Schlagwort: Homophobie

Der Unterschied zwischen Schwulen-Gegnern und Schwulen-Gegner-Gegnern

Gegen Ende ihrer Talkshow wollte Sandra Maischberger demonstrieren, wie hoch die Emotionen auf beiden Seiten der Debatte gehen.

Sie zitierte aus Kritik, die das Publikum gegenüber dem Deutschlandfunk einerseits und ihrer Redaktion andererseits äußerte. „Dem Deutschlandfunk wurde im Prinzip vorgeworfen, zu schwulenfreundlich zu sein“, sagte sie. „Uns wurde im Vorfeld der Sendung vorgeworfen, zu schwulenfeindlich zu sein. Und das Interessante ist dabei“ — sie zögerte und schaute betroffen in die Kamera — „die Wahl der Worte.“

Dann zeigte sie Beispiele. Einerseits:

„Homosexualität ist und bleibt pervers. In vielen Ländern ist sie bei Strafe verboten. Sie war es bei uns auch, als es noch keine falsch verstandene Liberalität gab.“

„Homosex ist nicht die Norm der Schöpfung.“

„Mich würde interessieren, wie eine Gesellschaft, die einheitlich auf die gleichgeschlechtliche Ehe setzt, die späteren Renten finanzieren will.“

Andererseits:

„Keine Plattform für Homo– und Transhasser.“

„Von Lesben und Schwulen geht keine Gefahr aus! Hier wird keiner umerzogen! Es droht auch nicht der Niedergang des Abendlandes, nur weil man über sexuelle Vielfalt informiert.“

„Beim Thema Homosexualität darf jeder zu Wort kommen, egal welchen Hass er predigt.“

Sie las hinterher noch weitere Beispiele vor, von der „einen Seite“ und von der „anderen Seite“, und suggerierte, dass die Extreme auf beiden Seiten natürlich gleichermaßen zu verurteilen seien.

Und löschte damit die Resthoffnung aus, dass sie wenigstens im Ansatz verstanden haben könnte, was so kritikwürdig an der Konstellation der Sendung und ihrer Ankündigung war.

Die Deutschlandfunk-Kritiker verurteilen Menschen für das, was sie sind: homosexuell.

Die „Maischberger“-Kritiker verurteilen Menschen für das, was sie tun: Homosexuelle diskriminieren.

Das ist nicht dasselbe. Das hat nicht dieselbe Qualität. Objektiv nicht.

Wir können darüber streiten, was der richtige Umgang mit Menschen wie Birgit Kelle und Hartmut Steeb ist. Ob ihre Positionen richtig sind oder wenigstens satisfaktionsfähig oder nicht. Wir können darüber streiten, ob die Schmähungen, denen sie ausgesetzt waren, angemessen oder übertrieben waren. Aber Gegenstand der Diskussion ist, welche Positionen sie vertreten.

Wir können auch über darüber streiten, ob die Kritik an Maischberger berechtigt war. Sie entzündete sich vor allem an der Art, wie sich ihre Redaktion im Vorfeld die Thesen der Verfechter einer vermeintlich traditionellen Moral zu eigen machte.

Es sind Angriffe darauf, wie Menschen handeln und welche Positionen sie vertreten. Das ist die eine Seite.

Und die andere Seite sagt: Ihr seid weniger wert, weil ihr lesbisch oder schwul seid. Ihr seid krank. Eure Liebe müsste man verbieten (wie es in vielen Ländern geschieht). Es sind Angriffe auf die Identität von Menschen.

Das ist nicht dasselbe. Das sind nicht zwei gleichartige Extreme, hier die übertriebenen Schwulenhasser, da die übertriebenen Schwulenfreunde. Es sind zwei völlig unterschiedliche Arten von Angriffen.

Nicht für Sandra Maischberger. Sie präsentierte vermeintlich schlimme Zitate von beiden Seiten und war schockiert über die Wahl der Worte, auf beiden Seiten.

(Ich wüsste gern, was an dem zweiten Zitat der Maischberger-Kritiker überhaupt problematisch ist, aber um das zu verstehen, muss man vielleicht in einer Redaktion arbeiten, die es tatsächlich zunächst unproblematisch fand, der Sendung den Titel zu geben: „Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische Umerziehung?“ Es gab da in der Sendung selbst nicht den Hauch einer Andeutung von Einsicht, warum das heikel sein könnte, oder gar Selbstkritik.)

Ich halte den „Waldschlösschen-Appell gegen die Verharmlosung homosexualitätsfeindlicher Diffamierungen“, wie gesagt, für problematisch. Weil man ihn so verstehen kann, als sollten bestimmte, missliebige Positionen aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen werden. Aber er hat das Ziel, genau das zu verhindern, was bei Maischberger nicht nur passierte, sondern von der Moderatorin auch noch aktiv gefördert wurde: Dass der Eindruck entsteht, Diskriminierung von Minderheiten und Nicht-Diskriminierung von Minderheiten seien zwei gleichwertige Positionen oder „Meinungen“, die man in einem Duell gegeneinander antreten lassen kann. Als sei „zu schwulenfreundlich“ ein natürlicher und sinnvoller Gegensatz zu „zu schwulenfeindlich“ und das gesunde Maß irgendwas in der Mitte. Und als sei nicht „schwulenfeindlich“ an sich schon eine Haltung, die im öffentlichen Diskurs so inakzeptabel sein sollte wie „ausländerfeindlich“, „frauenfeindlich“ oder „schwarzenfeindlich“, ohne dass man sie überhaupt steigern müsste.

Und so bleibt von dieser ARD-Talkshow dank Sandra Maischberger die Botschaft, dass wir es nicht übertreiben sollten: Nicht mit der Akzeptanz von Schwulen und Lesben und nicht mit ihrer Ablehnung.

Und wenn Sie diesen letzten Satz für sinnlos halten, dann haben Sie es schwer in der Redaktion von Sandra Maischberger, die jeden Dienstag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland eine Talkshow moderiert.

Homophobie ist heilbar

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie oft Heterosexualität zur Schau gestellt wird? Paare, die händchenhaltend flanieren; Kolleginnen, die auf der Arbeit von ihrem Freund erzählen; Politiker, die auf Wahlplakaten mit Frau und Kindern posieren; Tanten, die ihren Neffen fragen, ob er schon eine Freundin hat. Wenn Thomas Hitzlsperger aber nicht länger verheimlichen möchte, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt; wenn lesbische, schwule, trans– und intergeschlechtliche Personen in der Schule berücksichtigt werden wollen, dann fühlen sich viele belästigt oder bedroht. In Leserkommentaren ist von »Modeerscheinung« die Rede, von »permanentem Outing«. Menschen, denen die Allgegenwärtigkeit von Heterosexualität gar nicht auffällt, wird es zu intim, selbst wenn es gar nicht um Sex geht.

Warum ist das so, woher kommt diese Abneigung? Vor allem drei Faktoren beeinflussen die Entstehung von Homophobie: rigide Geschlechternormen, eine fundamentalistische Religiosität und Unkenntnis.

Der Sozialpsychologe Ulrich Klocke hat auf „Zeit Online“ ein wunderbar entspanntes, erkenntnisreiches Stück über den Stand der Forschung geschrieben, warum Menschen Homosexualität ablehnen und was dagegen hilft. Unbedingt lesen!

Und dazu passend auch hier noch einmal verlinkt: Die bewegende Rede der irischen Drag Queen Panti Bliss (alias Rory O’Neill) über die Allgegenwart von Schwulenfeindlichkeit. (Mehr über die Vorgeschichte hier.)

Wie die Eurovision Schwulenfeinden nicht entgegentritt

Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dass sich meine Verachtung für die Europäische Rundfunkunion (EBU) nach ihrem Kotau vor der aserbaidschanischen Regierung noch steigern lassen könnte. Tatsächlich ist das gerade passiert.

Heute haben Hacker die Grand-Prix-Nachrichten-Seite esctoday.com zerstört. Sie hinterließen unter anderem eine Grafik mit folgendem Text:

“Was bringen Schwule nach Aserbaidschan? Was wird in aserbaidschanischen Familien nach der Gay Parade passieren? Es gibt keinen Platz für unmoralische Schwule in Aserbaidschan. Verlasst unser Land. Kein Platz in Aserbaidschan für Schwule, die aussehen wie Tiere.”

Das Eurovisions-Blog von „Prinz“ hat daraufhin die EBU als Veranstalterin des Eurovision Song Contest um eine offizielle Stellungnahme gebeten. Die Kollegen erhielten folgende Antwort:

„Es ist natürlich sehr bedauerlich für diese Websites und die engagierten Leute, die sie betreiben, dass sie die Angriffe von Hackern erleiden. Diese sehen den Grund für ihre Taten in unkorrekten Informationen. Wir sind hier, um den Eurovision Song Contest zu organisieren, und nicht eine Gay Parade. Wie immer existiert ein solides Sicherheitskonzept für den Eurovision Song Contest, und wir haben bereits im vergangenen Jahr entsprechende Garantien von den relevanten Behörden erhalten, unterschrieben vom Premierminister Aserbaidschans. Wir haben Vertrauen in ihre Arbeit und freuen uns auf einen erfolgreichen Eurovision Song Contest 2012 in Baku.“

Mal abgesehen von der holprigen Übersetzung:

Das Problem besteht nach Ansicht der EBU nicht darin, dass Leute etwas gegen Schwule haben und tun, sondern dass sie den Eurovision Song Contest mit einer schwulen Veranstaltung verwechseln?

Die EBU verurteilt nicht die Homophobie, sondern bedauert das (nur bedingte) Missverständnis, den Grand-Prix für schwul zu halten?

Die EBU ruft nicht: „Lasst uns gemeinsam gegen Schwulenfeinde und für Toleranz und Akzeptanz kämpfen“, sondern: „Wir sind gar nicht schwul“?

Und dann ist es ihr nicht einmal peinlich, dem noch das übliche PR-Gewäsch hinzuzufügen, dass ja nichts passieren kann, weil es ihr die Regierung Aserbaidschans ja versprochen hat?

Der Tag kann nicht mehr fern sein, an dem die EBU sich bei ihrem fortschreitenden Bemühen, sich zu nichts zu verhalten, auch von sich selbst distanziert. Dann wird sie erklären, nichts mit sich zu tun zu haben, aber darauf zu vertrauen, dass irgendwelche Regierungen zu ihren Garantien stehen, dass alles gut sein wird. Mit etwas Glück löst sie sich zeitgleich auf.

Die EBU ist eine Vereinigung von Rundfunkanstalten mit öffentlichem Auftrag. Deutsche Mitglieder sind ARD und ZDF.