Durch einige Redaktionen des Landes hallte dieser Tage ein kollektives „Höhö“, mancherorts war auch ein leises Hecheln zu hören oder, im Zimmer eines Chefredakteurs, sogar ein Grunzen. Der Grund: die Aufklärungssendung „Make Love“ im ZDF, die schon von sich reden machte, als sie noch im MDR lief.
Nun erklärt das ZDF: „Liebe machen kann man lernen“. Und wieder stürzt sich die einschlägige Journaille auf die durchaus expliziten Sex-Szenen, die allerdings so behutsam inszeniert sind, dass man schon äußerst katholisch leben muss, damit einem das aufstößt. Aber ein erigierter Penis, zumal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, sorgt eben auch 2015 noch für catchy Überschriften (siehe oben) und ein wenig schwülwarme Restempörung, die manchmal lustig ist, manchmal bigott, wenn sie ausgerechnet aus der Redaktion der „Bild“ herüberweht.
Worüber kaum jemand spricht, ist die altbackene, teils rätselhafte Bildsprache, auch jenseits der Sexszenen, mit der „Make Love“ schon im MDR auffiel. Zu Beginn dieser Staffel nun sieht man zunächst, wie sich Moderatorin und Sex-Therapeutin Ann-Marlene Henning ein Paar beim Sex ansieht. Auf einer Hauswand.
Manchmal scheint sie selbst überrascht, was da auf der Hauswand so passiert, auch wenn sie das beim Dreh gar nicht sehen konnte, weil die Szenen ja erst im Schnitt eingefügt wurden. Aber Phantasie ist beim Sex bekanntlich nicht abträglich.
Eigenartiger wird es, wenn ein Professor die Dinge einordnet, aber nie im Vollbild zu sehen ist. Auch der Professor redet auf Häusern, über die er halbtransparent gelegt wird. Was leider dazu führt, dass der Professor Fenster auf der Wange hat. Oder auf dem Ohr. Jedenfalls in den Fällen, in den man ihn nicht erst suchen muss. Das sieht alles nicht nur komisch aus, ich kann mich auch nicht mehr erinnern, was der Professor überhaupt gesagt hat.
Beim letzten Bild ist es übrigens offenbar so, dass der Professor das, was er sagt, zu Frau Henning sagt, die – kaum zu erkennen – links neben dem Professor über den Bürgersteig schlendert. Ist jetzt nicht so nett. Läuft sie einfach weg, während der Professor mit ihr spricht. Aber, andererseits: Sie haben den Professor ja auch auf Heuballen projiziert. Ein Meilenhaufen der Bildgestaltung.
Vermutlich liegt der inhaltliche Bezug zum Thema irgendwo hinten im Feld und zieht sich gerade aus, aber so richtig erschließt sich das nicht. In der ersten Staffel wurde der Professor manchmal auf eine aus der Vogelperspektive aufgenommene Straße projiziert, auf der Autos fahren. Er lag quasi auf der Fahrbahn. Ein Kollege wies mich damals darauf hin, dass der Professor ja über, höhö, Verkehr rede, es also logisch sei, dass er das auch im Verkehr mache.
Das Schlimme ist: Ich fürchte seither, dass das tatsächlich so gemeint war.
Die schriftlichen Infos bei „Make Love“ sind ebenfalls Text-Bild-Rätsel. Meistens stehen sie so in der Landschaft rum, zum Beispiel vor einer Kirche. Manchmal läuft die Moderatorin auch an den Buchstaben vorbei und wirft einen Schatten auf sie, was sicher die ein oder andere Graphik-Stunde gekostet hat.
Oder die Buchstaben werden lustig von Wasser aus einem Wasserrad weggespült.
Und irgendeinen Grund wird es haben, dass die „weibliche Ejakulation“ aus dem Himmel purzelt und auf einer Dachrinne landet, wo sie dann, wie ihre Freunde vor der Kirche, ein wenig rumsteht.
Die „weibliche Ejakulation“ auf der Mauer vor dem Wasserrad einzublenden, wäre ja noch halbwegs einleuchtend gewesen – aber auf einer Dachrinne?
Und was soll uns das nächste Bild sagen? Wir sehen: Eine Frau, die offenbar mit ihrem Smartphone eine Hauswand aufnimmt, auf der ein Paar Sex hat, was mittels einer Art Röntgen-Graphik verdeutlicht wird. Sehr modern. (Bis auf den Rock.)
Aber was wird eingeblendet und worum geht es im Off-Text?
Genau, um die Zeit „300 v. Chr.“ – und, ja, ich weiß, dass es aus dieser Zeit keine Filmaufnahmen gibt. Aber ich glaube, dass man das mit den Mitteln des Fernsehens alles logischer, packender, also kurz: besser machen kann, machen muss.
Allerdings geht einem dann unter Umständen, wenn man anschließend darüber schreibt, eine super klickbare Überschrift (siehe oben) flöten.
Die nächste Folge von „Make Love“, dann zum Thema „Sex trotz Hindernissen“, läuft am 4. August 2015 um 22.45 Uhr im ZDF. Die erste Folge ist hier (immer ab 22 Uhr) zu sehen.