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Die „Huffington Post“ zieht’s nach Kassel, Germany

Die nächste documenta ist ja erst im Jahr 2017, aber lassen Sie uns trotzdem kurz über Kassel sprechen. Vorigen Donnerstag, um 15:12 Uhr, vermeldete die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ dies:

Screenshot HNA.de

Im Text dazu ist zu lesen, dass die Stadt Kassel (Hessen) die „magische Marke von 200.000 Einwohnern“ erst mal nicht knacken werde. Frühestens 2028 könnte sich die Stadt diesem Wert annähern, allerdings gebe es auch positivere Prognosen. Aber nun steht das erst mal so da, groß: Kassel wächst eher langsam.

20 Minuten später, um 15:32 Uhr, verkündet die deutsche „Huffington Post“:

Screenshot huffingtonpost.de

Und zwar: ausnahmslos alle!

Weshalb das so ist, dafür hat sich der Autor elf Punkte ausgedacht. Wobei es in zehn Punkten vor allem darum geht, weshalb Städte wie Berlin, München oder Hamburg bald abgemeldet sein werden. Am Rande wird noch erwähnt, dass auch Erfurt, Marburg, Fulda und Göttingen „Juwelen“ seien, ganz besonders aber dieses Kassel. Und wer darüber „immer noch“ lache, „hat nichts verstanden“.

Die Gründe, die laut „Huffington Post“ für Kassel sprechen: Es gibt Berge und Wälder, die Mieten sind günstig, und die Uni boomt. Zudem habe Kassel kulturell „einiges zu bieten“, was man vor allem an der documenta sehe, die alle fünf Jahre stattfindet. Und, wichtiger Punkt: Man kommt gut weg aus Kassel; „beinahe jede größere deutsche Stadt“ erreiche man „in etwas mehr als drei Stunden per Bahn“. Für den Fall, dass es einem mal zu schön oder zu spannend wird in Kassel.

Bei der „HNA“ haben sie den Text auch gelesen. Und weil sie dort nicht alleine die Köpfe schütteln wollten, haben sie den Text einem Professor für Stadtentwicklung gezeigt, der in Kassel arbeitet. Der Professor hat viel einzuwenden gegen die These, Kassel entwickle sich zum neuen Epizentrum der Republik. Gleich eingangs sagt er im Interview: „Das ist Quatsch.“ Und er schließt mit dem Fazit:

Kassel wird weiter in bescheidenem Maße wachsen – aber aus sich selbst heraus und weniger, weil jemand gezielt nach Kassel sucht.

Tjoah.

Aber was macht man jetzt als Regionalzeitung aus einem netten Trend, der gar keiner ist? Man kann den Kasselanern ja nicht vollends die Hoffnung rauben, nachher setzen sie sich noch alle in einen Zug nach Berlin (Fahrtzeit: etwas weniger als drei Stunden), und dann wäre Kassel leer. Also darf es wenigstens in der Überschrift so aussehen, als spräche die Welt über Kassel und nicht nur der Münchner Ableger einer amerikanischen Online-Postille.

HNA Ausriss 28.4.2015

„US-Zeitung lobt Kassel“ – klingt doch gleich viel besser. Wer käme da auf die Idee, dass der Autor des Lobs aus Frankenberg (Eder) stammt, nur eine Autostunde entfernt von Kassel (Fahrtzeit mit dem Zug: rund zwei Stunden).

Frankenberg hat rund 18.000 Einwohner und ist, ausweislich einiger Fotos, ganz hübsch. Die Fotos legen allerdings auch den Verdacht nahe, dass „Alle wollen nach Kassel“ ein bekanntes Gefühl ist, wenn man da wohnt. Kassel ist womöglich ein Sehnsuchtsort, jedenfalls für Frankenberger.

Und dieses Frankenberg-Kassel-Gefühl ist jetzt versehentlich in der „Huffington Post“ zum nationalen Trend ausgerufen worden. Rund 7.000 Menschen gefällt das. Und der Autor wohnt (noch) in Berlin.

Nachtrag, 30. April 2015. Autor Sebastian Christ hat noch mal was geschrieben.