Vor zwei Wochen hätte „Horizont“, die Fachzeitschrift für Werbung und Medien, ja beinahe einen journalistischen Artikel mit unangenehmen Wahrheiten veröffentlicht, was durch eine größere Rückrufaktion gerade noch verhindert werden konnte. Inzwischen hat man sich in der Redaktion gefasst und produziert wieder Meldungen nach dem üblichen eigenen Qualitätsstandard.
Meldungen wie die, dass Anke Schäferkordt von „Horizont“ als „Medienfrau des Jahres 2008“ ausgezeichnet wird.
Das kann man natürlich machen. Man kann den von ihr geleiteten Sender RTL zum Beispiel dafür bewundern, wie er es geschafft hat, angesichts einer sich ganz von allein zerbröselnden Konkurrenz, einfach stillzuhalten und auf eigene Ideen, Impulse und Risiken zu verzichten. Man kann Frau Schäferkordt auch dafür feiern, dass sie nicht nur Rekordgewinne einfährt, sondern nach Angaben von ver.di auch fleißig weiter Stellen abbaut. Und bestimmt findet man in einem Jahr, in dem die Quoten für RTL fast durchweg schlechter waren als im Vorjahr, auch eine Ausnahme, die man hervorheben kann.
Und natürlich wird man die Gewinnerin des eigenen Preises auf ein hohes Podest stellen. Aber „Horizont“-Chefredakteur Jürgen Scharrer hat es nicht dabei belassen, Schäferkordt Kränze zu flechten. Er hat die fertigen Kränze aufgepumpt, vergoldet und mit einer dicken Schicht rosa Zuckerwatte gerahmt. Aber lesen Sie selbst:
Eine makellose Erfolgsbilanz hat zweifellos Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin bei der Mediengruppe RTL und Medienfrau des Jahres, vorzuweisen. Im November erzielte das Senderflaggschiff RTL bei den 14- bis 49-Jährigen einen Marktanteil von famosen 17 Prozent, mit „Doctor’s Diary“ gelang zudem das Kunststück, endlich auch mal wieder mit einer deutschen Serie Erfolg zu haben. Gute Zahlen, starke Quoten, effiziente Strukturen: So schnell wie bei Schäferkordt war sich die Jury selten zuvor einig, wem die Auszeichnung gebührt.
In einem weiteren Text fügt „Horizont“ sicherheitshalber hinzu:
Die Bilanz Schäferkordts bei RTL kann man nur makellos nennen. Die RTL-Gruppe hat sich als überaus verlässliche Cashcow etabliert. Als gelernte Controllerin hat Schäferkordt das Unternehmen konsequent auf Effizienz getrimmt.
Solche Texte muss man als Journalist erst einmal schreiben wollen.
Wissen Sie übrigens, wer u.a. in der Jury war, die die Männer und Frauen für „Horizont“ gekürt hat? Doch, Sie kommen drauf.
Nachtrag, 11:40 Uhr. Nach Angaben von RTL hat Frau Schäferkordt an der eigenen Wahl selbstverständlich nicht teilgenommen.