Schlagwort: Endlich wieder Arbeit

Jürgen Hesse

Jürgen Hesse scheint sich für seine Fernsehkarriere die Haare neu gemacht zu haben. In einem Film auf der Homepage seiner Karriereberatungs-Firma ist er noch mit wirrer, leicht toupiert wirkender Mähne zu sehen. In seiner RTL-Sendung „Endlich wieder Arbeit“ trägt er nun einen seriösen, nur dezent verwuschelten Kurzhaarschnitt und grau statt blond.

Haare sind wichtig. In der ersten Folge am vergangenen Sonntag gelang es Hesse, einem verzweifelten arbeitslosen Pferdepfleger allein dadurch einen Traumjob zu verschaffen, dass er mit ihm zum Friseur ging. (Okay, neue Anziehsachen gab’s auch.) Am Ende fragte man sich, wie es sein kann, dass die Bedeutung guter Frisuren für den Arbeitsmarkt all die Jahre so unterschätzt werden konnte und ob Peter Hartz heute gefeierter Bundespräsident sein könnte, wenn er nur damals in seinen Reformen auf den richtigen Dreiklang gesetzt hätte: Fördern, Fordern, Frisieren.

Es hat etwas unfreiwillig Komisches, dabei zuzusehen, wie sehr RTL in seinen eigenen Erfolgsmustern gefangen ist. „Endlich wieder Arbeit“ (heute, 19.05 Uhr) ist natürlich ein weiterer Versuch, Peter Zwegats „Raus aus den Schulden“ zu kopieren, aber weil die Korrektur von Bewerbungsmappen dann doch kein abendfüllendes kommerzielles Fernsehprogramm ist, flüchtet sich die Show in das, was immer geht: Makeovers. Die Sendung wirkt – auch dank erbärmlich schlecht nachgespielter Szenen – so sehr wie eine Parodie auf das Genre, dass es kaum überrascht hätte, wenn Produzentin Vera Int-Veen oder Tine Wittler mittendrin mit einem Trupp Handwerker und einem Ikea-Laster aufgetaucht wären und der betreuten Familie erzählt hätten, dass eine Voraussetzung für den beruflichen Erfolg die richtigen Möbel sind. (Und gute Kurzhaarfrisuren, natürlich.)

Doch die unterschwellige Botschaft der Sendung ist gar nicht komisch, sondern perfide. „Endlich wieder Arbeit“ suggeriert, dass Arbeitslosigkeit ein individuelles Problem ist, und dass Menschen nur arbeitslos sind, weil sie sich nicht genügend anstrengen. Durch die formale Ähnlichkeit zum Schuldenberater oder der „Super-Nanny“ wird eine Parallelität angedeutet, die nicht existiert. Wenn mehr Menschen besser mit ihren Kinder umgehen, hat das tatsächlich positive Auswirkungen für die ganze Gesellschaft. Aber wir können noch so vielen Menschen beibringen, ihre Bewerbungen schön zu formatieren, und schaffen dadurch keinen einzigen Arbeitsplatz.

Hesse war lange Chef der Telefonseelsorge. Das hier aber ist die Westerwelle-Show: Wenn du keinen Job findest, liegt es an dir.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung