Schlagwort: Henryk M. Broder

Als sie kamen, um die Kekse zu holen…

Vielleicht überlegen Sie sich vorab schon mal, ob ihnen ein treffender Vergleich einfällt: Falls eine regionale niederländische Gebäck-Spezialität namens „Judenkuchen“ nicht mehr verkauft wird, dann ist das wie…?

Aber arbeiten wir uns zunächst an den Tatsachen ab. Der faktische Kern der Geschichte scheint der folgende zu sein: Der „Welt“-Autor Henryk M. Broder hat neulich am Amsterdamer Flughafen plötzlich keine „Jodekoeke“ (Judenkuchen) mehr bekommen. Er hat eine Verkäuferin gefragt, woran das liegt. Die konnte ihm das aber nicht sagen. Ende der Recherche.

Und Anfang einer weiteren Folge des Großen Fortsetzungsromans über den Fluch der „Political Correctness“. Denn an der, weiß Broder, muss es liegen. Die Niederländer würden nämlich gerade diskutieren, schreibt er in der „Welt“, ob sich ihre Regierung dafür entschuldigen sollte, dass die holländische Polizei den Nazis im Dritten Reich bei den Deportationen der Juden geholfen habe. Und deshalb (oder stattdessen, man weiß es nicht), wurde das Gebäck aus dem Flughafen entfernt, obwohl sich eigentlich niemand an dem merkwürdigen Namen gestört habe.

Bei den „Negerküssen“ zuvor sei es schon genauso gewesen (gut, vielleicht abgesehen davon, dass sich an dem Namen „Negerkuss“ durchaus Leute gestört haben, nicht zuletzt eben die so genannten „Neger“).

Broders Geschichte endet mit der für Judenkuchen-Freunde beruhigenden Information, dass die Judenkuchen gar nicht ganz abgeschafft oder gar verboten worden sind, sondern im normalen niederländischen Supermarkt weiter gekauft werden können. Das hat das Fachpersonal von „Welt Online“ nicht davon abgehalten, über Broders Stück zu schreiben:

POLITICAL CORRECTNESS

Erst der Negerkuss, jetzt der Judenkuchen

Jetzt also auch Holland im Griff der Political Correctness. Niemand beschwert sich drüber, aber plötzlich sind sie aus den Regalen verschwunden: die Judenkuchen.

Und damit sind wir am Ende des faktischen Teils und kehren zurück zur Eingangsfrage: Mal angenommen, die „Jodekoeke“ würden verschwinden. Was wäre dann ein guter Vergleich dafür?

Herr Broder wählte den folgenden:

Möglicherweisen erleiden die Judenkuchen nun das gleiche Schicksal wie die niederländischen Juden vor genau 70 Jahren, als etwa 110.000 der 140.000 jüdischen Einwohner des Königreichs deportiert wurden.

Broder stolpert über seine Sexfixiertheit

Das Gute an und für Henryk M. Broder ist, dass er wenigstens kein Amt hat, von dem er zurücktreten könnte, wenn sich herausstellt, dass er in einem Land lebt, das es verfassungsrechtlich erlaubt, ihn „Pornoverfasser“ zu nennen. Und im Moment sieht es danach aus. Das Berliner Landgericht hat Broders Klage gegen Evelyn Hecht-Galinski abgewiesen. Sie hatte in einem Brief, der im „Palästina-Portal“ veröffentlicht wurde, von

„Falschaussagen des ehemaligen ‚St. Pauli Nachrichten‘-Redakteurs, Pornoverfassers und heutigen ‚Spiegel‘-Redakteurs, Ausputzers der Israel-Lobby und Großinquisitors, Henryk M. Broder“

gesprochen. Broder, den man aufgrund seiner eigenen Rhetorik leicht mit jemandem verwechseln könnte, der für das Recht auch auf scharfe Polemik kämpft, ließ daraufhin sowohl Hecht-Galinski als auch den Betreiber der Internetseite, Erhard Arendt, abmahnen. Als sich Hecht-Galinski weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben, klagte Broder — und unterlag nun in erster Instanz.

Hecht-Galinski wies auf Broders „pornografisches Vokabular“ hin und zitierte unter anderem den Satz „Jetzt wichst zusammen, was zusammen gehört“, den die „Welt“ bei ihrem Abdruck von Broders kleiner BILDblog-Beschimpfung im vergangenen Jahr sicherheitshalber gestrichen hatte.

Broder argumentierte vor Gericht, er schreibe polemisch, aber nicht pornografsch. Während seiner Tätigkeit für die „St. Pauli Nachrichten“ habe er lediglich Artikel mit politischen, gesellschaftlichen, unterhaltsamen oder wirtschaftlichen Themen verfasst. Und sein Buch „Wer hat Angst vor der Pornografie“ sei nur ein Werk über Pornographie, aber nicht selbst pornografisch.

Das Gericht widersprach:

Liest man das Vorwort zu diesem Buch, so überrascht es bereits, dass der Kläger sich durch die Bezeichnung als ‚Pornoverfasser‘ herabgesetzt und in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt, schreibt er dort doch über die gesellschaftlich befreiende Wirkung von Pornografie und tut kund, dass er Pornografie für emanzipatorisch halte. Er definiert in dem Buch Pornografie als „die optische, textliche oder akustische Vermittlung der Teilnahme am Sexualleben der dargestellten Personen“ (S. 14). Dass dies in dem Buch zumindest auch stattfindet, erscheint der Kammer unbestreitbar. In dem Buch finden sich an verschiedenen Stellen Fotos von kopulierenden Paaren (S. 14 ,29, 31, 33, 38).

Werden solche Bilder und die zugehörigen Texte aber veröffentlicht, so liegt es im Bereich der Wertung, ob der Verfasser als „Pornoverfasser“ bezeichnet wird.

Somit handle es sich bei dem Wort, das Broder verboten wissen will, nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung — und zwar eine zulässige. Das Gericht stellt fest:

dass der Kläger [Broder] sich in der Vergangenheit sowohl über die Beklagte als auch über andere Personen, die andere Auffassungen vertreten als er, in unflätiger und unsachlicher, z. T. auch grob verletzender Weise geäußert [hat], wie sich aus den gewechselten Schriftsätzen samt Anlagen eindrucksvoll ergibt. So hat er z. B. gesagt, die Auftritte der Beklagten seien hysterisch, ihre Leserbriefe wirr. Zeitlich nach der hier streitgegenständlichen Äußerung hat er die Beklagte als „hysterische, geltungssüchtige Hausfrau“ bezeichnet, was noch zu den harmloseren Äußerungen des Klägers über andere Menschen gehört.

Auch daran wird aber deutlich, dass der Kläger sich nicht scheut, in Auseinandersetzungen, auch wenn sie in erster Linie politische Themen betreffen, zu persönlich diffamierenden Mitteln und Bezeichnungen zu greifen. Dies schränkt seinen eigenen Persönlichkeitsschutz gegenüber potentiell unsachlichen und herabsetzenden Äußerungen deutlich herab. Wer das Recht der freien Meinungsäußerung in der Weise benutzt wie der Kläger, muss sich auch selbst deutliche Kritik an seiner Person gefallen lassen.

Lustig, die Argumentation musste sich auch schon „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann anhören. Aber weiter zu Broder:

Hinzu kommt, dass der Kläger eine besondere Vorliebe für eine Ausdrucksweise mit sexuell drastischen und dem Genitalbereich entstammenden Begriffen hat, die er auch benutzt, wenn es gar nicht um sexuelle oder verwandte Themen geht, so dass auch politische und andere Diskussionen immer wieder mit sexuellen Konnotationen aufgeladen werden.

Broder hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

Broder ohne Fußnoten

Das Kölner Landgericht hat in der vergangenen Woche eine einstweilige Verfügung gegen Henryk M. Broder mit einer Einschränkung bestätigt: Er darf Evelyn Hecht-Galinski nicht als „antisemitisch“ bezeichnen, wie er es in einem Beitrag auf der von ihm mitbetriebenen Seite „Die Achse des Guten“ getan hatte, wenn er diesen Vorwurf nicht konkret belegt.

Im „Kölner Stadtanzeiger“ berichtet der stellvertretende Online-Chef Tobias Kaufmann unter der Überschrift „Broder mit Fußnoten“ über das Urteil und kommentiert es kritisch. Und ich frage mich, ob Kaufmann wohl wenigstens gezögert hat, als er schrieb:

Der Publizist Broder hatte auf der Internetseite „Die Achse des Guten“, die er mitbetreibt, einen offenen Brief an WDR-Intendantin Monika Piel veröffentlicht.

Denn Mitglied von Broders „Achse des Guten“, die sich als „publizistisches Netzwerk“ bezeichnet, ist auch… der stellvertretende Chef von ksta.de und Autor des Artikels, Tobias Kaufmann. Fleißig veröffentlicht er dort Artikel, vor Jahren hat er auch schon auf Broders Homepage Gastbeiträge geschrieben.

Ich habe bei Tobias Kaufmann nachgefragt, ob er nicht meint, „dass im Sinne der Transparenz ein Hinweis auf diese Nähe zu dem Objekt Ihrer Berichterstattung hilfreich gewesen wäre“. Er antwortete mir:

Ja, es ist schwerer und medienethisch heikel, über Personen oder Dinge zu schreiben, wenn man nicht vollkommen außen vor ist. Andererseits ist es bei Themen, die sehr speziell sind, schwierig, nur auf Berichterstatter zurückzugreifen, die mit der Sache gar nichts zu tun haben. Die Prozesse zwischen Broder und seinen Kontrahenten sind ein solcher Fall, weil die Frage „Gibt es jüdischen Antisemtisismus oder nicht?“ durchaus etwas Detailwissen erfordert. Nur, weil ich Herrn Broder kenne und ihm verbunden bin, das Thema jemandem zu überlassen, der die Vorgeschichte nicht kennt, wäre also nicht die richtige Lösung gewesen.

Davon abgesehen haben Sie theoretisch natürlich recht: Man hätte unter dem Text darauf hinweisen können, dass ich wie Broder Mitglied der Achse bin. Aber wir schreiben beim Stadt-Anzeiger in der Regel keine Erläuterungen über fest angestellte Redakteure unter deren Texte (anders als bei Gastautoren) – und mir wäre auch nicht bekannt, dass das bei anderen Tageszeitungen üblich ist.

Zudem: Mein Artikel ist kein Bericht (also keine neutrale Tatsachenbeschreibung), sondern eine Kolumne, die an dem dafür vorgesehenen Platz veröffentlicht und durch zwei Links zu weiterführenden, sachlichen Berichte ergänzt wurde. Außerdem ist die nicht zu leugnende „Nähe zum Objekt meiner Berichterstattung“ aus meiner Sicht dadurch abgefedert, dass ich einen betont distanzierten Text geschrieben habe, der im konkreten Fall wohl kaum als eindeutige Parteinahme für Broder verstanden werden kann.

Schließlich und endlich: Ich glaube nicht, dass Leser, die sich mit dem Thema schon mal befasst haben, die von Ihnen angesprochene Transparenz über einen solchen Hinweis benötigen. Es weiß ohnehin jeder, wo, wann und wie ich mich im „Anti-Antisemitismus-Streit“ im Netz positioniere. Die Leserpost, die ich zu dem Thema bekomme, ist stets entsprechend eindeutig.

Entschuldigung: Was für ein Geeiere. Ein Mitglied der „Achse des Guten“ schreibt über einen Rechtsstreit wegen eines Artikels auf der „Achse des Guten“, und mag das nicht wenigstens kenntlich machen, weil man das beim „Stadtanzeiger“ nicht macht und der Artikel ja auch nicht sooo kommentierend ist und die, die es wissen, es ja wissen? Und alles nur, um nicht eine einzige, schlichte, ehrliche Fußnote über die eigene Verbindung hinzuzufügen?

Clemens Wergin, der das Urteil in der „Welt am Sonntag“ im Sinne Broders kommentierte, scheint übrigens ebenfalls ein, sagen wir: guter Kumpel der Gutachsisten zu sein. Und auch Alex Feuerherdt, der im „Tagesspiegel“ über das Urteil schrieb, ist regelmäßig Gast auf der „Achse des Guten“.

Echte Netzwerker. Das eigentlich Komische ist, dass diese Leute dabei immer noch so tun, als seien sie einsame Einzelkämpfer, die mühsam gegen den Mainstream der veröffentlichten Meinung anschwimmen.

[Disclosure, natürlich: Henryk M. Broder und ich haben schon mehrmals unfreundlich übereinander geschrieben.]

Henryk M. Broders Kastrationsängste

Henryk M. Broder hat ein Problem mit Tanja Krienen. Er schrieb, ihre „Passion“ sei die „gesellschaftliche Anerkennung der Pädophilie“, empfahl „alleinreisenden Kindern“, einen weiten Bogen um ihren Wohnort zu machen, und nannte sie „eine dumme, ekelhafte, antisemitische schlampe“.

Aber Henryk M. Broder hat es nicht dabei belassen, ihre (tatsächlichen oder unterstellten) politischen Vorstellungen anzugreifen. Henryk M. Broder hat nämlich noch ein anderes Problem mit Tanja Krienen. Sie ist transsexuell.

Dass es so etwas gibt: Menschen, deren gefühltes Geschlecht nicht mit ihrem Körper übereinstimmt, scheint Broders Vorstellungskraft zu übersteigen. Vielleicht empfindet er es als Bedrohung. Vielleicht als Perversion. Vielleicht auch nur als Witz, „Charleys Tante“, man kennt das ja.

Jedenfalls wird Tanja Krienens Transsexualität irgendwann zu seinem Haupt-„Argument“ gegen Tanja Krienen. Er nennt sie „Herr Krienen“ oder „Frau bzw. Herr Krienen“, vergleicht sie mit „Opfern von medizinischen Versuchen“ und schreibt „von einem/einer, der/die nicht weiß, ob er/sie sich zum Pinkeln hinstellen oder hinhocken soll“:

„Sie bzw. er ist naemlich ein antisemitischer Schlamperich und ein weiterer Beweis dafuer, dass man einem Antisemiten brain and balls wegoperieren kann.“

In privater Korrespondenz schrieb er nach Angaben Krienens:

„herr krienen, den Vorwurf, sie seien ‚eine dumme, ekelhafte, antisemitische schlampe‘ nehme ich zurueck. sie sind ein dummer, ekelhafter, antisemitischer schlamper. oder wie man es im amerikanischen geschlechtsneutral sagt: the scum of the world.“

„fraeulein krienen, zu schade, dass ich mich bei ihnen nicht mit einem tritt in die eier bedanken kann, sie verbloedeter paedo-eunuch. b.“

„Den Schwanz hast du schon weg und alles andere bist du auch bald los.“

„kriegen sie erstmal ein kind, dann reden wir weiter.“

Das Landgericht Dortmund hat es Broder gestern untersagt, Frau Krienen als „antisemitischen Schlamperich“ zu bezeichnen oder sich über ihre Transsexualität lustig zu machen, indem er sie „Herr Krienen“ oder „Herr/Frau Krienen“ anredet.

Henryk M. Broder ist Börne-Preisträger und Autor für „Spiegel“ und „Spiegel Online“.

Nachtrag, 30. Mai: Laut „Tagesspiegel“ will Broder Berufung gegen das Urteil einlegen.

 

Weitere Berichte über das Urteil:
„Westdeutsche Allgemeine Zeitung“: Maulkorb für Broder
„Westfalenpost“: Böse Worte auf „Achse des Guten“
Erhard Arendt: „Komödiantenstadl“ vor dem Dortmunder Landgericht
WDR2: Regionalnachrichten Dortmund [Real Audio]
Henryk M. Broder: Niggemeiers faule Eier

Gehirnfasten mit Henryk M. Broder (2)

Henryk M. Broder weiß nicht, was ich mit diesem Eintrag sagen wollte, sieht keine Notwendigkeit, dass die Dinge, die er schreibt, auch stimmen, und antwortet unter dem Titel „Schweinchen Schlau ermittelt“:

(…) Niggemeiers Fanclub liegt (…) im Dunstkreis der „Böhsen Onkelz“ oder hinter der Spatenbräu-Festhalle („Ochsen aller Art“) auf der Wiesn. Jetzt hat er sich wieder einen abgequält. Um zu beweisen, dass eine „Islamisierung Westeuropas“ nicht stattfindet, hat er ein paar Sätze aus einem Text von mir in seine Einzelteile zerlegt und dabei herausgefunden, dass es sich um einen Text von mir handelt. Eine erstaunliche Erkenntnis, die er nicht nur mit Suggestionen, Unterstellungen und Erfindungen anreichert, sondern auch in entscheidenden Details korrigiert. (…)

Was also will der Schmock? Keine Ahnung. (…) vielleicht war es nur die Fingerübung eines bedeutenden Medienjournalisten, der für größere Aufgaben trainiert. Wie wir alle wissen, gibt es bis heute keinen Hinweis darauf, dass Hitler die Endlösung der Judenfrage persönlich befohlen hat. Zumindest gibt es kein Dokument darüber, das seine Unterschrift trägt.

Ebenso fehlt es an objektiven Quellen, die zweifelsfrei belegen, dass der Massenmord an den Armeniern wirklich stattgefunden hat und nicht von Franz Werfel imaginiert wurde.

Es könnte sein, dass es sich dabei nicht um Erfindungen handelt, aber das letzte Wort in solchen Mediengeschichten müssen wir Sesselpupsern und Korinthenkackern wie Niggemeier überlassen.

Gehirnfasten mit Henryk M. Broder

Er muss sich kein Freisemester nehmen, der Henryk M. Broder, wenn er für „Spiegel Online“ wieder einmal einen langen Text über die angeblich fortschreitende Islamisierung Westeuropas verfasst. Ungefähr alles, was er zu dem Thema zu sagen hat, hat er schon viele Male gesagt, auch auf „Spiegel Online“. Es ist ein fröhliches Copy & Paste, und dagegen wäre nicht einmal etwas zu sagen, wenn nicht einige dieser recycelten Textbausteine entweder falsch oder zumindest unbelegt wären. Oft sind die einzigen Quellen, die sich für die Informationen finden lassen, fanatische und notorisch unwahre Seiten wie „Politically Incorrect“. Oder Broder selbst. Oder „Politically Incorrect“, das Broder zitiert. An manchen Stellen wird der vielfache Zirkelschluss so überzeugend, dass ich wetten würde, dass Broder selbst am Ende die Dinge glauben würde, die er selbst erfunden hätte.

Heute schreibt Broder also:

Derweil gab die BBC in ihrer Internet-„Section on Islam“ eine Neuerung bekannt: Wann immer der Name des Propheten erwähnt werde, solle sogleich der Zusatz folgen: „Peace be upon him“, der Friede sei mit ihm. Das, erklärte ein Sprecher der BBC, sei man einer „fairen und ausgewogenen“ Darstellung des Islam schuldig.

Vor nicht einmal acht Wochen formulierte er an gleicher Stelle:

Wesentlich weiter geht die BBC in ihrer Internet-„Section on Islam“. Wird der Name des Propheten erwähnt, folgt sofort der Zusatz: „Peace be upon him“, der Friede sei mit ihm. Das sei man einer fairen und ausgewogenen Darstellung des Islam schuldig.

Damals fügte er noch hinzu:

Einen aufregenden Praxistest dürfte die Sprachregelung bestehen, wenn die BBC über einen Selbstmordanschlag gläubiger Muslime berichtet, deren letzte Worte ihrem barmherzigen Gott Allah und seinem Propheten, Peace be upon him, galten.

Anders als Broders Text behauptet, stammt diese Praxis nicht aus dem Jahr 2007, sondern gilt mindestens seit März 2006. Vor allem aber wird es zu Broders „Praxistest“ nicht kommen, denn die Sprachregelung bezieht sich ausschließlich auf die BBC-Seiten, auf denen die islamische Religion sich, ihre Praktiken und ihren Glauben erklärt und vorstellt. Auf Nachrichten bezieht sie sich nicht. Die BBC schreibt unmissverständlich:

We decided that a less biased and more consistently fair approach would be to write about each faith from the point of view of that faith — so that our explanatory pages were in essence, a particular religion explaining itself to the reader. From that position it made sense to use pbuh [peace be upon him] on pages explaining Islam.

Ein weiterer Fall aus Broders Zwischenablage:

Etwas weiter südlich, in Zürich, wurden die Polizisten aufgefordert, sich mit der islamischen Kultur vertraut zu machen, indem sie im Ramadan freiwillig einen Tag lang auf Essen und Trinken verzichten.

Oder wie er vor zwei Monaten schrieb:

Auch die Polizisten der Stadt Zürich sind aufgefordert worden, sich mit der islamischen Kultur vertraut zu machen, indem sie im Monat Ramadan freiwillig einen Tag lang fasten. Das Interesse an diesem Vorschlag soll aber angesichts des kulinarischen Angebots in Zürich gering gewesen sein.

Wurden die Polizisten wirklich „aufgefordert“, einen Tag zu fasten? Richtig ist: Die Polizeichefin hatte ihre Leute zu einem gemeinsamen Fastenbrechen mit Muslimen eingeladen. Der „Tagesanzeiger“ berichtete:

Auf dem Programm stehen eine Ansprache der Polizeiseelsorgerin, die Erfahrungen eines muslimischen Polizisten, der Ruf des Muezzins sowie ein gemeinsames Abendgebet samt Abendessen mit Sufi-Musik.

«Der Anlass gibt die Möglichkeit, sich mit ansässigen Musliminnen und Muslimen zu unterhalten und über ihren Alltag mehr zu erfahren», schreibt Maurer.

Das klingt für mich sehr unskandalös, und wenn es so war, ist Broders Witz, dass „angesichts des kulinarischen Angebots in Zürich“ niemand gekommen sei, besonders dumm. Es ist ein Festmahl, das im Ramadan nach Sonnenuntergang aufgefahren wird!

Ich würde auch gerne eine vertrauenswürdige Quelle für diese Aussage Broders finden:

Zugleich [vor dem 11. September 2007] wurden die Brüsseler Polizisten angewiesen, während des Fastenmonats Ramadan nicht in der Öffentlichkeit zu rauchen oder zu essen, um die religiösen Gefühle der Muslime nicht zu verletzen.

Auch die stand schon vor zwei Monaten auf „Spiegel Online“:

(…) zugleich hat seine Verwaltung die Polizisten in der Hauptstadt Europas angewiesen, während des Fastenmonats Ramadan nicht in der Öffentlichkeit zu rauchen oder zu essen, um die religiösen Gefühle der Muslime nicht zu verletzen.

Und bei der Suche nach der Quelle findet man vor allem: Broder. Ein Interview im Deutschlandfunk, ein Gespräch mit blauenarzisse.de. Ich habe im Internet nur einen möglichen Urheber der Geschichte gefunden: Christian Ortner, einen Kolumnisten der „Wiener Zeitung“. Er schrieb am 31. August 2007:

Brüssel hat mittlerweile eine so umfangreiche muslimische Wohnbevölkerung, dass etwa biedere flämische Polizisten ohne jeden „Migrationshintergrund“ von ihren Vorgesetzten angehalten werden, während des Ramaddan nicht in der Öffentlichkeit zu essen oder zu rauchen.

Auf Ortners Artikel scheinen sich viele rechte und anti-islamische Seiten zu berufen, die die Geschichte weitererzählen. Aber auch Ortner nennt keine Quelle.

Um es deutlich zu sagen: Ich kann nicht ausschließen, dass sie stimmt. Womöglich tut sie es. Ich finde es aber erstaunlich, dass sich dafür in den Nachrichtenagenturen oder Zeitungsarchiven kein Hinweis finden sollte. Nur Broder erzählt sie so lange, bis sie Tatsache geworden ist. Wie das Märchen von den Banken, die keine Sparschweine mehr ausgeben, um die Gefühle von Moslems nicht zu verletzen.

Nachtrag, 22:00 Uhr. Spurensuche in Sachen Essverbot für Brüsseler Polizisten im Ramadan. Es könnte sein, dass es sich nicht um eine Erfindung handelt, aber dann gilt es offenbar nicht in ganz Brüssel, wie Broder schreibt, sondern nur im Vorort Molenbeek, und stammt nicht aus dem vergangenen Jahr, wie Broder schreibt, sondern von 2005.

Broder? Oder!

Am 19. Februar soll das Video-Online-Portal „Watchberlin“ auf Sendung gehen. Dahinter steckt Walid Nakschbandi, Geschäftsführer der Fernsehproduktionsfirma AVE und bei Holtzbrinck offenbar zuständig für neue Internet-Projekte, die mehr mit Content als Community zu tun haben. Außer Berlin hat er sich schon die Titel und Domains für ähnliche Namen mit Hamburg, München und einer Reihe anderer deutscher Städte gesichert. Für „Watchberlin“ werden seit einigen Wochen in Anzeigen VJs und Praktikanten gesucht.

Erste „Watchberlin“-Videoblogs kann man sich jetzt schon auf Myspace ansehen. „crashtest“ heißt die Rubrik von „Dummy“-Chefredakteur Oliver Gehrs, der hier nett noch einmal über die Erstausgabe von „Vanity Fair“ lästert. Buddy Murat und Maher besuchen einen Sprayer-Laden in Schöneberg, und als „Berliner Original“ stellt sich Günter „Keule“ Schmidtke vom Clärchens Ballhaus vor.

Und weil das Internet bekanntlich ein Medium ist, in dem zunehmend auf dem Niveau von Kannibalen-Selbsthilfegruppen diskutiert wird, kommt auch „Watchberlin“ nicht ohne Henryk Modest Broder aus. „Broder, oder!“ heißt sein Videoblog, in dem er sich als „Kitschsammler“ ausgibt und geschmacklose Marien-Figuren und Schneekugeln mit Papst oder Jesus zeigt. Warum? Um zu fordern, dass wir so lange nicht mit unseren „moslemischen Brüdern und Schwestern“ diskutieren, bis das „auf gleicher Augenhöhe“ geschehen kann — bis also der Islam eigenen Kitsch produziert. Denn:

„Kitsch ist Menschlichkeit.“

Ah ja.

Ich habe länger nach einem freundlichen Adjektiv gesucht, um diese Argumentation zu beschreiben. Mir ist nur „originell“ eingefallen.

Am Ende seines Videoblogs holt Broder noch ein Plastiksparschwein hervor und sagt, dass es sein könne, dass es „dieses kleine hübsche Schwein bald nicht mehr geben wird“.

„Es gibt schon Sparkassen, die es nicht mehr ausstellen. Aus Angst, die Gefühle der Moslems zu verletzen.“

Ach. Gibt es? Wo?

Die Sparschwein-Geschichte hat Broder schon einmal bei „Spiegel Online“ verbreitet. Sie taucht auch bei diversen antiislamischen Hassbloggern auf, in deren Nähe Broder sich gerne aufhält.

Vielleicht meint Broder eine Geschichte aus Großbritannien, die vor eineinhalb Jahren für Aufsehen sorgte — und längst dementiert ist. Vielleicht meint er aber auch eine große deutsche Bank, die statt Sparschweinen Sparelefanten in Umlauf bringt. Seit mindestens 20 Jahren.

Doof wie Broder

Der zentrale Satz von Henryk Broder, der im „Tagesspiegel“ aus unerfindlichen Gründen etwas über die Seuche Internet schreiben durfte, lautet:

Wenn die „New York Times“ denselben Zugang zur Öffentlichkeit hat wie eine Kannibalen-Selbsthilfegruppe, wird sich die Öffentlichkeit auf Dauer nicht auf dem Niveau der „New York Times“ einpegeln, sondern auf dem der Kannibalen-Selbsthilfegruppe.

Herr Broder erklärt uns nicht, warum das so ist.

Vielleicht hat er den Satz erst hingeschrieben, weil er ihm auf irgendeine irrationale Art plausibel erschien, dann darüber nachgedacht und festgestellt, dass ihm kein Beleg dafür einfällt, und ihn dann achselzuckend ohne Begründung stehengelassen. Wahrscheinlich ist, dass er gar nicht erst darüber nachgedacht hat.

Welches Niveau haben Kannibalen-Selbsthilfegruppen eigentlich?