Schlagwort: Lutz Bachmann

„Welt“ und „Leipziger Volkszeitung“ fallen auf falsche Pegida-Seite herein

Die „Leipziger Volkszeitung“ fand ihren Fund so bemerkenswert, dass sie die Öffentlichkeit am Dienstagnachmittag vorab in einer Pressemitteilung darüber informierte. Im Zusammenhang mit Forderungen der Grünen-Politikerin Claudia Roth, schärfer gegen die „Vergiftung des politischen Dialogs“ im Internet vorzugehen, hieß es darin:

Als Reaktion auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Bachmann hat sich eine Facebook-Gruppe „Solidarität mit Lutz Bachmann“ gebildet, die unter anderem die Todesstrafe für Kinderschänder fordert und die Grünen-Politikerin als „die schlimmste der Naturmatratzen Claudia ‚Fatima‘ Roth'“ mit angeborenem „Gehirngulasch“ bezeichnet. Unklar ist, ob Bachmann daran direkt beteiligt ist.

In ihrer Mittwochs-Ausgabe berichtete die LVZ auf Seite 5:

„Solidarität mit Lutz Bachmann“: Unterstützer machen bei Facebook mobil

Neue Internetseite für Ex-Pegida-Leitfigur / Angegriffene Bundestagsvizepräsidentin Roth verlangt schärferes Vorgehen gegen Hetze

Leipzig/Berlin. Seit einer Woche ist Lutz Bachmann nicht mehr Pegida-Leitfigur. Dem 42-Jährigen wurde offen zur Schau getragener Hass gegen Andersdenkende und Migranten zum Verhängnis. Er nannte sie in sozialen Netzwerken gern „Viehzeug“, „Dreckspack“ oder „Gelumpe“, soll auf Twitter sogar die Erschießung von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) gefordert haben. Weil solches Gebaren nicht zum aktuellen Pegida-Kurs passt, musste der Initiator gehen. Zugleich wurde eine neue Bachmann-Internetseite freigeschaltet: „Solidarität mit Lutz Bachmann“ heißt es nun bei Facebook. Mehr als 2500 User sind dabei, kondolieren dem Geschassten.

„Wir sind Lutz“ und „#jesuislutz“ lauten die Schlagworte auf dem Portal – in Anlehnung an die Solidarität mit den Terroropfern bei Charlie Hebdo. Auch eine geschwärzte HIV-Schleife ist zu sehen, die an das „Lügenpressen-Opfer Lutz Bachmann“ erinnern soll. Wie viele Pegida-Anhänger diese Schleife mindestens heimlich tragen, ist unklar. Plakate mit „Je suis Lutz“ waren zuletzt bei Pegida auf jeden Fall zu sehen.

Ums Bedauern geht es auch den meisten Nutzern des Portals. „Lutz, Du bist und bleibst das Herz von Pegida“, schreibt eine Rita M. „Die Linken dürfen alles und wenn man mal systemkritisch ist/wird, ja dann bist Du ein Nazi“, ergänzt ein Frank V. Für Daniel B. – der die Bundesrepublik für eine US-Kolonie hält – ist klar: „Ich kann nur meinen Hut davor ziehen, der Typ hat Eier“. Dem entgegnet Thomas R. allerdings „Hat er keine Eier, oder was?“ und moniert, dass Bachmann mit seinem Rücktritt eingeknickt sei. Manche Beiträge wie beispielsweise der vom „Arbeitskreis Schwule in der NPD“ lassen zumindest hoffen, dass das Solidaritätsportal nicht gänzlich ernst gemeint sein könnte. (…)

Da hat es am Ende doch tatsächlich ein winziger Zweifel geschafft, sich einen Weg in den LVZ-Artikel zu erkämpfen. Er hat alles andere nicht verhindern können, vor allem nicht den berauschend irren Gedanken, dass man die schwarzen Lutz-Bachmann-Solidaritäts-Schleifen womöglich nur deshalb nicht in der Öffentlichkeit sieht, weil die Pegida-Leute sie heimlich tragen und ihre Solidarität zum ehemaligen Chef dadurch zeigen, dass sie sie nicht zeigen. Aber immerhin steht er nun da, als einzelner Satz, und hält ein kleines „Womöglich nicht gänzlich ernst gemeint“-Warnschild in die Höhe.

Auf der Seite, die die „Leipziger Volkszeitung“ letztlich doch relativ überwiegend ziemlich fast ganz sicher für eine Unterstützerseite für Lutz Bachmann hielt, fand sich auch dieser Geburtstagsgruß:

Die „Unterstützer“ machten sich zudem Gedanken darüber, wer Bachmann nachfolgen könnte:

Nach eingehender Würdigung der Lebensleistung der verdienten Menschen, welche wir für die kommissarische Nachfolge von LUTZ im ORGA-Team vorschlagen wollen, konnten wir uns nach einem Kopf an Kopf-Rennen zwischen dem Reichskanzler des Deutschen Reiches und der Speerspitze des Widerstandes gegen die BRD-GmbH und Kämpfer gegen die andauernde Besatzung durch die alliierten Truppen in Deutschland Norbert Schittke und dem FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache für letzteren entscheiden. Norbert, gräm dich nicht, es war keine Entscheidung gegen dich, sondern für Heinz-Christian! Für diejenigen unter euch, welche HC Strache (gesprochen „Äitsch-si Strätschi“) noch nicht kennen: Hier ein kurzes Porträt des sympathischen 45-jährigen Lebemanns aus Wien. HC ist keine gewöhnliche queerdo-affine Schwesterwelle wie die anderen Sprechblaseningenieure und Bundesschwafler aus der Schwätzerkaste der Volkszertreter, sondern ein „Macher“ mit einem echten Sinn für das volksdeutsche Wahlvolk! Eben weil er sich tatsächlich für die Bürgerinteressen einsetzt, hat die Medienkrätze und LÜGENPRESSE bereits mehrmals versucht, HC mit Rechtsextremisten, von denen er und wir uns klar abgrenzen, in Verbindung zu bringen. Dabei scheuten die österreichischen Denkprothesen, von Gutmenschen als „Zeitungen“ bezeichnet, auch nicht vor gefälschten Bildern und gekauften Aussagen angeblicher ehemaliger „Kameraden“ von HC zurück. Das österreichische VOLK lässt sich, anders als der Großteil des bundesdeutschen Gutmenschen-Wahlviehs von solchen Nebelkerzen nicht verwirren, da sie anders als wir, nicht von einem von der amerikanischen Ostküstenfinanzmafia und ihren Erfüllungsgehilfen, der Lügenpresse, gepredigten Schuldkomplex an einem Krieg der 70 Jahre vorbei ist und an dem wenige Personen schuld waren, befallen sind. Dabei war damals keineswegs alles schlecht!!!

Als Reaktion auf Kommentatoren, die in der Seite Satire sahen, erschien ein Eintrag, in dem es zu den Hashtags #FürLutz! , #Bachmannvor, #LutzderErwecker und #Satireneindanke! hieß:

Liebe Freunde, aber auch an die ANTIFANTEN,
die grünrot-versiffte, sozialismusverseuchte, pädosexuelle Lügenpresse und die undeutschen Gutmenschen versuchen alles, um uns weiter zu diskreditieren. Die neue Strategie ist es jetzt, dass wir und unsere Ansichten als „Satire“ gebrandmarkt werden. Ihr KÖNNT uns mal. Wir werden noch sehen wie SATIRISCH es wird, wenn das DEUTSCHE VOLK sich erhebt und euch die Hölle heiß macht! Euch und euren Apologeten des Untergangs wie Claudia „Fatima“ Roth oder Cem „Mohammed“ Özdemir!!!!! Wir lassen uns nicht beirren. Für LUTZ, Für PEGIDA!!!! Fallt nicht auf die Kommentare der Spalter herein!!! Sie versuchen uns zu entzweien!!!!

Um es kurz zu machen: Hinter der Facebookseite stehen keine Unterstützer von Lutz Bachmann oder Pegida. Im Gegenteil. Es handelt sich um eine Satire, die die die neurechte Rhetorik in überspitzter Form persifliert. Darauf reingefallen sind wohl auch zahlreiche Pegida-Anhänger, die anfeuerten, kommentierten, „gefällt mir“ klickten und teilten.

Vor knapp 24 Stunden postete der Seitenbetreiber folgende Auflösung:

Liebe Freunde,
Nun möchte ich euch noch eine kleine Anleitung für den Fall geben, dass auch ihr demnächst eine nette, kleine Hetzseite bei Facebook oder irgendwo anders im Weltnetz aufbauen wollt.
Oder auch: Wie sammle ich 2700 Pegidioten in einer Woche:
Zunächst gilt es den passenden emotionalen Moment abzuwarten.
Anschließend ist es wichtig, dass dieser Moment zur Stärkung der Bindung bis zum Erbrechen ausgeschlachtet wird bzw. dass es eine Art Symbolfigur gibt, welche man blind und vollkommen unkritisch zusammen anbeten kann. In diesem Zusammenhang möglichst süße/ pathetische Bilder anfertigen, die den Anhängern als Götzen dienen können und sich gegebenenfalls auch als Titelbild der eigenen Facebookseite gut machen.
Zudem eine zweite Fakeseite bauen, dann rumposaunen dass diese Fake ist, um der ersten Fakeseite mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Ganz wichtig: das richtige Vokabular. Sollte mehrmals pro Post benutzt werden:
Linksgrün-versifft
Antifanten/(SA)ntifa
Pädo-/ pädophil
Lügenpresse/ Systempresse
Gesinnungsdiktatur
Ökofaschisten
Volk
Wir
Sind
Und ganz generell scheint ein analfixierter Sprachgebrauch im Pegidatrend zu liegen.
Zudem immer mal wieder einwerfen, dass man ja keine rechten/ antisemitischen/ islamophoben/ frauenfeindliche/ verschwörungstheoretischen Inhalte vertritt und keinen Hass auf Ausländer, Politiker, Presse, Schwule streut, um dann spätestens ein bis zwei Sätze danach das komplette Gegenteil zu praktizieren.
Wenn man kein Unmensch ist, baut man natürlich auch in jeden Post Hinweise auf den satirischen Charakter der Seite ein, welche aber von fast allen Beteiligten geflissentlich ignoriert/nicht verstanden werden.
Zudem möglichst glaubwürdige und seriöse Quellen heranziehen:
z. B. HC Strache, Christian Anders, Akif Pirinçci
Ach ja, und an alle Pegidioten, die vor 3 Wochen noch Charly waren. Das hier nennt sich auch Satire. Ich gehe daher davon aus, dass ihr die Sache hier auch sehr lustig findet
„grin“-Emoticon

Und kleiner Tipp am Rande. Manchmal lohnt es sich ALLES zu lesen und nicht nur die fünf Wörter, die man ansprechend und überfällig findet. (Nach „Wir sind das Volk“ geht’s meistens noch weiter) Falls ihr tatsächlich immer alles gelesen und damit übereingestimmt habt, dann seid ihr lupenreine Nazis.
Liebe Grüße!

Seit Mittwoch früh steht dieser Cartoon im Seitenkopf:

Trotzdem fiel am Mittwochnachmittag nach der „Leipziger Volkszeitung“ auch noch die „Welt“ auf die Satire herein und schrieb:

Facebook-Seite „Solidarität mit Lutz Bachmann“

Auf Facebook wurde unterdessen die Seite „Solidarität mit Lutz Bachmann“ eingerichtet. Bereits mehr als 3600 Nutzer unterstützen die ehemalige Pegida-Leitfigur. „Lasst nicht zu, dass die linksgrünen Antifanten unseren Lutz in eine rechte Ecke drängen, bloß weil er sich satirisch mit Adolf Hitler auseinandergesetzt hat“, heißt es auf der Seite.

In einem anderen Beitrag wird Bachmann wörtlich wie folgt gewürdigt: „Lutz hat es geschafft, das Meinungsmonopol der linksgrün-versifften Systempresse endlich aufzubrechen. Der Sturm, der bald losbricht, ist zu einem großen Teil sein Verdienst.“

Kolportiert werden auch Verschwörungstheorien: „Die Hinweise über einen im Hintergrund erzwungenen Führungswechsel bei Pegida mehren sich. Pedigda und unser Lutz sind der Führungsclique der BRD-GmbH zu ungemütlich und mächtig geworden. Deshalb hat man ihn schrittweise mundtot gemacht.“

Mag sein, dass gerade im Umfeld von Pegida Satire und Realität ganz besonders schwer zu unterscheiden sind. Aber Journalisten könnten vielleicht wenigstens den Versuch unternehmen.

Nachtrag, 1:25 Uhr. Die „Welt“ hat ihren Artikel korrigiert.

Nachtrag, 10:00 Uhr. Die „Leipziger Volkszeitung“ hat die Online-Version ihres Artikels um ein Update ergänzt.

Nachtrag, 10:30 Uhr. Die falsche Seite hat es auch in die gedruckte „Welt“ von heute geschafft.