Schlagwort: Kölnische Rundschau

Die „erste Abmahnung für einen Facebook-Share-Button“ – ein Meilenstein der Anwalts-PR

Die Inhaberin einer Fahrschule muss mehrere Hundert Euro zahlen, nur weil sie auf Bild.de einmal auf „Teilen“ geklickt hat. Die Share-Funktion von Facebook übernahm nämlich ein Vorschaubild ohne den Hinweis auf dessen Fotografen. Der mahnte sie ab.

Der Fall sorgt seit gestern für Furore. Das mag vielleicht an der Sache liegen. Ganz sicher liegt es am Geschick der Anwaltskanzlei, die die Frau vertritt, daraus maximale Eigen-PR zu schlagen, und der Unfähigkeit diverser Medien.

Es gibt, wohlgemerkt, kein Urteil in der Sache und keine Klage. Kein Gericht hat sich mit dem konkreten Fall befasst. Dazu wird es auch nicht kommen: Die Parteien haben sich außergerichtlich geeinigt.*

Alles, was es gibt, ist eine Abmahnung. Und eine sensationell erfolgreiche Presseerklärung der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke.

Die behauptet forsch, es handele sich um die erste Abmahnung dieser Art, und sagt voraus, dass es noch viele weitere geben werde. Es bestehe eine „erhöhte Abmahngefahr“ sowohl für Leser, die den Facebook-„Share“-Button drücken, als auch für Seitenbetreiber und Blogger, die einen solchen Button anbieten. Denn Nutzer, die – wie die Fahrschulfrau – für ein urheberrechtswidriges Verbreiten von Inhalten in sozialen Medien abgemahnt wurden, könnten die wiederum in Regress nehmen.

Mit anderen Worten: Wir alle stehen mal wieder mit einem Bein im Gefängnis, und das einzig Gute in dem ganzen Urheberrechtselend ist, dass es kompetente Anwälte wie Christian Solmecke gibt, die uns vor der „heran rollenden Abmahnwelle“ warnen und nicht zögern, sogar ein „eiliges Video“ zur Warnung zu veröffentlichen.

Bei der „Kölnischen Rundschau“ weiß man, wie man aus so einer Pressemitteilung eines Anwalts über seinen eigenen Fall einen journalistischen Artikel macht: Man kürzt sie ein bisschen und tauscht das Kürzel unter dem Text durch ein eigenes aus – fertig!

Die Online-Ableger von „Express“ und „Hamburger Morgenpost“ machten es anders: Sie gaben Solmecke als Autor der zum Artikel gewordenen Pressemitteilung an und klinkten sogar einen kleinen Werbekasten für ihn mit Foto und Links zur Internetseite seiner Kanzlei ein. Ein bisschen verwirrend für aufmerksame „Express“- und „Mopo“-Leser (falls es solche gibt) könnte allerdings sein, dass Solmecke in seinem Artikel nun sich selbst zitiert und dabei in der dritten Person von sich spricht.

Die Überschrift über den Artikeln dürfte allerdings in den Redaktionen entstanden sein, denn von einer „Klage“ ist ja keine Rede.

Die Fachleute des Branchendienstes „Meedia“ haben Solmeckes Pressemitteilung natürlich nicht einfach wörtlich übernommen, sondern umformuliert. Was insofern keine gute Idee war, als sich dadurch zeigte, dass sie sie nicht verstanden hatten. Die „Meedia“-Meldung begann so:

Die Inhaberin einer Fahrschule soll 1.800 Euro zahlen, nachdem sie einen Bericht der Bild „geshared“ hatte. Der Fotograf des Artikelbildes ging vor Gericht, weil er als Urheber nicht genannt wurde – und bekam Recht.

Weder ging es um 1800 Euro, noch ist der Fotograf vor Gericht gegangen, geschweige denn, dass er dort Recht bekommen hätte. Eine gute Stunde nach der Veröffentlichung korrigierte die Redaktion sich und fügte ihrer Meldung ein „Update“ hinzu, das geschickt den Eindruck erweckt, nicht ihr, sondern der Kanzlei sei ein „Fehler unterlaufen“. (Nachtrag, 15:15 Uhr. Nach Angaben von „Meedia“ stand die falsche Zahl in der ursprünglichen Pressemitteilung.)

Am späten Nachmittag stieg auch der „Stern“ in die Berichterstattung ein, sprach von „1100 Euro Strafe“ für das Teilen des Fotos (was so nicht stimmt) und von einem „Urteil“ (das es nicht gibt). Auch der „Stern“-Text beruht ausschließlich auf der PR-Veröffentlichung des Anwaltes in eigener Sache. Weil es sich hier aber um ein großes Qualitätsmedium handelt, hat der „Stern“-Autor den Zitaten Solmeckes aus der Pressemitteilung die Formulierung hinzugefügt: „erklärt er im Gespräch mit dem stern„.

Alles in allem: Ein großer Erfolg für Christian Solmecke. Also, juristisch vielleicht nicht – beide Seiten haben sich ja verglichen*, und ob die Forderung des abmahnenden Fotografen überhaupt vor einem Gericht Bestand hätte, ist gar nicht geklärt. In den Kommentaren unter dem „Meedia“-Artikel räumt Solmecke ein, dass noch nicht einmal feststehe, „ob das Foto überhaupt jemals mit Zustimmung des Rechteinhabers online gestellt worden ist“, dass also schon die Bild.de-Veröffentlichung urheberrechtswidrig war.

Aber was das Marketing für ihn und seine Kanzlei angeht, bereits jetzt: ein ganz großer Erfolg. Den Journalisten sei Dank.

[Auf Anfragen bei der Kanzlei, der „Kölnischen Rundschau“ und dem „Express“ habe ich bisher keine Antworten bekommen. Mit Dank an Jan Georg Plavec.]

*) Korrektur, 12:10 Uhr. Anders als ich es dargestellt hatte, gibt es noch keinen Vergleich. Ob sich die Parteien außergerichtlich einigen werden, ist noch offen.