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Phänomenologie: Die Reisewarnung

(Falls Sie am Sonntag in der FAS meine Glosse über die „Reisewarnung“ gelesen und sich gefragt haben, wo denn da der Witz ist: Es könnte daran liegen, dass ein nicht ganz unentscheidender Halbsatz beim Kürzen versehentlich rausgefallen ist. Dies ist die unredigierte Original-Fassung.)

Der Reiseveranstalter hat gute Nachrichten: Das britische Außenministerium warnt nur noch davor, Nosy Be zu besuchen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Das sei eine deutliche Verbesserung gegenüber der Situation vier Tage zuvor, als das britische Außenministerium noch vor jedem Besuch der zu Madagaskar gehörenden Insel warnte. Man sei zuversichtlich, schreibt der Reiseveranstalter, dass es bis zu unserem Urlaubsbeginn eine weitere Herabstufung geben werde.

Feine Sache, auch wenn ich Probleme habe, mir die nächstharmlosere Formulierung konkret auszumalen. „Reisen Sie nur dann nach Nosy Be, wenn es Ihnen mittel- bis ziemlich wichtig ist, Sie sich den Urlaub wirklich verdient haben und Ihre Reiserücktrittsversicherung eine Absage nicht zahlt“? (Trifft in unserem Fall natürlich alles zu.)

Am weißen Sandstrand der Ferieninsel waren vor einer guten Woche auf einem Scheiterhaufen zwei Franzosen gelyncht worden, die für den Tod eines Achtjährigen verantwortlich gemacht wurden. Angeblich sollen in ihren Kühlschränken menschliche Organe gefunden worden sein, die wohl auch gern bei „lokal üblichen kultischen Ritualen“ verwendet werden, wie es hieß. Das ist ein bisschen mehr Brauchtum, als man sich als Urlauber wünscht.

Jedenfalls ist die Reise nun aber anscheinend auch dann nicht ungefährlich, wenn man sich nicht persönlich als Organhändler betätigt. Dank Internet kann man die Reisewarnungen aller Herren Länder vergleichen. Die amerikanische Botschaft in der Hauptstadt Antananarivo empfiehlt Reisenden, „sehr ernsthaft zu prüfen“, ob sie wirklich nach Nosy Be reisen müssen, solange die Behörden die „Ordnung“ nicht wiederhergestellt haben. Die französische Regierung erklärt ihren Bürgern, dass sie, wenn sie im Moment schon unbedingt nach Nosy Be reisen wollen, die einheimische Bevölkerung nicht durch „arrogantes Auftreten“ ärgern sollen. Und das deutsche Auswärtige Amt schreibt bündig: „Von Urlaubs- und Geschäftsreisen auf die Ferieninsel Nosy Bé wird derzeit dringend abgeraten.“

Das „dringend“ in diesem Satz klingt, als sei es extra für Leute geschrieben worden, die versucht sind, sich auf beschwichtigende Nachrichten ihres Reiseveranstalters oder halbrelativierend klingende Hinweise anderer Regierungen, die sie sich im Internet zusammengesucht haben, zu verlassen. Aber wir haben ja noch drei Wochen.

(Das britische Außenministerium hat übrigens inzwischen tatsächlich die Warnung noch weiter heruntergestuft und sagt nun nur noch, man solle sehr aufpassen.)