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„Zeitung Süddeutsche“

Das ist schon einer der peinlicheren Fehler, die einer Zeitung wie der „Süddeutschen“ passieren können: In einem längeren Artikel über den Start von „Timm“, einem Fernsehsender für schwule Männer, den Chef des Projektes, Frank Lukas, konsequent Lukas Frank zu nennen.



Auf sueddeutsche.de steht der Name wenigstens unter dem Foto richtig (in der gedruckten Ausgabe ist der Artikel unbebildert). sueddeutsche.de versucht zwar weiterhin, mit strengen Kommentaröffnungszeiten „die Qualität der Nutzerdiskussionen“ zu „moderieren“, ignoriert die lästigen Wortmeldungen der Idiotae aber im Übrigen einfach. Seit heute früh steht dort in den Kommentaren ein folgenloser Leserhinweis auf den falschen Namen.

Bei „Focus Online“ gibt es übrigens nach den Worten von Chefredakteur Jochen Wegner seit einiger Zeit ein System, bei dem der Autor eines Artikels vom Moderator der Kommentare benachrichtigt wird, wenn ihm dort sachliche Fehler vorgeworfen werden. Der Autor werde dann solange immer wieder daran erinnert, bis er reagiert hat: entweder in Form einer Korrektur oder mit einer Antwort, warum die Darstellung richtig ist.

Aber so eine Einrichtung ist doch vielleicht eher nur etwas für Qualitätsmedien.

[via Sebastian Dietrich]

Die gute Bildergalerie

Das Furchtbare an den Bildergalerien der Online-Medien ist ja nicht die Bildergalerie an sich, sondern die Tatsache, dass da einfach wahllos sämtliches verfügbares Material ausgekippt wird — bei Extrem-Klickmaschinen wie sueddeutsche.de* gerne auch ohne Zusammenhang zum Text.

Dass es anders geht, zeigt „Focus Online“ mit einer Galerie aus grandiosen Schwarz-Weiß-Fotos, die Fabian Mohr beim CSU-Parteitag gemacht hat.

*) Lesenwert dazu: Thomas Mrazeks Artikel „Qualitätsjournalismus nach sueddeutsche.de-Art“ in der Zeitschrift „Berliner Journalisten“ [pdf]

Schreib das ab, Kisch!

Man merkt dem „Focus Online“-Artikel über Natascha Kampusch ein gewisses Unbehagen an, einfach so eine „Bild“-Meldung zu übernehmen. Die Autorenzeile lautet verblüffender-, aber irgendwie ehrlicherweise:

it/“Bild“

und Herr oder Frau „it“ haben sich nicht davor gescheut, extensiven Gebrauch vom Konjunktiv zu machen:

Die 19-Jährige sei kürzlich mit dem 21-jährigen Sohn ihres Anwalts im Wiener In-Club „Babenberger Passage“ gesehen worden, vermeldete die „Bild“-Zeitung am Dienstag unter Berufung auf das österreichische Boulevardblatt „Krone“. Der Jüngling mit Drei-Tage-Bart habe Kampusch vertraut seine Hand an den Kopf gelegt und sie gedrückt. Kampusch habe im silberfarbenen Paillettenkleid ausgelassen getanzt und die Arme hochgeworfen.

Er wirkt fast rührend, dieser Versuch journalistischer Distanz, dabei hätte der „Focus Online“-Autor nur in eine „Bild“-Zeitung schauen müssen, um sich selbst ein Bild von dem „silberfarbenen Paillettenkleid“ machen zu können. Auch die hochgeworfenen Arme hätte er mit Augen gesehen und selbst beschreiben können. Notfalls hätte es schon ein Besuch bei bild.de getan.

Immer, wenn ich auf irgendwelchen Podien oder vor Journalistenschülern sitze, schwärme ich davon, dass man sich im Internet-Zeitalter nicht mehr auf die Kolportagen und Zusammenfassungen von Journalisten verlassen muss, sondern sich eine erstaunliche Zahl von Quellen selbst im Original ansehen kann. Online-Journalisten bei vermeintlichen Qualitätsmedien ist dieser Gedanke vollständig fremd.

Der „Focus Online“-Mensch kam, wie viele seiner Kollegen, auch nicht auf die Idee, wenigstens schnell nachzusehen, ob er die Ursprungsmeldung in der Online-Ausgabe der „Kronen“-Zeitung findet. Dort hätte er die verblüffende Entdeckung machen können, dass die „Krone“, die der „Bild“ vermeintlich als Quelle dient, an der Enthüllung überhaupt keinen Anteil hat. Sie schreibt:

Ist Natascha Kampusch nach ihrem Martyrium zum ersten Mal richtig verliebt? Das zumindest behauptet die Gratiszeitung „heute“ und zeigt Bilder der 19-Jährigen (…) beim Tanzen mit einem „supernetten Burschen mit Hugh-Grant-Mähne“.

Mit ein bisschen tricksen hätte der „Focus Online“-Autor sogar die Ursprungsmeldung in „heute“ noch online gefunden — die Zeitung hat ihren Tabubruch, unautorisierte Fotos von Kampusch zu veröffentlichen, wirklich außerordentlich eklig verpackt:

Blitz! Blitz! Und noch ein Blitz! Was ein Paparazzo beim In-Clubbing in der Wiener Babenberger-Passage auf seinem Foto-Chip festhält, ist zu schön, um nicht erzählt zu werden: Der Welt traurigstes Mädchen, einst blass-kränklich, fast nicht mehr an eine Flucht aus seinem Kellerverlies glauben wollend, es ist glücklich – und sooooo fantastisch-glücklich verliebt.

Natascha Kampusch (19), die zarte Starke, die 3096 Tage einem Kidnapper ausgeliefert war, fühlt ihre erste große Liebe: Der supernette Bursch mit der Hugh-Grant-Mähne, den sie auf der knallvollen Tanzfläche herzt, umarmt sie, drückt sie, küsst sie. (…)

Noch ein Schnappschuss, der die volle Lebensfreude dieser zwei süßen Teenager einfängt, noch ein Digi-Shot, der Nataschas neues, gutes Leben ein Jahr nach ihrer gelungenen Flucht zeigt. Mädchen, wir freuen uns mit Dir!

Die „heute“-Zeitung war übrigens stolz darauf, die Privatsphäre des angeblichen Liebhabers zu schützen („Bewusst wählten wir ein Bild, das seine Identität keinesfalls preisgibt“). Das Outing übernahmen dann die Boulevardkollegen von „Österreich“, die von der „Kronen“-Zeitung zitiert wurden, die sinnentstellend von der „Bild“-Zeitung zitiert wurde, die von „Focus Online“ zitiert wurde.

(Die „Augsburger Allgemeine“ entschied sich für einen anderen, etwas kürzeren Weg: Sie beruft sich bizarrerweise auf „Welt Online“, deren Meldung keinen Hinweis auf Autor oder Nachrichtenagentur hat, über weite Strecken aber mit einer vorher veröffentlichten Meldung der Schweizer Boulevardzeitung „20 Minuten“ identisch ist und sich wie sie auf „heute“ beruft.)

Mit fünf, sechs Klicks und zehn Minuten Recherche hätte jeder Online-Redakteur, der wollte, eine Natascha-Kampusch-Geschichte haben können, die nicht nur richtiger gewesen wäre als die „Bild“-Variante, sondern auch weniger voyeuristisch, origineller und spannender: Die Geschichte eines doppelten Tabubruchs.

Aber aus irgendeinem Grund, den ich nicht verstehe, glauben die kommerziellen Online-Medien in Deutschland, es sei wichtig für ihren Erfolg, dass bei ihnen dasselbe steht wie überall sonst.

(via BILDblog, natürlich)

Lemminge Online

Heute Nacht um kurz vor 2 Uhr veröffentlichte die Nachrichtenagentur dpa eine kurze Meldung, in der sie die Titelgeschichte der heutigen „Bild“-Zeitung zusammenzufassen glaubte — gleichzeitig aber auch der Onlinemedienwelt die Gelegenheit gab, sich mal wieder ein Armutszeugnis auszustellen.

Unter der Meldung stand „(Der Beitrag lag dpa in redaktioneller Fassung vor)“ und in der Meldung hieß es:

Knapp vier Jahre nach dem tödlichen Fallschirmabsturz des früheren FDP-Politikers Jürgen W. Möllemann am 5. Juni 2003 sorgt jetzt ein weiteres Amateur-Video für Diskussionen. Die „Bild“-Zeitung berichtet am Freitag erstmals über die Aufnahmen, von denen bisher nur bekannt war, dass sie Teil der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft waren.

Selbst einem unbedarften Leser hätte bei der Lektüre auffallen können, dass da was nicht stimmt: Ein „weiteres“ Video, das „Teil der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft“ war?!

Zum Glück aber war ja, als dpa seine Meldung veröffentlichte, der „Bild“-Artikel (der dpa in redaktioneller Fassung vorlag) bereits seit mehreren Stunden auf der Internetseite von „Bild“ mühelos aufzufinden und kostenlos nachzulesen gewesen. Und dort hätte der unbedarfte Leser feststellen können, dass „Bild“ gar nicht behauptet, es sei ein „weiteres“ Video aufgetaucht. Im Gegenteil: „Bild“ behauptet bloß, ein Video, „das auch Bestandteil der Ermittlungsakte war“, sei „jetzt bekannt geworden“ und „liegt BILD vor“…

Offensichtlich sitzen in den Online-Redaktionen der großen Nachrichtenportale jedoch keine unbedarften Leser, sondern Online-Redakteure.

Und ohne mit der Wimper zu zucken, haben die sich bei „Spiegel Online“, bei sueddeutsche.de, bei „Focus Online“*, bei Netzeitung.de, bei FAZ.net und bei „Welt Online“ entschieden, die dpa-Meldung über den (ohnehin völlig erkenntnisfreien) „Bild“-Aufmacher ohne weitere Recherche zu übernehmen:

Besonders peinlich ist das natürlich für „Focus Online“. Denn der gedruckte „Focus“ selbst hatte vor vier Jahren erstmals und sehr ausführlich über das Video berichtet, das laut „Focus Online“ nun „aufgetaucht“ sei.

Aber auch in den Archiven der „Süddeutschen Zeitung“, „FAZ“ und „Welt“ finden sich aufschlussreiche Artikel aus dem Jahr 2003, in denen das Möllemann-Video bereits Gegenstand der Berichterstattung war — und aus denen eindeutig hervorgeht, dass „Bild“ gar nicht „erstmals“ über die Aufnahmen berichtet und von denen weit mehr bekannt ist, als dass sie „Teil der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft waren“. Die Artikel sind zum Teil bis heute online — und bei FAZ.net beispielsweise sogar direkt neben dem dpa-Unsinn in einem „Zum Thema“-Kasten verlinkt. Sueddeutsche.de behauptet sogar (mit Link auf einen eigenen Archivtext) ahnungslos: „Die Existenz des Videos war (…) schon lange bekannt, die Details sind neu.“

Aber natürlich bringt es viel mehr Klicks, einfach nachzubeten, was „Bild“ (mit freundlicher Unterstützung von dpa) als Neuigkeit verkauft, als selbst mit zwei drei Klicks festzustellen, dass es gar keine Neuigkeit ist.

*) Bei „Focus Online“ ist das Armutszeugnis inzwischen samt Kommentaren aus dem Angebot entfernt worden bzw. „leider nicht vorhanden“. Dafür gibt es dort einen neuen Text (Überschrift: „Neuer Wirbel um altes Video“) der sich vom ursprünglichen „Bild“-Bericht deutlich distanziert, dafür aber vermutet, es handele sich um Aufnahmen „von zwei Amateurfilmern“. Das jedoch behauptet nicht nur niemand sonst, sondern nicht mal „Bild“.

Christoph Schultheis ist einer der Betreiber von BILDblog.de

Focus Online – jetzt mit Uhrzeit

Das neue „Focus Online“ ist da. Man kann alle Artikel kommentieren. Na und.

Es erhöht nicht mein Lesevergnügen und es befriedigt nicht mein Informationsbedürfnis, wenn unter einem Artikel über den aktuellen Stand der Geiselentführung im Irak ein Leserkommentar steht mit der Betreffzeile „Selbst schuld“ und dem Satz „wenn die Geiseln lokalisierbar wären, z.B. via Handy, sollte die Gegend sofort bombardiert werden ohne Rücksichten“.

Es mag ja sein, dass die Möglichkeit, unter den Artikeln von Journalisten Kommentare zu hinterlassen, inzwischen ein Standard ist, an dem kein Medium mehr vorbeikommt (außer BILDblog natürlich). Aber das ist eine theoretische Diskussion. Praktisch käme ich selten auf die Idee, auf Seiten von Massenmedien wie „Focus Online“ die Kommentare zu lesen oder selbst welche zu hinterlassen. Es ist mir auch egal, wie irgendwelche anonymen Leserscharen einen Artikel „bewerten“, was ich nun auch tun und lassen kann.

Was ich wirklich nützlich finde: „Focus Online“ gibt in der Regel schon auf der Startseite an, wann ein Artikel veröffentlicht wurde. Das ist bei einem Angebot, das sich kontinuierlich und schnell verändert, eine zentrale Information. Man muss nur einmal versuchen wollen, bei „Spiegel Online“ herauszufinden, von wieviel Uhr ein bestimmter Artikel stammt — welchen Stand aktueller Entwicklungen er wiedergibt. Es ist fast unmöglich. Es sei denn, man kennt den Trick, ganz unten auf der Seite auf „Schlagzeilen“ zu klicken, und dann zumindest für die vergangenen sieben Tage die Uhrzeit nachvollziehen zu können. Die „Netzeitung“ gibt bei jedem Artikel die Zeit der Veröffentlichung und der letzten Änderung an. Warum ist das kein Standard?

Ebenfalls interessant am neuen „Focus Online“: Vor den Videos laufen Werbespots. Das ist gewagt, solange die vermeintlichen „Focus Online“-Videos noch Reuters-Videos sind — also die, die überall laufen, auch ohne Werbung. Und ist es wirklich eine gute Idee, vor dem Reuters-Video, das nur aus einem ernsten O-Ton des Außenministers über die Geiselnahme im Irak besteht, einen Werbespot zu zeigen, in dem Opel den Zuschauern Fahrspaß garantiert? Ist das der Ort, an dem Opel werben will? Funktioniert das? Insbesondere in einem Land, wo die Menschen es von ihrem Fernsehen gewohnt sind, dass Nachrichten nicht von Werbung unterbrochen werden?

Unabhängig davon: Ich glaube, dass „Focus Online“, so aufgeräumt und Web-2.0-ig das alles sein sein mag, auch in Zukunft nicht meine erste Adresse für Nachrichten im Netz sein wird. Aber es ist noch keine zwei Jahre her, dass „Focus Online“ sich mit dramatischer Unbeholfenheit und verwegenen Boulevardschlagzeilen irgendwo unterhalb von Bild.de positionierte. Das ist schon eine beeindruckender Weg, den die Kollegen seitdem zurückgelegt haben.