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Trauern mit der „Frankfurter Rundschau“

Man kann lange Aufsätze darüber schreiben, wie sich der Charakter der Online-Medien regelmäßig von ihren Print-Müttern unterscheidet, wie Qualitätsstandards, die in der gedruckten Zeitung selbstverständlich sind, plötzlich im Internet keine Rolle mehr spielen, wie so viele ihrer Klickgeilheit erliegen und versuchen, dem Gossenjournalismus der „Bild“-Zeitung Konkurrenz zu machen.

Man kann es aber auch anhand einer einzigen Bildergalerie im Online-Ableger der „Frankfurter Rundschau“ zeigen.

Die „Frankfurter Rundschau“ hat sich Fotos herausgesucht.

Ein Foto von dem Skifahrer Hermann Maier, wie er weint, weil er aus gesundheitlichen Gründen seine Karriere beenden muss. Ein Foto von dem Schriftsteller Günter Grass, wie er weint, weil er an den Krebs-Tod seiner Mutter im Alter von 57 Jahren denkt; das größte Unglück seines Lebens, wie er sagt. Ein Foto von der Schauspielerin Sibel Kekilli, wie sie weint, als sie 2004 den Bambi entgegennimmt und eine wütende, verzweifelte Rede hält gegen die feinen Leute von „Bild“ und „Kölner Express“, denen sie zu Recht eine „dreckige Hetzkampagne“ und „Medienvergewaltigung“ vorwirft. Ein Foto von dem Sänger Herbert Grönemeyer, wie er weint, als er 2003 den Echo für die Single „Mensch“ bekommt, einem Lied, in dem er beschreibt, wie sehr er seine verstorbene Frau vermisst.

Die „Frankfurter Rundschau“ hat diese und andere Fotos genommen und stellt sie jetzt in einer 15-teiligen Bildergalerie aus. Sie hat ihr den Titel „Prominente Heulsusen“ gegeben.

Ich hoffe, dass es mir nie so schlecht geht, für ein solches Medium arbeiten zu müssen.

Im Nachrichtenstollen der FR

Die Meldung war Chefredakteur Uwe Vorkötter so wichtig, dass er sich am vergangenen Samstag auf Seite 1 der „Frankfurter Rundschau“ an seine Leser wandte:

(…) Es gibt (…) viele starke Argumente für die FR. Auf ein weiteres möchte ich Sie, aus aktuellem Anlass, hinweisen.

„Frankfurter Rundschau veröffentlicht Deutschlands meistzitierte Nachricht“ – so lautet die Schlagzeile einer Untersuchung, die gestern veröffentlicht wurde. Das Institut Landau Media hat 62 meinungsführende deutsche Publikationen ausgewertet und festgestellt, dass die FR die Exklusiv-Story des Jahres 2008 hatte: Es ging um den Datenklau bei der Landesbank Berlin, von dem Zehntausende Kreditkarten-Kunden betroffen waren. 111 Mal wurde die Enthüllung unseres Autors Matthias Thieme in anderen Medien zitiert.

Na, herzlichen Glückwunsch — wobei: Der „Datenklau“? Die „Enthüllung“?

Die „Exklusiv-Story des Jahres 2008“, die älteren werden sich erinnern, war jene, mit der die FR am Samstag, den 13. Dezember unter der Überschrift „Gigantisches Datenleck“ aufmachte. Ein „neuer Datenskandal“ zeichne sich ab, der zehntausende Kunden betreffe, die Daten seien der FR „anonym per Post zugespielt“ worden. Die Polizei könne nicht ausschließen, hyperventilierte die FR zwei Tage später, dass mit den „Zehntausenden Kreditkarten-Daten illegale Käufe im Internet getätigt wurden“ — obwohl derzeit keine Anzeigen vorlägen. „Nach Informationen der FR“, schrieb die FR, „ist es bereits zu kriminellen Abbuchungen bei Kunden gekommen, deren Daten vom Finanzdienstleister Atos Worldline bearbeitet wurden. Bei der FR gingen Schreiben von Kunden aus ganz Deutschland ein, von deren Konten Unbekannte Beträge bis zu 5000 Euro abgebucht hatten.“

Die Zeitung versuchte noch ein paar Tage, aus allem, was nicht völlig auszuschließen war, eine Aufregermeldung zu machen. Dann gab die Polizei bekannt, was hinter dem „Datenklau“ steckte: Zwei Kurierfahrer hatten ein an Vorkötter adressiertes Paket mit einem Christstollen geöffnet und den Inhalt gegessen. Das Adressen-Etikett klebten sie stattdessen auf die für die Landesbank Berlin bestimmte Lieferung. (Die „FAZ“ meldete am nächsten Tag: „Ungeklärt blieb gestern nur noch, ob dem Chefredakteur noch rechtzeitig zum Fest ein Ersatzstollen zugeschickt werden kann. Der Markt der Kurierdienste, so heißt es in Frankfurt, sei derzeit sehr verunsichert.“)

Das „starke Argument“ für die „Frankfurter Rundschau“, das der Chefredakteur seinen Lesern am Samstag nicht vorenthalten wollte, ist das erfolgreiche Öffnen eines Christstollenersatzpaketes. Man kann sich seine größten Erfolge nicht aussuchen.

Bitte kommentieren Sie nach dem Piepston!

Man kann dem Blog der „Frankfurter Rundschau“ nicht vorwerfen, seinen Lesern Illusionen über die Bereitschaft der FR-Journalisten zu machen, sich auf einen Dialog mit ihnen einzulassen:

Sagen Sie uns, was Sie von der Schwerpunktausgabe der FR vom Freitag, 6. Juli, zum Thema Klimawandel halten. Und nur von dieser Ausgabe! (…)

Bitte erwarten Sie nicht, dass die Redaktion mitdiskutiert. Ihre Meinung, liebe Leserinnen und Leser, ist uns wichtig, aber die Redaktion ist schon dabei, die nächste Ausgabe der FR zu produzieren, und auf diese Aufgabe soll sie sich meiner Meinung nach konzentrieren. Ich werde im Rahmen meiner Möglichkeiten jedoch ansprechbar sein.

[via The Daily Mo]

Auch doof

Bisschen merkwürdig ist es schon, dass die „Welt“ heute ein Interview mit dem lustigen Franzosen Alfons bringt und ihm die Überschrift
„Manchmal bin ich auch doof“ gibt.

Nicht nur, weil dasselbe Interview, anders gekürzt, gestern schon in der „Frankfurter Rundschau“ stand. Und nicht nur, weil es auch dort schon die Überschrift „Manchmal bin ich auch doof“ hatte.

Sondern vor allem, weil der Satz „Manchmal bin ich auch doof“ in der „Welt“-Version des Interviews gar nicht vorkommt.