knapp.)
Nun gewannen aber gestern in der Kategorie „beste Moderation“ auch Sonja Zietlow und Daniel Hartwich: für die RTL-Dschungelshow „Ich bin ein Star — holt mich hier raus“. Das war einerseits nicht ganz unverdient, andererseits aber unglücklich, denn es war der erste Jahrgang ohne den verstorbenen Dirk Bach. Man konnte das, mit bösem Willen, so interpretieren, als hätte es geholfen, dass Bach nicht dabei war. Die Auszeichnung war mindestens ungeschickt.
Zietlow und Hartwich empfanden das offenbar auch so und kamen nicht zur Preisverleihung. Sie schickten stattdessen eine bemerkenswerte Videobotschaft mit folgendem Wortlaut:
Zietlow: Pünktlich zum ersten Todestag von Dirk Bach bekommen wir für den Dschungel also den allerallerallersten Preis überhaupt. Und zwar für die erste Staffel ohne Dirk Bach. Was für ein beschissenes Timing! Seit exakt zehn Jahren machen wir jetzt „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“. Für diese zehn Jahre würde ich jeden Preis der Welt mit Kusshand annehmen. Aber nicht für die erste Ausgabe ohne meinen Dickie.
Hartwich: Für Sonja und Dirk kommt dieser Preis ein Jahr zu spät. Für Sonja und mich kommt er ein Jahr zu früh. Ich kann keinen Preis annehmen, den mein Vorgänger verdient gehabt hätte. Ich hab mich nur ins gemachte Nest gesetzt. Und dann gewinnen wir auch noch in der Kategorie „Beste Moderation“. Aber von den vier Menschen, die für diese Moderationen zuständig sind, sind zwei gar nicht nominiert: Nämlich unsere beiden Autoren Jens Oliver Haas und Micky Beisenherz.
Zietlow: Es fühlt sich nicht richtig an. Nicht die richtige Kategorie, nicht die richtigen Nominierten und nicht der richtige Zeitpunkt. Und deshalb bitten wir um Verständnis, dass wir heute nicht mit euch feiern können.
Hartwich: Vielleicht nächstes Jahr. Vielleicht bekommt die Show dann endlich ihren ersten Preis. Ausgezeichnet… ist sie ja sowieso schon.
In dieser Form schaffte es das Statement aber nicht in die Preisverleihung. RTL schnitt die ersten drei Sätze von Zietlow und die letzten drei von Hartwich weg.
Es blieb, immerhin, eine klare Haltung, die viel positive Resonanz auslöste.
Auf seiner Internetseite ließ RTL zwar die darin enthaltene Kritik weg, berichtete aber:
Große Gefühle beim Comedypreis 2013: Sonja Zietlow und Daniel Hartwich wurden in der Kategorie „Beste Moderation“ für „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ ausgezeichnet. Die beiden Moderatoren waren bei der Preisverleihung in Köln nicht anwesend, verkündeten aber via Video-Botschaft, dass sie den Preis ein Jahr nach dem Tod von Dirk Bach nicht annehmen. Aus Respekt für „Dicki“ und weil es sich „komisch anfühle“, wie Zietlow in ihrer emotionalen Botschaft verkündete.
Hier könnte die Geschichte enden.
Aber offenbar war das noch zuviel kritische Haltung für RTL. Und so mussten die beiden Moderatoren plötzlich in einer neuen Erklärung ihre Haltung revidieren. Nun verlautbarten sie:
„Der Comedypreis für die beste Moderation ist das Ergebnis einer Teamleistung — den können und wollen wir deshalb gar nicht ablehnen. Den Zeitpunkt für die Nominierung finden wir nicht glücklich, aber die Auszeichnung ehrt uns. Wir wollten nur erklären, warum wir kurz nach Dickies erstem Todestag keinen Preis entgegennehmen und feiern können, den wir für die erste Staffel ohne ihn bekommen.“
Dass das im klaren Widerspruch zur Videoerklärung der beiden steht — und sogar zur früheren eigenen Darstellung auf der Seite von RTL — verschweigt der Bohlen-Sender. In einer Pressemitteilung schrieb er, die Videobotschaft von Zietlow und Hartwich sei „missverständlich so interpretiert“ worden, „dass sie den Preis abgelehnt hätten“.
RTL hat auch seine Berichterstattung auf rtl.de nachträglich geändert. Nun steht da nicht mehr, dass Zietlow und Hartwich den Preis nicht annahmen, sondern dass es „Verwirrung um die vermeintlich abgelehnte Ehrung“ gegeben habe. Nach der entsprechenden vermeintlichen Richtigstellung heißt es jetzt im Text:
Zuvor hatte es so ausgesehen, als wollten sie die Auszeichnung gar nicht annehmen. Die beiden waren in der Kategorie „Beste Moderation“ für „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ ausgezeichnet worden.
Die beiden Moderatoren waren bei der Preisverleihung in Köln nicht anwesend, hatten sich aber in einer Videobotschaft zu Wort gemeldet. Darin drückten sie sich allerdings so unklar aus, dass sie die Gäste im Saal ratlos zurückließen. Sie würden sich „komisch“ fühlen, weil Dirk Bach den Preis nicht bekommen hatte. „Der Preis kommt für mich zehn Jahre zu spät“, so Zietlow.
(Nein.)
Aus RTL-Sicht ist damit vermutlich alles wieder in Butter: Natürlich haben die tollen RTL-Moderatoren den schönen RTL-Comedypreis für die feine RTL-Sendung angenommen, sie wollten halt nur aus Pietät oderwiedasheißt nicht feiern kommen. Die eigene Berichterstattung wurde entsprechend geschönt.
Nur die Moderatoren, die eigentlich Haltung bewiesen hatten, stehen nun da wie Idioten, die nicht wissen, was sie wollen, und sich nicht einmal klar ausdrücken können.
Nachtrag, 18:55 Uhr. Als wäre die Sache nicht verworren genug, hat Sonja Zietlow nun gegenüber DWDL folgendes Statement abgegeben, das man schwerlich als „Erklärung“ bezeichnen kann:
„Eine Auszeichnung ist für mich wie ein Lob! Das hat man bekommen und Punkt. Ob man sich des Lobes für würdig hält und wie man damit umgeht, das steht auf einem anderen Blatt. Ich bin nicht wegen Terminschwierigkeiten nicht zur Verleihung des Comedypreises gegangen, sondern weil ich der Meinung bin, dass ich eine Auszeichnung zu genau diesem Zeitpunkt, in genau dieser Kategorie nicht verdient habe. Jedenfalls nicht NUR Daniel und ich.
Mit dieser Haltung wollte ich keineswegs respektlos gegenüber dem Preis, den Veranstaltern und der Jury erscheinen, nein, ich wollte meine höchste Anerkennung denjenigen zollen, die seit 10 Jahren für eine außergewöhnliche, mit Herzblut und Liebe gemachte Sendung stehen. Allen voran einem Mann, der zu Lebzeiten genau diesen Preis mehr als verdient hat: Dirk Bach! Aber wir haben diesen Preis nun mal genau JETZT bekommen, das Lob wurde ausgesprochen und ist angekommen. Und ich weiß auch schon genau, was ich damit machen werde…“