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Wofür Frank Plasberg nicht mehr wirbt

Der ARD-Moderator Frank Plasberg wird nun doch nicht für den kostenpflichtigen Unternehmenswettbewerb der Agentur Compamedia werben. In einer Presseerklärung zitiert das Unternehmen Plasberg:

„Ich bin gebeten worden, beim Unternehmenswettbewerb ‚Top Job‘ als Mentor zu fungieren. Dieser Wettbewerb schien mir geeignet, einen Impuls für zeitgemäßes Personalmanagement in mittelständischen Unternehmen zu geben. Insbesondere die wissenschaftliche Begleitung und Bewertung entsprechen meinen Vorstellungen von wettbewerblicher Qualitätsverbesserung. Mittlerweile habe ich feststellen müssen, dass mein Engagement von kritischen Beobachtern ganz anders empfunden wird. In den Mittelpunkt der Betrachtung rückte die Werbewirkung meiner Mentorenschaft, verbunden mit der Frage, ob meine journalistische Unabhängigkeit ein solches Engagement zulässt. Das wiegt schwerer als meine Überzeugung, in keiner Weise Beeinflussungen zu unterliegen oder meine Unabhängigkeit zu gefährden. Deshalb bin ich von der geplanten Mentorenschaft zurückgetreten.“

Offenbar war ich nicht der einzige, der ein Problem damit hatte, dass ein imageprägender ARD-Journalist mit branchenüblich abwegigen PR-Sprüchen für eine kommerzielle Veranstaltung wirbt.

Formell hatte der WDR an Plasbergs Engagement allerdings nichts auszusetzen, wie die Nachrichtenagentur dapd am Mittwoch meldete. Die Antwort des Senders klingt allerdings nach zusammengebissenen Zähnen.

Auf die Frage, ob Plasberg mit seinem Engagement gegen die Statuten des Senders verstoßen habe, teilte der WDR mit, die Vorschriften seien allein für fest angestellte Mitarbeiter gültig. Plasberg aber sei freier Mitarbeiter des Senders. Ob sein Engagement als fester Mitarbeiter legitim wäre, war zunächst nicht zu erfahren.

Offen ließ der Sender die Frage, ob Plasbergs Engagement dem WDR und der ARD insgesamt gut zu Gesicht stünde. Der Sender teilte dazu mit, das Engagement „inhaltlich nicht bewerten“ zu wollen. Die Sprecherin betonte: „Wir sehen keinen Fall darin. Die Zusammenarbeit mit Frank Plasberg beruht auf Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung.“

Das eigentlich Erstaunliche an der ganzen Sache finde ich allerdings, dass ein erfahrener Mann wie Plasberg nicht geahnt haben will, dass sein Engagement kritische Nachfragen hervorrufen würde.

Wofür Frank Plasberg wirbt

Man ahnt ja nicht, was die Leute so antreibt. Der ARD-Moderator Frank Plasberg zum Beispiel sagt, ein „entscheidender Teil seines beruflichen Antriebs“ sei: „offener Wettbewerb und das sich Messenlassen an Konkurrenz“.

Wenn ich das gewusst hätte! Dann wäre ich vielleicht nicht überrascht gewesen, als mich am vergangenen Mittwoch eine Pressemitteilung der Überlinger Firma Compamedia erreichte:

Fairer Mann für „Top Job“

Frank Plasberg wird neuer „Top Job“-Mentor und präsentiert die besten Arbeitgeber des deutschen Mittelstands.

Nun ist „Mentor“ eine merkwürdige Wortwahl. Plasberg wird allem Anschein nach vor allem seinen bekannten Namen und sein Gesicht zu Werbezwecken zur Verfügung stellen. Die Unternehmen, die es auf die Liste der „100 besten Arbeitgeber“ schaffen, dürfen mit Plasberg für sich werben. Eigentlich nennt man das „Testimonial“. Aber bei Compamedia mag man das Wort „Mentor“. Die Agentur nennt sich selbst „Mentor der besten Mittelständler“.

Seit zehn Jahren veranstaltet sie einen Wettbewerb, bei dem die Belegschaft und die Personalabteilungen von Unternehmen befragt werden, um die attraktivsten Arbeitgeber zu küren. Vor Frank Plasberg war der ehemalige Arbeitsminister Wolfgang Clement „Mentor“, was unter anderem so aussah:

Clements Engagement fiel nicht nur positiv auf. Der „Focus“ berichtete vor fünf Jahren, dass der „Mentor“ die Bundestagsabgeordneten in einem Rundbrief aufgefordert hatte, ihm Kandidaten für den Wettbewerb aus ihrem Wahlkreis zu nennen. Das kam nicht bei jedem Volksvertreter gut an, insbesondere weil Clement wohl verschwieg, dass die Teilnahme Geld kostet: mehrere Tausend Euro, je nach Unternehmensgröße.

Das ist ohnehin ein wichtiges Detail. In gewisser Weise erkaufen sich die Unternehmen einen Platz auf der Liste. Eine Teilnahme garantiert zwar kein Prädikat. Aber nur wer zahlt, kann überhaupt ausgezeichnet werden. Ergebnis ist keine Liste der besten Unternehmen, sondern bestenfalls eine Liste der besten Unternehmen, die für die Teilnahme zahlen. Diese Information, die eine allgemeine Aussagekraft des Rankings eher zweifelhaft macht, fällt in der Kommunikation gerne unter den Tisch.

Die Pressemitteilung der vergangenen Woche zitiert Plasberg:

„Bei ‚Top Job‘ versammeln sich die besten Arbeitgeber des deutschen Mittelstands“, sagt Plasberg, dem der wissenschaftlich-seriöse Hintergrund des bundesweiten Unternehmensvergleichs ganz besonders wichtig ist: „Die St. Galler Wissenschaftler, die hinter dem Projekt stehen, sind auf dem aktuellen Stand der Forschung und prüfen das Personalmanagement der Bewerber auf Herz und Nieren – aber stets fair. Das gefällt mir, und deshalb habe ich eine besondere Freude daran, diese Besten unter Deutschlands Arbeitgebern zu fördern und bekannt zu machen.“

Ich habe Plasberg daraufhin (per Mail) gefragt, ob er wirklich den „aktuellen Stand der Forschung“ im Personalmanagement kennt, und wenn ja: woher. Seine Antwort:

Ich habe mich über die Art der Untersuchung informiert. Die wissenschaftliche Leiterin, Prof. Heike Bruch, ist Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement und Ordinaria an der Universität St. Gallen. Dass sie als Professorin einer weltweit anerkannten Elite-Universität auf dem aktuellen Stand der Forschung arbeitet, versteht sich von selbst. Nur nebenbei: Im vergangenen Sommer war Frau Prof. Bruch beim hochkarätig besetzten Zukunftsgipfel der Bundeskanzlerin in Meseberg eingeladen und hat über das Thema Personalentwicklung referiert.

Nun gut, wenn es sich von selbst versteht, bräuchte man vielleicht nicht noch Herrn Plasberg, um den Fachleuten Kompetenz zu attestieren.

Auf die Frage, ob er es nicht zweifelhaft findet, in dieser Form Werbung zu machen, antwortet Plasberg:

Für mich ist entscheidend: Da lassen sich Unternehmen in die Karten gucken, akzeptieren, dass alle Mitarbeiter befragt werden, um am Ende zu erfahren, ob ihr Personalmanagement dem bestmöglichen Stand entspricht. Das hat erstmal meine Sympathie. (…)

Wenn ich werbe, dann für das Prinzip des Wettbewerbs und eines transparenten Umgangs beim Personalmanagement. Und wenn die wirklich guten, aber oft noch unbekannten mittelständischen Unternehmen so eine Bühne bekommen, um beim Ringen um die begehrten Fachkräfte erfolgreich zu sein, ist das für mich eine gute Sache.

Ich werde von sehr vielen Institutionen um Unterstützung gebeten. Und ich schaue mir das sehr genau an. Für die eine oder andere Idee engagiere ich mich. Mal ohne, mal mit Honorar. Und nicht selten profitiert der eine Bereich vom anderen. Ich finde, das liegt im Rahmen dessen, was eine öffentliche Figur wie ich tun darf, vielleicht sogar sollte.

Hat er sich das Werbeengagement vom WDR oder der ARD genehmigen lassen?

Nein, ich habe mir das Engagement für Top-Job nicht genehmigen lassen, u.a. deswegen, weil es dafür weder eine formale noch inhaltliche Notwendigkeit gibt.

Na dann.

Vielleicht sehe ich das alles zu eng. Vielleicht wirbt Plasberg für eine Sache, die zwar durch und durch kommerziell ist, aber irgendwie dem Gemeinwohl dient.

Mir geht es auch weniger um „Top Job“ und die Gestaltung dieser Arbeitgeber-PR-Veranstaltung. Ich habe nur den Wunsch, von einem Journalisten, der an hervorgehobener Stelle für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet, kein Werbegequatsche lesen zu müssen wie: „Bei ‚Top Job‘ versammeln sich die besten Arbeitgeber des deutschen Mittelstands.“

Ist das zuviel verlangt?

Fortsetzung hier.

So sieht die Welt ohne Will aus

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Wenn die Leute und die Talkshows im Urlaub sind, entspannt sich das Fernsehen. Dann schaffen es auch mal schwerere Stoffe ins Programm. Ein Lob der Sommerpause.

Es sind dann, trotz des Dramas in Norwegen, keine Forderungen laut geworden, dass Frank Plasberg oder Maybrit Illner ihre Sommerpausen unterbrechen und Sonderausgaben ihrer Talkshows einberufen. Dabei ist gerade so eine Rückrufaktion — jedenfalls in der Politik — ein sehr starkes Symbol, das gleichzeitig den Ernst der Lage und die Bereitschaft zum Handeln suggeriert. Aber ganz so groß scheint das Bedürfnis der deutschen Gesellschaft nicht gewesen zu sein, sich das Grauen in einer gemeinsamen Talkrunde von Arnulf Baring, Hajo Schumacher oder Wencke Myhre erklären zu lassen.

Und, offen gestanden, haben ja die anderen Medien eine mögliche Unterversorgung mit reflexartigen Thesen und vorhersagbaren Grabenkämpfen ganz gut ausgeglichen. Aber ist es nicht erstaunlich, wie wenig diese Möbelstücke des deutschen Fernsehens fehlen, wenn sie nicht da sind?

Es ist Sommerpause, und selten war der Begriff irreführender als heute. Womöglich wird die „Bild“- Zeitung sogar die diesjährige Wiederholung ihres Evergreens „Im Fernsehen laufen nur noch Wiederholungen“ ausfallen lassen. Denn in Wahrheit ist der Sommer, wenn all die Talkshows pausieren, eine Zeit geworden, die eine Ahnung davon gibt, wie aufregend und relevant öffentlich-rechtliches Fernsehen sein könnte. Zu keiner anderen Jahreszeit kann es einem so leicht passieren, noch vor Mitternacht auf eine aktuelle, sehenswerte Dokumentation oder einen besonderen Film zu stoßen.

Am vergangenen Mittwoch zum Beispiel gaben Jo Goll und Matthias Deiß den Zuschauern einen Einblick in die Gedankenwelt, die den Berliner Kurden Ayhan Sürücü dazu brachte, seine Schwester Hatun umzubringen, weil sie durch ihren Lebenswandel die „Ehre“ seiner Familie verletzt habe.

Die Dokumentarfilmer von „Verlorene Ehre“ haben den Täter im Gefängnis getroffen, und es war schockierend, wie normal dieser junge Mann wirkte, wie wenig er von einer Bestie hatte, wie plausibel seine Beteuerung war, dass er ja niemanden außerhalb des Weltbildes seiner Familie hatte, an den er sich hätte wenden können, und wie tief trotzdem der Glaube in ihm verwurzelt scheint, dass es nicht ganz ungerecht war, was er da getan hat. Es ist ein Film, der viel erklärt, aber noch mehr ratlos macht, und es ist natürlich banal, hinzuzufügen, dass keine Talkshow zum Thema „Ehrenmord“ diese Nähe und Tiefe, Anschaulichkeit und Intensität erreichen könnte.

Außerhalb des Sommers sind solche Schätze in die Spartenprogramme oder in die Nacht verbannt. Dabei macht gerade am späteren Abend die Anfangszeit viel aus. Niemand weiß das besser als die ARD, die ihre „Tagesthemen“ vor einigen Jahren auch deshalb in einem eigentlich übertrieben wirkenden Kraftakt um eine Viertelstunde auf 22.15 Uhr vorgezogen hat. Die Fernsehnutzung steigt im Verlauf des Abends allmählich an, bis sie um kurz nach neun ihren Höhepunkt erreicht: Knapp 45 Prozent der Menschen schauen jetzt fern. Nach 22 Uhr fällt die Kurve steil ab: innerhalb einer Stunde von 40 Prozent auf 25; um Mitternacht sind es nur noch rund 15 Prozent.

Wer weiß, wie viel Zuschauer mehr man für die leise, unspektakuläre und dadurch sehr bewegende Reportage „Die letzte Loveparade“ vor zwei Wochen hätte gewinnen können, wenn sie nicht erst weit nach Mitternacht geendet hätte. So waren es nur 600 000. „Die verlorene Ehre der Hatun Sürücü“ begann immerhin um 23 Uhr und fand ein Publikum von 1,6 Millionen Zuschauern. Auch Filme, die sperriger sind, haben um diese Zeit die Chance, dass die Menschen vor den Fernsehern noch nicht ganz weggedöst sind. Lutz Hachmeisters anderthalbstündige Collage mit Einblicken in die SPD am Tag zuvor sahen 880 000 Menschen.

Im ZDF blockiert sonst „Markus Lanz“ regelmäßig die Sendeplätze, zu denen man Stoffe senden könnte, die sich vielleicht um 20.15 Uhr schwer täten, aber mehr Zuschauer verdient haben, als es in den Nischen und nachts gibt. Leider wiederholt der Sender stattdessen „Lanz kocht“, zeigt aber auch eine zweiteilige Dokumentation von Sandra Maischberger über den Nato-Doppelbeschluss vor dreißig Jahren: „Pershing statt Petting“.

Jetzt schafft es sogar die Reportagereihe „ARD-exklusiv“, die früher einen festen Platz am Hauptabend hatte, bis sie der Wiederholung des „Tatorts“ weichen musste, wieder ins Bewusstsein der Zuschauer. Sie ist der Lückenfüller, wenn „Hart aber fair“ pausiert, und beginnt am Mittwoch um 21.45 Uh r ihre „Sommerstaffel“ mit einem Bericht über „das Hermes-Prinzip“. Während Michael Otto, der Hauptbesitzer des Paketdienstes, sich öffentlich für sein soziales Engagement feiern lässt, bekommen die Fahrer am unteren Ende einer ausgeklügelten Unternehmenspyramide nur beschämende Cent-Beträge pro Paket, das sie ausliefern. In den Wochen daraufgeht es um alte Arbeitslose, um das lukrative Geflecht von Politik und Wirtschaft von Gerhard Schröder und Joschka Fischer und um die industrielle Hähnchenproduktion des „Systems Wiesenhof“, und vermutlich wird nicht jeder dieser Filme gleich gelungen sein. Aber ihre Relevanz und Brisanz ist offenkundig, und sie machen schmerzhaft deutlich, wie selten es die Lebenswirklichkeit sonst jenseits der Magazin-Häppchen ins Fernsehen schafft.

„Das ist bester Journalismus im Ersten“, sagt ARD-Chefredakteur Thomas Baumann. Nur warum kommt der sonst so selten so prominent ins Programm? Die vielen Shows, die sonst die Sendeplätze blockieren, pausieren nicht nur deshalb im Sommer, damit die Mitarbeiter schön mit ihren schulpflichtigen Kindern wegfahren können, sondern vor allem, weil dann am wenigsten Menschen fernsehen. Im Januar 2010 hatten die Deutschen im Schnitt 256 Minuten täglich den Fernseher eingeschaltet; im August war es fast eine Stunde weniger.

Das Programm als Wundertüte mit Relevanz, das wenigstens ansatzweise aus der berechenbaren vollständigen Formatierung ausbricht, leistet sich die ARD nur, wenn eh nicht so viel auf dem Spiel steht. Wenn die Menschen aus dem Alltag ausbrechen, macht sich auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein bisschen locker, was paradoxerweise bedeutet, dass auch schwerere Stoffe ins Programm kommen können. Das beschränkt sich nicht auf Dokumentationen. Am Montagabend, wo sonst Reinhold Beckmann am Küchentisch in Gästeseelen bohrt, gibt es im Sommer plötzlich einen Sendeplatz für junge Spielfilme. Morgen läuft dort Junge Parasiten“ von Christian Becker und Oliver Schwabe. Und auch für ein cooles, cleveres, schnelles Fernsehkrimiformat wie die bisher dreiteilige BBC-Reihe „Sherlock“, die sehr gegenwärtige Versionen der Klassiker Holmes und Watson zeigt, hätte die ARD außerhalb der Urlaubszeit gar keinen Sendeplatz, ebenso wenig wie für moderne internationale Serien und Filme. Es ist halt alles vollgestellt.

Dabei können die Zuschauer anscheinend sogar mit dem Schock umgehen, dass sonntags nach dem „Tatort“ etwas anderes kommt als ein Stuhlkreis zum Thema „Ist Deutschland / Europa / die Regierung / der Sommer am Ende“. Viereinhalb Millionen Menschen sahen vergangenen Sonntag um 21.45 Uh r die erste Folge von „Sherlock“ – eineinhalb mal so viel, wie die letzte Folge von „Anne Will“ hatte. Die Sommerpause ist auch nicht mehr, was sie mal war.

Aufklärung unerwünscht? Frank Plasberg und das Wundermittel gegen Neurodermitis

„Besonders bedrückend ist es, wenn man sieht, wie sehr kleine Menschen unter Neurodermitis leiden“, sagt Frank Plasberg. Dann zeigt er, wie sehr der kleine Mensch Bastian unter Neurodermitis leidet, was tatsächlich besonders bedrückend ist, aber nicht nur in dem Sinne, wie Plasberg es meint. Mit den erschütternden Bildern stellte „Hart aber fair“ gestern den Jungen in den Dienst einer zweifelhaften Berichterstattung in der ARD, die wie eine gigantische Werbeaktion für eine Vitamin-Salbe gegen Neurodermitis wirkt, die demnächst auf den Markt kommt, nachdem sie die Pharma-Industrie angeblich jahrelang verhindert hat.

Der Immunologe Beda Stadler fand in der Sendung deutliche Worte:

„Ich bin schwer betroffen. Herr Plasberg, was Sie hier abziehen, ist wirklich eine Schande. Sie missbrauchen ein Kind. Das Kamerateam und der Regisseur hätten dem Kind die blöde Salbe anstreichen sollen, dann wäre es ja anscheinend jetzt wieder gesund. Wenn man hier so tut, als würde ein blödes Avocadoöl mit Vitaminen drin eine schwere Krankheit vom Erdboden verschwinden lassen, dann ist das Betrug.“

Plasberg versuchte zurückzuruden und erklärte, man habe doch gerade „herauspräpariert, dass das Medikament nicht heilt, aber lindert“. Das ist in der Tat ein wesentlicher Unterschied, und vielleicht hätte ihn auch jemand den ARD-Verantwortlichen erklären sollen, die die Dokumentation über die angebliche Verhinderung des angeblichen Wundermedikamentes durch die Pharma-Industrie, aus der auch die bedrückenden Bilder von Bastian stammen, ausgerechnet „Heilung unerwünscht“ nannten.

Oder dem Autor dieser Dokumentation, dem WDR-Redakteur Klaus Martens, der sein demnächst erscheinendes Buch über dasselbe Thema nicht nur ebenfalls „Heilung unerwünscht“ nannte, sondern es auch zuließ, dass auf dessen Umschlag ein Tigel mit der durchaus irreführenden Aufschrift „Inklusive Rezeptur gegen Neurodermitis“ zu sehen ist.

Martens behauptet in seinem Film, der am Montag in der ARD lief, dass ein Tüftler vor zwanzig Jahren eine einfache Rezeptur gefunden habe, die sensationell gegen Neurodermitis und Schuppenflechte helfe und „keine Nebenwirkungen“ habe. Die Pharmaindustrie weigere sich aber, das Mittel auf den Markt zu bringen, weil es nicht so gewinnbringend zu vermarkten sei oder den Verkauf ihrer anderen Produkte gefährde, die aber viel mehr Nebenwirkungen hätten. Seit einigen Tagen macht die Geschichte Furore und wird von vielen Medien undistanziert verbreitet, obwohl es durchaus Zweifel an der Darstellung und insbesondere der Überzeugungskraft der Studien gibt, die die Wirkung der Salbe belegen sollen.

Auch Frank Plasberg, der sich sonst mit seiner journalistischen Distanz brüstet, machte sich ganz zum Anwalt seines Kollegen Klaus Martens und der Creme. Von „besten klinischen Studien“ sprach er gleich in der Einleitung zu dem Thema, und als seine Experten – Vertreter der Pharma-Industrie ebenso wie ihre Kritiker – genau daran zweifelten, wies er dreimal darauf hin, dass man diese Studien am heutigen Donnerstag online stellen werde, im „Faktencheck“ auf hartaberfair.de. „Die gibt es“, sagte er, „das haben wir recherchiert, sonst hätten wir [die Creme] nicht vorgestellt.“

Der Schweizer Immunologe Stadler nannte den Filmautor Klaus Martens unumwunden einen „Scharlatan“ und forderte, Leuten wie ihm „keinen Platz zu geben, um Verschwörungstheorien loszulassen“ gegen die (von ihm sonst kritisierte) Industrie. Plasberg aber gab ihm nicht nur einen Platz, sondern bewahrte ihn vor berechtigten kritischen Nachfragen. „Nochmal“, widersprach er auch dem renommierten „Spiegel“-Journalisten und Pharma-Industrie-Kritiker Markus Grill, der Martens Geschichte aus dem ARD-Film ebenfalls anzweifelte: „Wir werden auch Studien dazu morgen veröffentlichen.“

Der „Faktencheck“ ist inzwischen online, aber von den versprochenen eindeutigen Studien fehlt jede Spur. Der WDR wirbt zwar für die Creme, indem er ihre Rezeptur veröffentlicht, kann aber mit Links zu wissenschaftlichen Untersuchungen nicht aufwarten. Auf einer eigenen Seite dokumentiert WDR.de die Kontroverse und räumt ein, dass sich der Dermatologe Markus Stücker von der Ruhruniversität, der die Studien vor zehn Jahren geleitet habe, heute „verhalten“ zeige und nur von einer „eher schwachen Wirkung“ spreche. Die ARD hat auch einen „offenen Brief“ von Klaus Martens an die Zuschauer veröffentlicht, in dem er allerdings ebenfalls keine Quellen für die „klinischen Studien“ nennt, die „in allen Fällen“ bestätigt hätten, dass durch die Creme „die Symptome verschwinden“.

Immerhin räumt der WDR online ein, dass Martens auch ein Buch zu dem Thema veröffentlicht hat – eine Tatsache, die der „harte“ Frank Plasberg noch als „Verschwörungstheorie“ abzutun schien, als Siegfried Throm, der Geschäftsführer des Verbandes forschender Pharmaunternehmen, das aussprach, was viele Kritiker Martens und der ARD vorwerfen:

„Herzlichen Glückwunsch, das ist ein genialer Marketingcoup. Mithilfe eines Filmes ein Buch zu protegieren, das demnächst herauskommen soll, und dann passend auch noch die entsprechende Salbe. Da können sich selbst unsere Marketingabteilungen noch eine Scheibe abschneiden.“

Ist das nicht bemerkenswert? Dass eine Sendung die angebliche Verhinderung eines Medikamentes dokumentiert, das ihr Autor als außerordentlich wirksam und frei von Nebenwirkungen beschreibt, und diese Salbe dann passend zur Ausstrahlung plötzlich doch auf den Markt kommt? Ein kleines Schweizer Unternehmen hat sich aufgeopfert, und vertreibt plötzlich die „Regividerm B12 Salbe“ – angeblich als Reaktion auf die große Resonanz der Fernsehausstrahlung, was zeitlich allerdings höchst unwahrscheinlich ist.

Und Frank Plasberg? Erwähnte diese erstaunliche Koinzidenz nicht einmal.

Mehr über die Zweifel an dem ARD-Film und die Wirkung der Salbe im Pharma-kritischen Medizinblog „Stationäre Aufnahme“.

Nachtrag/Korrektur: Die Studien sind, offenbar seit spätem Nachmittag, auf der Rezeptseite verlinkt – halten aber einem kritischen Vergleich mit den vollmundigen Versprechen von Martens und Plasberg kaum stand. So wurde zum Beispiel die Wirkung der Salbe nur mit wenigen Probanden und über einen kurzen Zeitraum überprüft.