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DuMont: Kommunizieren wie Nordkorea

Jetzt sind sie wirklich verrückt geworden bei M. Dumont Schauberg (MDS), und ich meine damit nicht den Verlegersohn.

Seit Wochen demonstriert das Unternehmen, dass es ein Kommunikationsproblem hat, das viel größer ist als der merkwürdige Mitteilungsdrang von Konstantin Neven DuMont. Im Verlag glaubt man, selbst bestimmen zu können, wie viel in anderen Medien über den Machtkampf, der im Haus tobt, berichtet wird. Zunächst versuchte man es mit Totstellen und Schweigen, dann mit einer politbürohaften Verlautbarung. Weil sich beides als untauglich erwies, die Berichterstattung zu stoppen oder wenigstens im eigenen Sinne zu beeinflussen (was außerhalb des Verlages niemanden überrascht haben wird), greift das Haus nun zum nächsten klassischen Mittel und geht zum propagandistischen Gegenangriff über.

Es ist ein groteskes Zerrbild, das Chefredakteur Peter Pauls am vergangenen Samstag in seinem Kommentar im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zeichnet. Einerseits spielt er die spektakuläre Auseinandersetzung zwischen Konstantin Neven DuMont und seinem Vater zu einem „internen Vorgang“ herunter. „Solche Umstände“, wie Pauls sie mit erkennbarem Willen zur Verschleierung nennt, gebe es „täglich in Wirtschaftsbetrieben“. Es handele sich um eine „interne Personalie“. Andererseits tut er so, als würde ausschließlich die Axel-Springer-AG über die Vorgänge im Haus berichten, und vergleicht deren aktuelle Berichterstattung über die Vorgänge im Unternehmen allen Ernstes mit der Hetze von „Bild“ auf die Studenten Ende der sechziger Jahre. „Ununterbrochen und in kampagnenhaft anmutender Weise“ berichte das Blatt und blase die Sache zur „Staatsaffäre“ auf.

Als Motivation für den „Angriff auf Köln“ vermutet Pauls, dass Springer die Konkurrenz ausschalten will. Zu DuMont gehören inzwischen auch die „Bild“-Konkurrenzblätter „Berliner Kurier“ und „Hamburger Morgenpost“; „solcher Wettbewerb“ sei Springer wohl „ein Dorn im Auge“. Dass Springer böse über DuMont Schauberg berichtet, erscheint besonders schäbig angesichts der paradieshaften Zustände, die in dem Kölner Unternehmen zu herrschen scheinen. Es stehe „im Wettbewerb glänzend da“, habe „auch in der jüngeren Vergangenheit mehrfach positiv von sich reden gemacht“, und eine iPad-Anwendung für den „Stadt-Anzeiger“ herausgebracht, die „von Beginn an erfolgreich“ sei, schreibt Pauls, und wer weiß, vielleicht kommt ja dank seines aufopferungsvollsten Einsatzes bald die Bernd-Stromberg-Ehrenmedaille für die peinlichste Selbstglorifizierung eines Mediums hinzu.

Er müsste sich dazu natürlich erst gegen Berndt Thiel durchsetzen, der in einer konzertierten Aktion (lustigerweise exakt das, was Pauls Springer vorwirft) am selben Tag im „Express“ einen Kommentar mit teils wortgleichen Formulierungen veröffentlicht hat. Sein Artikel beginnt mit den Worten: „Ein Vater, ein Sohn, ein Unternehmen, unterschiedliche Ansichten — ein Stoff für Schlagzeilen? Ein Stoff für Häme?“ Das fragt der stellvertretende Chefredakteur eines Blattes, das dieselben Fragen bei ungleich nichtigeren Anlässen entschieden mit „Ja“ beantwortet. Man muss ihn fast bewundern dafür, dass er sich diese Fassungslosigkeit abringen konnte.

Thiel zitiert aus einem Brief, den DuMont-Vorstand Franz Sommerfeld an den Springer-Vorstand Mathias Döpfner geschrieben habe:

Die „Bild“-Zeitung badet sich in den Schwierigkeiten einer Familie, die sich um die deutsche Zeitungslandschaft und um Deutschland verdient gemacht hat … Man kann in den Umbrüchen der Internetzeit über einen allgemeinen Rückgang ethischer Normen klagen, aber in meinem Verständnis gelten gerade im publizistischen Gewerbe die einfachen Regeln menschlichen Anstandes und journalistischer Wahrhaftigkeit. Sie werden in den Blättern Ihres Hauses zurzeit täglich verletzt.

Ohne Frage — aber doch eher weniger in der Berichterstattung darüber, wer in Zukunft dieses prächtige, ehrenwerte Verlagshaus führt.

Die Wortwahl der DuMont-Leute lässt keinen Zweifel, dass sie sich nicht nur an der konkreten Berichterstattung von „Bild“ stören, sondern es für eine Zumutung halten, es überhaupt hinnehmen zu müssen, dass über ihr Haus berichtet wird. Ihre Empörung ist ein gutes Indiz dafür, wie wenig selbstverständlich Medienjournalismus in Deutschland immer noch ist, und in welchem Maße Journalisten es ablehnen, Gegenstand von Journalismus zu werden.

Es mag schon sein, dass die „Bild“-Zeitung die Situation genießt und ausschlachtet. Aber dass der Stoff dafür überhaupt so reichhaltig vorhanden ist, liegt am Kommunikationsverhalten Konstantin Neven DuMonts, der ununterbrochen mit ihr zu reden scheint, und des Verlages, der durch sein Schweigen und unglaubwürdiges Schönreden die Spekulationen befeuert.

Pauls erinnert an die sechziger und siebziger Jahre, als Köln mit „seinem (sic!) ‚Express‘ für Springer das gewesen ist, was das kleine gallische Dorf für die Römer war“. Tatsächlich ist in Köln heute eher Springer in dieser Rolle: MDS beherrscht in dramatischer Weise die Stadt und ihre Publizistik. Ausgerechnet „Bild“ kommt hier die Rolle zu, gelegentlich fast so etwas wie Gegenöffentlichkeit herzustellen – jedenfalls wenn es, wie hier, um den die Stadt dominierenden Verlag selbst geht.

„Das Haus hat die neuen Herausforderungen der digitalen Welt glänzend gemeistert“, schreibt Berndt Thiel, und der Satz wäre schon unter normalen Umständen eine Anmaßung. Aber zu den „Herausforderungen der digitalen Welt“ gehört auch, dass es schwieriger geworden ist für ein Unternehmen, auch ein Beinah-Monopol-Unternehmen, Dinge totzuschweigen. Jemand wie Konstantin Neven DuMont bräuchte gar nicht mehr die „Bild“-Zeitung, um PR-Formulierungen wie das von seiner „Beurlaubung auf eigenen Wunsch“, als Lügen zur Gesichtswahrung zu entlarven. Er kann sich auf Twitter und Facebook äußern und in Blogs kommentieren. Und auf der anderen Seite ist die Unternehmenskommunikation damit beschäftigt, zu schweigen, an dem festzuhalten, was niemand mehr glaubt, und das nicht mehr zu Leugnende weder zu dementieren noch zu bestätigen. Alfred Neven DuMont ist sogar noch stolz darauf und betont in einem Brief an die Mitarbeiter: „Die Firma hat, wie Ihnen bekannt ist, nicht zuletzt auf meine Initiative hin, auf jede Art von Stellungnahmen oder Kommentaren verzichtet.“

Der Verlag lässt Konstantin Neven DuMont als Herausgeber aus dem Impressum der „Frankfurter Rundschau“ streichen, hofft aber einfach mal, dass das niemandem auffällt. Er verschenkt die Chance, selbst aktiv der Öffentlichkeit mitzuteilen, was da passiert, warum es passiert ist und was da noch passieren wird. Er trägt dazu bei, dass die Geschichte in der Öffentlichkeit als eine Seifenoper in vielen Fortsetzungen wahrgenommen wird. An keiner Stelle kommuniziert er transparent oder auch nur vorausschauend.

Bei MDS hat man offenbar geglaubt, man müsse nur hartnäckig genug so tun, als handele es sich nur um „interne Vorgänge“, die niemanden interessiern, damit sie tatsächlich niemanden interessieren. Man muss sich immer wieder gewaltsam in Erinnerung rufen, dass wir es hier mit Leuten zu tun haben, deren Beruf die Kommunikation ist.

Nun, da die eigene Strategie (wenn man das Chaos einmal euphemistisch so nennen will) gescheitert ist, stilisiert man sich als Opfer einer Kampagne und gibt sich vollends der Lächerlichkeit Preis: „Die Mediengruppe M. DuMont Schauberg ruft auch den Deutschen Presserat – das Kontrollorgan der deutschen Medien – an“, verlautbart Berndt Thiel ausgerechnet im „Express“. Gegen die Formulierung von „Welt“-Autor Michael Stürmer, wenn der Verlegerssohn sich seinen Anteil auszahlen lassen wolle, könnte das „in der gegenwärtigen Lage für das Verlagshaus zu einer ernsten Krise führen, für deren Bewältigung das Geld fehlt“ will MDS sogar juristisch vorgehen. Der Satz ist aus der Online-Version des Artikels gelöscht worden.

Der „Express“ zitiert Alfred Neven DuMont mit dem Satz: „Ich bin überzeugt, dass die Kölner wissen, wo die Wahrheit liegt.“ Woher die Kölner die „Wahrheit“ kennen sollen, lässt er offen. Aus seinen Zeitungen haben sie sie nicht.

Die Haltlosigkeit von DuMont Schauberg

Es geht nicht mehr nur um das mögliche Verhalten von Konstantin Neven DuMont. Es geht inzwischen auch darum, wie sich der Verlag DuMont Schauberg dazu verhält.

Am Dienstag erhielt ich eine Mail vom Sekretariat des Verlegers Konstantin Neven DuMont, das mich in seinem Namen bittet, alle Kommentare, die unter seiner Email-Adresse gepostet werden, zu sperren und nicht mehr zu veröffentlichen.

In der Mail war der Kontakt einer Verlagssprecherin angegeben, an die ich mich „bei Rückfragen“ wenden solle. Tatsächlich hatte ich einige Rückfragen, die naheliegendste davon lautete: Warum? Ich fragte sie also, warum ich solche Kommentare sperren soll, ob das der Wunsch des Verlages oder von Konstantin Neven DuMont sei, ob dem Verlag bewusst sei, dass damit Herr Neven DuMont nicht mehr bei mir kommentieren könne, und ob das beabsichtigt sei?

Ich erhielt keine Antwort.

Ebenfalls am Dienstag hatte sich der Verlag offiziell zu den merkwürdigen Vorgängen geäußert. Neven DuMonts Vorstandskollege Eberhard Klein sagte: „Der Vorwurf, Konstantin Neven DuMont habe persönlich anonyme Kommentare gepostet, ist haltlos.“

Das ist eine erstaunliche Formulierung und ein kaum verborgener Angriff auf mich. Es mag sein, dass Konstantin Neven DuMont nicht persönlich anonyme Kommentare gepostet hat. Ich kann das nicht beweisen und behaupte es auch nicht. „Haltlos“ ist ein solcher Vorwurf aber keineswegs; es gibt viele Indizien, die dafür sprechen. Eines davon hat Georg Altrogge, der Chefredakteur des Branchendienstes „Meedia“, aufgedeckt. Er schreibt in seinem Blog:

Am 3. September ging es bei MEEDIA um ein Interview mit Konstantin Neven DuMont. Dabei äußerte dieser den Wunsch, dass das Gespräch mit Fernsehkameras aufgezeichnet werden solle und begründete dies so: „Dann hätten auch lesefaule Menschen etwas davon.“

In der folgenden Nacht, um 0:03 Uhr, notierte im Blog von Stefan Niggemeier ein anonymer Schreiber („Medienjournalist“) unter der E-Mail und von der IP-Adresse Neven DuMonts: „Im Januar 2010 führte Georg Altrogge (MEEDIA) ein Interview mit Neven DuMont durch. Heute einigten sie sich auf ein Gegeninterview. Diesmal wird das Ganze von einer Kamera aufgezeichnet. Lesemuffel sollen ebenfalls erreicht werden.“ Merkwürdig: Weder hatte ich dem TV-Interview zugestimmt, noch den Vorschlag DuMonts irgendjemandem zur Kenntnis gebracht.

„Lesefaule“ und „Lesemuffel“ – soll das tatsächlich zwei verschiedenen Personen fast gleichzeitig in den Kopf gekommen sein?

Ich habe die Sprecherin deshalb gefragt: Wie erklärt der Verlag, dass vom Rechner von Neven DuMont anonyme Kommentare gepostet wurden, die teilweise Informationen enthielten, die nur Neven DuMont bekannt waren? Welche Kenntnisse hat der Verlag, die den Vorwurf an Neven DuMont „haltlos“ machen? Und was ist an meiner Darstellung der Vorgänge falsch?

Ich fürchte, ich werde auch darauf keine Antwort bekommen.

Nachtrag, 23. Oktober. Konstantin Neven DuMont schreibt an seine Facebook-Pinwand:
Laut Vorstandsbeschluss darf ich mich über eine sehr skurrile Geschichte zur Zeit nicht äußern. Dennoch werde ich diese Angelegenheit nicht auf mir sitzen lassen.

Nachtrag, 12 Uhr. Der „Spiegel“ berichtet vorab, Konstantin Neven DuMont wolle den Verlagsvorstand verlassen:

Er denke schon seit einiger Zeit darüber nach, aus dem Verlagsvorstand auszuscheiden, sagte er dem Hamburger Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL. Er sei letztlich „doch mehr auf der kreativen Seite“ zu Hause, nicht so sehr „Verwalter“. Die Idee, dass er in den Aufsichtsrat wechselt, finde er mittlerweile reizvoll. Am liebsten wäre ihm, er könne seine Energie in kleinere Eigenproduktionen etwa über Öko-Themen stecken.

Nachtrag, 12.40 Uhr. „Spiegel Online“ ergänzt:

Sein Rückzug würde die Neven DuMonts vor ein Problem stellen: Jemand anderes müsste die Familie im Unternehmen repräsentieren.

Das wiederum wäre ganz im Sinne einzelner wichtiger Entscheider innerhalb des Unternehmens. Auch wenn es öffentlich niemand äußern mag: Es gibt die Sorge, dass Konstantin seiner Rolle als künftiger Konzernchef nicht gewachsen sei. Bestärkt sehen sie sich in ihrer Annahme durch den Kommentar-Streit.

Nachtrag, 25. Oktober. Gegenüber „Bild“-Köln kündigt Neven DuMont an, sich in der nächsten Woche „mit entsprechenden Beweisen gegen die Kampagne zur Wehr [zu] setzen“. Ob seine Zukunft im Verlag liege, werde sich in den nächsten Tagen entscheiden. „Ich habe mich in den letzten 15 Jahren immer für die Branche stark gemacht und bin jetzt betroffen über die Kampagne gegen mich. Aber da wird noch jeder sein Fett wegkriegen“, zitiert „Bild“ den Verleger.