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In eigener Sache: Die Krautreporter und ich

Vor gut einem Jahr endete das Crowdfunding für „Krautreporter“. In den nächsten Tagen bekommen die Unterstützter von damals Post: Sie sollen angeben, ob sie auch in Zukunft Mitglied bleiben wollen. Mindestens 6000, sagt Sebastian Esser, sind nötig, damit es in irgendeiner Form weitergehen kann.

Ich wünsche den Krautreportern viel Glück, aber ich werde nicht mehr dabei sein.

Ich bereue es nicht, mitgemacht zu haben, und ich finde es nach wie vor richtig, auszuprobieren, ob und wie ein Online-Journalismus funktionieren kann, der sich nicht der oft zerstörerischen Logik der Klick-Optimierung unterwerfen muss. „Krautreporter“ war und ist ein richtiger Versuch – aber für mich ist er nicht geglückt.

Der größte einzelne Fehler war meiner Meinung nach, eine eigene Software programmieren zu lassen, was viel Zeit, Geld und Nerven gekostet hat – und teilweise auch jetzt noch nicht richtig funktioniert.

Aber das zentrale Problem ist ein anderes: Uns trieb die Lust an, ein neues Geschäftsmodell auszuprobieren, aber nicht unbedingt eine gemeinsame redaktionelle Idee. Wir taten uns schwer damit, zu definieren, worüber wir berichten wollen und wie. „Krautreporter“ bietet großartige Freiheiten, Geschichten aufzuschreiben, die woanders so nicht erscheinen könnten, aber das ist noch keine Antwort auf die Frage, was für Geschichten wir dann aufschreiben wollen und sollen und welche Geschichten unsere Leser von uns erwarten können. Es fehlte etwas, das diese Geschichten verbindet – für uns Autoren und für die Leser vermutlich auch.

In den vergangenen Wochen hat sich dann stärker herausgestellt, was ein anderer „Krautreporter“-Ansatz sein könnte: Weniger getragen von den unterschiedlichen (Spezial-)Interessen der einzelnen Autoren, mehr bestimmt durch Themenschwerpunkte, die aus einer festen Redaktion entwickelt und produziert werden. Vielleicht ist das eine Chance für das Projekt, zur Not in kleinerem Stil.

Und ich? Ich bin wild entschlossen, aus den „Krautreporter“-Erfahrungen zu lernen und etwas eigenes auf die Beine zu stellen: eine Plattform für Medienkritik, unterstützt von den Lesern. Demnächst mehr!

Nachtrag, 21. Juni. Sebastian Esser erklärt, was aus seiner Sicht gut und schlecht gelaufen ist, erklärt die Zukunftspläne und fragt: „Bleibst du Krautreporter?“

„Ebenso lächerlich wie böswillig“: FAZ-Außenpolitikchef weist Ulfkotte-Vorwürfe zurück

Als „falsch“ und „ehrabschneidend“ hat Klaus-Dieter Frankenberger, der Außenpolitikchef der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, den Vorwurf zurückgewiesen, er habe sich vom Sultan von Oman kaufen lassen und Gefälligkeitsberichterstattung betrieben.

Erhoben hat diesen Vorwurf der frühere FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte. Ulfkotte profiliert sich seit einigen Jahren als „Gegner von Qualitätsmedien“ und schreibt Bücher wie „So lügen Journalisten“, „SOS Abendland“, „Vorsicht Bürgerkrieg!“ und „Albtraum Zuwanderung“. Im Kopp-Verlag („UFOs — Generäle, Piloten und Regierungsvertreter brechen ihr Schweigen“) hat er das Buch „Gekaufte Journalisten“ veröffentlicht. Darin enthüllt er, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit mehr gibt und Pressefreiheit „nur eine gut gespielte Illusion“ ist. Das Werk wird in der kommenden Woche Platz 13 der „Spiegel“-Bestsellerliste erreichen.

Ulfkotte, der sich nach eigenen Aussagen als Journalist von Shell „schmieren“ ließ und als Lobbyist des BND diente, beschreibt darin unter anderem, wie er sich in den neunziger Jahren vom Sultan von Oman korrumpieren ließ: Auf Kosten des autoritären Staatschefs sei er zu Besuchen eingeladen und mit bezahlten Luxus-Angeboten verwöhnt worden. Unter anderem habe der Sultan sogar seine „Ausbildung zum Padi-zertifizierten Rettungstaucher mit Jason Erodottu als privatem Tauchlehrer“ bezahlt. Er habe den kostenlosen Luxus als „Jackpot“ empfunden und entsprechend geschönt über das Land und seinen Diktator berichtet.

Wie er habe sich auch sein damaliger Kollege Frankenberger kaufen lassen, behauptet Ulfkotte, der suggeriert, dass die ganze Branche und insbesondere die FAZ so korrumpierbar und korrupt ist, wie er es war.

Gegenüber dem neuen Online-Magazin „Krautreporter“ widerspricht Frankenberger:

Tauchkurse hat vielleicht Herr Ulfkotte auf Kosten anderer gemacht, ich nicht. Der Vorwurf Herrn Ulfkottes, „wir“ seien korrupt gewesen, trifft jedenfalls für mich nicht zu.

Bei den Reisen nach Oman handelte es sich zum Teil um privatfinanzierte Reisen (z.B. 1995 und 1996), zum Teil um Einladungen des omanischen Informationsministeriums. Der von Herrn Ulfkotte erweckte Eindruck, hierdurch sei eine Gefälligkeitsberichterstattung meinerseits erfolgt, ist nicht nur falsch, sondern auch ehrabschneidend. Ich weise diesen Vorwurf entschieden zurück.

In jener Zeit konnte man als Journalist bestimmte Länder, zum Beispiel Oman, nur bereisen, wenn man von offizieller Seite eingeladen wurde. In den neunziger Jahren gab es in Oman nur ein einziges internationales Hotel, in dem sich Journalisten aufhalten konnten.

Den Eindruck zu erwecken, man könne mich mit einer finanzierten Reise „kaufen“ oder eine positive Berichterstattung erreichen (wie das Herr Ulfkotte in diesem und in anderen Fällen sich zuschreibt), ist ebenso lächerlich wie böswillig. Dies gilt für mich und im Übrigen für alle seriösen Journalisten.

Frankenberger weist auch den Vorwurf zurück, er sei ein „Lobbyist“, weil er Mitglied etwa im Beirat der Trilateralen Kommission, in der Atlantischen Initiative und im Institut für Europäische Politik war oder ist:

Die Mitgliedschaft ermöglicht Zugang zu Inhalten und Informationen, die notwendige Grundlage sind für eine seriöse und umfassende Berichterstattung. Dabei geht es gerade darum, über Dinge zu berichten, die ansonsten nicht den Weg in die Öffentlichkeit finden würden.

Auch hier scheint Herr Ulfkotte ein Verständnis von Journalismus zu haben, aus dem eine merkwürdige Anmaßung spricht und das obendrein den Geist der Verschwörung atmet.

Journalistische Unabhängigkeit ist ein für mich unabdingbarer Grundsatz meiner professionellen Tätigkeit. Weil das so ist, bin ich auch seit vielen Jahren für eine Redaktion tätig, die nach diesen Grundsätzen arbeitet und diese selbstverständlich auch immer wieder anhand von Einzelsituationen kritisch diskutiert und hinterfragt. Wenn das für Einzelne nicht immer gegolten hat, ist es aus meiner Sicht mehr als unlauter und journalistisch nicht besonders seriös, dies zu verallgemeinern, um aus dem daraus erhofften öffentlichen Skandalwert persönlichen Profit zu schlagen.

Ulfkotte sieht mit seinem Buch den „Armaggedon der Leitmedien“ gekommen. Die meisten seiner „Enthüllungen“ im Buch sind entweder bekannt oder falsch. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit einigen seiner Behauptungen erscheint in Kürze ist jetzt auf krautreporter.de zu lesen:

[Offenlegung: Ich schreibe regelmäßig für die FAZ.]

Wollen wir Journalismus nur bezahlen, wenn wir ihn hinter Gitter bringen?

„Meedia“-Mann Stefan Winterbauer weiß jetzt schon, dass wir mit „Krautreporter“ scheitern werden, „leider“. Das liegt daran, dass nach unserem Konzept auch Nicht-Mitglieder die Texte lesen können sollen:

Schon klar, die Krautreporter wollen den Fame und das Netz will die freie Info usw. Aber Geld zahlen fürs Kommentieren und reichlich ominöse Benefits (in Recherchen eingebunden, Hangouts und Treffen mit Autoren – wer will das?) – das wird nicht funktionieren.

Was Winterbauer als „Geburtsfehler“ bezeichnet, ist das, was ich spontan besonders reizvoll fand, als mir Sebastian Esser zum ersten Mal von der Idee erzählte: der Versuch, ein Online-Magazin von den Lesern finanzieren zu lassen, ohne die Inhalte hinter Bezahlmauern wegzuschließen. Paid Content ohne Paywall, wenn man so will.

Was das Netz ausmacht und zusammenhält, ist der Link; die Möglichkeit, auf einen Inhalt zu verweisen und den Leser mit einem Klick dorthin zu führen. Das war schon vor dem Siegeszug von Facebook und Twitter so. Viele Verlage bereuen heute, dass sie ihre Inhalte kostenlos ins Netz gestellt haben. Ich glaube, dass das nicht nur aus irgendeiner Verblendung geschah, sondern weil es die natürliche Form ist im Internet, oder wenigstens eine sehr naheliegende, seinem Wesen entsprechende.

Es ist auch die naturgemäße Haltung eines Journalisten, sich eine möglichst große Verbreitung zu wünschen. Nicht im Sinne einer Quotenfixiertheit, eines Schreibens für eine möglichst große Masse. Aber gerade, wenn wir glauben, dass es wichtig ist, was wir zu erzählen haben, relevant, lesenswert, wollen wir doch gehört werden, eine Wirkung erzielen, einen Unterschied machen. Wahrnehmbarer Teil der Debatte werden. Was Winterbauer gewohnt eloquent als Streben nach „Fame“ und „freie Info usw.“ bezeichnet, halte ich für einen elementaren Teil des journalistischen Selbstverständnisses.

Auch der Kollege Daniel Bouhs nennt das „Krautreporter“-Modell in der „taz“ „seltsam inkonsequent“:

Die 5 Euro im Monat sollen die „Krautreporter“-Fans nämlich allein dafür hinblättern, die Geschichten kommentieren und direkt mit der Redaktion in Kontakt treten zu können, etwa auf offenen Redaktionskonferenzen, Lesungen und Ausflügen.

Nein. Die 5 Euro im Monat sollen die „Krautreporter“-Fans vor allem dafür „hinblättern“, dass es „Krautreporter“ gibt.

Wer Mitglied im Club wird, soll auch was davon haben. Aber was der „Krautreporter“-Unterstützer für sein Geld vor allem bekommt, ist: „Krautreporter“. Ohne das Geld der Leser gibt es kein Magazin. So einfach ist das.

Was ändert sich dadurch, dass auch Menschen, die kein Geld geben, die meisten Teile des Angebotes nutzen können? Es gibt zwei Motive, sich dadurch übervorteilt zu fühlen. Erstens, weil man glaubt, Geld für etwas zu geben, für das man gar kein Geld geben müsste. Das stimmt aber nicht: Wenn man kein Geld gibt, riskiert man, dass es das Projekt gar nicht gibt. Zugegeben, das ist eine Ebene abstrakter als die normale Pay-Logik: „Wenn ich nicht bezahle, kann ich das nicht nutzen.“ Aber man muss nicht einmal besonders altruistisch denken, um einen Nutzen im Bezahlen zu sehen. Man gönnt sich die Existenz einer journalistischen Alternative.

Zweitens könnte man es ungerecht finden, dass andere ein Angebot, für das man selbst bezahlt, einfach kostenlos nutzen. Ja, damit wird man als „Krautreporter“-Unterstützer leben müssen: Mit dem Gefühl, dass andere von dem eigenen finanziellen Engagement profitieren. Aber sind wir wirklich so? Dass wir sagen: „Ich gebe gerne Geld für das Projekt, aber nur, wenn andere, die nichts geben, nichts davon haben?“ Wir kaufen für unsere Ecke im Büro einen Ventilator, lassen aber, wenn es heiß ist, niemand anderes dort sitzen, die hätten sich ja selber einen Ventilator kaufen können? Und wenn sich nicht vermeiden lässt, dass auch andere etwas von der Kühlung abbekommen, verzichten wir lieber ganz auf den Ventilator?

Sascha Lobo hat auf der re:publica die sogenannte Netzgemeinde dafür beschimpft, dass sie nicht bereit ist, Geld zu geben für Dinge, die ihr angeblich etwas wert sind. Er nannte als Beispiel das Buch „Überwachtes Netz“, das netzpolitik.org zum kostenlosen Download anbot, mit der Bitte, die Arbeit bei Gefallen durch eine Spende zu unterstützen. Das Buch wurde 70.000 mal heruntergeladen. Einen sichtbaren Effekt auf die Spenden gab es nicht.

Das ist, gelinde gesagt, ernüchternd. Aber vielleicht reift allmählich auch die Einsicht, dass es ein Problem ist, wenn wir für Dinge, die einen Wert haben und uns etwas wert sind, nichts zahlen.

(Ob Ihnen „Krautreporter“ überhaupt etwas wert ist, ist natürlich eine ganz andere Frage. Hier geht es nur darum, wie die Erfolgsaussichten dadurch beeinflusst werden, dass Sie nicht bezahlen müssen, um mitlesen zu können.)

Andererseits: Andrew Sullivan. Er ist mit seinem vielbeachteten Blog „The Dish“ von den etablierten Medienhäusern weggegangen und hat stattdessen seine Leser dazu aufgerufen, ihn zu bezahlen. Es gibt eine Bezahlschranke, bei einigen deutlich längeren Texten. Wer kein Abonnent ist, kann nur fünfmal auf „Weiterlesen“ klicken. Aber das ist nur ein theoretische Schranke; ich glaube, die meisten Leser erreichen sie gar nicht.

Sullivan hat im ersten Jahr knapp 900.000 Dollar erlöst und fast 34.000 Abonnenten gewonnen. Ich bin sicher, dass die meisten davon nicht zahlen, weil sie mal an die Bezahlmauer gestoßen sind und gemerkt haben, dass sie zahlen müssen, um weiterzulesen. Die meisten davon zahlen, weil sie wollen. Und weil sie wissen, dass die Existenz dieses Angebotes davon abhängt, dass jemand zahlt — und wer sollte das sein, wenn nicht sie selbst? (Es gibt aber übrigens auch bei Sullivan zusätzliche Goodies: Podcasts und laaaange Essays. Ähnliche Angebote wird es auch bei „Krautreporter“ geben.)

Ich bin einer der zahlenden Abonnenten von „The Dish“ und komischerweise habe ich beim Lesen auf der Seite nie das Gefühl eines Nachteils, dass das meiste dort ja auch Leute lesen können, die gar nicht bezahlt haben. Ich habe, im Gegenteil, das gute Gefühl, mit dazu beigetragen zu haben, dass es diese Seite gibt. Das ist ein schöner und nicht zu vernachlässigender Bonus-Wert, außer den Inhalten selbst natürlich. Ich bin Teil einer Gemeinschaft.

(Sullivan hat sich Ende 2013 bei den Abonnenten mir mit den Worten bedankt: „You built that. And we’re incredibly grateful to live in it.“ Schon für das warme Gefühl im Bauch sind 19,99 Dollar im Jahr kein schlechter Deal.)

Vielleicht haben Stefan Winterbauer und Daniel Bouhs recht, dass unsere Idee eine Schnapsidee ist. Ich glaube aber, dass sich ein Versuch lohnt (und, ehrlich gesagt: auch drei, fünf, elf Versuche), ob es nicht auch anders gehen kann, als es bislang ging.

Für mich wäre das ein Traum, als Leser und als Journalist, ganz unabhängig vom konkreten „Krautreporter“-Projekt: Wenn genügend Leute für Inhalte zahlen, die ihnen etwas wert sind, diese Inhalte aber dafür nicht weggeschlossen werden müssen. Es würde einem Journalismus helfen, der nicht auf die große Masse zielen muss, und trotzdem nicht elitär sein will.

Was „Krautreporter“ mit „True Detective“ zu tun hat

Diese grandiose neue amerikanische Fernsehserie, über die alle reden, „True Detective“. Was würden Sie schätzen, wie viele Zuschauer die in den USA hatte?

Im Schnitt keine zweieinhalb Millionen pro Folge. Damit wäre sie selbst im viel kleineren Deutschland spätestens nach der zweiten Folge als peinlicher Flop abgesetzt worden.

Zum Glück ist „True Detective“ aber eine HBO-Serie. HBO finanziert sich über Abonnements. Und die Logik ist eine andere als bei Sendern, die sich über Werbung finanzieren. Es geht nicht so sehr darum, die Zahl der Zuschauern zu maximieren. Es geht darum, die Zufriedenheit der Zuschauer zu maximieren. Programme zu machen, über die die Menschen reden, die ihnen etwas wert sind.

Dieser Unterschied ist fundamental. Dass „True Detective“ so gut ist, liegt auch daran, dass die Serie keine zehn Millionen Zuschauer erreichen muss und es auch nicht versucht hat, mit all den Zugeständnissen und Kompromissen an den Massengeschmack, die damit verbunden wären. Viele deutsche Serien sind so enttäuschend, weil sie nicht dafür gemacht sind, eine begrenzte Zahl von Menschen möglichst glücklich zu machen, sondern von möglichst vielen Menschen irgendwie halbwegs okay gefunden zu werden.

Okay, wenn ich jetzt als nächstes sagen würde, dass wir das „True Detective“ des deutschen Online-Journalismus machen wollen, wäre das nicht nur anmaßend und größenwahnsinnig, sondern auch bekloppt. Was wir aber machen wollen: die Logik der Finanzierung von Online-Journalismus ändern. Und ich glaube, dass die Unterschiede ähnlich fundamental wären wie bei Fernsehserien.

Deutsche Online-Medien finanzieren sich zum größten Teil über Werbung. Wer mehr Klicks generiert, verdient mehr. Weil Online-Werbung billig ist, müssen Online-Medien ganz besonders viele Klicks generieren. Es müssen möglichst viele Artikel publiziert werden, die geklickt werden. Jeder einzelne Artikel muss möglichst häufig geklickt werden. Innerhalb des Artikels muss es möglichst viele Anreize geben, nochmal irgendwo hinzuklicken.

Wohin das bestenfalls führt, sieht man bei „Spiegel Online“. Es ist ein Medium, in dem ununterbrochen Aufregung herrscht. Es gibt dauernd einen Grund, irgendetwas anzuklicken, denn ununterbrochen passiert etwas in der Welt, das meine Aufmerksamkeit fordert. Am besten kommt man in spätestens einer Stunde wieder, denn dann ist sicher schon wieder etwas neues Aufregendes passiert, und wenn nicht, hat „Spiegel Online“ einen weiteren Artikel zu dem alten Aufregenden veröffentlicht.

Ich meine das mit dem „bestenfalls“ im vorigen Absatz durchaus ernst, denn unter der Maxime, möglichst viele Klicks zu generieren, macht „Spiegel Online“ seinen Job gut. Dort arbeiten gute Kollegen, die recherchieren und vernünftige journalistische Regeln befolgen und nicht alles tun würden für einen schnellen Klick.

Deren Auftrag aber natürlich trotzdem ist: Möglichst viele Klicks zu generieren.

Das ist in der ökonomischen Logik dieser Medien völlig zwingend, konsequent und richtig. Und obwohl ich als Leser immer wieder einer dieser Klicks bin, ist das gar nicht unbedingt in meinem Interesse.

Dass, zum Beispiel, „Spiegel Online“ am Abend des 8. Januar einen bizarren Leer-Text mit blöden Fragen zum Coming-Out von Thomas Hitzlsperger veröffentlichte, lässt sich am besten damit erklären, dass zu diesem Zeitpunkt eigentlich alles schon gesagt worden war, und zwar viele Male, aber die Artikel immer noch so gut geklickt wurden, dass ein weiterer Artikel weitere Klicks versprach, zur Not dann eben ohne Inhalt.

Wie viele sinnlose Aufgeregtheiten wird ein Medium produzieren, das von jeder sinnlosen Aufgeregtheit profitiert, die es produziert? All diese Atemlosigkeit, die „Spiegel Online“ ausstrahlt, fühlt sich für mich immer häufiger nach einem Medium an, das kurz vor einem Burn-Out steht. Oder bei mir als Leser einen auslöst. Und es ist ja nicht nur „Spiegel Online“.

Wild winkend, hüpfend, johlend kämpfen im Netz Artikel um meine Aufmerksamkeit, betteln darum, geklickt zu werden. Im Zweifel gewinnt eine übergeigte Überschrift, die durch den Inhalt des Artikels kaum gedeckt wird. Im Zweifel gewinnt die besonders steile These, die besonders überdrehte Pointierung, die besonders skandalisierende Interpretation.

Natürlich tue ich mit dieser Pauschalisierung Kollegen und Medien Unrecht, natürlich gibt es viele, die verantwortungsvoll berichten und wissen, dass es einem seriösen Medium, das einen Ruf zu verlieren hat, schaden würde, alles der Klickmaximierung unterzuordnen. Bei süddeutsche.de, zum Beispiel, hat man sich von früheren Auswüchsen deutlich sichtbar verabschiedet.

Es ist aber nicht so leicht, angesichts der knappen Kassen und der ökonomischen Logik, bewusst auf einen möglichen Klick zu verzichten. Wenn sich ein Medium entscheidet, einen albernen Hype um irgendein Boulevardthema nicht mitzumachen, auf den gerade alle anspringen, verzichtet es im Zweifel auf bares Geld.

„Krautreporter“ ist ein Versuch, aus dieser Logik auszubrechen. Wir wollen ein Online-Magazin machen, das sich nicht über Werbung finanziert, sondern ausschließlich über unsere Leser. Sie ermöglichen es uns, nicht auf den billigen nächsten Klick schielen zu müssen. Wir bieten ihnen dafür einen im besten Sinne ausgeruhten Online-Journalismus, der ihnen etwas wert ist. Der aufregend ist, nicht aufgeregt.

Das ist der Traum. Und der Plan. Und jetzt probieren wir das mal.

Wir brauchen dafür 15.000 Menschen, die 60 Euro geben. Das reicht für ein Jahr, entspricht also 5 Euro im Monat.

Wir haben vier Wochen Zeit, diese Menschen zu gewinnen. Wenn wir es schaffen, gibt es ab Herbst Krautreporter. Wenn nicht, nicht.

Es hängt also von Ihnen ab.

Mehr über Krautreporter, die Idee, die Beteiligten und das Crowdfunding erfahren Sie hier.