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Dschungeltexter Jens Oliver Haas: „Ein Jahr Pause wäre jetzt gut für das Format“


Georgina, Olivia Jones. Fotos: RTL

Am vergangenen Wochenende lief das Finale von „Ich bin ein Star — holt mich hier raus“. Jens Oliver Haas, der seit der ersten Staffel die Moderationstexte für die Dschungelshow schreibt, ist schon auf dem Rückflug nach Hause. Unterwegs hat er mir noch einige Fragen per E-Mail beantwortet.

Im Rückblick: War 2013 ein guter Jahrgang?

Es war ein wunderbarer Jahrgang. Die Hanglage der Kandidaten hat sich ausgezahlt — aber trotzdem fehlte mir das Gefälle. Um im Bild zu bleiben: Es war mir zu ausgewogen. Da fehlte das intellektuelle Gefälle und der clash of cultures, wie wir es zum Beispiel bei meinen persönlichen Lieblingsstaffeln zwischen Rainer Langhans und Sarah Knappik oder zwischen Ingrid van Bergen und Giulia Siegel hatten. Da hatte ich mir speziell von Helmut Berger, Arno Funke und Olivia Jones mehr erwartet. Aber Helmut hat uns verlassen, bevor er zu sich kam, Arno hat sich als sehr farblos erwiesen und Olivia war einfach zu sehr damit beschäftig Olivia zu sein, um den Oliver mal punkten zu lassen.

Die Zahl der echten Prominenten schien in diesem Jahr besonders klein zu sein. Die Viert- oder Fünftplatzierten von DSDS, „Germanys Next Topmodel“, „Der Bachelor“… Anscheinend tat das dem Interesse an der Show und ihrer Unterhaltsamkeit aber gar kein Abbruch. Hat Dich das überrascht? Braucht die Show gar keine echten Stars, um zu funktionieren?

Ich glaube, es gibt keine falschen Kandidaten — es gibt nur falsche Mischungen. Im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel ausgezeichnete Kandidaten — jeder für sich war ein Knaller. Aber in der Masse hatten wir einfach zu viele Camper, die schlecht oder gar nicht Deutsch sprachen. Der Dschungel lebt zum größten Teil nicht von den Prüfungen und Schatzsuchen, sondern von dem, was zwischen den Kandidaten passiert und sich entwickelt. Und das beginnt, entwickelt sich und endet immer in Dialogen.

Ansonsten ist es ein Trugschluss, dass man Kandidaten kategorisieren kann. Es gab relativ unbekannte Kandidaten wie zum Beispiel Nico Schwanz, die im Format hervorragend funktioniert haben. Es gab andere wie Rocco Stark, die nur für das Format funktioniert haben — hier durch die Liebesgeschichte mit Kim Debkoswki oder seine Halbbrüder. Und es gibt Kandidaten wie Arno Funke, die nur für ein paar gute Wortspiele zum Auftakt gut sind und dann in aller Stille verpuffen. Da jetzt eine Erkenntnis draus ziehen zu wollen, die sich auf den nächsten unbekannten Aspiranten anwenden lässt, ist sinnlos.


Helmut Berger, Olivia Jones

Die Quote war hervorragend. Während fast alle anderen langjährigen RTL-Shows gerade (zugegeben: auf hohem Niveau) absacken, hat der Dschungel Rekorde gefeiert. Woran liegt das? Hat da der Name Helmut Berger gezogen?

Der Dschungel hat sich seinen Event-Charakter bewahrt. Zum einen, weil er einfach zu teuer ist, um ihn im Stile der Casting-Shows so oft zu duplizieren, bis sich das Genre erschöpft hat. Zum zweiten, weil es ihn — abgesehen vom medialen Vorgewitter — wirklich nur in 16 Tagen im Jahr gibt. Und zum dritten, weil es immer mal wieder eine Auszeit gab, die wieder großen Appetit auf die Show gemacht hat. So ungern ich das auch sage — jetzt wäre mal wieder ein Jahr Pause gut für das Format.

Und die Frage nach Helmut Berger beantwortet sich aus sich selbst heraus: Die Rekord-Quoten kamen erst, als Helmut schon gegangen war. Der Dschungel weckt nach wie vor das Gefühl: Wenn ich jetzt diese zwei Wochen nicht regelmäßig zuschaue… dann verpasse ich was. Dieser Eventcharakter, verbunden mit der Tatsache, dass wir innerhalb von 60 Minuten fast das gesamte Spektrum der aktuellen Fernsehunterhaltung abdecken, macht den Dschungel immer wieder so interessant.

Was ist ein „guter“ Kandidat für „Ich bin ein Star…“? Worauf kommt es an?

Ein gewisser Leidensdruck ist schon von Vorteil. Und er sollte kein zu großer und kontrollierter Medienprofi sein. Ein verzerrtes Selbstbild und eine damit verbundene Fallhöhe sind auch ganz hilfreich. Kleinere Störungsbilder werden gerne genommen, sollten aber nicht krankhaft oder akut sein. Ansonsten gilt wie bei allem: Nenn mir den Namen und ich sage dir, ob und warum ich ihn für einen guten Kandidaten halte. Es kann zwei Promis mit identischer Vita geben, von denen einer ein Traumkandidat und der zweite ein Totalausfall ist.

In früheren Staffeln gab es Anzeichen, dass sich das Prinzip langsam abgenutzt haben könnte, dass zum Beispiel die Kandidaten sich zu kalkuliert verhalten oder auch das Prinzip der ganzen Show sich abnutzt. Wie erklärst Du, dass das stattdessen immer noch funktioniert?

Das Prinzip der Show ist die Überraschung. Wenn ein Star gar nicht so ist, wie wir oder er selbst es gedacht haben. Wenn sich einer ganz anders entwickelt, als geplant, gehofft oder befürchtet. Das zuzulassen und zu begleiten ist die Show. Je mehr man glaubt, das im Griff zu haben oder im Griff haben zu müssen, desto weniger Spielraum gibt man der Sendung, sich selbst immer wieder neu zu erfinden.

Der Übergang von Dirk Bach zu Daniel Hartwich – wie wichtig war es, das in der ersten Folge richtig zu inszenieren? War womöglich die Neugier auf Hartwich auch ein Grund für die Leute einzuschalten?

Ich weiß bis heute nicht, ob wir es wirklich richtig inszeniert haben. Wir — also Autoren, Sonja und RTL — haben uns selbst vorgenommen, die erste Sendung erst vor Ort und mit den Eindrücken vor Ort zu bauen. Letztlich ist uns das nicht gelungen, weil Fernsehen halt doch von Planern gemacht wird und zu viele technische und organisatorische Dinge im Vorfeld entschieden werden mussten. Ich selbst wollte in der ersten Sendung viel mehr die bekannten und mit Dirk verbundenen Strukturen brechen und vielleicht sogar ganz beerdigen. Nicht nur, um Dirk zu ehren, sondern um der Sendung und Daniel Platz für eine Neuanfang zu schaffen. Das war das eine Extrem, das andere war der Vorschlag, einfach wie gewohnt weiter zu machen.

Am Ende wurde es ein Kompromiss, mit dem ich nicht glücklich war — ich hätte zumindest in der ersten Sendung den Begrüssungs-Schrei auf der Brücke weg gelassen und das Studio auf einem anderen Weg als gewohnt betreten. Aber vielleicht war es gerade dieses Ritual, dass als Signal funktioniert hat. Letztlich ist modernes Fernsehen ja immer die Kunst, den Kompromiss zu finden, der am besten funktioniert.

Überhaupt: Daniel Hartwich. Der wahre Gewinner dieser Staffel?

Der Gewinner ist die Sendung. Sie hat bewiesen, dass sie die Summe von ganz vielen richtigen Entscheidungen und ganz vielen guten Fernsehmachern in den richtigen Positionen ist. Daniel hat sich da so nahtlos eingegliedert, dass wir alle Lügen strafen konnten, die uns den totalen Absturz prophezeit haben. Das soll aber auf keinen Fall die Leistung von Daniel schmälern — sich so in ein dermassen komplexes und gut funktionierendes System einzupassen, zeugt von höchster Professionalität und Teamgeist. Das ist etwas, das vielen nicht bewusst ist: Die Leistung der Moderatoren, die ja gerne mal für die Geschichte als bessere Textableser dargestellt werden, ist sensationell! Was die in der Kürze der Zeit und mit der Masse an Text leisten — ich kenne in Deutschland keine Handvoll Moderatoren, denen ich das in der Perfektion zutraue.

Dazu muss man sich nur mal die Reunion-Show anschauen: Diese Sendung haben wir drei Stunden nach dem Finale aufgezeichnet — mit Texten und Fragen, die wir ihnen 20 Minuten vorher frisch aus dem Drucker noch zugesteckt haben. Ohne Probe, ohne Ablauf, ohne viele der MAZen überhaupt gesehen zu haben, haben die beiden eine perfekte Show hingelegt, die viele ausgeschlafen und mit vier Tagen Vorlauf nicht halb so gut gestemmt hätten.


Sonja Zietlow, Daniel Hartwich, Joey Heindle.

Hatte irgendjemand von Euch Joey und Claudelle auf dem Zettel als Favoriten fürs Finale?

Ich habe am dritten Tag bei der Teamwette meine fünf Dollar auf Claudelle gesetzt. Und den Jackpot für Joey teilen sich auch ein paar Kollegen — der geht nicht an einen einzigen.

Was war das mit den ganzen persönlichen Familiendramen und Schicksalsgeschichten, die die Kandidaten da preisgegeben haben im Camp? Spielt bei Eurem Umgang damit auch eine Rolle, inwiefern ihr die für wahr oder für inszeniert haltet? Oder ist die unausgesprochene Spielregel: Alles, was da gesagt wird, darf auch als Material und ggf. Vorlage für Witze verwendet werden?

Das ist wieder etwas, das man nur am jeweiligen Beispiel erläutern kann. Einen Witz, den ich über Gundis Zambo machen kann, die ein Buch über ihre Bulimie geschrieben hat, kann ich nicht über ein ausgemergeltes Model machen, das vehement abstreitet, eine Essstörung zu haben. Ich glaube, wir haben oft bewiesen, dass wir bei allem Brachialhumor auch sensibel mit sensiblen Themen umgehen können. Das Blöde ist, dass ich das nicht beweisen kann, weil es genau die ungesagten Dinge, die ungesendeten Szenen und die ungemachten Witze sind, die das belegen.

Vielleicht nur soviel: An dem Format arbeitet ein fantastisches Team, das viel mehr von den Stars weiß und erfährt, als es jemals einsetzen würde. Und die fast schon inflationäre Zahl an Beichten war mir in der Masse und Inszenierung zu viel und zu aufgesetzt. Man muss das Format nicht schon zum siebten Mal machen, um mit relativ sicherem Gespür zu wissen, wann die Kameras in den Köpfen der Camper präsent sind und wann nicht. Und wenn ich mir sicher bin, dass ein Star das Format benutzt, dann darf das Format auch ihn benutzen.


Patrick Nuo, Iris Klein.

Hattest Du ein persönliches Moderationshighlight in diesem Jahr?

Ja! Mal wieder die Zusammenarbeit mit Micky Beisenherz. Die Moderations-Bücher entstehen innerhalb von vier Stunden, in denen wir noch Sitzungen haben und ständig zwischen Büro und den Schnittplätzen pendeln, um die parallel entstehenden MAZen zu sichten. Nebenbei wird dann gerne noch mal der Ablauf geändert, eine MAZ gekippt und ich synchronisiere noch Dr. Bob. Dazu kommen Gespräche mit Story-Producern, Show-Producern, Regisseur und die ständige inhaltliche Abstimmung mit [RTL-Redakteur] Markus Küttner. Ach ja… und ein täglicher Teaser und eine Dschungelprüfung müssen auch noch geschrieben werden. In der letzten Stunde des Schreibens sind dann auch schon die Moderatoren vor Ort und werden, wo es geht, auch noch in den Prozess mit eingebunden. Kurzum: Es ist unmöglich — und deshalb geht es nur mit Micky Beisenherz. Weil wir tatsächlich 18 bis 20 Stunden täglich fast symbiotisch aufeinander hängen und nur die Sendung leben. Teile der Show entstehen so immer schon auf der Fahrt zum Camp oder in den zwei Stunden, die wir uns täglich für Sport und zwei Bier im Pool abknappsen. Und das iPhone ist in Notiz-Funktion immer dabei.

Ihr nutzt Selbstironie in den Moderationen inzwischen fast wie eine Teflonschicht, an der jede Kritik gar nicht mehr haften bleibt. Das betrifft zum Beispiel die — berechtigten, oder nicht? — Zweifel an den Temperaturen bei Euch da unten und dem Grund für Helmut Bergers vorzeitigen Auszug. Dadurch, dass ihr Jörg Kachelmanns Vorwürfe in ironischer Form zum Thema gemacht habt, habt ihr sie lächerlich gemacht. Ganz anderes Beispiel: Wenn Daniel sich über die freizügige Kleidung von Sonja lustig macht und sie sich spielerisch darauf einlässt, macht sie das in gewisser Weise immun gegen Kritik daran. Wie erlebst Du die Macht und Möglichkeiten von Selbstironie in einem solchen Format? Was sind die Grenzen? Und warum wird das sonst so selten eingesetzt?

Wir haben die Selbstironie ja nicht als Waffe entwickelt sondern nur als Werkzeug entdeckt. Ein Werkzeug, das für jeden frei zugänglich ist — aber nur in Australien darf ich es in der Form auch benutzen. Und ganz ehrlich: Wie anders als mit Ironie soll ich mit Menschen umgehen, die mir aufgrund von Wetterdaten sagen wollen, wie warm es bei mir ist. Komischerweise hat keiner der Journalisten vor Ort jemals die aktuellen Temperaturen mal gemessen oder durchgegeben. Selbst die Kollegen vor Ort haben aus den Daten aus der Heimat zitiert oder irgendwelche „Fachleute“ vor Ort zitiert.

Die traurige Wahrheit ist: In dem Talkessel, in dem das Camp liegt, war es im Schatten viel heißer, als die Wetterwarte Murwillumbah gemessen hat. Und leider befinden sich weite Teile des Camps und der Trial-Area nicht im Schatten. Die Temperaturen, denen die Stars und auch die Moderatoren ausgesetzt waren, liegen sogar noch weit über den Werten, die uns keiner geglaubt hat. Und Kritik perlt tatsächlich an uns ab, weil sie teilweise so hanebüchen und verlogen ist, das es nicht wert ist, sich damit ernsthaft auseinander zu setzen. Nur als Beispiel: Seit acht Jahren schreiben die sogenannten „Journalisten“ einen Bericht von Frontal 21 ab, der massive Fehler und Unsauberkeiten enthält. Aber es ist einfacher, als sich mal selbst schlau zu machen. Ich kann den Quatsch von Dschungelgeräuschen vom Band, Nebelmaschinen und der angeblichen Bananenplantage nicht mehr hören. Man kann übrigens während des Sommer offizielle Führungen buchen und sich das Camp und alles anschauen. Aber das würde ja so viele der schönen Skandal-Geschichten kaputt machen.

Mit der Kritik an sich gehe ich viel entspannter um, seitdem das Spektrum von Trash bis Nietzsche, von Müll bis Kunst und von Gladiatoren- bis Tagesschau-Vergleichen geht.

Und die Frage, warum wir unsere gutfunktionierende Selbstironie und den speziellen Dschungelhumor nicht in den deutschen TV-Alltag hinüber retten können… das ist ein langes Gespräch für sich. Da gibt es ganz viel Hindernisse und leider keine Lösung.