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Eine für alle

Machen Sie doch kommende Woche mal ganz was Verrücktes: Schalten Sie um 18:50 Uhr die ARD ein und schauen sich eine Folge der Daily Soap „Eine für alle — Frauen können’s besser“ an. Sie bekommen nicht nur das aufregende Gefühl, etwas zu tun, was sonst keiner tut. Sie werden auch in ein paar Tagen noch etwas zu kichern haben: Wenn die ARD die Serie vorzeitig einstellt und erklärt, dass das deutsche Fernsehpublikum für so realitätsnahe Fiktion leider doch nicht zu haben sei, obwohl man sich doch alle Mühe gegeben habe, zeitgemäß und hochwertig zu produzieren…

Sie werden auch den Witz besser verstehen, dass sich jemand beschwert haben soll, dass die Werbung für die Serie Männer diskriminiere. Dabei stammen die Frauen in ihr direkt aus einem Fünfziger-Jahre-Film – außer dass sie nicht Näherinnen, sondern Schweißerinnen sind, und die lebensklugen Sprüche jetzt lauten wie: „Männer kann man sich schönsaufen, Arbeitslosigkeit nicht.“ Ununterbrochen schmachten sie irgendwelchen anbetungswürdigen Traummännern hinterher. Der revolutionäre emanzipatorische Akt der ersten Folge besteht darin, dass eine Frau sich einmal nach der Arbeit weigert, noch die Probleme ihrer Familie zu lösen („Ach wisst ihr was, klärt doch einfach mal was ohne mich“, hoho!). Dass dieselbe kleine Arbeiterin dann für einen Euro die Firma kauft, die von bösen Heuschrecken ausgesaugt werden soll, hat auch nichts mit Klugheit zu tun, im Gegenteil: Frauen sind doch so impulsiv!

Jeden Moment erwartet man, dass Doris Day zur Tür rein kommt und die anderen mit ihrer Modernität überfordert — außer, dass man schon nach Minuten aufhört, überhaupt etwas zu erwarten. Der alte Firmenbesitzer sagt: „In jeder Muffe steckt mein Herzblut und das meiner 463 Angestellten.“ Und die Frauen stehen beim Streik auf dem Hof: „Es kann kein Zufall sein, dass die Schwalben schon so früh aus dem Süden zurückgekommen sind.“ — „Hoffentlich sind’s keine Geier.“ — „Oder schräge Vögel.“

Machen Sie sich nichts draus, wenn Sie die ersten sechs Folgen verpasst haben: Die Geschichte ist so zäh erzählt, dass in jedem Fernsehfilm zum Thema erst eine Viertelstunde vergangen wäre. Als Zeitvertreib können Sie versuchen, das Wetter in der jeweils nächsten Szene zu erraten. Faustregel: Wenn die Sonne richtig durch die Studiofenster zu knallen scheint, kommt garantiert gleich jemand aus einem Schneesturm rein.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung