So fängt das Schreiben an, das ich im vergangenen Oktober bekommen habe. Und lustig ist — neben allem anderen — schon mal, dass es sich bei dem kursiven Text zwischen den Anführungszeichen nicht, wie man annehmen sollte, um ein wörtliches Zitat handelt.
Herr Thomas Hornauer hatte über einen eigenen, „bewusstseinserweiternden“ Fernsehsender unter anderem dazu aufgerufen, ihm per kostenpflichtigem Anruf Geld als „Energieausgleich“ zukommen zu lassen. Seine Anwälte wiesen mich nun darauf hin, dass ich ihren Mandanten als „Scharlatan“ bezeichnet hätte. Dies stelle eine unzulässige Schmähkritik dar. Unzulässig sei auch, dass ich schrieb:
„Herr Thomas Hornauer fällt durch Verbindungen zu sektenähnlichen Gruppen auf.“
(Satz auch eher aus dem Gedächtnis zitiert.)
Dies sei jedenfalls unwahr. Ich sollte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben und insgesamt 1.196,43 Euro Rechtsanwaltsgebühren zahlen.
(Immerhin sollte ich diesmal nicht für das Wort „Fisselhaare“ blechen.)
Mein Anwalt antwortete:
Erstens scheine Herrn Hornauer die Sache „nicht sonderlich dringlich“ zu sein. Der Text (der ursprünglich aus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ stammt) sei über dreieinhalb Jahre alt, und Hornauer habe aus meinem Blog sogar schon vor Jahren im Fernsehen vorgelesen.
Zweitens enthalte der Text keine Schmähkritik — der „erforderliche Sachbezug“ sei das teils justiziable Geschäftsgebaren Hornauers und die Art, wie er sich öffentlich präsentiere.
Drittens enthalte der Text keine unwahren Tatsachenbehauptungen.
Ich hatte gedacht, die Sache wäre damit erledigt. Aber Hornauer verklagte mich. Ich bekam eine Vorladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart.
Es ging nun nicht mehr um die Fußgängerzone, das Bier, das Lesen und das Charisma. Es ging nur noch um die sektenähnlichen Gruppen („Der Kläger hat keinerlei Verbindungen zu sektenähnlichen Gruppen“) und den „Scharlatan“ („Es ist nicht erkennbar, inwiefern mit der Bezeichnung ‚Scharlatan‘ eine Auseinandersetzung in der Sache geführt werden soll“).
Die Erwiderung wurde dann etwas länger. Auf insgesamt 15 Seiten (ohne Anlagen) erklärte mein Anwalt, warum die Klage fehlerhaft beantragt, ein möglicher Anspruch verwirkt und die Formulierung als Meinungsäußerung zulässig sei.
Ich glaube aber, er hatte besonderen Spaß daran, die Absätze zu formulieren, in denen es um den „hinreichenden sachlichen Bezug“ meiner Formulierung geht, Hornauer habe Verbindungen zu sektenähnlichen Gruppen:
Bei der „Wankmiller-Sekte“, die sich auch selbst als „Stamm der Likatier“ bezeichnet, handelt es sich um eine kommunenähnliche Lebensgemeinschaft, die 1974 von dem ehemaligen Hausmeister Wolfgang Wankmiller gegründet worden ist.
Wankmiller fungiert bis heute als ihr Oberhaupt und hält sich für eine Reinkarnation von Jesus, Einstein und Ludwig II.
Diese Gruppierung wird von Kritikern und Medien als „Sekte“ bezeichnet, denn die Mitglieder hängen einer eigenen esoterischen Weltanschauung an, haben sich eine eigene Zeitrechnung gegeben und eine eigene Währung. (…)Zu dieser Sekte hat der Kläger auch nachweisliche Verbindungen, die er selbst eingeräumt hat.
Zudem habe das Verwaltungsgericht Stuttgart 2007 in seinem Urteil über die Zwangseinstellung von Hornauers Fernsehsender festgestellt:
Es sollten „Heilungsgottesdienste“ gesendet werden, wohingegen Polizeireporte aus dem Programm entfernt werden sollten, weil diese zu viel „negative Energie“ verbreiteten.
Der Sender sollte zum „Lichtsender“ werden, zum „Sprachrohr Gottes“. „Es sollten jeden Tag 1.500 Leute ins Studio kommen, um dort geheilt zu werden; er [Hornauer] habe die besten Heiler an der Hand.“ Zudem habe der Sender „auch drei Tage lang (von Donnerstag bis Samstag) Heilungsgottesdienste vom ‚G.-Forum‘ in Stuttgart mit einem Wunderheiler aus W. aufgezeichnet…“
Mein Anwalt folgerte:
Angesichts all dieser feststehenden Fakten hat die Meinungsäußerung, er [Hornauer] unterhalte Kontakte zu sektenähnlichen Gruppen, jedenfalls einen ausreichenden Tatsachenbezug und stellt damit keine Schmähkritik dar.
Und was den „Scharlatan“ angeht, schrieb mein Anwalt nach längerer Hinführung:
Wer aber gegen Geld Wahrsagerei anbietet und sich überdies als „Herrscher“ und „Retter“ bezeichnen lässt, muss es auch hinnehmen, wenn man ihn einen Scharlatan nennt.“
Ich weiß nicht, was dieses Schreiben bei der Gegenseite ausgelöst hat. Man möchte einem Menschen wie Hornauer ja auch nicht grundlos etwas wie Einsicht unterstellen. Aber kurz vor dem Gerichtstermin hat er die Klage zurückgezogen.
[Mit Dank an Thorsten Feldmann und Ansgar Koreng von JBB Rechtsanwälte.]